E-Book, Deutsch, 322 Seiten
Bürstenbinder Gesprengte Fesseln
1. Auflage 2016
ISBN: 978-80-268-5265-0
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Aus der Feder der unbestrittenen Beherrscherin der Frauenliteratur
E-Book, Deutsch, 322 Seiten
ISBN: 978-80-268-5265-0
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dieses eBook: 'Gesprengte Fesseln' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Elisabeth Bürstenbinder (1838-1918) war eine deutsche Schriftstellerin. Sie schrieb unter dem Pseudonym E. Werner. Erste kleinere Veröffentlichungen Elisabeth Bürstenbinders erschienen in einer kleinen Zeitschrift in Süddeutschland. Einem größeren Publikum wurde sie durch Romane, die sie in der Zeitschrift Die Gartenlaube veröffentlichte, bekannt. Bald zählte sie zu den beliebtesten Autoren der Zeitschrift. Auch weitere Veröffentlichungen Elisabeth Bürstenbinders erschienen in den folgenden Jahren zuerst in der Gartenlaube, bevor sie in Buchform veröffentlicht wurden. Aus dem Buch: 'Hugo machte eine Wendung, in das Besuchszimmer hinüberzugehen, aber auf der Schwelle blieb er noch einmal stehen und blickte nach der Thür hinüber, durch die seine junge Schwägerin sich entfernt hatte. Der Zug von Spott und Uebermuth in seinem Gesichte war völlig verschwunden; es hatte einen nachdenklichen Ausdruck angenommen, als er leise sagte: 'Und da glaubt Reinhold nur, daß sie blaue Augen hat? Unbegreiflich!'
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Der Tag war glühend heiß geworden, und auch der Abend brachte weder Kühle noch Erfrischung. Luft und Meer schienen von keinem Hauche bewegt, und die Sonne ging in heißen Dunstwolken nieder. Auch in der Villa Fiorina schien man von der Gluth zu leiden. Die Bewohner hielten sich vermuthlich drinnen in den kühleren Zimmern, denn die Jalousien waren während des ganzen Tages nicht geöffnet worden und die Glasthüren, welche nach der Terrasse führten, blieben geschlossen. Die deutsche Familie bewohnte das weitläufige Gebäude, das sie für sich allein in Anspruch genommen hatte, kaum zur Hälfte. Einige Zimmer rechts vom Gartensaale waren für den Consul eingerichtet worden; die auf der andern Seite gelegenen bewohnte dessen Pflegetochter mit ihrem Kinde; die Dienerschaft war in den hinteren Räumen untergebracht, und das Uebrige stand leer. Es war schon in vorgerückter Abendstunde, als Ella in den von einer Lampe erhellten Gartensaal trat. Der Consul hatte sich bereits zur Ruhe begeben, und die junge Frau kam von ihrem Knaben, den sie, nachdem er eingeschlummert war, der Obhut seiner Wärterin überließ. Vielleicht war es der matte Lampenschein, der ihr Antlitz auch jetzt noch so blaß erscheinen ließ; seit dem heutigen Morgen war die Farbe noch nicht wieder darauf zurückgekehrt, wenn auch die Züge selbst vollkommen ruhig erschienen. Sie öffnete die Glasthür und trat auf die Terrasse. Draußen herrschte bereits völlige Dunkelheit; kein Mondstrahl drang durch das Gewölk, das noch immer den Himmel umzogen hielt, kein Hauch des Seewindes bewegte die blühenden Gesträuche. Schwül und schwer, schien die Luft auf der Erde förmlich zu lasten, und das Meer lag in träger Ruhe, fast regungslos. Es war beängstigend in dieser schwülen Stille und Dunkelheit; dennoch schien Ella sie dem Aufenthalt in dem erhellten Gartensaale vorzuziehen; sie stand wie heute Morgen an die Steinbalustrade gelehnt, zur Hälfte noch in dem matten Lichtkreise, der aus der geöffneten Thür auf die Terrasse fiel und die helle Gestalt, wenn auch undeutlich, erkennen ließ. Einige Minuten mochten so vergangen sein, als ein Geräusch in ihrer Nähe sie aufschreckte. Mit einem leichten Aufschrei wollte sie nach dem Hause zurückflüchten, denn dicht neben ihr stand eine hohe dunkle Männergestalt, in demselben Augenblicke aber legte sich auch eine Hand auf ihren Arm, und eine unterdrückte Stimme sagte: „Beruhige Dich, Ella! Es ist weder ein Räuber noch ein Dieb, der vor Dir steht, wenn Du mich auch gezwungen hast, den Weg eines solchen zu wählen.