E-Book, Deutsch, 448 Seiten
Calman Ein Cottage in Devon
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-98952-199-5
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Roman | Zwei Familien, ein traumhafter Urlaub - und wohlgehütete Geheimnisse, die ihre Schatten werfen
E-Book, Deutsch, 448 Seiten
ISBN: 978-3-98952-199-5
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Claire Calman, 1969 geboren, hat mehrere Jahre für das Fernsehen, Frauenmagazine und als Verlagslektorin gearbeitet, ehe sie mit ihrem ersten Roman »Der Himmel über Kent« auf Anhieb einen Bestseller landete. Seitdem hat sie eine Reihe romantischer Romane geschrieben und wurde in Magazinen und Anthologien veröffentlicht. Sie hat einen Sohn und lebt in London. Die Website der Autorin: www.clairecalman.co.uk/ Bei dotbooks veröffentlichte die Autorin ihre romantischen Romane »Der Himmel über Kent«, »Ein Cottage in Devon« und »Ein Nachbar mit gewissen Vorzügen«.
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Miranda und Simon
»Alles klar?« Simon wischte nach dem Abendessen den Küchentisch ab, während Miranda das Geschirr in die Spülmaschine räumte.
»Sicher, mir geht’s gut.«
»Du siehst blass aus.«
»Mir geht’s gut.«
»Ich muss schon sagen, Kath hätte uns wirklich fragen können, bevor sie ihre ganze Familie einlädt. Das ist schließlich auch unser Urlaub.«
Sogar wenn Simon haargenau ihre eigene Meinung äußerte, ging er ihr auf die Nerven. Alles an ihm machte sie im Moment einfach wahnsinnig; sie konnte es kaum ertragen, sich im selben Raum aufzuhalten. Und das Gefühl beruhte offensichtlich auf Gegenseitigkeit. Sie fühlte sich, als hätte sich ihre äußerste Hautschicht unbemerkt abgelöst, sodass sie nun extrem empfindlich auf die leiseste Reizung reagierte. Himmel – sogar die Art, wie Simon seinen Becher mit der linken Hand umschloss und den Henkel rechts abstehen ließ, machte sie schier verrückt. Warum konnte er seinen Becher nicht richtig halten, wie jeder normale Mensch?
Sie öffnete den Kühlschrank auf der Suche nach Mineralwasser, nur damit er einen Moment lang hinter der dicken Tür verschwand. Außerdem ließ sie die Tür ein paar Sekunden länger offen als nötig, bis sie ihr Glas gefüllt hatte, und weidete sich daran, dass jede einzelne dieser Sekunden, während der Kühlschrank offen stand, für Simon eine Qual sein musste. Tatsächlich hörte sie ihn leise seufzen: Musst du die Kühlschranktür so lange offenstehen lassen? Das ist eine solche Energieverschwendung.
»Ich mache sie ja schon zu, Herrgott noch mal!«, fuhr sie ihn an, obwohl er kein Wort gesagt hatte. »Du darfst Kath das nicht vorwerfen. Ich bin sicher, die anderen haben sie dazu überredet.«
»Sie ist kein kleines Kind.«
»Sie wollte es doch nur den anderen recht machen.«
»Dann ist es ja kein Wunder, dass die so egoistisch sind, wenn Kath sich nie gegen ihre Familie zur Wehr setzt. Rob führt sich auf wie ein verzogener Teenager, und was ihren Vater angeht ...« Simon gab einen Laut von sich, eine Mischung aus einem missbilligenden Zungenschnalzen und dem seltsamen Quieken, das entstand, wenn er mit der Unterlippe an den oberen Schneidezähnen saugte, ein Anblick, den Miranda im Moment mehr als abstoßend fand. Dieser ärgerliche, verächtliche Laut war eigentlich für gierige internationale Großkonzerne reserviert, für Ölgesellschaften, McDonald’s und, anscheinend ebenso verdammenswert, für Leute, die mit dem Auto zum Recycling-Container fuhren und somit unnötig fossile Brennstoffe verbrauchten, während sie vorgaben, besonders tugendhaft zu handeln. Kaths Vater Giles jedoch spielte für Simons Begriffe in einer eigenen Liga: Er war nicht nur wohlhabend, er trug außerdem Anzüge und fuhr einen Jaguar mit unerträglich hohem Benzinverbrauch. Schlimmer noch, er war Jurist – allerdings kein Anwalt, der als Pflichtverteidiger für arme Leute arbeitete oder jenen bedauernswerten Opfern des einseitigen, von Vorurteilen geprägten Rechtssystems zu ihrem Recht verhalf. Nein. Giles war Teilhaber einer Anwaltskanzlei und spezialisiert auf Belange der petrochemischen Industrie. Was Simon anging, könnte Giles ebenso gut das Teufelsmal auf der Stirn tragen.
