Büscher / Japp | Ökologische Aufklärung | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 303 Seiten, eBook

Büscher / Japp Ökologische Aufklärung

25 Jahre ‚Ökologische Kommunikation’

E-Book, Deutsch, 303 Seiten, eBook

ISBN: 978-3-531-92425-0
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark



Der vorliegende Sammelband ist der Beobachtung geschuldet, dass in den ak- ellen öffentlichen Debatten über Problemlösungen hinsichtlich einer 'ökolo- schen Krise' soziologische Argumente keinerlei Rolle spielen. Die Rettung der Welt wird sozusagen ohne Vorstellungen von 'Gesellschaft' betrieben. All- falls hinsichtlich der Verursachung der Krise wird die Verselbständigung eines wissenschaftlich-technisch-kapitalistischen Komplexes angenommen, der die dringend gebotene Verhinderung weiterer Schäden durch menschliche Eingriffe in die Natur systematisch unterminiert. Ansonsten finden sich zumeist Appelle an die Einsicht in eine Art notwendiger ökologischer Demut, gerichtet an Per- nen, sowohl in ihren jeweiligen Lebensstilen als auch in ihrer Eigenschaft als Träger gesellschaftlicher Rollen (Politiker, Manager, Wissenschaftler etc. ), oder Appelle an die Verantwortung von Unternehmen, die sozialen und ökologischen Folgen ihres Tuns zu berücksichtigen und sich politisch, ökologisch sowie sozial 'korrekt' zu verhalten. Vor 25 Jahren hat Niklas Luhmann die Studie 'Ökologische Kommunikati- 1 on' vorgelegt. Es war der systematische Versuch, die Möglichkeiten der mod- nen Gesellschaft, sich auf eine ökologische Gefährdung einzustellen, mit Hilfe einer 'Theorie der Gesellschaft' durchzuspielen. Aus der Prämisse, dass die Gesellschaft einem Primat funktionaler Differenzierung unterliegt, folgt seine Beobachtung: Funktionssysteme können nur auf der Ebene ihrer Programme unter Einbeziehung ihres je spezifischen Codes Resonanz auf ökologische P- bleme erzeugen. Damit ist ein anderes Niveau der Erwartungsgeneralisierung anvisiert, als es allgemein üblich ist.

Dr. Christian Büscher ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).
Dr. Klaus Peter Japp ist Professor an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld.
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Zielgruppe


