E-Book, Deutsch, 132 Seiten
Bürstenbinder Ein Gottesurteil (Historischer Roman)
1. Auflage 2016
ISBN: 978-80-268-7019-7
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 132 Seiten
ISBN: 978-80-268-7019-7
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dieses eBook: 'Ein Gottesurteil (Historischer Roman)' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Aus dem Buch: 'Es hatte die ganze Nacht hindurch gestürmt. Erst mit Tagesanbruch wurde es ruhiger in den Lüften, und auch die hochgehenden Wogen der See begannen sich allmählich zu legen. Der Dampfer, der draußen auf dem Meere einen ziemlich ernsten Kampf mit Wind und Wellen bestanden hatte, lief soeben in die schützende Bucht ein, und am Ende derselben tauchte das Ziel der Fahrt auf, ein malerisch gelegener Hafenort, der von einem starken Kastell auf felsiger Höhe überragt wurde. Am Vorderteil des Schiffes stand ein junger Offizier in der Uniform der österreichischen Kaiserjäger, der mit dem Fernglase in der Hand die Umgebung musterte. Die leichte Feldmütze, unter der sich das dichte, hellbraune Haar hervordrängte, beschattete ein Gesicht, das vollkommen zu der echt männlichen Erscheinung paßte. Jeder Zug darin war ernst, fest, geschlossen, und die klaren, lichtbraunen Augen mit ihrem ruhig prüfenden Blick entsprachen gleichfalls diesem Antlitz. Man hätte ihm nur etwas mehr Leben und Feuer wünschen mögen, die ernste, leidenschaftslose Ruhe berührte fast erkältend in den noch so jugendlichen Zügen...' Elisabeth Bürstenbinder (1838 - 1918) war eine deutsche Schriftstellerin. Sie schrieb unter dem Pseudonym E. Werner.
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ZWEITES KAPITEL
Inhaltsverzeichnis Fast drei Wochen waren seit der Ankunft des Regiments verstrichen. Der größte Teil desselben war schon nach dem Schauplatz der Insurrektion aufgebrochen, nur die Abteilung Geralds befand sich noch in Cattaro. Seine Geduld wurde dadurch freilich auf eine harte Probe gestellt. Er war mit seinen Leuten einstweilen nach dem Kastell beordert worden, das sich über der Stadt erhob und augenblicklich nur als Gefängnis diente. Der Dienst war daher sehr leicht, und der junge Offizier konnte täglich einige Stunden in der Stadt und bei seiner Braut zubringen, was auch regelmäßig geschah. Es war noch sehr zeitig am Morgen. Die Frühnebel lagen dicht auf der Bucht und den Bergen, und am Hafen regte sich noch wenig von dem gewohnten Treiben. Unter den einzelnen Schiffern und Arbeitern, die schon zur Stelle waren, zeigte sich auch die Gestalt Georg Moosbachers, der in voller Uniform auf- und abspazierte, sich aber sichtlich dabei langweilte. Er hatte es zwar versucht, mit einem der Schiffer ein Gespräch anzuknüpfen, da dieser aber nur slavisch verstand, und die Pantomime zur Verständigung nicht ausreichte, so mußte die Unterhaltung abgebrochen werden. Jörg schlenderte mißmutig weiter und brummte etwas von unwissendem Volk, das nicht einmal Tiroler Deutsch verstehe, als eine Stimme hinter ihm sagte: »Das ist ja der Jörg vom Moosbacher Hofe!« Der Gerufene fuhr auf und wandte sich um. Vor ihm stand ein Geistlicher in der Ordenstracht der Franziskaner, eine hohe Gestalt mit ernsten, tiefdurchfurchten Zügen, in denen jedoch keine Strenge lag, die Augen hatten vielmehr einen unverkennbaren Ausdruck von Güte und Wohlwollen, und derselbe Ausdruck lag auch in seiner Stimme, als er jetzt hinzusetzte: »Grüß Gott, Jörg, hier in der Fremde!