Buntfuß / Barniske | Luther verstehen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 370 Seiten, Format (B × H): 155 mm x 230 mm

Buntfuß / Barniske Luther verstehen

Person – Werk – Wirkung
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-374-04716-1
Verlag: Evangelische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Person – Werk – Wirkung

E-Book, Deutsch, 370 Seiten, Format (B × H): 155 mm x 230 mm

ISBN: 978-3-374-04716-1
Verlag: Evangelische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Protestanten orientieren sich weniger an dogmatischen Instruktionen und kirchlichen Institutionen als an konkreten Personen, die ihre religiöse Überzeugung in exemplarischer Weise leben und reflektieren. Bis heute verbindet sich die reformatorische Glaubensweise deshalb mit dem bleibenden Eindruck der maßgeblichen reformatorischen Persönlichkeiten. Diesen Umstand in Bezug auf die Person Martin Luthers, sein Werk und seine Wirkung kritisch zu würdigen, ist die Absicht der vorliegenden Beiträge aus theologischen und philosophischen Perspektiven. Dabei kommen u. a. Luthers Stellung zum Alten Testament und dem Judentum, sein Beitrag zu einer Theorie des Übersetzens, zur Entwicklung des Theaters und zur Deutung der Engel und des Christkinds sowie die psychoanalytische Luther-Rezeption im 20. Jahrhundert in den Blick.

Mit Beiträgen von Friedemann Barniske, Markus Buntfuß, Jörg Dittmer, Andreas Gössner, Andreas Heyl, Renate Jost, Konstanze Kemnitzer, Ingo Klitzsch, Peter L. Oesterreich, Michael Pietsch, Klaus Raschzok, Stefan Seiler und Christian Strecker.

[Understanding Luther. Person – Work – Impact]
Protestants are less oriented towards dogmatic instructions and church institutions than towards specific individuals who live and reflect their religious beliefs in an exemplary way. To this day the reformatory tradition is therefore shaped by the lasting impression of important reformatory personalities. In the light of this, the contributions of this volume want to give from theological and philosophical perspectives a critical appraisal of the person of Martin Luther, of his work and its impact. The topics covered include Luther’s attitude towards the Old Testament and Judaism, his contribution to a theory of translation, his conception regarding the angels and the Christ Child, the theological and psychoanalytical reception of Luther in the 20th century and his contribution to the development of theatre.

Buntfuß / Barniske Luther verstehen jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