»Na, so was, wer wird denn hier Vorurteile haben?« Miranda trank ihr Glas aus und spülte es unter fließendem Wasser, allein zu dem Zweck, Simon auf die Nerven zu gehen. »Du kennst sie kaum, trotzdem hast du sie schon abgeschrieben, und das ohne faire Gerichtsverhandlung. Rob und Giles sind absolut –« Sie suchte nach den richtigen Worten, um ihn zu verärgern. »Absolut gute, anständige menschliche Wesen.« Sie ging zurück zur Spülmaschine, knallte die Tür zu und drückte dann absichtlich auf »Intensiv« statt auf den grünen Knopf, den Simon immer wählte: »Eco«.
Einen Moment lang stellte Miranda sich vor, wie Kath hier in der Küche saß und über Rob und Giles jammerte. Aber das würde sie nicht tun, oder? Von Kath hörte man kaum je etwas anderes als milde Kritik an ihrem Bruder und ihrem Vater – selbst wenn es um Vorfälle ging, bei denen jeder andere einen Tobsuchtsanfall bekommen hätte. Wie damals, als Giles Rob zum einundzwanzigsten Geburtstag ein brandneues Auto geschenkt hatte. Was hatte Kath dreieinhalb Jahre später zum Einundzwanzigsten bekommen? Einen Scheck. Und nein, der hätte nicht für ein Auto gereicht – für diese Summe hätte man kaum ein halbwegs anständiges Fahrrad kaufen können. Kaths Mutter Constance war rot geworden, als sie den Betrag gesehen hatte, war hinauf ins Schlafzimmer gerannt und atemlos und mit glänzenden Augen wieder heruntergekommen – mit einem abgewetzten Samtkästchen in der Hand. Darin lag eine Perlenkette. Connie hatte sie Kath rasch um den Hals gelegt, den Protest ihrer Tochter ignoriert und behauptet, sie habe ihr die Kette schon immer zum einundzwanzigsten Geburtstag schenken wollen, obwohl alle wussten, dass sie sie für Kaths Hochzeitstag aufgehoben hatte. Umso besser, denn den Tag von Kaths und Joes Hochzeit hatte Connie nicht mehr erlebt.
»Si?«
Simon blickte auf, als Miranda ihn so überraschend zärtlich ansprach. Er schob den Beutel Kräutertee in seinem Becher herum und tippte dann mit dem Löffel gegen das Porzellan, als wolle er um Aufmerksamkeit bitten.
»Vielleicht ist dieser Urlaub doch keine so gute Idee.«
Er trank einen Schluck Tee und wartete ab, so unerträglich geduldig wie immer.
»Abgesehen von allem anderen, du weißt doch, dass Anna sowieso viel zu viel allein ist – und jetzt wird nicht mal ein Kind in ihrem Alter dabei sein, mit dem sie spielen könnte. Sie verträgt sich gut mit Polly und Luke, aber mit den beiden wird ihr bestimmt bald langweilig. Meinst du nicht, dass sie mehr Anregung hätte, wenn wir hierbleiben? In London kann man so viel mehr unternehmen – Museen, Galerien, der Zoo, das Marionettentheater, und sie könnte ihre Freundinnen besuchen.«
»Hast du nicht gesagt, die wären über Ostern alle verreist?«
»Nicht alle. Die Bradleys sind bestimmt da.«
»War das nicht deren Tochter, die Anna geschubst hat?«
»Ach was. Sie haben nur herumgealbert, weiter nichts.«
»Anna hat geweint.«
»Kinder weinen so leicht.« Miranda nahm den Lappen, wischte die blitzsaubere Arbeitsplatte ab und wünschte, sie hätte diese Unterhaltung gar nicht erst angefangen. »Sie hat sich doch gleich wieder beruhigt.«
»Und?«
»Und was?«
»Was für Gründe gibt es sonst noch dafür, dass du auf einmal nicht mitfahren willst? Dass du es dir anders überlegt hast, obwohl wir uns alle seit Monaten auf diesen Urlaub freuen?«
Miranda unterdrückte den starken Impuls, Simon den Becher, der mit einem albernen Umweltschützer-Spruch bedruckt war, aus der Hand zu reißen und ihm über den Kopf zu ziehen.