« Jörg hätte beinahe einen höchst respektwidrigen Freudensprung gemacht, statt dessen aber beugte er sich nieder und küßte ehrfurchtsvoll die Hand des Priesters. »Hochwürden Pater Leonhard! Hab ich doch nicht gedacht, daß Sie hierher an das Ende der Welt kommen würden. Ich meinte, Sie säßen daheim im schönen Tirol unter den Christenmenschen!« »Nun, unter die Heiden scheine ich hier auch nicht geraten zu sein, denn das erste Wesen, das mir in Cattaro begegnet, ist eins meiner Beichtkinder«, sagte der Pater lächelnd. »Ich bin gestern erst angelangt und bin gesandt, um den Pater Anton zu ersetzen, der das Klima nicht vertragen kann. Ich werde statt seiner das Regiment begleiten.« Das Antlitz des jungen Soldaten verklärte sich förmlich bei dieser Nachricht. »Sie gehen mit uns, Hochwürden? Gott sei Dank! Dann haben wir doch ein Gutes in der Wildnis – Krivoscie nennen sie das Ding! Das ist schon ein so barbarischer Name, daß eine ehrliche Tiroler Zunge ihn gar nicht aussprechen kann. Da oben gibt es nämlich nichts als Steine, Räubergesindel und Ziegen, zu essen findet man nichts und zu trinken« – Jörg seufzte tief und schmerzlich – »zu trinken noch weniger, und wenn man sich abends niederlegt, kann es passieren, daß man mit abgeschnittenem Kopfe wieder aufwacht.« »Das wären allerdings traurige Verhältnisse! Aber wie ich höre, ist das Regiment längst von Cattaro abgegangen, was tust du denn noch hier in der Stadt?« »Wir sind einstweilen hier geblieben, der Herr Leutnant, ich und noch einige fünfzig Mann. Wir sitzen da oben in dem alten Gemäuer – Kastello heißt man es – und bewachen ein paar von den Ohrenabschneidern, die wir glücklich erwischt haben. Der Herr Gerald ist natürlich wütend darüber, aber das hilft ihm nichts!« »Gerald von Steinach?« fragte der Pater. »Ich glaube nicht, daß er die Verzögerung so schwer erträgt, da Oberst Arlow Kommandant der hiesigen Garnison ist.« »Ich glaube, er wäre viel lieber da oben bei den Wilden«, sagte Jörg lakonisch. »Weshalb? Ist denn seine Braut nicht in der Stadt?« »Das schon! Und er ist auch Bräutigam, das steht fest, aber – die Geschichte gefällt mir nicht!« Pater Leonhard stutzte. »Was gefällt dir nicht? Die Braut des Herrn von Steinach?« »Das gnädige Fräulein?« rief Jörg enthusiastisch. »Das ist, mit Respekt zu sagen, ein Prachtmädel! Die sieht aus wie der leibhaftige Sonnenschein, und lachen kann sie und Possen treiben wie ein Kobold. Ich steh' bei ihr in Gnaden und muß ihr stets von unserem Tirol erzählen, wo sie ja auch geboren ist. Nein, die gefällt mir sehr, Hochwürden.« »Nun, was meintest du denn aber mit deiner Bemerkung?« Der junge Soldat fuhr verlegen mit der Hand durch sein schwarzes Kraushaar. »Ich weiß nicht – der Herr Gerald küßt ihr ja immer die Hand und bringt ihr auch Blumen und reitet und fährt mit ihr spazieren – aber ich würde mit meinem Schatz anders umgehen.« »Das glaube ich«, sagte der Pater mit einem flüchtigen Lächeln. »Aber in den Kreisen des Freiherrn von Steinach freit man anders als im Moosbacher Hofe.« »Schon recht! Ich weiß schon, daß es bei den Vornehmen anders zugeht als bei unsereinem, aber wenn man verliebt ist, dann ist's eins beim Bauern wie beim Grafen, und verliebt ist der Herr Gerald blutwenig. Kurz und gut – die Sache hat einen Haken, und da müßte sich eigentlich eine hochwürdige Geistlichkeit einmischen und sie wieder in Ordnung bringen.« Er blickte so treuherzig bittend zu dem Priester auf, daß man wohl sah, er war felsenfest überzeugt, eine hochwürdige Geistlichkeit könne alles in Ordnung bringen, was sie überhaupt in die Hand nahm. Pater Leonhard aber sagte abwehrend: »Nein, Jörg, dergleichen muß das junge Paar allein unter sich ausmachen, da taugt keine Einmischung. Sie werden sich schon näher kennen und lieben lernen. Gerald von Steinach ist ja ein vortrefflich angelegter Charakter.