E-Book, Deutsch, Band 11, 240 Seiten
Reihe: Bergischer Krimi
Buslau Neandermord
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-86358-331-6
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 11, 240 Seiten
Reihe: Bergischer Krimi
ISBN: 978-3-86358-331-6
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Alles hätte so gut laufen können: Der Wuppertaler Privatdetektiv Remigius Rott genießt den Sommer, schnüffelt ein wenig einer untreuen Ehefrau nach, fährt ins idyllische Neandertal - und wird ganz in die Nähe der Fundstelle des berühmten Frühmenschen Zeuge eines Mordes. Ein Wettlauf mit der Polizei beginnt: eine atemberaubende Jagd durch das Bergische Land.
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1 Ich drückte auf den Auslöser. Einmal, zweimal, dreimal, viermal. Die Digitalkamera schoss die Bilder völlig geräuschlos. Marianne Kleiber und der Mann, der neben ihr auf der Wiese saß, redeten ungezwungen miteinander. Was sie sagten, konnte ich nicht verstehen, denn uns trennten etwa zwanzig, dreißig Meter grüner Schwimmbadrasen. Womöglich sprachen sie über das Wetter. Seit drei Tagen schmorten Wuppertal, NRW und ganz Deutschland unter Temperaturen von fast vierzig Grad. Keine Klimaerwärmung, sondern Hochsommer. Das reicht nicht, dachte ich. Lass den Small Talk. Zeig mir was, womit ich was anfangen kann. Marianne Kleiber versuchte nicht, auf Abstand zu gehen. Dabei war der Mann nicht gerade attraktiv. Anfang vierzig, leichter Schmerbauch. Hautfarbe eher blass. Nichts auf den Armen. Jetzt blitzte etwas in der Sonne. Marianne Kleiber hatte ein Feuerzeug aus ihren Sachen gekramt und zündete sich eine Zigarette an. Der Mann redete weiter auf sie ein. Langweilte er sie? Wahrscheinlich. Sie rauchte, und ihr Blick schweifte umher. Ganz kurz fasste sie auch mich ins Auge. Die Kamera konnte sie nicht sehen, sie lag in mein T-Shirt eingewickelt auf meiner Sporttasche, und ich mimte den entspannten Schwimmbadbesucher. Der Mann quatschte weiter. Mach schon, dachte ich. Du willst doch sicher auch eine rauchen, oder? Und du hast kein Feuer … Als hätte der Mann meine Gedanken gelesen, griff er hinüber zu seinem Badetuch und holte sich eine Zigarettenpackung. Langsam, aber dabei immer noch redend, zog er eine der Zigaretten heraus. Jetzt kam der Moment! Er beugte sich zu Marianne Kleiber hinüber. Betont langsam, damit ich auch ja alles aufs Bild bekam. Sie bewegte den Oberkörper ein Stück in seine Richtung und kam ihm dabei mit ihrem üppigen Busen ziemlich nahe. Sehr gut! Ich drückte wieder auf den Auslöser. Als sie die Position wechselte und sich das Höschen ihres grünen Bikinis zurechtzupfte, hatte ich das Beste im Kasten. Da drüben wurde es jetzt richtig gemütlich. Marianne Kleibers rötliches Haar leuchtete im hellen Licht. Entspannt schob sie die Sonnenbrille auf die Stirn. Der Mann ließ sie jetzt auch mal zu Wort kommen. Wieder schoss ich zwei, drei Fotos. Jetzt war ihr Gesicht viel besser zu erkennen. Ein paar Minuten redeten sie noch, dann kam dem Mann wohl endlich eine Idee, wie man die Sache etwas prickelnder gestalten könnte. Er beugte sich vor und streckte den Arm aus. Er sagte etwas. Ich synchronisierte innerlich. Sie haben da ein Tier an der Schulter, darf ich … Sie drehte sich um – ganz offensichtlich erschrocken wegen des vermeintlichen Insekts, aber nicht, weil sie ein Unbekannter berührte. Dafür lächelte sie ihn zu eindeutig an. Schon weg, sagte der Mann jetzt wahrscheinlich, und Marianne Kleiber lachte so hell auf, dass ich es sogar hier hinten hören konnte. Wieder ließ ich die Kamera arbeiten. »Schau mal den Spanner.