E-Book, Deutsch, 360 Seiten
Bürstenbinder Vineta
1. Auflage 2016
ISBN: 978-80-268-5264-3
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Liebesroman aus der Welt des Adels - Ein Klassiker der Frauenliteratur
E-Book, Deutsch, 360 Seiten
ISBN: 978-80-268-5264-3
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dieses eBook: 'Vineta' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Elisabeth Bürstenbinder (1838-1918) war eine deutsche Schriftstellerin. Sie schrieb unter dem Pseudonym E. Werner. Erste kleinere Veröffentlichungen Elisabeth Bürstenbinders erschienen in einer kleinen Zeitschrift in Süddeutschland. Einem größeren Publikum wurde sie durch Romane, die sie in der Zeitschrift Die Gartenlaube veröffentlichte, bekannt. Bald zählte sie zu den beliebtesten Autoren der Zeitschrift. Auch weitere Veröffentlichungen Elisabeth Bürstenbinders erschienen in den folgenden Jahren zuerst in der Gartenlaube, bevor sie in Buchform veröffentlicht wurden. Aus dem Buch: 'Das Schiff, das den Flüchtling seinem Vaterland entführte, verschwand in nebelduftiger Ferne. Ringsum wogte die blaue See, und über den Buchenholm strömte das volle goldene Sonnenlicht, Das Meer sang wieder seine alte ewige Melodie, aus Windesrauschen und Wellenbrausen gewoben, und dazwischen tönte es fern und geheimnisvoll wie Glockenklang - der Geistergruß Vinetas aus der Meerestiefe.'
Autoren/Hrsg.
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Der heiße Sommertag neigte sich seinem Ende entgegen. Die Sonne war bereits gesunken, nur das Abendrot weilte noch am Horizont und warf seinen glühenden Schimmer über das Meer hin, das ruhig, kaum von einem Hauche bewegt, den letzten Abglanz des scheidenden Tages empfing. Am Strande des Badeortes C., etwas abseits von der großen Strandpromenade, wo sich, wie gewöhnlich um diese Stunde, das bunte und glänzende Gewühl der Badegäste entfaltete, lag ein einfaches Landhaus. Es zeichnete sich vor den andern, meist viel größeren und prächtigeren Häusern und Villen des Ortes nur durch die Schönheit seiner Lage aus, denn seine Fenster boten eine unbegrenzte Aussicht über das Meer hin. Sonst stand es ziemlich einsam und abgeschlossen da und konnte wohl nur von solchen Gästen bevorzugt werden, die das geräuschvolle Badeleben von C. eher mieden als aufsuchten. In der geöffneten Glasthür, welche auf den Balkon hinaus führte, stand eine Dame in Trauerkleidung. Sie war von hoher, stolzer Gestalt und konnte noch für schön gelten, obwohl sie den Höhepunkt des Lebens bereits erreicht hatte. Dieses Gesicht mit seinen fest und regelmäßig gezeichneten Linien hatte wohl niemals den Reiz der Anmut und Lieblichkeit besessen, aber ebendeshalb hatten die Jahre ihm auch nichts von seiner kalten, strengen Schönheit nehmen können, die sich noch jetzt siegreich behauptete. Das tiefe Schwarz des Anzuges, der Kreppschleier über der Stirn deuteten auf einen schweren, wohl erst kürzlich erlittenen Verlust, aber man suchte vergebens eine Spur vergossener Thränen in diesen Augen, einen Schimmer von Weichheit in den energischen Zügen. War ein Schmerz dieser Frau wirklich nahe getreten, so war er entweder nicht allzu tief gefühlt worden, oder bereits überwunden. An der Seite der Trauernden stand ein Herr, gleichfalls von vornehmem Aeußeren. Er mochte in Wirklichkeit nur einige Jahre älter als seine Nachbarin sein, und doch hatte es den Anschein, als läge mehr als ein Jahrzehnt zwischen ihnen, denn an ihm waren die Zeit und das Leben nicht so spurlos vorübergegangen. Der ernste, charaktervolle Kopf mit den scharf und tief ausgeprägten Zügen schien schon manchen Sturm durchlebt zu haben; das dunkle