« »Ja, leider nur gar zu vortrefflich!« fuhr Jörg heraus. »Ich glaube, er hat noch nie in seinem ganzen Leben eine Dummheit gemacht, und Dummheiten muß der Mensch machen, Hochwürden, dafür ist er Mensch, das geht nicht anders.« »Das hast du allerdings hinreichend bewiesen. Der Moosbacher und die Bäuerin sind in Sorge, wie es ihrem leichtsinnigen und etwas rauflustigen Buben in der Fremde gehen mag. Ich habe ihnen versprochen, ein Auge auf dich zu haben, aber ich denke doch, du hast das Versprechen gehalten, das du mir beim Abschiede gabst. – Freilich woher stammt denn dann die Beule da auf deiner Stirn?« Jörg fuhr schnell mit der Hand nach dem Kopfe und zog das Käppi herunter, so daß die verdächtige Stelle verdeckt wurde. »Das ist nicht der Rede wert! Das war nur zum Vergnügen, damit man doch nicht ganz aus der Übung kommt. Übrigens hat der Bartel angefangen, er gab mir einen Faustschlag, aber nur einen einzigen, und ich gab ihm sechs zurück. Er kommt mir sobald nicht wieder nahe.« »Jörg, du bist unverbesserlich!« sagte der Pater ernst, aber der Sünder sollte für diesmal noch der verdienten Strafrede entgehen, denn gerade jetzt erschien Gerald, der vom Kastell kam und überrascht und erfreut den Geistlichen begrüßte, von dessen Ankunft er gleichfalls noch nichts wußte. Auch hier wurden Grüße und Fragen nach der Heimat ausgetauscht, und als Pater Leonhard erklärte, daß er im Begriff sei, den Kommandanten aufzusuchen, erbot sich der junge Offizier, ihn dorthin zu geleiten. Zuvor aber wandte er sich noch einmal um mit der Frage: »Die Maultiere sind doch rechtzeitig bestellt, Jörg?« »Ja, Herr Leutnant, in einer halben Stunde sind sie vor dem Hause des Herrn Oberst.« »Gut, ich denke, die Damen werden bis dahin fertig sein. Melde es mir, wenn die Tiere da sind.« Er schritt im Gespräch mit dem Priester davon, und Jörg folgte, in höchster Befriedigung darüber, daß eine hochwürdige Geistlichkeit mit in die »Wildnis« ging, wie er hartnäckig die Krivoscie nannte. * Im Hause des Obersten war trotz der frühen Stunde schon alles wach und bereit zu dem Ausfluge, den man gestern verabredet hatte, bis auf Fräulein Edith, der es in letzter Stunde noch einfiel, ihre Teilnahme an der Partie zu verweigern. Sie fand das Wetter zu unsicher, den Weg zu weit, den Ritt zu anstrengend, kurz, sie wollte zu Hause bleiben, und der Vater, anstatt dieser Launenhaftigkeit mit einem Machtworte entgegenzutreten, versuchte es mit Vorstellungen. »Aber Kind, so nimm doch Vernunft an«, ermahnte er. »Was soll Gerald davon denken, wenn du wirklich zurückbleibst? Muß er nicht glauben, daß dir seine Nähe und seine Begleitung ganz gleichgültig sind?« »Vielleicht so sehr wie ihm die meinige!« lautete die trotzige Antwort. »Nun gut, dann sind wir quitt.« »Ihr hattet gestern eine kleine Szene miteinander. Ich sah es an euren Mienen, als ich in das Zimmer trat, und das soll nun der arme Junge büßen. Nimm dich in acht, Edith, und spanne die Saite nicht zu straff, er ist nicht allzu nachgiebig in dieser Hinsicht.« »Papa, du hast mich lieb, nicht wahr?« Die Stimme des jungen Mädchens hatte einen ganz ungewohnten, herben Klang. »Du würdest selbst einen Lieblingswunsch opfern um meinetwillen, du würdest mich nie zu einer Verbindung zwingen, die –« »Um Gottes willen, was soll das heißen?« rief der Oberst, in vollem Ernste erschrocken. »Was ist denn zwischen euch vorgefallen?« Statt aller Antwort begann Edith zu weinen, so...