« Eine kesse Mädchenstimme. Ich sah zur Seite. Ein Stück weiter am Hang lagen drei Grazien nebeneinander. Höchstens siebzehn. Interessierte Gesichter. Sie mussten gerade erst gekommen sein. Ich hatte mich extra nach hier oben an den Rand der Liegewiese verkrochen. Die Digicam hatte vernünftigen Zoom. »Der macht Fotos.« »Echt?« Pubertäres Giggeln. Verdammt. Was machte ich, wenn sie den Bademeister riefen? Obwohl ich schon so lange in der Sonne brutzelte, brach mir der Schweiß aus. Sie lachten nur, aber sie unternahmen nichts. Kein Wunder, seitdem selbst die Jugendzeitschriften vor Pornos nicht haltmachten. Trotzdem war es wohl besser, die Kamera erst mal verschwinden zu lassen. Ehe Marianne Kleiber noch bemerkte, dass sie fotografiert wurde … Ich wollte die Sony gerade in die Tasche schieben, da passierte es. Der E-Gitarrenriff von Abbas »Waterloo«. Die drei Mädels glotzten mich an, als hätte ich keinen guten Oldie, sondern Heino als Klingelton. Ich kramte nach dem Handy und ließ die Kamera in die Tasche rutschen. »Rott.« Es knackte in der Leitung. Schlechte Verbindung. Vielleicht, weil das Schwimmbad so tief im Tal lag. »Hallo?«, rief ich. »Spreche ich mit Herrn Remigius Rott?« »Am Apparat.« Eine Männerstimme. Ein Kunde. Das hörte ich sofort. »Ich brauche Ihre Hilfe, Herr Rott.« Ich bin gefragt, dachte ich. Gefragt und erfolgreich. Wäre es nicht sowieso schon so heiß gewesen, hätte ich das warme Gefühl, das mich durchrieselte, genossen. Die drei jungen Schönen sahen wieder woandershin. Trotzdem waren sie so nah, dass sie das Gespräch mitbekommen würden. »Geht es um einen Auftrag?« »Das meinte ich. Kann ich Sie treffen?« »Ich bin gerade mit einem anderen Fall beschäftigt. Ich bin allerdings morgen im Büro.« »Das ist zu spät. Geht es nicht heute noch?« »Hören Sie, ich …« »Heute Abend?« Ich überlegte. Ich brauchte noch ein paar bessere Fotos und musste deshalb erst mal im Schwimmbad bleiben. Aber ewig würde das nicht mehr dauern. »Gut«, sagte ich. »So gegen sieben?« »In Ordnung.« »Haben Sie meine Adresse?« »Ja. Bis dann.« Er legte auf. So liebte ich es! Klare Ansagen. Kein Drumherum. Um sieben ein neuer Klient. Zack, zack, zack! Ich hörte schon die Kasse klingeln. Ich verstaute das Telefon und blickte in die Runde. Die drei Mädels waren beschäftigt. Die eine hatte weiße Stöpsel in den Ohren und tippte auf einem MP3-Player herum. Die zweite döste, und die dritte guckte auf den Rasen und drehte nachdenklich eine Strähne ihres blonden Haares um den Zeigefinger. Was machte unser flirtendes Paar? Marianne Kleiber rauchte, der Mann rauchte. Ein Stück Silberfolie glänzte. Es stammte aus der Zigarettenpackung und diente als Aschenbecher. Sie schwiegen. Ich musste auf neue Aktionen warten. Wohlig streckte ich mich auf dem Rücken aus, starrte in den märchenhaft blauen, wolkenlosen Himmel und versuchte gleichzeitig, die beiden Turteltauben nicht ganz aus den Augen zu verlieren. Ein Zitronenfalter torkelte durch mein Gesichtsfeld. Ich drehte den Kopf, um