Bußmann Ich habe mich vor nichts im Leben gefürchtet
4. Auflage 2013
ISBN: 978-3-406-65793-1
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: PDF
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die ungewöhnliche Geschichte der Therese Prinzessin von Bayern 1850 - 1925
E-Book, Deutsch, 355 Seiten
ISBN: 978-3-406-65793-1
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: PDF
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Hadumod Bußman ist promovierte Literaturwissenschaftlerin, Linguistin, Publizistin und Kuratorin der Therese-von-Bayern-Stiftung, eines Programms zur Förderung von Frauen in der Wissenschaft.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Weltgeschichte & Geschichte einzelner Länder und Gebietsräume Deutsche Geschichte Deutsche Geschichte: Regional- & Stadtgeschichte
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Geschichtswissenschaft Allgemein Biographien & Autobiographien: Historisch, Politisch, Militärisch
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Geschichtliche Themen Mentalitäts- und Sozialgeschichte
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1.
Geburt in der Münchner Residenz
«Ihre Kaiserliche Hoheit, die Frau Prinzessin Luitpold sind um halb Ein Uhr Mittag von einer Prinzeßin glücklich entbunden worden.» Mit diesem ärztlichen Bulletin aus der Münchner Residenz wurde die Geburt der Prinzessin Therese bekanntgegeben. «Als den 12. November 1850 die langgewünschte Tochter das Licht der Welt erblickte», notiert die Mutter in ihrem Tagebuch, «war der Vater zu Thränen bewegt u. umarmte seine Frau. Diese fühlte sich überglücklich.»[1]
«Thereschen», wie die Eltern sie zärtlich nennen, wird – obgleich sie ein Mädchen zu einer Zeit ist, in der eigentlich nur Prinzen zählen – von Eltern und Großeltern nicht zuletzt deshalb so freudig begrüßt, weil sie das Glück hat, die erste und einzige kleine Prinzessin in der bayerischen Königsfamilie zu sein. Vor allem aber wird sie als drittes Kind nach zwei gesunden Söhnen geboren, so dass durch die beiden älteren Brüder Prinz Ludwig, den späteren König Ludwig III., und Prinz Leopold die dynastisch notwendige männliche Nachkommenschaft hinreichend gesichert war. Denn der fünf Jahre ältere Bruder Ludwig, der pünktlich neun Monate nach der Eheschließung, am 7. Januar 1845 zur Welt kam, hatte als erster Spross einer neuen Generation die Wittelsbacher etwaiger Sorgen um die königliche Nachfolge enthoben. Zunächst hatte die Luitpold-Familie sogar geglaubt, mit ihrem Ältesten einen unmittelbaren Thronfolger hervorgebracht zu haben – eine Hoffnung, die aber bereits nach acht Monaten zunichte wurde, als das Kronprinzenpaar Prinzessin Marie (1825–1889) und Maximilian (1811–1864) ebenfalls einen Sohn bekamen – den späteren König Ludwig II.
Die Taufe der kleinen Prinzessin auf die Namen Therese Charlotte Marianne Auguste findet zwei Tage nach der Geburt durch den Erzbischof von München-Freising im festlichen, in Weiß und Gold gehaltenen Thronsaal der Münchner Residenz statt, in welchem aus diesem Anlass eigens ein Altar errichtet wird. Wie es die Tradition vorgibt, werden als Namensgeberinnen enge Verwandte von Geblüt ausgewählt: väterlicherseits ihre sächsische Großmutter und Namenspatin Therese (1792–1854), die Frau von König Ludwig I. von Bayern (1786–1868), außerdem Thereses Großtante Charlotta Augusta von Österreich (1792–1873), Tochter von Maximilian I. Josef von Bayern und vierte Gemahlin von Kaiser Franz I. von Österreich, sowie von mütterlicher Seite die bereits verstorbene sächsische Großmutter Maria Anna (1799–1832), Großherzogin von Toskana.
Der Vater, Prinz Luitpold (1821–1912), hatte sich 1841 in Neapel auf seiner ersten Kavaliersreise in die damals sechzehnjährige toskanische Prinzessin Auguste – «eine anmutige Mädchenknospe» – verliebt. Die notwendige Zustimmung seines Vaters, König Ludwigs I. (1786–1868), zu diesem standesgemäßen Bund lässt allerdings wegen der schwächelnden Gesundheit der Prinzessin auf sich warten. Ihre angegriffene Lunge schien auf ein Familienleiden hinzudeuten, das sich bereits über drei Generationen fortgepflanzt hatte. Nach einigen zögerlichen familiären Verhandlungen kann die Hochzeit zwischen den beiden Fürstenkindern schließlich am 15. April 1844 im Dom von Florenz stattfinden. Sie wird zu einem Ereignis von großem Gepränge: Zahlreich sind die noblen Hochzeitsgäste, zahlreich ist auch das höfische Gefolge aus München. Kein Wunder, dass man zehn sechsspännige Galawagen benötigt, um vom Palazzo Pitti in den Dom zu gelangen. Fünf Tage später folgt dann der feierliche Einzug des frisch vermählten Paares in München, wo schon auf der Sendlinger Straße der höfische Tross vom Volke mit stürmischen «Lebehochs» begrüßt wird.[2]
wurde am 12. März 1821 in Würzburg, in dem (ehemaligen) fürstbischöflichen Residenzgebäude geboren. Unter neun Geschwistern ist er das mittlere, fünfte Kind von Prinzessin und Prinz Ludwig von Bayern, dem späteren König Ludwig I. Ihm vorausgegangen sind zwei Brüder: Maximilian (1811–1864), ab 1848 König Maximilian II. von Bayern, und Otto (1815–1867), nachmaliger König von Griechenland, sowie die beiden Schwestern Mathilde (1813–1862), die spätere Großherzogin von Hessen-Darmstadt, und die im Alter von sechs Monaten verstorbene Theodolinde.
