E-Book, Deutsch, 132 Seiten
Bühler X-MH46 Die andere Welt
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7557-8966-6
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 132 Seiten
ISBN: 978-3-7557-8966-6
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Stress und Hektik bestimmen ihre Welt, ein Termin jagt den anderen, - aber genauso liebt Agneta Vanderbild ihr Leben. Bis sie von der "Krankheit" ihres Bruders Steven erfährt, von einer Krankheit, die den Patienten eine neue Welt auftut. Durch Steven kann sie einen ersten Blick in diese wundersame Welt werfen, in der Ruhe, Frieden und Liebe das Leben bestimmen. Obwohl sie sich anfangs dagegen wehrt, kann auch sie sich schließlich diesem Reiz nicht mehr entziehen und ist bereit, ihr reales Leben dafür aufzugeben.
Schon seit ihrer Kindheit liebt sie es, Geschichten zu erzählen, doch erst als Rentnerin hat sie genügend Zeit, um sich intensiv der Schreiberei zu widmen. Seither hat sie viele interessante, und sehr unterschiedliche Romane verfaßt, und noch unzählige ihrer Ideen warten darauf, von ihr niedergeschrieben zu werden.
Autoren/Hrsg.
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II.
Ich weiß nicht, warum ich plötzlich den starken Wunsch verspürte, trotz seines Verbotes meinen Bruder zu besuchen. Wahrscheinlich war es die neu entdeckte menschliche Seite in mir, die mir diesen Gedanken eingegeben hatte. Ich rief Ramina an und sagte ihr, was ich vorhatte, doch sie war strikt dagegen. "Das kannst du nicht machen, Agneta, er hat ganz deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er das nicht will. Wahrscheinlich wäre es ihm sogar peinlich, wenn wir ihn in seinem jetzigen Zustand sähen." "Du hast ja recht. Aber ich würde doch gern einmal mit seinen Ärzten reden. Selbst wenn ich ihn nicht persönlich treffen kann, könnten sie mich doch vielleicht beruhigen. Möglicherweise erwarten sie es sogar von uns als seiner Familie, dass wir uns wenigstens hin und wieder nach ihm erkundigen. Bestimmt würden sie es mir sagen, wenn ihm ein Besuch schaden würde.“ "Also gut, wenn du das machen willst. Ich für mich halte es jedoch für besser, mich nicht bei ihm zu melden. Ich möchte auf keinen Fall etwas tun, was nicht gut für ihn ist oder ihm sogar schadet." "Das will ich doch auch nicht.“ Ich seufzte tief. „Aber gut, ich werde zuerst einmal mit der Leitung des Pflegeheims reden und mich nach ihm erkundigen. Dann werde ich ja hören, was sie dazu zu sagen haben." „In Ordnung, mach das, wenn du meinst. Vorher gibst du ja eh' keine Ruhe. Aber sag mir bescheid, wie die Heimleitung reagiert hat." Am nächsten Morgen rief ich im Pflegeheim an. Es hieß Friedenspfad, und ich fand, das war ein guter Name für ein Zuhause für kranke Menschen. "Mein Name ist Vanderbild“, stellte ich mich vor. „Ich habe vor, meinen Bruder, der in Ihrem Heim lebt, zu besuchen.“ Die Dame am Telefon war sehr nett. „Wie heißt denn ihr Bruder?“, fragte sie freundlich. "Auch Vanderbild, Steven Vanderbild.“ "Einen Augenblick bitte, da muß ich nachsehen.“ Ich wartete. Ich wunderte mich, dass es so lange dauerte, bis sie mir Antwort geben konnte, weil ich geglaubt hatte, sie müsste einfach nur auf einer Liste nachschauen. "Ja, Ihr Bruder wohnt bei uns, aber…“ "Aber?“ "Wir müssten uns erst bei ihm erkundigen, ob er damit einverstanden ist, dass Sie ihn besuchen kommen.“ "Ja, fragen Sie ihn“, antwortete ich, „ich warte solange.“ Sie lachte. „Oh nein, so schnell geht das nicht. Man muß erst den richtigen Augenblick abwarten, um ihn fragen zu können.“ "Vielleicht könnte ich aber schon mal mit seinem behandelnden Arzt sprechen, damit ich weiß, wie es meinem Bruder geht. Wir machen uns nämlich große Sorgen, meine Schwester und ich.“ "Das verstehe ich“, war die Antwort, „aber unser Ärzteteam ist nicht sehr breit aufgestellt, weil hier vorort nur wenige medizinische Maßnahmen durchgeführt werden. In erster Linie geht es uns darum, dass die Patienten, bei denen wenig oder keine Aussicht auf Heilung besteht, hier in Ruhe und Frieden leben können und so gut wie möglich mit ihrer Krankheit zurechtkommen. Vielleicht sollten Sie sich in zwei oder drei Tagen noch einmal melden, bis dahin weiß ich, welcher Arzt für ihren Bruder zuständig ist und kann ihm mitteilen, dass sie angerufen haben. Und dann wissen wir auch, ob Ihr Bruder mit Ihrem Besuch einverstanden ist.“ Ich war ärgerlich geworden. „Es kann doch nicht so schwer sein, seinen Arzt heute noch ausfindig zu machen, um ihn zu fragen, ob ich mit ihm reden kann oder nicht. In anderen Pflegeheimen spaziert man einfach hinein, wenn man seine Angehörigen besuchen will. Warum ist das bei Ihnen so schwierig.