seinen Weg zu verfolgen, und betrachtete die hohen, mit dichtem Grün belaubten Bäume am Hang, wo sich der kleine Schmetterling in den Schatten verlor. Eine Brise kam aus dem Wald und brachte die Kühle des Vogelsangbachs mit. Aus der Richtung der blauen Schwimmbecken kamen platschende Geräusche. Kinder schrien von ferne. Ich schloss die Augen und tat das, was mir Jutta immer wieder geraten hatte: das Leben genießen. Sekunde für Sekunde, Atemzug für Atemzug. Lange genug hatte mir das nicht gelingen wollen. Jahrelang war ich Auftrag um Auftrag hinterher gehechtet, immer nahe am finanziellen Abgrund. Aber einmal musste sich das ja ändern. Und einmal musste es ja wieder einen märchenhaften Sommer geben. Was war ich zufrieden! Ich war mit einem Superauftrag versorgt, der mir den dienstlichen Aufenthalt im Schwimmbad ermöglichte. Sogar den Eintrittspreis konnte ich als Spesen geltend machen. Endlich, dachte ich. Endlich komme ich auch mal zum Zuge. Endlich kann ich arbeiten, und es fühlt sich gar nicht wie Arbeit an. Na gut, es ging natürlich auch anders. Jutta zum Beispiel verbrachte ihren Urlaub am liebsten in der Karibik, fuhr im Winter einen ganzen Monat zum Skifahren, und ihr Konto quoll trotzdem über wie alle drei Tage bei mir zu Hause der Mülleimer. Nur kein Neid jetzt, sagte ich mir. Du musst zufrieden sein. Das Schwimmbad »In der Mirke« in Wuppertal ist eben deine Karibik. Ich atmete ein paarmal tief durch und öffnete die Augen. Die gute Nachricht: Die drei Grazien waren verschwunden. Sie hatten nur ihre Badelaken liegen gelassen. Die schlechte Nachricht: Marianne Kleiber hatte die männliche Versuchung zwei Meter weiter noch immer nicht als solche erkannt. Keine wirkliche Berührung. Geschweige denn Geknutsche. Oder hatte ich was verpasst? Auf dem Bauch liegend, die Ellbogen aufgestützt, blätterte Madame in einer Zeitschrift. Die Sonnenbrille war wieder auf ihrer Nase. Der Mann hatte sich auf sein eigenes Badelaken zurückgezogen und betrachtete sie. Nach ein paar Minuten drehte er den Kopf zu mir. Ich erwiderte seinen Blick. Ich weiß auch nicht, was du jetzt tun sollst, dachte ich. Wieder das Handy. Diesmal ein rhythmisches Summen. Ich sollte das Ding bei der Arbeit ausschalten, dachte ich. Ich seufzte, zog das Telefon wieder heraus. Eine SMS: Nachricht für Sie auf Ihrem ab. Melde mich wieder. Krüger. Was sollte das jetzt? Krüger? War das der Mann, der eben angerufen hatte? Er hatte seinen Namen nicht genannt. Die Nachricht wirkte, als wüsste dieser Krüger, dass ich mit seinem Namen etwas anfangen konnte. Es fiel mir nur ein einziger Krüger ein, auf den das zutraf. Der schickte aber keine SMS, wenn er etwas von mir wollte, sondern er rief an. Oder schickte seinen grünen Trachtenverein mit den Schirmmützen. Das muss ein Irrtum sein, dachte ich. Abgesehen davon ist es sicher kein Fehler, zu Hause mal den AB abzuhören. Ich sah auf die Uhr. Halb sechs durch. In knapp anderthalb Stunden würde das Freibad schließen. Als ob sie denselben Gedanken gehabt hätte, stand weiter unten Marianne Kleiber auf, faltete ihr Tuch zusammen und steckte es mitsamt der Zeitschrift in eine Ibizatasche. Sie holte ein T-Shirt und eine dreiviertellange Jeans heraus, zog beides über den grünen Bikini und machte Anstalten zu gehen. Ein Gruß an den Mann auf dem...