E-Book, Deutsch, Band 3, 352 Seiten
Reihe: Archie-Sheridan-Reihe
Cain Gretchen
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-641-12814-2
Verlag: Limes
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Thriller - [Archie-Sheridan-Reihe 3]
E-Book, Deutsch, Band 3, 352 Seiten
Reihe: Archie-Sheridan-Reihe
ISBN: 978-3-641-12814-2
Verlag: Limes
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Gretchen Lowell ist zurück - das tödliche Finale!
Schon zwei Mal hat Detective Archie Sheridan den teuflischen Tanz um Leben und Tod mit der schönen Serienmörderin Gretchen Lowell überlebt. Es hat ihn alles gekostet, sie hinter Gitter zu bringen - beinahe sogar das Leben. Doch Gretchen Lowell ist die Flucht gelungen, und nun glaubt jeder, dass sie wieder zuschlagen wird. Tatsächlich kommt es zu einer neuen grausamen Mordserie. Auf den ersten Blick trägt sie die Handschrift von Gretchen Lowell - doch die Details stimmen nicht. Eine Botschaft an Archie?
Chelsea Cain, geboren 1972, ist Journalistin und Schriftstellerin. Mit ihren Thrillern um die schöne Serienmörderin Gretchen Lowell hat sie einen fulminanten Erfolg beim internationalen Publikum erzielt und ist seitdem eine der erfolgreichsten Thrillerautorinnen weltweit. Mit »K -Kidnapped« legt sie nun den ersten Teil einer sensationellen neuen Serie um die toughe Heldin Kick Lannigan vor. Chelsea Cain lebt in Portland, Oregon.
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10
Es gab acht Therapiesitzungen am Tag in der psychiatrischen Abteilung des Providence Hospital. Archie ging zu vier. Zwei Gruppen über geistige Gesundheit. Zwei zum Thema Arzneimittelmissbrauch. Archie wusste nicht, warum sie sich die Mühe machten, die Sitzungen zu unterteilen. Es nahmen immer die gleichen Leute teil. Die meisten gingen in alle Sitzungen. Auf diese Weise waren sie zwischen den einzelnen Folgen von Animal Planet beschäftigt. »Möchten Sie bleiben?«, fragte ihn Sarah Rosenberg. »Nein«, sagte Archie. Er hatte geholfen, die Tische zur Seite zu schieben und die Stühle dann in einem Kreis aufzustellen. »Jetzt sind die Schizophrenen und Bipolaren dran. Die Depressiven treffen sich erst um zwei.« »Ihr Humor kehrt zurück«, sagte Rosenberg. »Ist das ein gutes Zeichen?«, fragte Archie. Er folgte ihr über den Flur zu den Zimmern für Einzelberatung. Er traf sich jeden Tag für fünfundzwanzig Minuten mit Rosenberg. Warum nicht einfach eine halbe Stunde, wusste er nicht. Vermutlich hatte es versicherungstechnische Gründe. »Wie geht es Debbie?«, fragte sie. Archie setzte sich in einen der beiden braunen Kunstledersessel, die einander in dem Raum gegenüberstanden. Ein leichter Regen schlug ans Fenster. »Sie ist wahrscheinlich ein wenig angespannt«, sagte er. Rosenberg nahm in dem anderen Sessel Platz und stellte ihren Kaffeebecher auf der Armlehne ab. »Was ist passiert?« Archie wusste nicht, wie viel Henry an die Öffentlichkeit gegeben hatte. »Ich denke nur, dass es anstrengend sein muss, da draußen zu leben und zu wissen, dass Gretchen jederzeit auftauchen könnte.« »Gefällt es ihr in Vancouver?«, fragte Rosenberg. »Sie fühlt sich sicherer, weil sie in einem andern Bundesstaat ist«, sagte Archie. Die Wahrheit war, dass sie nicht viel miteinander sprachen. Sie kam einmal in der Woche von Vancouver im Staat Washington herüber und brachte die Kinder zu Besuch vorbei, aber sie selbst blieb nicht. Sie ging neuerdings mit einem Unternehmer in Sachen alternativer Energie aus, was immer das sein mochte. Sie setzten die Kinder ab und gingen in die Stadt zum Essen. »Ich versuche, alles möglichst unkompliziert für sie zu machen.