Research

Weitere Infos & Material


1;Inhalt;5
2;Vorwort;7
2.1;Wirtschaft;10
2.2;Recht;11
2.3;Wissenschaft;12
2.4;Politik;13
2.5;Erziehung;13
2.6;Individuelles Umwelthandeln;14
2.7;Beratung der Gesellschaft;14
2.8;Authentizität ökologischer Kommunikation;15
2.9;Danksagung;15
3;Ökologische Themen(Teil 1);17
3.1;Formen ökologischer Aufklärung;18
3.1.1;1 Ökologische Krise und Selbstgefährdung;18
3.1.2;2 Aufklärung über ökologische Tatbestände;21
3.1.3;3 Ökologische Vernunft;23
3.1.4;4 Ökologische Programme;28
3.1.4.1;Wissenschaftliche Programme;29
3.1.4.2;Ökonomische Programme;30
3.1.5;5 Ökologische Kommunikation;34
3.1.5.1;Resonanz;39
3.1.6;6 Diskussion;41
3.1.7;Literatur;45
3.2;Hochtechnologien und die ökologischeSelbstgefährdung der Gesellschaft;49
3.2.1;1 Einleitung: Technik als ökologisches Problem;49
3.2.2;2 Die Abhängigkeit der Gesellschaft von Technik: Der Fall Hochtechnologie;52
3.2.3;3 Das Fallbeispiel: Ökologische Selbstgefährdung durch funktionierendeTechnik – FCKW und ozone depletion;55
3.2.3.1;3.1 Wissenschaft und Ozon;56
3.2.3.2;3.2 Politik des Ozon;59
3.2.4;4 Schluss: Ökologische Gefährdung als gesellschaftlicheSelbstgefährdung?;61
3.2.5;Literatur;63
3.3;Die Realität einer Katastrophe.Gesellschaftliche Diskurse zum Klimawandel1;66
3.3.1;1 Einleitung;66
3.3.2;2 Ökologisches Nicht-Wissen und gesellschaftliche Steuerungsprobleme;69
3.3.3;3 Der Diskurs hinter dem Diskurs;72
3.3.4;4 Der Klimadiskurs als gesellschaftlicher Lernprozess;75
3.3.4.1;4.1 Phänomen globaler Klimawandel: ein vorläufiger Sachstand;77
3.3.4.2;4.2 Wissenschaftliche Autorität;81
3.3.4.3;4.3 Die Modellierung des Sozialen;83
3.3.4.4;4.4 Schnittstelle Klimaforschung – Klimapolitik;85
3.3.5;5 Fazit;87
3.3.6;Literatur;89
4;Resonanz gesellschaftlicher Funktionssysteme(Teil 2);93
4.1;Ökologische Resonanzen in der Wirtschaft.Moralisierung der Märkte?1;94
4.1.1;1 Einführung;94
4.1.2;2 Ökologische Resonanzen in der Wirtschaft;96
4.1.3;3 Resonanzfähigkeit der Wirtschaft in der Theorie der ökologischenModernisierung;102
4.1.4;4 Ökologische Resonanzfähigkeit der Wirtschaft in der Forschung zumökologischen Konsum;107
4.1.5;5 Ökologische Resonanzfähigkeit der Wirtschaft in denorganisationstheoretischen Arbeiten zum „corporate greening“;113
4.1.6;6 Ökologische Kommunikationen in der Wirtschaft – Moralisierung derMärkte?;119
4.1.7;Literatur;122
4.2;Kommunikation über Risiken im Rechtssystem.Das Beispiel Nanotechnologie;126
4.2.1;1 Einleitung: Die Herausforderung der Nanotechnologie;126
4.2.2;2 Gefahr und Risiko als Brückenbegriffe zwischen Recht und Wissen;128
4.2.2.1;2.1 Gefahr und Erfahrungswissen;128
4.2.2.2;2.2 Veränderung der Wissensgenerierung durch Prozeduralisierung;129
4.2.3;3 Kognitive und normative Rationalität;131
4.2.3.1;3.1 Verschleifung von Normalität und Normativität;131
4.2.3.2;3.2 Die Dezentrierung des Subjekts des Wissens;132
4.2.4;4 Die neue Rolle der „Standards“;135
4.2.4.1;4.1 Selbstreflexion der Wissensgenerierung;135
4.2.4.2;4.2 „Transwissenschaftliche“ Metaregeln der Kommunikation zwischen Rechtund Wissen;136
4.2.4.3;4.3 Nach der „Gefahr“ die Paradoxie der „Vorsorge“;137
4.2.5;5 Nanotechnologie und die Veränderung des Verhältnisses vonWissenschaft und Technologie;139
4.2.5.1;5.1 Die Veränderung des Wissenssystems durch die Nanotechnologie;139
4.2.5.2;5.2 Die Verschleifung von Wissenschaft und Technologie;140
4.2.6;6 Veränderung des Kausalitätsmodells;142
4.2.6.1;6.1 Riskante Nebeneffekte;142