MARTIN LUTHER PSYCHOANALYTISCH VERSTEHEN
Eine Auseinandersetzung mit Erik Eriksons »Young man Luther«
Konstanze Kemnitzer 1. DIE »PSYCHOBIOGRAPHIE« ERIKSONS IM KONTEXT DER AUGUSTANA-STUDIENWOCHE ZU DOKTOR MARTIN LUTHER UND DAS KONZEPT DES FOLGENDEN BEITRAGS Für unsere Studienwoche »Luther verstehen« haben wir einen multiperspektivischen, kleinteiligen Zuschnitt gewählt. Wir wollen spezialisierten Fragestellungen nachgehen und dabei an einer eigenen selbstkritischen Haltung im Blick auf das Gedenken der Reformation 2017 feilen.1 2. ERIK ERIKSONS »YOUNG MAN LUTHER« 2.1. ERIKSONS KONZEPTION UND METHODIK Psychobiographie als humanwissenschaftliche Forschung an historischen Personen ist eine eigene Literaturgattung. Die Politik- und Psychobiographiewissenschaftlerin der Universität South Carolina, Betty Glad, definiert: Psychobiographie ist eine Lebensbeschreibung auf der Grundlage einer expliziten Persönlichkeitstheorie.6 Ein humanwissenschaftliches Modell wird auf eine geschichtliche Person angewendet. In diesem Fall ist es Erik Eriksons Modell, das dieser im klinischen Kontext des 20. Jahrhunderts erstellt und auf schriftliche historische Zeugnisse über und von Martin Luther und seine Zeit anwendet, mit dem Ziel, den Reformator in psychoanalytischer Weise zu verstehen. Eriksons »Young Man Luther« gilt neben der gefeierten Studie von Sigmund Freud über Leonardo da Vinci als eine der ersten großen psychobiographischen Studien und Erik Erikson damit als Begründer dieses Genres. Er schrieb noch weitere zu Mahatma Gandhi, Sigmund Freud und auch zu Adolf Hitler. Seine Psychobiographien sind Untersuchungen im Kontext seiner Psychohistorie (Edward Adams bezeichnet Erikson als den »führenden Kopf der Psychohistorie«7). »Für einen geschichtlichen Wandel bedarf es nach Erikson dreier Faktoren: 1. muss der ökonomische, politische, wissenschaftliche oder religiöse Fortschritt und der moralische Verfall bestehender Institutionen so weit gediehen sein, dass eine grundlegende gesellschaftliche Erneuerung objektiv erforderlich wird; 2. muss der Leidensdruck breiter Massen an den bestehenden Verhältnissen größer werden als die Angst vor der Veränderung dieser Verhältnisse; 3. muss ein ebenso begabter wie charismatischer Führer auftreten, der die Ängste und Sehnsüchte seiner Zeitgenossen spürt und einen überzeugenden Weg zur Lösung der Identitätskrise seines Zeitalters weist. Nur in ganz sensiblen Übergangsperioden – Erikson spricht von historischen Identitäts-Vakua – kann ein potentieller Führer, mag er konstruktiv oder destruktiv wirken, zur spontanen Erhebung der Massen beitragen und einen revolutionären Wandel in Gang setzen.«9 Die Psychoanalyse war für Erikson, obwohl sie sich auf medizinische Daten richtet, eine »historical methode«. Sie untersucht die Konflikte zwischen den ausgereiften und den infantilen, den gegenwartsangepassten und den archaischen Schichten des Geistes und damit die psychologische Evolution des Individuums wie der Menschheit.10 Er positionierte Martin Luther an das Ende des Zeitalters des absoluten Glaubens, Sigmund Freud an das Ende des Zeitalters der absoluten Vernunft, Adolf Hitler als Höhepunkt des menschenverachtenden Rassismus, Mahatma Gandhi an die Schwelle eines neuen Zeitalters der Liebe. »Solche Patienten (wie auch außergewöhnliche gesunde junge Menschen) stellen ziemlich umfassende Ansprüche an sich selbst und ihre Umgebung. Sie bestehen auf täglicher Selbstbestätigung und wollen sich in ihrer bedeutsamen Zukunft oder sinnlosen Vergangenheit bestätigt wissen; entweder in irgendeiner unbedingten Tugend oder in einem radikalen Zustand des Lasters; im Wachstum ihrer Einzigartigkeit oder in abgründiger Selbstverlorenheit. […] Bei unmittelbarer Begegnung mit einem innerlich so bedrängten jungen Patienten mag der Psychoanalytiker vielleicht zum ersten Mal begreifen, was es wirklich bedeutet, sich einem Menschen zu stellen – nämlich mehr als einem Problem gegenüberzutreten.