»Es ist ja nicht so, dass ich nicht mehr fahren wollte, Simon. Ich brauche dringend Urlaub, wie du sehr wohl weißt. Du bist derjenige, der gerade über Rob und Giles gemeckert hat – du musst Rob ertragen, wenn er dir mit seiner Unreife und seiner Angeberei über seinen jüngsten Deal auf die Nerven geht, und du wirst dich todsicher irgendwann mit Giles über das Thema fossile Brennstoffe streiten. Mich stören die beiden überhaupt nicht, ich habe vor, zu lesen und spazieren zu gehen, da werde ich kaum merken, dass sie da sind – du wirst dich über sie aufregen.«
Simon sagte nichts, sondern lehnte sich mit undurchdringlicher Miene an die Küchenzeile. Miranda begann energisch den noch feuchten Küchentisch zu putzen und fegte sich umständlich ein paar übrig gebliebene Krümel in die Hand.
»Aber es stimmt schon, das Timing ist nicht gerade ideal – wir stecken bis zu den Ohren in Sonderbestellungen – um diese Jahreszeit wollen alle Schuhe mit passenden Handtaschen.« Bei diesen Worten warf Simon einen raschen, aber vielsagenden Blick auf seine abgetragenen braunen Stiefel, eine spielerische Geste, die Miranda früher zum Lachen gebracht hätte. Jetzt konnte sie diese Dinger kaum ansehen, ohne sich zu ekeln; sie war sicher, dass er sie fast ausschließlich deshalb trug, um sie zu ärgern – falls das stimmte, war seine Strategie erfolgreich. Die Stiefel waren so braun, so abgeschabt, so sklavisch praktisch – sie hatte noch nie derart entschieden stillose Schuhe gesehen.
Sie führ fort: »Alle heiraten im Mai, Juni oder Juli und bestellen jetzt ihre Schuhe.«
»Alle?«
»Du weißt, was ich meine. Um diese Jahreszeit haben wir immer besonders viel zu tun. Ich weiß nicht, ob ich es da rechtfertigen kann, mir eine ganze Woche freizunehmen.« Simon steckte den Löffel wieder in seinen Kräutertee und rührte langsam um. Miranda blieb äußerlich ruhig, während sie innerlich versuchte, sein unvermeidliches Gegenargument zu erraten, damit sie ihren nächsten Schachzug planen konnte. Er würde sagen, es sei egoistisch von ihr, Anna um ihren Urlaub zu bringen, das Mädchen freue sich schon ewig darauf, einmal direkt am Meer zu wohnen. Dann würde Miranda die Tatsache ins Spiel bringen müssen, dass sie in London eine Menge ganz besonderer Sachen mit Anna unternehmen könnten, die sie auch toll finden würde, und wenn sie nicht fuhren, würden sie auch nicht einen ganzen Tag auf der M3 und der A303 im Stau stehen und Abgase in die Luft blasen müssen. Den Gedanken fände Simon natürlich schrecklich, also würde er sagen -
»Okay.«
»Wie bitte?«
»Okay. Wenn du wirklich glaubst, du hättest zu viel zu tun, schön. Dann ist es besser, du bleibst zu Hause, weil du dich im Urlaub sowieso nicht entspannen könntest, sondern dauernd am Handy hängen und dich furchtbar aufregen müsstest. Anna und ich fahren allein. Ich glaube, dass sie dort viel Spaß...