4.2.6.2;6.2 Zur Notwendigkeit eines „Wissensmanagements zweiter Ordnung“;143
4.2.7;7 Ausblick: Recht und Management von Regeln;144
4.2.8;Literatur;145
4.3;Resonanz der Wissenschaft der Gesellschaft1;151
4.3.1;1 Resonanz als analytisches Konzept?;151
4.3.2;2 Die Resonanzfähigkeit der Wissenschaft;154
4.3.2.1;2.1 Recht und Politik;154
4.3.2.2;2.2 Politik und Wirtschaft;155
4.3.2.3;2.3 Medien und Öffentlichkeit;158
4.3.3;3 Resonanz als analytisches Konzept!;164
4.3.4;Literatur;165
4.4;Klimawandel der Umweltpolitik?Oder: Energiekonzepte als Identitätskrücke;167
4.4.1;1 Einleitung;167
4.4.2;2 Die Komplexität des Themas Klimawandel;169
4.4.2.1;2.1 Zeitliche Aspekte pro-aktiver Klimapolitik;170
4.4.2.2;2.2 Sachliche Aspekte pro-aktiver Klimapolitik;172
4.4.2.3;2.3 Soziale Aspekte pro-aktiver Klimapolitik;175
4.4.2.4;5.1 Klimawandel als „super wicked problem“;178
4.4.3;3 Eine erfolgreiche Themenkarriere;179
4.4.4;4 Inkonsistente Entscheidungen und ineffiziente Maßnahmen;183
4.4.5;5 Klimapolitik als Identitätsmanagement;189
4.4.6;Literatur;193
4.5;Umweltkommunikation und Erziehung;197
4.5.1;1 Einleitung;197
4.5.2;2 Drei Exempla zur Umweltkommunikation im System Erziehung;199
4.5.2.1;2.1 Umweltkommunikation und Reformpädagogik;200
4.5.2.2;2.2 Umweltkommunikation und Umweltschutz-Bewegung in den 1970er Jahren2;205
4.5.2.3;2.3 Umweltkommunikation und nachhaltige Entwicklung;209
4.5.3;3 Umweltkommunikation als Bildungsprozess;213
4.5.4;4 Ausblick;215
4.5.5;Literatur;218
5;Gesamtgesellschaftliche Resonanz(Teil 3);223
5.1;Die Ökologie der Individuen.Erwartungen an individuelles Umwelthandeln;224
5.1.1;1 Fragestellung;224
5.1.2;2 Ökologische Kommunikation;227
5.1.2.1;2.1 Prämissen des Appells an individuelles Umwelthandeln;227
5.1.2.2;2.2 Massenmedien, Lebenswelt und Öffentlichkeit;229
5.1.2.3;2.3 Wissenschaftliche Aufklärung;232
5.1.2.4;2.4 Zwischenfazit und weitere Fragen;235
5.1.3;3 Strukturelle Überforderung der Individuen;236
5.1.3.1;3.1 Wissensproblem;237
5.1.3.2;3.2 Bewertungsproblem;240
5.1.3.3;3.3 Mobilisierungsproblem;240
5.1.3.4;3.4 Vermischung von Staatsbürger- und Konsumentenrolle;241
5.1.3.5;3.5 Resümee: Individuen als Hamster im Laufrad?;243
5.1.4;4 Die Ökologie der Individuen: Umwelthandeln in sozialen Systemen;244
5.1.5;Literatur;248
5.2;Ökologische Politikberatung alsGesellschaftsberatung?;251
5.2.1;1 Resonanzprobleme im Verhältnis von Wissenschaft und Politik;251
5.2.2;2 Gesellschaftsberatung statt Politikberatung?;254
5.2.3;3 Gesellschaftliche Interessen und private Entscheidungen – ZwischenUmweltpolitikberatung und Umweltberatung;258
5.2.4;4 Politische Öffentlichkeit und Massenmedien – Das Beispiel der Klimapolitik;261
5.2.5;5 Partizipative Politikberatung;264
5.2.6;6 Fazit;268
5.2.7;Literatur;269
5.3;Risiko und Gefahr.Zum Problem authentischer Kommunikation;273
5.3.1;1 Vorbemerkung;273
5.3.2;2 Authentizität;274
5.3.3;3 Zeitbindung durch Risiken;276
5.3.4;4 Politische Kommunikation;280
5.3.5;5 Katastrophenkommunikation;285
5.3.6;6 Verantwortungsübernahme durch Unternehmen;289
5.3.7;7 Rationalität;293
5.3.8;Literatur;298
6;Verzeichnis der Autorinnen und Autoren;301
6.1;Dietmar BOLSCHO;301
6.2;Christian BÜSCHER;301
6.3;Achim DASCHKEIT;301
6.4;Wolf R. DOMBROWSKY;301
6.5;Anita ENGELS;302
6.6;Armin GRUNWALD;302
6.7;Jost HALFMANN;302
6.8;Klaus Peter JAPP;302
6.9;Isabel KUSCHE;302
6.10;Karl-Heinz LADEUR;302
6.11;Peter WEINGART;303
6.12;Helmut WIESENTHAL;303