“ Die junge Frau hatte beim ersten Ton Reinhold’s Stimme erkannt, aber sie wich nur um so weiter zurück, bis an die Schwelle der Glasthür. „Was wünschen Sie, Signor?“ sagte sie kalt in italienischer Sprache. „Und was bedeutet dieser Ueberfall zu einer solchen Stunde?“ Reinhold war ihr gefolgt, aber er versuchte es nicht wieder, ihren Arm zu berühren oder ihr auch nur nahe zu kommen. „Vor allen Dingen wünsche ich, daß Du die Güte haben mögest, einmal Deutsch mit mir zu sprechen,“ versetzte er mit mühsam verhaltener Erregung. „Ich habe unsere Sprache doch nicht so ganz verlernt, wie Du vorauszusetzen scheinst. Woher ich komme? Aus dem Boote dort! Die Terrasse wenigstens hat sich nicht so unzugänglich gezeigt, wie die Thüren Deines Hauses, die mir verschlossen blieben.“ Er wies nach dem Meere hinüber. Es war ein Wagniß, von dem schwankenden Boote aus die hohe Steinterrasse zu ersteigen, aber Reinhold schien nicht in der Stimmung, nach der Möglichkeit einer Gefahr zu fragen. Er war augenscheinlich schon hier gewesen, als sie heraustrat, und fuhr jetzt noch erregter fort: „Es wird Dir wohl nicht unbekannt geblieben sein, daß ich bereits heute Nachmittag hier war. Du ließest mich abweisen, oder vielmehr Erlau that es, denn ich hatte begreiflicher Weise nicht die Tactlosigkeit, mich bei Dir melden zu lassen. Er hat mich weder empfangen, noch das Billet angenommen, das meine Bitte enthielt, und doch mußtet Ihr Beide wissen, was mich herführte. Da blieb denn nur die Selbsthülfe übrig. Du siehst, ich habe den Eingang dennoch erzwungen.“ Er sprach in tiefster Erbitterung. Der stolze Künstler empfand die doppelte Zurückweisung, die er heute erfahren hatte, als eine tödtliche Beleidigung. Man hörte, wie er noch jetzt jedes einzelne Wort seinem Stolze abrang, und es mußte ein mächtiger Beweggrund sein, der ihn trotz alledem herführte und noch dazu auf solchem Wege. Seine Gattin hatte wohl keinen Antheil daran, denn er stand ihr gegenüber in finsterem, ungebeugtem Trotze. Reinhold Almbach hatte es schon als Knabe nie vermocht, sich zu demüthigen, selbst da nicht, wo er sich im Unrecht wußte, und er hatte während der letzten Jahre nur zu oft die gefährliche Erfahrung gemacht, daß jedes Unrecht, das er beging, mit dem Rechte des Genius gedeckt wurde, der sich nahezu Alles erlauben darf. Sie waren während der letzten Worte vollends in den Gartensaal getreten. In der Mitte desselben blieb Ella stehen. „Signor Rinaldo scheint diesmal den Weg verfehlt zu haben,“ sagte sie, jetzt zwar in deutscher Sprache, aber in dem gleichen Tone wie vorhin. „Drüben in S. liegt die Villa, wo sich Signora Biancona befindet, und es konnte wohl nur ein Irrthum sein, der sein Boot an unserer Terrasse landen ließ.“ Der Vorwurf traf. Almbach’s trotziger Blick senkte sich, und für einige Secunden fehlte ihm die Antwort. „Ich suchte diesmal nicht Signora Biancona,“ erwiderte er endlich, „und daß ich Eleonore Almbach nicht suchen darf, hat sie mir heute Morgen bereits hinreichend gezeigt. Es war nicht meine Absicht, Dich nochmals durch meinen Anblick zu beleidigen; es wäre Dir erspart worden, hättest Du meiner schriftlichen Bitte nachgegeben. Ich kam einzig, mein Kind zu sehen.