«15 Religion beschäftigt Erikson in seinem Blick auf Luther nur »als Quelle von Ideologien für Menschen, die auf der Suche nach sich selbst sind. Ich schildere das Ringen eines späteren Großen um seine Identität – hierbei geht es mir weniger um die Gültigkeit der Dogmen, die seinen Gehorsam forderten, oder um die Philosophien, die sein systematisches Denken beeinflussten, als um das geistliche und geistige Milieu, das die Ismen jener Zeit (und diese Ismen mussten religiös sein) seiner leidenschaftlichen Suche boten. […] In diesem Sinne handelt mein Buch von Identität und Ideologie.«16 Erikson arbeitet mit verschiedenen Lutherdarstellungen, die – wie er sagt – »jede[r] ihren eigenen Luther zusammengebaut«17 haben. »Luther selbst und seine Eltern sind aus allen Bestandteilen zusammengekleistert worden, die den gewöhnlichen Kleinbürger kennzeichnen: bieder, tüchtig, gehorsam, wacker. Der Mythos, der geschaffen werden soll, ist natürlich der, dass Gott gerade solche Leute auswählt, um in einer plötzlichen, katastrophenartigen Entscheidung von ihnen Besitz zu ergreifen.«18 Gerade weil Erikson sensibel ist für die Darstellungsinteressen anderer Lutherbiographien, ist aufschlussreich, welches Anliegen hinter seinem Bild von Luther steht: Er will an Luther seine Stufen der Entwicklung im exponierten Fall erproben, denn er sei ein »Mann der Zukunft, die unsere psychologische Gegenwart ist«, der mit »äußerster Integrität […] über die Stufen berichtet, die die Entfaltung seiner Persönlichkeit als der eines echten Homo religiosus bezeichnen.« Er wurde zum »entscheidenden Schritt vorwärts in menschlicher Bewusstheit und Verantwortlichkeit. Diesen Schritt in seinen psychologischen Koordinaten festzulegen, ist Hauptanliegen meines Buches.«19 »Er muss selbst fragwürdige Quellen so auszuwerten verstehen, dass er zu einer zusammenhängenden Hypothese gelangt. Den Gültigkeitsbeweis dieser Methode liefert die tägliche psychoanalytische Praxis […] Bei der Erörterung der ersten Lebenshälfte Luthers, über die uns weniger Unterlagen zur Verfügung stehen, kann ich für meine Leser nichts besseres tun, als sie als Teilnehmer oder Hörer in einem Seminar anzusehen, dem ein erster Schub von Unterlagen vorliegt. Ich werde auf der Grundlage meiner Erfahrung zu formulieren versuchen, was dem gegebenen Material darüber zu entnehmen ist, worauf es bei der Suche nach weiterem Material ankommt.« »Wir sollten uns jedoch vor Augen halten, dass bei einer Arbeit wie dieser das Gesetz der Denkökonomie uns nur leiten kann, wenn es dem historischen Material angepasst ist. Dieser Hinweis stammt von Freud, der den Begriff der ›Mehrfachdetermination‹ prägte: jeder geschichtliche und persönliche Punkt wird immer von sehr viel mehr Kräften und Faktoren bestimmt, die miteinander arbeiten und sich aufeinander beziehen, als eine ökonomische Erklärung wiedergeben kann. Oft ist beim Forschen nach allen möglichen wichtigen Details eine gewisse ›Verschwendungssucht‹ der einzige Weg, von den Gesetzen eine Ahnung zu bekommen, die den gegenseitigen Einfluss einiger Faktoren und den wechselseitigen Ausschluss anderer bestimmen.«21 2.2. ERIKSONS PSYCHOANALYTISCHE DIAGNOSEN ÜBER MARTIN LUTHER Auf zentrale Ergebnisse Eriksons müssen wir uns jetzt beschränken. Eriksons Buch ist narrativ, beschreibend, erzählend, die Beobachtungen fließen ineinander. Daraus werden im Folgenden exemplarisch wesentliche Aspekte herausgefiltert: die Vater-Sohn-Beziehung, die Mutterbindung, die Charakterstruktur, die Beziehung zur Kirche und ihrer Ideologie und die psychologische Dimension theologischer Kernthemen Luthers.22 (1) Die Vater-Sohn-Beziehung: Das Leitthema der Studie ist die psychische Dynamik der Vater-Sohn Beziehung zwischen Martin und Hans Luder. Erikson behauptet, dass Martin Luthers Mut, sich gegen die Kirche aufzulehnen, nur im Kontext seiner Abgrenzung gegenüber seinem Vater verstanden werden kann. Luther sei nicht von Natur aus rebellisch gewesen, sondern durch den Vater in eine Art tragische Verstrickung des Ungehorsams als Lebensthema getrieben worden. Zugleich fasziniert Erikson, dass Luther am Ende wird, wie sein Vater ihn gewollt hat: einflussreich, bekannt und verheiratet. »Er zeigte den heftigsten Jähzorn bei dem Versuch, ihn seinen Kindern auszutreiben. Hier liegt nach meiner Ansicht die Ursache für Martins Zweifel, dass der Vater, wenn er sein Kind straft, wirklich von Liebe und Gerechtigkeit geleitet wird und nicht...



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.