E-Book, Deutsch, 308 Seiten
C. Wahrheit oder Pflicht
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-96089-010-2
Verlag: dead soft verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 308 Seiten
ISBN: 978-3-96089-010-2
Verlag: dead soft verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ben Forman ist so damit beschäftigt, allen Leuten zu gefallen, dass er sogar seine eigene Homosexualität verleugnet. Und zwar seit so langer Zeit, dass er sich fast selbst überzeugt hat, hetero zu sein. Bis der heiße Anwalt Micah Trains in sein Leben tritt. Micah ist brillant, lustig und ehrgeizig. Da er davon ausgeht, dass Ben schwul ist, beginnt er, ihn zu daten. Zum ersten Mal in seinem Leben ist Ben wirklich glücklich, daher hat er nicht die Kraft, Micah zu widerstehen. Jetzt muss er sich der Wahrheit stellen und herausfinden, wer er wirklich ist. Wahrheit oder Pflicht ist ein Titel der Home Storys Reihe.
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Kapitel 1
Ich bin nicht schwul. Ich bin nicht schwul. Ich bin nicht schwul. Ich weiß, ihr denkt, das ist ein ziemlich verrücktes Mantra für jemanden, der hetero ist. Aber vielleicht wird es wirklich wahr, wenn ich es ständig denke. Ich meine, ich sehe nicht schwul aus oder so. Ich bin 1,90m groß, muskulös und habe breite Schultern. Das ist wirklich nicht schmal oder mädchenhaft. Und ich bin sportlich. Ich habe in der Schulauswahl der Highschool gespielt, in der Uni-Auswahl auf dem College und spiele noch immer Baseball. Ich habe eine tiefe, kräftige Stimme. Kein Lispeln in Sicht. Außerdem – Frauen mögen mich. Ich hatte immer Freundinnen. Immer. Also, ich bin nicht schwul, korrekt? Es muss eine andere logische Erklärung geben, warum ich in den Toilettenräumen stehe, meinen harten Schwanz in der Hand habe und an den neuen Typen auf meiner Arbeit denke. Zum dritten Mal an diesem Tag. Und es ist nicht einmal Mittag. Vielleicht hat Schwulsein auch nichts zu tun mit all diesen Stereotypen. Vielleicht meint ‚Schwulsein‘ auch, dass egal, wie sehr ich es mir wünsche, ich niemals so auf eine Frau reagieren würde. Mit Herzklopfen, Schweißausbrüchen, Atemlosigkeit und einer Erektion. Denn genau das passiert, wenn ich Micah Trains ansehe und er seine Finger durch sein sehr kurz geschnittenes braunes Haar gleiten lässt. Mist. Mist. Mist. Vielleicht bin ich wirklich schwul. „Ben, bist du hier?“ Ich stopfte meinen Schwanz rasch wieder zurück in meine Hose. „Ja, ich bin in einer Sekunde draußen.“ Meine Stimme klang atemlos und ich fragte mich, ob das auch jemand anderes erkennen konnte. Meine Hände zitterten, als ich zum Waschbecken ging und den Hahn aufdrehte. Ich weiß, ich weiß, das ist jämmerlich. Okay, du musst aufhören, dich wie ein Teenager zu verhalten, der gerade von seiner Mutter beim Wichsen erwischt wurde. Kein Mensch weiß, was du hier drin gemacht hast. Und selbst wenn es jemand vermuten würde, niemand würde wissen, an wen du gedacht hast. Also komm runter und versuch ganz normal zu wirken. Aber ich wusste, es war nicht normal, sich selbst gut zuzureden, während ein Arbeitskollege vor der Tür stand und auf mich wartete. Ich wusste auch, dass es nicht normal war, solche Dinge über den neuen Anwalt im Büro zu denken. Das musste aufhören. Die Fantasien, die Tagträume, die Bilder. Okay, das war alles das Gleiche, aber es musste jetzt aufhören. Ich zog einige Papiertücher aus dem Spender und trocknete langsam meine Hände ab. Als ich sicher war, dass meine Hose wieder flach anlag, alle Beweise meiner Erregung verschwunden waren, trat ich durch die Tür. Tucker Jones, einer der Partner in meiner Arbeitsgruppe, wartete auf mich. Und ich wandte instinktiv meine Augen ab, als ich an ihm vorbeiging. „Was ist los, Tucker? Brauchst du etwas?