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Der Vater Ludwig I. verordnet seinen drei Söhnen Maximilian, Otto und Luitpold einen strengen Unterrichtsplan und erlässt Instruktionen zu deren Erziehung, die er selbst bis in alle Details minutiös überwacht. Von der Vermutung ausgehend, dass er als drittgeborener Sohn wenig Aussicht hätte, König zu werden, entscheidet sich Prinz Luitpold schon früh für die Armee, und zwar wohlüberlegt für die Artillerie, für diejenige Waffengattung, die seiner Meinung nach an die wissenschaftliche Vorbildung, insbesondere in Mathematik, die höchsten Anforderungen stellt. Er erhält vorzüglichen Unterricht in naturwissenschaftlichen Fächern, aber auch in den Künsten, und spielt mit Vorliebe Piano. Großes Gewicht liegt auf körperlicher Ertüchtigung, so dass Luitpold in der Lage ist, ohne Mühen den Starnberger See zwischen Schloss Berg und Possenhofen zu durchschwimmen. Außerdem gilt er als eleganter Mazurka-Tänzer und passionierter Bergsteiger. Auf Wunsch des Vaters besucht er auch für fortgeschrittenere Studien keine Universität, sondern erhält seine «akademische» Ausbildung durch privaten Unterricht. Er betreibt selbständig intensive Sprachstudien, die es ihm später ermöglichen, sich mit vielen Gesandten in deren jeweiliger Muttersprache zu unterhalten.
Seine militärische Karriere vom Hauptmann bis zum Generalmajor verläuft – selbst für ein Mitglied des Königshauses – überaus zügig: Mit sieben Jahren wird er bereits Hauptmann der Münchner Landwehrartillerie, mit siebzehn Jahren erhält er den Hubertus-Orden; sobald die Volljährigkeit erreicht ist, tritt er in den aktiven Dienst in der bayerischen Armee ein, wird alsbald zum Oberstinhaber des 1. Artillerieregiments ernannt sowie zum Georgiritter geschlagen und übernimmt gleichzeitig das Amt des Großpriors dieses hohen Ritterordens. Mit neunzehn Jahren tritt er in die Reichsratskammer ein, mit zwanzig wird er zum Oberst befördert. Dabei entspricht es ganz dem persönlichen Wunsch des jungen Prinzen, alle militärischen und politischen Funktionen von Grund auf zu erlernen. Schließlich will er ein mögliches nicht seiner Geburt, sondern ausschließlich seinen persönlichen Bemühungen und seiner Befähigung verdanken.
Prinzessin Auguste war das starke Weib der heiligen Schrift –
stark im Glauben, stark im Wollen, stark im Vollbringen.[3]
Thereses Mutter Auguste von Toskana ist eine Ur-Urenkelin von Kaiserin Maria Theresia (1717–1780). Ihr vollständiger Titel «Kaiserliche Prinzessin und Erzherzogin von Österreich, Königliche Prinzessin von Ungarn und Böhmen, sowie Großherzogliche Prinzessin von Toscana» verdankt sich der österreichisch-habsburgischen, ungarischen und toskanischen Geschichte. Als Tochter der Großherzogin Maria Anna von Toskana, geb. Prinzessin von Sachsen (1799–1832), und des letzten regierenden Großherzogs Leopold II. von Toskana (1797–1870) wird sie am Karfreitag, den 1. April, im Jahr 1825 im Palazzo Pitti in Florenz geboren. Die Mutter stirbt bereits 1832 an einem Lungenleiden, als Auguste erst sieben Jahre alt ist. Ein ähnlich viel zu früher Verlust der Mutter wird auch Therese widerfahren. Die Erziehung der drei Kinder übernimmt auf Wunsch der Verstorbenen deren Schwester, die aus dem sächsischen Königshaus stammende und seit 1824 verwitwete Großherzogin Maria von Toskana. Sie erfüllt diese Pflicht mit «wahrhaft mütterlicher Liebe, Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt» und lässt ihren Schützlingen eine «durchaus deutsche Erziehung angedeihen»,[4] eine – wie sich bald herausstellen wird – glückliche Voraussetzung für Augustes Ehe mit dem späteren Prinzregenten Luitpold.
Auguste wächst zu einer sehr gebildeten, politisch interessierten,...