Ökologische Themen.- Formen ökologischer Aufklärung.- Hochtechnologien und die ökologische Selbstgefährdung der Gesellschaft.- Die Realität einer Katastrophe. Gesellschaftliche Diskurse zum Klimawandel.- Resonanz gesellschaftlicher Funktionssysteme.- Ökologische Resonanzen in der Wirtschaft. Moralisierung der Märkte?.- Kommunikation über Risiken im Rechtssystem. Das Beispiel Nanotechnologie.- Resonanz der Wissenschaft der Gesellschaft.- Klimawandel der Umweltpolitik? Oder: Energiekonzepte als Identitätskrücke.- Umweltkommunikation und Erziehung.- Gesamtgesellschaftliche Resonanz.- Die Ökologie der Individuen. Erwartungen an individuelles Umwelthandeln.- Ökologische Politikberatung als Gesellschaftsberatung?.- Risiko und Gefahr. Zum Problem authentischer Kommunikation.


Die Ökologie der Individuen. Erwartungen an individuelles Umwelthandeln (S. 231-32)

Armin Grunwald

1 Fragestellung

Die seit den 1970er Jahren dauernde Umweltkrise kommt scheinbar nicht an ein Ende. Zwar wurde in den letzten Jahrzehnten immer wieder eine Abnahme ihrer Relevanz diagnostiziert, zumindest in der öffentlichen und politischen Wahrnehmung. Diese sei spätestens seit Beginn des Jahrtausends durch andere Handlungsfelder wie Terrorbekämpfung, Massenarbeitslosigkeit oder Wirtschaftskrise so in Anspruch genommen, dass für sie nur wenig von der knappen Ressource ‚Aufmerksamkeit‘ verbleibe.

Dennoch ist die Umweltkrise prominent in die öffentliche Diskussion zurückgelangt, in den letzten Jahren vor allem im Kontext des Klimawandels. Damit kehren jedes Mal auch bestimmte Kommunikationsmuster und Metaphern wieder, wie etwa die auf 5 vor 12 stehende Uhr, die zum raschen Handeln in der Klimafrage anhalten soll, die Rede von dem einen Boot, in dem wir alle sitzen, die Warnung vor nationalen Alleingängen, die Beteuerung, dass umweltpolitisches Handeln der Wirtschaft nicht schade, sondern nütze, die Rede von der Weltrettung – und eben auch die Moralisierung des umweltrelevanten Handelns der Individuen, verbunden mit der Aufforderung, dieses in ökologischer Absicht zu ändern (so jüngst Leggewie/Welzer 2009). Wenn auch Sloterdijk (2009) überwiegend anderes im Auge hat als die Umweltkrise, kann doch der Titel seines aktuellen Buches für die Appelle an die Individuen als paradigmatisch auch im Hinblick auf die gesellschaftliche Thematik der Ökologie genommen werden: „Du musst Dein Leben ändern“.

Niklas Luhmann (1986) hat in der „Ökologischen Kommunikation“ das Moralisieren über Umweltprobleme und das Appellieren an die Wahrnehmung individueller Verantwortung als ungeeignetes Mittel zur Bewältigung der Umweltkrise bezeichnet. Aus der Theorie der Gesellschaft, wie Luhmann sie vor Augen hat, folgt dies unmittelbar. So wird doch darin eine moralische Koordination vor dem Hintergrund einer funktionalen Differenzierung für unwahrscheinlich erachtet: „Die moralische Kommunikation tritt noch unter dem Anspruch auf, für die Gesellschaft zu sprechen; aber in einer polykontexturalen Welt kann dies nicht mehr einstimmig geschehen“ (Luhmann 1997: 248).

Luhmann argumentiert weiter, dass keine allgemein akzeptierten Programme existierten, die eine soziale Koordination moralischer Perspektiven leisten könnten. Die Unterscheidung gut/schlecht allein könne dies nicht leisten, da sich in jeder Situation Bewertungen im Sinne von gut oder schlecht vornehmen ließen. Dieser frühen Warnung vor Moralisierung und bloßen Appellen an individuelles Umwelthandeln haben sich in der Zwischenzeit viele angeschlossen, teils auch ohne den Luhmannschen Theoriehintergrund zu übernehmen.

Freilich gibt es Überschneidungen in der Diagnose: Angesichts komplexer Wirkungszusammenhänge und systemischer Verknüpfungen in der ausdifferenzierten modernen Gesellschaft stoße individuelles Handeln an sozusagen objektive Grenzen, eröffne nur sehr begrenzte Lösungsmöglichkeiten für Umweltprobleme und könne sogar kontraproduktiv sein. Auch in der besten Absicht unternommene Handlungen könnten Folgen haben, die dieser Absicht gerade zuwiderlaufen. Heute gilt, in abgewandelter Nutzung eines fast zum Sprichwort gewordenen Luhmann-Satzes: Dieses alles kann man wissen.


Dr. Christian Büscher ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

Dr. Klaus Peter Japp ist Professor an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld.


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