E-Book, Deutsch, 634 Seiten
Bulwer-Lytton Paul Clifford
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-8496-0536-0
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 634 Seiten
ISBN: 978-3-8496-0536-0
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
'Paul Clifford' ist ein Roman von Edward Bulwer-Lytton in 7 Bänden. Die Geschichte erzählt vom Leben und Handeln des Titelhelden, der ein Doppelleben als Krimineller sowie als angesehener Gentleman der englischen Gesellschaft führt. Diese Ausgabe beinhaltet mit alle 7 Bände.
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Sechstes Kapitel.
Schlimme Begebnisse thun sich aus guten Absichten hervor.
Bartholomäus Markt.
Es stand nicht lange an, so hatten sich die Blätter des Asinäums auffallend und sichtbar gehoben; der zwiebelnde Theil dieses unvergleichlichen Journals war auf einmal mit einer Lebendigkeit und einem Geist gehandhabt und durchgeführt, wodurch die wenigen Eingeweihten, welche ihm das Daseyn fristeten, ganz in Erstaunen gesetzt wurden. Es war leicht zu merken, daß ein neuer Kämpfer für den Dienst sich hatte anwerben lassen; es war in dem Schimpfen etwas so Frisches und Herzhaftes, daß es nicht aus der abgenutzten, herben Feder eines alten Zwieblers kommen konnte. Zwar ein wenig Unwissenheit in bekannten Dingen, und eine neuerungssüchtige Art und Weise, Worte in einem Sinne gebrauchen, den sie nie ausdrückten, ließen sich bisweilen in den Kritiken des neuen Achilles auffinden; es war jedoch natürlich diese Eigenthümlichkeit einer originellen Anschauungsweise zuzuschreiben und das Steigen der Zeitung, in Folge des Erscheinens einer Reihe von Artikeln über jetzt lebende Schriftsteller, von dieser ausgezeichneten Hand geschrieben, war so auffallend, daß 50 Abdrücke – ein ganz unerhörter Fall in den Annalen des Asinäum, – in Einer Woche weg verkauft wurden; wirklich erklärte, eingedenk des Grundsatzes, worauf es gegründet war, ein handfester alter Schriftsteller, das Journal werde sich bald auf eigene Füße stellen und populär werden. Es war etwas ganz Besondres und Auffallendes mit dem jungen literarischen Kämpfer, der sich Nobilitas unterzeichnete. Er gebrauchte nicht allein alte Worte in einem neuen Sinn, sondern er gebrauchte auch Worte, deren man sich sonst auf dem schriftstellerischen Gebiet nie bedient hatte. Dieß war besonders auffallend, wenn den Autoren Unnamen beigelegt wurden. Einmal, wo ein beliebter Schriftsteller getadelt wurde, weil er das Publikum vergnüge und sich dadurch bereichere, schloß die ausgezeichnete Hand folgendermaßen: Wer auf solche schleichende Weise Klepprer aufhäuft, ist in der That nicht besser als ein Buschklepper.
Diese räthselhaften Worte und geheimnißvollen Ausdrücke verbreiteten über den Styl des neuen Kritikers den Schimmer großer Gelehrsamkeit, und bei der unverständlichen Erhabenheit seiner Schreibart schien es zweifelhaft, ob er ein Dichter von Highgate oder ein Filosof von Königsberg sey. Auf jeden Fall behielt der Recensent sein Inkognito bei und während sein Lob an nicht weniger als drei Theetischen ausposaunt wurde, schien ihm selbst der Ruhm minder reizend und süß als die Verheimlichung.
In diesem Inkognito, mein Leser, hast du bereits Paul erkannt; und nun soll dich ein Beweis von der unerreichbaren Tugend des trefflichen Mac Grawler ergötzen. Dieser würdige Mentor hatte wahrgenommen, daß unser Held von einem tief wurzelnden Hang zur Zerstreuung und unordentlichem Leben behaftet war; großmüthig entschloß er sich, lieber sich selbst mit der Sünde des Verraths und des unredlichen Erwerbs zu beschweren, als zuzugeben, daß sein Freund und ehemaliger Zögling in ein verschwenderisches, liederliches Leben sich stürze. Demnach der mit Paul getroffenen Verabredung zuwider, theilte er dem Jüngling, statt ihm die Hälfte des Ertrags seiner glänzenden Studien zu geben, nur ein Viertel zu, und mit den zärtlichsten Sorgen für Pauls Heil verwendete er die übrigen drei Theile für seine Bedürfnisse. Ach! die besten Handlungen werden in der Welt so schlimm ausgelegt und wir sind eben im Begriff, eines auffallenden Beweises, dieser traurigen Wahrheit zu erwähnen.
Eines Abends hatte Mac Grawler seine Tugend angefeuchtet, in derselben Weise wie man es dem großen Cato nachrühmt; in der Verwirrung, welche eine solche Operation bisweilen in den bestgeordneten Köpfen anrichtet, gab er Paul ein Papier, das er für den Entwurf zu einem gewissen Aufsatz hielt, welcher nach seiner Absicht im Zwiebelstyl sollte ausgeführt werden, das aber in der That ein Briefchen vom Herausgeber einer Monatschrift war und also lautete:
Sir!
Da ich erfahre, daß mein Freund, Herr – –, Eigenthümer des Asinäum, den ausgezeichneten Schriftsteller, den Sie in die literarische Welt eingeführt und der sich Nobilitas unterschreibt, nur mit fünf Schillingen für den Artikel belohnt, so lasse ich ihm durch Sie das Doppelte dieser Summe anbieten; die verlangten Artikel müssen die gewöhnliche Länge haben.