Haar war schon hier und da ergraut; in die Stirn grub sich Falte an Falte, und der Blick hatte etwas Düsteres, Schwermütiges, das sich dem ganzen Antlitz des Mannes mitteilte. Er hatte bisher mit angestrengter Aufmerksamkeit auf das Meer hinausgeblickt und wendete sich jetzt mit einer Bewegung der Ungeduld ab. »Noch immer nichts zu sehen! Sie werden schwerlich vor Sonnenuntergang zurückkehren,« »Du hättest uns von deiner Ankunft vorher benachrichtigen sollen,« sagte die Dame. »Wir erwarteten dich erst in einigen Tagen. Uebrigens ist das Boot nicht eher zu erblicken, bis es den waldigen Vorsprung dort umsegelt, und dann ist es auch in wenigen Minuten hier,« Sie trat in das Zimmer zurück und wandte sich zu einem Diener, der im Begriff war, mehrere Reiseeffekten in eins der anstoßenden Gemächer zu tragen. »Geh hinunter nach dem Strande, Pawlick!« befahl sie, »und sobald das Boot der jungen Herrschaften landet, benachrichtige sie, daß der Herr Graf Morynski eingetroffen ist.« Der Diener entfernte sich, dem erhaltenen Befehle gemäß. Auch Graf Morynski gab seinen Ausblick vom Balkon auf und trat in das Zimmer, wo er an der Seite der Dame Platz nahm, »Verzeih die Ungeduld!«, sagte er. »Das Wiedersehen der Schwester sollte mir vorläufig wohl genug sein, aber ich habe mein Kind ja seit einem Jahre nicht gesehen,« Die Dame lächelte. »Du wirst von dem ›Kinde‹ nicht mehr allzuviel erblicken. Ein Jahr bedeutet viel in solchem Alter, und Wanda verspricht schön zu werden.« »Und ihre geistige Entwicklung? Du sprachst dich in deinen Briefen stets mit Befriedigung darüber aus.« »Gewiß! Sie überflügelte stets ihre Aufgaben; ich habe eher zügeln als antreiben müssen. In dieser Hinsicht blieb mir nichts zu wünschen übrig, wohl aber in einer andern. Wanda besitzt einen stark ausgeprägten Eigenwillen und weiß ihn leidenschaftlich zu behaupten. Ich habe mir bisweilen den Gehorsam erzwingen müssen, den sie sehr geneigt war, mir zu versagen.« Ein flüchtiges Lächeln erhellte das Gesicht des Vaters, als er entgegnete: »Ein eigentümlicher Vorwurf in deinem Munde! Einen Willen haben und ihn unter allen Umständen behaupten, ist ja wohl ein hervorragender Zug deines Charakters, ein Zug unsrer Familie überhaupt.« »Der aber bei einem sechzehnjährigen Mädchen noch unter keinen Umständen zu dulden ist, denn da äußert er sich nur als Trotz und Laune,« fiel ihm die Schwester ins Wort. »Ich sage es dir im voraus, du wirst noch öfter damit zu kämpfen haben.« Es schien, als sei diese Wendung des Gespräches dem Grafen nicht besonders angenehm. »Ich weiß, daß ich mein Kind keinen besseren Händen übergeben konnte, als den deinigen,« sagte er ablenkend, »und deshalb freut es mich doppelt, daß Wanda jetzt, wo ich sie wieder zurücknehme, deine Nähe nicht ganz zu entbehren braucht. Ich glaubte nicht, daß du dich so bald nach dem Tode deines Gemahls zur Rückkehr entschließen würdest, und rechnete auf dein Verbleiben in Paris, wenigstens bis zur Vollendung von Leos Studien.« Die Dame machte eine verneinende Bewegung. »Ich bin in Paris nie heimisch geworden, trotz unsres jahrelangen Aufenthaltes dort. Das Los der Verbannten ist kein beneidenswertes, du weißt es aus eigener Erfahrung, Fürst Baratowski freilich durfte den heimatlichen Boden nicht wieder betreten, seiner Witwe und seinem Sohne aber kann man die Rückkehr nicht verweigern; deshalb habe ich mich unverweilt dazu entschlossen. Leo muß endlich einmal die Luft seines Vaterlandes atmen, um sich ganz als Sohn dieses Landes zu fühlen. Auf ihm ruht jetzt die alleinige Vertretung unsres Geschlechtes. Er ist freilich noch sehr jung, aber er muß es lernen, seinen Jahren voran zu eilen und sich mit den Pflichten und Aufgaben vertraut zu machen, die nach des Vaters Tode an ihn herantreten.