E-Book, Deutsch, Band 1, 232 Seiten
Reihe: Ein Fall für Falkner/Naumann
Büntig Schatten der Vergangenheit
3. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7693-8133-7
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 1, 232 Seiten
Reihe: Ein Fall für Falkner/Naumann
ISBN: 978-3-7693-8133-7
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Sabine Büntig, geb. 1966, lebt mit ihrer Familie in Nordhessen. Das Schreiben gehört schon immer zu ihrem Leben, mehr als 1.000 Artikel sind in der Lokalredaktion der regionalen Tageszeitung sowie weiteren Zeitschriften erschienen. Als Romane veröffentlicht wurden bisher drei Bände der Sunny-Saga. Die generationsübergreifende Familiengeschichte spielt vor der Kulisse Südafrikas. Kontakt: sunny-saga@gmx.de
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2. Als sie sich den Wanderern näherte, fiel Antonias Blick auf eine Frau, die zusammengesunken auf einem Felsen hockte und ihre Hände vors Gesicht geschlagen hatte. „Franzi?“, sie kniete sich auf die Erde und legte die Hände auf die Schultern der Wanderführerin Franziska Dahlke, mit der sie den Großteil ihrer Kindheit und Jugend verbracht hatte.
Diese hob ihr tränenüberströmtes Gesicht, über das ein erleichtertes Lächeln glitt. „Toni? Gut, dass du zuständig bist, es ist so schrecklich. Er hat mit seiner Familie in unserer Pension gewohnt. Hast du ihn …“
„Pscht, ganz ruhig, darüber reden wir später“, unterbrach die Kommissarin ihr Gestammel und fragte, „warum hast du mir nichts davon erzählt?“ Es sollte doch eine Selbstverständlichkeit sein, dass sie als Allererste von seinem überraschenden Auftauchen erfuhr – was konnte die Freundin davon abgehalten haben?
Während Franziska schluckte und sichtbar um Worte rang, beobachtete Antonia sie und überlegte misstrauisch, was an der Frage so schwierig sein konnte, dass eine Antwort so lange dauerte?
Bevor sie jedoch erneut nachhaken konnte, wurden sie von Magnus unterbrochen. „Wissen wir schon, um wen es sich handelt? Er ist wohl abgestürzt, die Spurensicherung sucht noch seine Kleidung, vielleicht hatte er Papiere bei sich.“
Franziska hatte sich inzwischen gefasst und erklärte mit ruhiger Stimme, dass es sich um den Arzt Richard Hansen handelte, der seit ein paar Tagen mit seiner Frau und den beiden Töchtern in der Pension der Dahlkes abgestiegen war, um hier den Familienurlaub zu verbringen.
Die Kommissare wechselten einen Blick. Es würde wohl an ihnen hängenbleiben, die Angehörigen zu informieren. Um diesen Job riss sich niemand, während sich die Streifenpolizisten bei vielen anderen Gelegenheiten gerne in den Vordergrund drängten. „Okay, es hilft nichts, machen wir uns auf den Weg aber vorher lass uns noch mit der Spurensicherung reden“, seufzte Antonia und wandte sich zum Gehen. „Sollen wir dich nachher mitnehmen?“
Franzi schüttelte den Kopf, „nein, ich muss mich um meine Gruppe kümmern. Sie finden alleine nie im Leben zurück.“
Antonia zögerte und da Magnus bereits einige Schritte voraus und damit außer Hörweite war, wandte sie sich erneut an die Wanderführerin. „Über das andere reden wir später aber was hast du hier eigentlich gemacht? Das ist doch nicht deine übliche Route, stimmts?“
Franzi zuckte die Schultern und entgegnete betont gleichmütig, „der Sonnenaufgang ist an dieser Stelle spektakulär, ich muss auch mal für ein bisschen Abwechslung sorgen.“ Im nächsten Moment war sie bereits aufgestanden und auf dem Weg zu ihrer kleinen Gruppe, die immer noch ganz verloren am Rand stand und nicht zu wissen schien, wie sie sich weiter verhalten sollte.
Die Arbeit auf dem Berg schien zunächst beendet zu sein, die zuständigen Mitarbeiter der Spurensicherung hatten sich am Rand der Absperrung versammelt und waren damit beschäftigt, ihre Sachen zusammenzupacken.
Als die Kommissare zu ihnen traten, unterbrachen sie ihr Gespräch. „Okay, auf die Schnelle ein paar Dinge: Oben könnte ein Kampf stattgefunden haben, wir haben ein ziemliches Durcheinander an Fußspuren gefunden.“ Die Frau, die sich vor ihnen aufgebaut und das Wort ergriffen hatte, strotzte vor Selbstbewusstsein, obwohl sie den Kopf in den Nacken legen musste, um den beiden Kommissaren in die Augen sehen zu können.
Diese demütige Haltung schien ihr zu missfallen, weshalb sie stattdessen damit fortfuhr, ihren weißen Overall abzustreifen, während sie weitersprach. „Wenn es so war, könnten sie da oben miteinander gerangelt haben, vielleicht ist unser Opfer dabei abgerutscht – oder gestoßen worden. Die Fußspuren zuzuordnen wird wegen des steinigen Untergrundes nicht einfach, die ohne Schuhe scheinen zu ihm zu gehören“, sie zeigte auf den Toten, „bei den anderen geht es ziemlich durcheinander, wir müssen erst einmal feststellen, ob sie zu mehreren Personen gehören und welche zu den Schuhen passen, die wir gefunden haben.“
Sie schüttelte nachdenklich den Kopf und brachte damit ihre hellbraunen Haare, die sie von der enganliegenden Haube befreit hatte, wieder in Form. „Irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass er vor seinem Absturz ganz alleine wie ein Wilder dort rumgetrampelt ist, sich dann ausgezogen hat, die Klamotten ein ganzes Stück von der Klippe entfernt unter einem Dornenbusch versteckt hat, wieder zurückgelaufen und dann freiwillig runtergehüpft ist … Naja, ist glücklicherweise nicht mein Job, Ordnung in das Chaos zu bringen. Den ausführlichen Bericht mit Fotos bekommen Sie spätestens Anfang nächster Woche.“ Sie wandte sich wieder ihren Kollegen zu und zeigte damit deutlich, dass das Gespräch für sie beendet war.