“ Ich hörte, wie er hinter mir seufzte und wusste, dass er bemerkt hatte, dass ich ihm nicht in die Augen sah. Wieder einmal. Und mir wurde klar, dass er glauben musste, ich wäre nicht ganz klar im Kopf, da ich immer wie auf der Flucht war, sobald er in der Nähe auftauchte. Aber ich hatte keine Alternative. Ich hatte die Befürchtung, dass er es herausfinden würde, sobald ich zu viel sagte oder ihn näher kennenlernte. Es ist nämlich so, Tucker ist schwul. Und mein Bruder Noah sagt immer, dass er weiß, ob andere Typen schwul sind oder nicht. Mein Bruder, der größer ist als ich, stärker, noch sportlicher, zur Hölle, er ist sogar männlicher als ich. Und er ist so schwul, dass mir kein Vergleich einfällt, und hat nichts Besseres zu tun, als es jedem auf die Nase zu binden. Während er Händchen hält mit meinem ehemaligen Mitbewohner. Sogar, wenn jeder es sehen kann. Lustig, ich habe seit Ewigkeiten nicht mehr über Clark, meinen Mitbewohner, nachgedacht. Nicht seit ich wieder angefangen habe, Zeit mit ihm und Noah zu verbringen, nachdem ich mich für Jahre von ihnen entfremdet hatte. Die beiden zusammen zu sehen, hat Clarks Status in meinem Kopf geändert – erst war er mein Freund, jetzt ist er der von Noah. Oder sein Partner? Wie auch immer sie es nennen, es gibt keinen Zweifel darüber, was sie füreinander sind. Wenn man sieht, wie sie sich anhimmeln, aufeinander achtgeben, ein Blinder würde sehen, dass sie sich lieben. Zehn Jahre. So lange sind Noah und Clark schon zusammen. Noch länger, wenn man die Zeit hinzurechnet, die sie als Freunde zusammen waren. Die Zeit, in der sie abgewartet haben, bis Noah seine Highschool beendet hatte. Und ich habe die gleichen Jahre damit verbracht, mich zu fragen, warum ich den Drang nicht unterdrücken konnte, Clark nackt zu sehen, ihn anzufassen, ihn zu schmecken. Egal, wie viele Frauen ich gedatet habe oder mit wie vielen ich geschlafen habe, ich konnte diesen Wunsch niemals unterdrücken. Nichts hat geholfen. Erst als ich wieder anfing, mit beiden Zeit zu verbringen. Als ich damit anfing, wurde es klar, dass Clark und Noah zusammengehören. Ich hätte keine Chance gehabt, und zur Hölle, ich wollte sie auch gar nicht mehr. Wer möchte sich schon in den Weg stellen bei so einer Art der Beziehung? Also hörten die „nackter Clark“-Fantasien auf und ich dachte, vielleicht wäre es jetzt okay. Vielleicht wäre ich jetzt endlich fähig, eine Frau zu finden für eine längere Beziehung, wie Noah es immer so eloquent formuliert: für länger als eine Tube Zahnpasta. (Unter uns, das ist eine passende Beschreibung, denn meine Tube Zahnpasta ist länger bei mir als jede Freundin. Sogar ohne dass man die Tube bis zur Falz aufrollt, um auch noch das letzte bisschen herauszuquetschen.) Aber dann kam Micah Trains in unser Büro, trug ein scharfes weißes Hemd, eine rot-blau gestreifte Krawatte, enge Chinos und einen navyblauen Blazer, und ich war verloren. Komplett und total verloren. Meine alten Clark-Fantasien haben nichts gemeinsam mit den Dingen, zu denen mich Micah inspiriert. Was darauf folgte, waren die Wichssessions, die nicht einmal den Ansatz meiner Bedürfnisse befriedigten. Wie auch immer, weil Tucker Jones, der Partner, der noch immer vor der Toilette auf mich wartete, selbst schwul ist, vermutete ich, dass er auch so ein „Gaydar“ hatte wie Noah. Und dann könnte er es herausfinden. Ich meine, wahrscheinlich nicht, weil ich mich völlig normal verhielt. Aber ich wollte das Schicksal nicht herausfordern, daher versuchte ich, Tucker so weit zu meiden, wie es möglich war. „Ich habe eine Konferenzschaltung mit einem neuen Klienten in ein paar Minuten.