« Rosenberg neigte den Kopf und sah Archie durchdringend an. »Es ist wichtig für Sie, dass Debbie sich sicher fühlt.« Archie legte den Kopf in den Nacken und sah zur Decke. Über ihm war ein Sprinkler. Nur für den Fall, dass er in Flammen aufging. »Ja.« Sie schwiegen eine Weile. Archie hörte im Zimmer nebenan jemanden schreien. »Fühlen Sie sich sicher?«, fragte Rosenberg. Archie hob den Kopf wieder und schwenkte den Finger vor ihr hin und her. »Ich glaube, ich weiß, worauf Sie hinauswollen.« Rosenberg beugte sich vor und stützte die Ellenbogen auf die Oberschenkel. »Sie sind von den Schmerztabletten losgekommen. Ihre Gesundheit hat sich stabilisiert. Sie müssen das Krankenhaus verlassen. Es hat ein ausgezeichnetes ambulantes Programm. Sie werden eine Menge Unterstützung bekommen.« Archie schüttelte den Kopf. Selbst wenn er gehen wollte, er hätte nicht gewusst, wohin. »Meine Leberwerte sind noch hoch«, sagte er. »Bei der Menge an Vicodin, die Sie geschluckt haben, erstaunt es mich ehrlich gesagt, dass Sie nicht auf der Warteliste für eine Transplantation stehen«, sagte Rosenberg. »Wenn Sie wollen, dass ich Sie bleiben lasse, müssen Sie guten Willen zeigen. Sie müssen üben, außerhalb dieses Krankenhauses zu funktionieren. Sie sind Stufe vier. Gehen Sie spazieren.« Der Regen wurde stärker. Archie schaute aus dem Fenster. Der Boden war zu trocken. Es würde Überschwemmungen geben. »Sie ist da draußen«, sagte er. Er konnte sie fühlen. Der Gedanke war idiotisch, Menschen fühlten die Gegenwart eines anderen nicht. Er war kein Hellseher. Er glaubte nicht an Auras, Seelenverbindungen oder kosmische Beziehungen. Und doch wusste er – so wie er nur irgendetwas wusste –, dass Gretchen nie sehr weit von ihm entfernt war. Rosenberg legte ihre Hand auf seine und sah ihm in die Augen. »Es wird immer Serienmörder geben«, sagte sie. »Es wird immer Bären im Wald geben.« Sie drückte seine Hand. »Schlimme Dinge geschehen nun mal. Menschen sterben.« Archie konnte sich nicht konzentrieren. Das Geschrei auf der anderen Seite des Flurs wurde lauter. Eine Frauenstimme. Aber Archie erkannte nicht, wem sie gehörte. Er überlegte, was im Augenblick auf Animal Planet lief. Rosenberg saß da und sah ihn an. Wartete. So war das in der Psychiatrie, alle beobachteten einen die ganze Zeit und warteten darauf, dass man zuckte oder schrie oder sagte, es ginge einem wieder besser, vielen Dank für alles. Archie hatte die Kunst des Wartens beherrscht. Es war eine nützliche Fähigkeit, wenn man Zeugen vernahm. Freundliches Schweigen. Fast alle Leute verspürten den Drang, die Stille zu füllen, und das war dann der Augenblick, in dem die Einzelheiten zum Vorschein kamen. Die Leute erzählten einem alles, nur um nicht still dasitzen zu müssen. Aber Archie hatte sich noch immer nicht daran gewöhnt, dass er derjenige war, der reden sollte. Er zog seine Hand unter Rosenbergs weg. »Stellen Sie einfach Ihre Fragen«, sagte er. Die Fragen, und er durfte gehen. Die Sitzungen mit Rosenberg endeten immer mit denselben drei Fragen. Hat sich seit gestern etwas geändert? Bewerten Sie Ihre Stimmung. Irgendwelche unmittelbaren Probleme? »Wenn Sie hier rauskommen«, sagte Rosenberg, »liegt immer noch ein Leben vor Ihnen.