„Du fährst, ich sag dir den Weg.“ Antonia warf Magnus den Autoschlüssel zu und beeilte sich, auf der Beifahrerseite einzusteigen.
„Bist du sicher, dass es dir gut geht?“ Magnus versuchte vergeblich, sich daran zu erinnern, ob seine Kollegin ihm jemals freiwillig das Steuer überlassen hatte. „Irgendwie bist du komisch drauf, liegt es an der Gegend oder am Opfer?“
„Nun mach schon, ich möchte auch nochmal fertigwerden.“ Die Kommissarin warf ihm einen Blick zu, „was denkst du? Ein Unfall, Selbstmord oder Mord?“
Während er überlegte, lenkte Magnus den Wagen vorsichtig die Serpentinen hinunter und fühlte sich am Steuer entschieden sicherer, als auf dem Beifahrersitz. „Keine Ahnung, wir müssen wohl zunächst alle Möglichkeiten in Betracht ziehen.“
Trotz seines defensiven Fahrstils dauerte die Fahrt nicht annähernd lange genug, um ihnen die Zeit zu verschaffen, ihre Gedanken zu ordnen. Auf den ersten Blick mochte es wie ein Unfall aussehen aber die Tatsache, dass das Opfer unbekleidet war, sprach ebenso dagegen, wie die Spuren am Abhang. Außerdem befand sich die Stelle nicht an einem der ausgeschilderten Wanderwege, ein Fremder hätte sich zunächst ziemlich verlaufen müssen, um dorthin zu gelangen. Auch das war vielleicht nicht gänzlich auszuschließen aber was hatte er dort mitten in der Nacht zu suchen gehabt?
Magnus sprach als Erster aus, was beiden im Kopf herumspukte. „Und wenn er freiwillig gesprungen ist? Selbstmörder ticken ja irgendwie komisch, vielleicht wollte er seine Klamotten für die Nachwelt schonen?“
Antonia nickte zustimmend aber wirklich anfreunden konnte sie sich mit dem Gedanken nicht - ohne weitere Informationen ließ sich der Tathergang unmöglich ermitteln.
Umrahmt von Bergen, idyllisch am Ufer des Lunasees, der ihm seinen Namen gegeben hatte, lag der kleine Ort Lunau, in dem sich die Pension befand. Momentan platzte er aus allen Nähten aber Antonia versicherte ihrem Kollegen, dass sich hier außerhalb der Saison deutlich weniger Leute aufhielten.
Alles war auf den Tourismus ausgerichtet, egal ob Sommer- oder Wintergäste – das reichhaltige Angebot ließ keine Wünsche offen. In der Hauptstraße, die sie nur im Schritttempo passieren konnten, wechselten sich Kosmetikstudios und Wellnesstempel mit Lokalen, Kneipen und Bars sowie diversen weiteren Angeboten ab, die lediglich dazu dienten, den Besuchern ihr Geld aus der Tasche zu ziehen.
Die Schaufensterfront des exklusiven Bekleidungsgeschäftes Traumtrachten, dessen Namen Magnus nur aus protzigen Anzeigen kannte, erstreckte sich über etliche Meter. Ein flüchtiger Blick genügte ihm um zu erkennen, dass er diese Art Kleidung auch zu einem erschwinglichen Preis nie gewählt hätte. Er konnte sich keinen Mann vorstellen, der in dem ausgestellten Trachtenlook eine auch nur halbwegs vernünftige Figur machte aber die Dirndl im Schaufenster mochten ein Mädel mit der passenden Figur schon vorteilhaft kleiden. Grinsend stellte er sich Antonia darin vor, verwarf den Gedanken jedoch schnell wieder. Selbst im Hochsommer trug sie ausschließlich Hosen und das hatte mit Sicherheit nicht nur praktische Gründe.
Sie mussten mehrere Runden fahren, bevor sie endlich einen Parkplatz in der Nähe der Pension Bergglück fanden.
„Naja, der Name ist schon irgendwie der Hohn, wenn man bedenkt, was wir der Familie gleich mitteilen müssen“, meinte Magnus, bevor er sich erkundigte, ob die Pension tatsächlich genügend Gewinn abwarf, um sich damit über Wasser halten zu können.
„Es ist ein klassischer Familienbetrieb, meine Freundin hilft hier, wenn sie keine Gruppen betreut, ihr Bruder kümmert sich um alles Geschäftliche und die Eltern sind auch noch nicht so alt“, berichtete Antonia und erzählte Magnus, wie alles begonnen hatte.
Familie Dahlke hatte zuvor jahrzehntelang ein kleines Hotel in München geführt. Hier hatte sich Antonia als Zimmermädchen, Kellnerin oder an der Rezeption gemeinsam mit Franziska ihr Taschengeld verdient – wobei die Freundin in der Regel im Gegensatz zu ihr selbst bereits damals unentgeltlich arbeiten musste.
Nach und...