“ Tucker hörte sich frustriert an. „Randy sagte, er würde ebenfalls dabei sein können, aber sein Meeting dauert länger als gedacht, daher schafft er es nicht.“ Tucker folgte mir in mein Büro. Ich setzte mich an den Tisch, schob einige Papiere hin und her und gab damit vor, eine Menge zu tun zu haben, während er von einem Fuß auf den anderen trat. Ich konnte das sehen, da ich meinen Augen nicht erlaubte, höher zu wandern als bis zu den Knien des Mannes. Weil ich nichts erwiderte, sprach er weiter. „Ich würde es auch allein machen, aber das ist ein wichtiger Klient und ein ziemlich komplizierter Sachverhalt, ich würde mich besser fühlen, wenn einer der anderen Partner anwesend wäre, um mich zu unterstützen. Kannst du das machen? Es wird nur etwas Zeit kosten und du kannst es abrechnen.“ Ich sah keinen Weg, da herauszukommen, also zwang ich mich zu einem Nicken und sah zu ihm auf. „Klar. Ich freue mich, wenn ich dir helfen kann mit dem Gespräch. Sollen wir es in meinem Büro machen oder in deinem?“ Ich wurde sofort rot, als diese Worte meinen Mund verlassen hatten. Hörte sich das etwa so an, als würde ich ihm einen unsittlichen Antrag machen? Das war nicht meine Intention gewesen. Ich meine, Tucker sah gut aus, aber er hatte einen festen Freund und nebenbei war er auch nicht mein Typ. Ich zog Männer vor, die etwas älter waren als ich, nicht jünger. Jemanden mit Selbstbewusstsein und Ausstrahlung. Jemanden mit rauen Kanten. Jemanden wie … Frauen. Ich zog Frauen vor. Ja, richtig. Habt ihr das begriffen? Und es wird schwerer und schwerer, mich selbst zu überzeugen, dass das jemals wahr sein könnte. *** Ich arbeitete lange am Freitag, nicht, weil ich etwas Zeitaufwendiges zu tun hatte, was fertig werden musste, sondern weil ich nichts anderes zu tun hatte. Meine Freundin wollte, dass ich sie zu einer Dinnerparty bei ihren Freunden begleitete, aber ich lehnte höflich ab. Das war eine lange Woche und das Letzte, was ich wollte, war der Stress, die ganze Nacht über unterwegs zu sein. Ich entschied mich, mir eine Limo zu holen und dann den Feinschliff an dieser Verkaufsvereinbarung zu erledigen. Als ich den Gang in die Halle nahm, war ich vollkommen fokussiert auf den Fall, dachte noch einmal genau über die Entschädigungsklauseln nach und ob eine verpflichtende Schlichtung Sinn ergab in diesem speziellen Fall. (Ich habe niemals behauptet, ich wäre interessant. Ich bin Anwalt für Gesellschafts- und Körperschaftsrecht. Das ist nicht der Job, mit dem man sich Kronleuchter aufhängen könnte, aber man kann damit die Rechnungen bezahlen.) Als ich also aus der Küche herauskam, sah ich einen Mann dort stehen, und alle Gedanken, die sich auf meine Arbeit bezogen, flohen aus meinem Kopf, während mein Blut beschloss, südwärts zu fließen. Micah Trains lehnte sich gegen die Ecke, direkt vor der Mikrowelle, und las in einem Dokument. Seine Nase war etwas größer als durchschnittlich und ein wenig krumm, als wäre sie öfter als zwei Mal gebrochen...