Ich bin, Sir u. s. w.
Nun hatte zwar allerdings, am Morgen schon Mac Grawler Paul von diesem Anerbieten in Kenntniß gesetzt, hatte aber nur, aus den wohlwollenden Beweggründen, die wir schon erläutert, die Summe von zehn Schillingen auf vier ermäßigt; und nicht sobald hatte Paul, die obenstehende Mittheilung gelesen, als er statt Dankbarkeit gegen Mac Grawler für seine Berücksichtigung von Pauls moralischer Schwäche zu empfinden, gegen diesen Ehrenmann den bittersten Groll faßte. Er machte jedoch seinen Gefühlen gegen den Schotten nicht auf Einmal Luft: in der That würde es im jetzigen Augenblick, da der Weise in tiefem Schlummer unter dem Tische lag, ganz zwecklos gewesen seyn, hätte er in seiner Entrüstung die Zügel schießen lassen. Aber er beschloß, ohne Zeitverlust den Wohnsitz des Kritikers zu verlassen. »Und wirklich,« sagte er im Selbstgespräch, »ich bin dieses Lebens herzlich satt, und will sehr froh seyn, wenn ich ein andres Unterkommen finde. Zum Glück habe ich 5 Guineen 4 Schillinge aufgesteckt und mit diesem unabhängigen Vermögen im Besitz, kann ich, da ich das Spiel verschworen habe, nicht leicht Hungers sterben.« Diesem Selbstgespräch folgte eine menschenfeindliche Träumerei über die Treulosigkeit der Freunde, und die Betrachtung schloß sich damit, daß Paul ein kleines Bündel von Kleidern und dergleichen Sachen schnürte, welche Dummie glücklich aus dem Kruge weggeschleppt und Paul an einem Morgen, wo Dummie ausgegangen war, im Hause des Lumpenhändlers geholt hatte.
Als dieses leichte Geschäft beendigt war, schrieb Paul einen kurzen vorwurfsvollen Brief an seinen glanzvollen Lehrer und ließ ihn ungesiegelt auf dem Tisch liegen. Dann goß, er die Tintenflasche über den sanft schlummernden Herrn Mac Grawler aus, machte sich aus dem Hause fort und lief – er wußte selbst nicht wohin.
Der Abend dämmerte allmälig herein, als Paul, kauend an seinen bittern Gedanken, sich auf der Londoner-Brücke befand. Er blieb stehen, beugte sich über das Geländer, und sah gedankenvoll in die düstern Wasser, die dahin rauschten und sich keine Elrize um die vielen reizenden jungen Frauenzimmer kümmerten, welche geeignet fanden, sich in diese fühllosen Wellen zu stürzen und dadurch eine gute Hausfrau eines trefflichen Dienstmädchens, oder einer unschätzbaren Köchin und manchen verrätherischen Faun solcher Briefe beraubten, die anfangen: Dreuloser Besewicht! und schließen: Eure zerrtliche aber tief bettrübte Molly.
Während er solchen Gedanken nachhing, sah er sich plötzlich von einem Herrn in Stiefeln und Sporen angeredet; in einer Hand hatte dieser eine Reitpeitsche und die andre hatte er in die Tasche seiner Unaussprechbaren gesteckt. Der Hut des Modeherrn war mit anmuthiger Nachläßigkeit aufgesetzt, und zwar so, daß er so wenig als möglich die Fülle schwarzer reicher Locken in Unordnung brachte, die, von Salben duftend, nicht allein zu beiden Seiten des Angesichts, sondern auch über den Hals und die Schultern herabfielen. Das Gesicht war finster und stark ausgeprägt, aber schön und auffallend. In seinem Ausdruck lag eine Mischung von Härte und von Trödelstaat, – es hielt die Mitte zwischen Madame Vestris und T. P. Cooke, oder zwischen liebliche Sarah und tapfrer Hauptmann des Halifax. Der Wuchs dieses Mannes war auffallend groß und seine Gestalt war stämmig, muskulös und gedrungen. Zum Schluß, um sein Bild zu vollenden und unsern jetzt lebenden Lesern eine genaue Anschauung von dem Helden der Vergangenheit zu geben, wollen wir noch hinzusetzen, daß er ganz ein Gentleman von dem Schlage war, wie man sie in der Arkade von Burlington, Haar und Hut auf Einer Seite und einen militärischen Mantel über die Schultern geworfen, einherstolziren; oder gegen Abend in Regent-Street mit Backenbart und Cigarren umherstreifen sieht.
Die Hand auf die Schulter unsres Helden gelegt, begann dieser Gentleman mit affektirter Betonung der Stimme:
»Was treibst Du, mein guter Gesell? Es ist lang her, daß ich Euch sah; Gott straf mich, aber Du kommst schlechter daher! Was hast Du denn bisher angefangen?«
»Ha!« rief unser Held, den Gruß des Fremden erwiedernd, »und ist es der lange Ned, den ich sehe? Ich bin wahrhaftig erfreut, Euch zu treffen, und ich muß sagen, mein Freund, ich hoffe, was ich von Euch hörte, ist nicht wahr.«
»Pscht!« sagte der lange Ned, indem er sich ängstlich umsah und die Stimme sinken ließ, »sprecht nie von dem, was Ihr von Gentlemen hört, es wäre denn, Ihr wünschet sie auf die lezte Rede vor dem Sterben und zur Beichte...