“ Mit einigen raschen Schritten war die junge Frau an der Thür des Schlafzimmers und stellte sich davor. Sie sprach kein Wort, aber in der inneren Bewegung lag ein so energischer Protest, daß Reinhold sofort ihre Absicht begriff. „Willst Du es mir nicht einmal gestatten, meinen Sohn zu umarmen?“ fragte er heftig. „Nein!“ lautete die feste, mit vollster Entschiedenheit gegebene Antwort. Reinhold wollte auffahren; sie sah, wie er die Hand ballte, aber er zwang sich zur Ruhe. „Ich sehe, daß ich Deinem verstorbenen Vater Unrecht gethan habe,“ sagte er bitter. „Ich hielt es für sein Werk, daß mir jede Nachricht über meinen Knaben vorenthalten wurde. – Hast Du selbst meinen ersten Brief gelesen und ihn unbeantwortet gelassen?“ „Ja.“ „Und den zweiten unerbrochen zurückgesandt?“ „Ja.“ In Reinhold’s Antlitz wechselten Röthe und Blässe; stumm sah er die Frau an, aus deren Munde er nie eine eigene Willensäußerung, viel weniger einen Widerspruch vernommen, die er nur als demüthig und schweigend Gehorchende kannte und die es jetzt wagte, ihm mit solcher Entschiedenheit Etwas zu versagen, was er als sein unbedingtes Recht in Anspruch nahm.“ „Nimm Dich in Acht, Ella!“ sagte er dumpf. „Was auch zwischen uns geschehen ist, was Du mir vorwerfen magst, diesen Ton der Verachtung ertrage ich nicht, und vor allem dulde ich es nicht, daß mir der Anblick des Knaben versagt wird. Ich will mein Kind sehen.“ Die Forderung klang beinahe drohend, die bleichen Wangen der jungen Frau begannen sich leise zu röthen, aber sie wich nicht von ihrem Platze. „Dein Kind?“ fragte sie langsam. „Der Knabe gehört mir, mir allein. Du hast jedes Recht auf ihn verloren, als Du ihn mir zurückließest.“ „Das möchte doch noch die Frage sein,“ rief Almbach mit ausbrechender Heftigkeit. „Sind wir gerichtlich geschieden? Haben die Gesetze Dir Reinhold zugesprochen? Er bleibt mein Sohn, was auch zwischen Dir und mir liegen mag, und wenn Du mir meine Vaterrechte noch länger verweigerst, so werde ich sie mir zu erzwingen wissen.“ Die Drohung blieb nicht wirkungslos, aber sie verfehlte vollständig ihren Zweck. Ella richtete sich auf mit zuckenden Lippen, aber mit vollster Energie. „Das wirst Du nicht. Die Stirn hast Du nicht, und hättest Du sie, so giebt es, Gott sei Dank, noch eine andere Macht, die ich anrufen kann, und die Dir vielleicht nicht so gleichgültig ist wie Familienbande und Pflichten, welche Du so leicht zerrissest. Die Welt würde es erfahren, daß Signor Rinaldo, nachdem er Weib und Kind verlassen und jahrelang nicht nach ihnen gefragt hat, es jetzt wagt, seinem Weibe mit denselben Gesetzen zu drohen, die er verhöhnt und mit Füßen getreten hat, weil sie nicht will, daß ihr Knabe ihn Vater nennt – und all Dein Ruhm und all die Vergötterung würden Dich nicht schützen vor der verdienten Verachtung.“ „Eleonore!“ Es war ein Aufschrei der Wuth, der seinen Lippen entfuhr, als sie das letzte Wort aussprach, und sein Blick flammte in erschreckender Wildheit nieder auf die zarte vor ihm stehende Gestalt. Wenn Reinhold’s Leidenschaftlichkeit erst einmal auf’s Aeußerste gereizt war, so kannte er keine Schranken mehr und seine ganze Umgebung pflegte dann vor ihm zu zittern. Selbst Beatrice, so wenig sie ihm sonst an Heftigkeit nachgab, wagte es in solchen Augenblicken nicht, ihn noch mehr zu reizen. Sie kannte die ihr gezogene Grenze, und war diese erst einmal erreicht, so fügte sie sich stets. Hier war das anders; zum ersten Male seit Jahren scheiterte er an einem fremden Willen; vor dem Auge, das so klar und groß dem seinigen begegnete, sank sein ganzer Trotz zusammen – er verstummte. „Du siehst wohl selbst ein, daß es mehr als Hohn wäre, wolltest Du Dich auf...