« »Und wo gedenkst du deinen Aufenthalt zu nehmen?« fragte Graf Morynski. »Du weißt, daß mein Haus dir jederzeit –« »Ich weiß es,« unterbrach ihn die Fürstin, »aber ich danke dir. Für mich handelt es sich vor allem darum, Leos Zukunft zu sichern und ihm die Möglichkeit zu geben, seinen Namen und seine Stellung vor der Welt zu behaupten. Das war schon schwer genug in den letzten Jahren; jetzt ist es vollends zur Unmöglichkeit geworden. Du kennst unsre Vermögensverhältnisse und weißt, welche Opfer uns die Verbannung gekostet hat. Es muß irgend etwas geschehen. Um meines Sohnes willen habe ich mich zu einem Schritte entschlossen, den ich für mich allein nicht gethan hatte – errätst du, weshalb ich gerade C. zum Sommeraufenthalt wählte?« »Nein, aber befremdet hat es mich. Das Gut Witolds liegt nur zwei Stunden von hier entfernt und ich glaubte, daß du diese Nähe eher zu vermeiden wünschest. Oder stehst du neuerdings in Verkehr mit Waldemar?« »Nein,« sagte die Fürstin kalt. »Ich habe ihn nicht gesehen, seit wir damals nach Frankreich gingen, und seitdem kaum eine Zeile von ihm erhalten. Er hat in all den Jahren nicht nach der Mutter gefragt.« »Aber die Mutter auch nicht nach ihm,« warf der Graf hin. »Sollte ich mich einer Zurückweisung, einer Demütigung aussetzen?« fragte die Fürstin etwas gereizt. »Dieser Witold hat mir von jeher feindselig gegenüber gestanden und seine unumschränkten Vormundschaftsrechte in verletzendster Weise gegen mich geltend gemacht. Ich bin machtlos ihm gegenüber.« »Er hätte aber schwerlich gewagt, dir den Verkehr mit Waldemar zu untersagen; dazu stehen die Rechte einer Mutter denn doch zu hoch, wenn du sie nur mit deiner gewöhnlichen Entschiedenheit geltend gemacht hättest. Das ist aber, meines Wissens, nie geschehen, denn – sei aufrichtig, Jadwiga! – du hast deinen ältesten Sohn nie geliebt.« Jadwiga erwiderte nichts auf diesen Vorwurf. Sie stützte schweigend den Kopf in die Hand. »Ich begreife es, daß er nicht die erste Stelle in deinem Herzen einnimmt,« fuhr der Graf fort. »Er ist der Sohn eines ungeliebten, dir aufgedrungenen Gatten, die Erinnerung an eine Ehe, die dich noch jetzt mit Bitterkeit erfüllt; Leo ist das Kind deines Herzens und deiner Liebe –« »Und sein Vater hat mir nie den geringsten Anlaß zu einer Klage gegeben,« ergänzte die Fürstin mit Nachdruck. Der Graf zuckte leicht die Achseln. »Du beherrschtest Baratowski aber auch vollständig. Doch davon ist jetzt nicht die Rede. Du hast einen Plan? Willst du frühere, halb vergessene Beziehungen wieder aufnehmen?« »Ich will endlich einmal die Rechte geltend machen, deren mich Nordecks Testament beraubte, dieses unselige Testament, in dem der Haß gegen mich jede Zeile diktiert hatte, das die Witwe wie die Mutter gleich rechtlos machte. Es bestand bisher in voller Kraft, aber es spricht Waldemar auch mit dem einundzwanzigsten Jahre mündig. Er hat kürzlich dieses Alter erreicht und ist somit Herr seines Willens. Ich will doch sehen, ob er es darauf ankommen läßt, daß seine Mutter bei ihren Verwandten eine Zuflucht suchen muß, während er zu den reichsten Grundbesitzern des Landes zählt und es ihm nur ein Wort kostet, mir und seinem Bruder auf einem der Güter eine standesgemäße Existenz zu sichern.« Morynski schüttelte zweifelnd den Kopf. »Du rechnest auf Kindesgefühl bei diesem Sohne? Ich fürchte, du täuschest dich. Seit seiner frühesten Jugend ist er dir entfremdet, und man hat ihn schwerlich gelehrt, die Mutter zu lieben. Ich habe ihn nur als Knaben gesehen und damals den...