« Was für ein Leben? Er hatte seine Familie vertrieben. Sein Job war fraglich. Er wusste nicht, wo er wohnen sollte. Das Einzige, was er hatte, war Gretchen. Er würde natürlich gehen müssen, das war ihm klar. Aber jetzt noch nicht. Er war noch nicht bereit dafür. Er besaß einen Trumpf, und er beschloss, ihn auszuspielen. Er sah der Psychologin in die Augen. »Ich bin immer noch eine Gefahr für mich selbst«, sagte er. Er wusste, solange er das sagte, durften sie ihn nicht zwingen, das Krankenhaus zu verlassen. Aber zum ersten Mal seit zwei Monaten war es gelogen. Er wollte nicht sterben. Die Abmachung mit Gretchen war hinfällig. Sie hatte gedroht, wieder zu töten, wenn er sich umbrachte, und jetzt hatte sie trotzdem wieder angefangen. Es stand ihm frei zu tun, was er wollte, an seinen Händen würde nur sein eigenes Blut kleben. Und er wollte nicht sterben. Er wollte sie töten. Er wollte Gretchen töten. Deshalb musste er im Krankenhaus bleiben. Denn wenn er sich in die Welt zurück entließ, würde er sie jagen und ihr wehtun. Rosenberg legte die Stirn in Falten. »Irgendwann werden Sie sich vergeben müssen.« Sich selbst vergeben. Klar. Archie rieb sich mit einer Hand den Nacken und gestattete sich ein sarkastisches Lachen. »Sarah«, sagte er. »Ich habe mit einer Serienmörderin geschlafen.« Rosenberg ließ sich nicht aus dem Takt bringen. »Für was hassen Sie sich mehr?«, fragte sie. Sie wartete. Aber die Schweigemethode funktionierte nicht. Auf dem Flur war zu viel Geschrei. Archie blickte in Richtung Tür. »Die werden schon damit fertig«, sagte Rosenberg. Ein Krachen hallte durch die Wände. Sie wussten beide, was es war. Ein Plastikstuhl, der gegen das bruchsichere Glas geflogen war. Archie stand auf. Noch mehr Schreie. »Ruft den Sicherheitsdienst«, brüllte jemand. Archie trat in den Flur hinaus. Rosenberg war hinter ihm, zwei Schwestern bogen um die Ecke. Archie handelte automatisch. Durch die Tür. Drei Personen hasteten an ihm vorbei aus dem Raum, als er eintrat. Fünf Personen befanden sich noch darin. Der Psychologe, der blutend hinter einem umgestürzten Schreibtisch kauerte. Zwei Frauen, die wie erstarrt an der Wand standen. Frank, der mit gespreizten Knien auf einem Plastikstuhl saß und verwirrt grinste. Und die Frau, die vornübergebeugt und schreiend in der Mitte des Raums stand und eine blutige Scherbe aus irgendeinem harten Material in der Hand hielt. »Ach du Scheiße«, sagte Archie. Die Frau hieß Courtenay Taggart. Sie war mit bandagierten Handgelenken von der Notaufnahme hier heraufverlegt worden, hatte es dann geschafft, ein Stück Kunststofffurnier von dem eingebauten Nachttisch in ihrem Zimmer abzuschälen, und versucht, die Sache zu Ende zu bringen. Seitdem war sie wegen Selbstmordgefährdung unter ständiger Beobachtung. Man hatte alles außer einer Matratze aus ihrem Zimmer entfernt. Die Tür war nie abgeschlossen. Rund um die Uhr saß jemand vom Personal in einem Sessel vor ihrer Tür. Archie hatte sie ein paarmal gesehen, wenn er auf dem Flur vorbeigegangen war. Sie lag immer wie ein Kind auf ihrem Bett. Jetzt fuhr sie zu ihm herum und hielt sich die Scherbe an die weiche Haut ihres Halses. Offenbar hatte sie eine neue Furnierquelle gefunden. »Was tust du da, Courtenay?«, fragte Archie. Er schätzte sie auf etwa zwanzig. Sie hätte vielleicht jünger ausgesehen, wenn sie Zivilkleidung statt des grünen Krankenhauspyjamas getragen hätte. Ihr blond gefärbtes Haar war nach hinten gekämmt. Ihr Gesicht war rosa gerötet wie von einem Sonnenbrand. Sie hatte ein hübsches Gesicht, runde Wangen und eine von Natur aus makellose Haut. Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber dann huschte ihr Blick an Archie vorbei zu einem Punkt hinter ihm. Er wandte den Kopf und sah einen der Krankenpfleger vorsichtig zur Tür hereinkommen. Es war ein junger Kerl, groß und kräftig, der aus lauter Neunziggradwinkeln bestand, mit kurz geschnittenem Haar und kantigem Gesicht. Archie hatte ihn schon im Flur gesehen, wenn er aufwischte oder ein...