“ "Wir sind ein ganz besonderes Heim“, belehrte sie mich. „Unsere Bewohner zahlen eine Menge Geld dafür, dass sie hier bei uns sein dürfen. Demnach müssen wir uns auch nach ihren Wünschen richten und müssen alles, was sie stören oder aufregen könnte, von ihnen fernhalten. Das müssen Sie verstehen.“ "Muß ich das?“, murmelte ich vor mich hin. Aber mir war klar, dass die Dame am Telefon nichts dafürkonnte, sondern auch nur den Anordnungen der Heimleitung folgte. "Also gut“, sagte ich, „heute ist Montag. Wenn ich mich am Mittwoch wieder bei Ihnen melde, wäre das in Ordnung?“ "Oh ja, ich bedanke mich für Ihr Verständnis.“ Ich hatte ein eigenartiges Gefühl, nachdem ich das Telefonat beendet hatte. Gab es einen besonderen Grund dafür, dass es so schwierig war, jemanden in diesem Heim zu besuchen? Waren auch die übrigen Bewohner von derselben Krankheit betroffen, die Steven erwischt hatte? War sie so schlimm, dass wirklich ganz besondere Maßnahmen notwendig waren? Gut, ich war nie sehr oft mit Steven zusammengekommen, auch vor Mamas Beerdigung nicht. Mit den zwei Tagen konnte ich mich abfinden. Am Mittwoch rief ich wieder an. Die Dame am Telefon erinnerte sich an mich. „Ah Frau Vanderbild. Ich habe mit Dr. Wilhelm gesprochen“, meinte sie, „und von seiner Seite aus steht einem Besuch bei Ihrem Bruder nichts im Wege. Allerdings…“ "Allerdings?“ Ich seufzte. Was war denn nun schon wieder? "Allerdings muß er Ihren Bruder zunächst ganz vorsichtig darauf vorbereiten, dass Sie ihn zu sehen wünschen.“ "Das verstehe ich nicht, er ist doch mein Bruder. Wir haben uns immer gut verstanden. Und im Frühjahr, bei der Beerdigung unserer Mutter, hat er einen sehr guten Eindruck auf mich gemacht. Da hatte ich keinesfalls das Gefühl, dass es ihm ungewöhnlich schlecht ging.“ "Verzeihen Sie, Frau Vanderbild, aber ich denke, dass Sie als Laie das nicht wirklich beurteilen können.“ "Ist er denn so krank, dass Sie glauben, sogar der Besuch seiner eigenen Schwester könnte ihm schaden?“ Die Frau lachte ein bisschen gekünstelt. „Frau Vanderbild… Die Bewohner unseres Hauses sind zwar krank, aber sie sind freie Menschen, die selbst entscheiden können, wer sie besuchen darf und wer nicht. Deshalb ist es einfach notwendig, dass wir Rücksprache mit ihnen nehmen.“ "Natürlich, das verstehe ich, aber…“ "Und manche von ihnen möchten einfach allein- und in Ruhe gelassen werden. Um herauszufinden, wie ihr Bruder dazu steht, braucht es etwas Zeit.“ Ich war noch immer ärgerlich. „Also gut, dann sagen Sie mir hier und jetzt, bis wann Sie oder ihre Doktoren herausgefunden haben, ob mich mein Bruder sehen will, oder nicht.“ "Melden Sie sich in einer Woche noch einmal…“ "In einer Woche?“ Ich war fassungslos. „Und was heißt ‚noch einmal‘? Sie werden auf alle Fälle in einer Woche von mir hören, und wenn Sie mir bis dahin nicht die Antwort meines Bruders geben können, dann muß ich davon ausgehen, dass mit Ihrem Heim etwas nicht in Ordnung ist. Und dann werde ich mit der Polizei bei Ihnen aufkreuzen, darauf können Sie sich verlassen.“ "Frau Vanderbild, bitte…“ Aber ich hatte schon aufgelegt. Irgendetwas stimmte nicht mit diesem Heim, davon war ich überzeugt. Dennoch wollte ich diese eine Woche noch warten. Genau eine Woche später fuhr ich zum Heim, ohne mich vorher telefonisch anzumelden. Die Straße, in der es lag, gehörte zu den besten Wohngegenden der Stadt. Sie war gesäumt von prächtigen Villen, die umgeben waren von traumhaft schönen und gut gepflegten Gärten. Nur ein kleines Holzschild neben dem Gartentor einer dieser Villen wies darauf hin, dass sie eine ganz bestimmte Bedeutung hatte. Haus Friedenspfad stand darauf, man konnte es leicht übersehen, wenn man nicht danach suchte. Ich öffnete das Gartentor, - es war nicht verschlossen. Dann folgte ich dem Kiesweg, der durch eine parkartige Anlage führte. Einzelne Heimbewohner saßen auf den Bänken, lasen oder ließen sich von der Sonne bescheinen. Eine Sekunde lang dachte ich daran, mich zu einem von ihnen zu setzen und ein Gespräch zu beginnen, um ein wenig mehr über das Heim und seine Gepflogenheiten zu erfahren. Aber das ließ ich dann lieber, denn zuerst wollte ich wissen, wie man mir dieses Mal begegnen würde. Und ob ich nun endlich meinen Bruder zu sehen bekam. Die pompöse Eingangstür wurde von zwei Säulen flankiert, die einen kleinen Balkon mit verschnörkeltem Geländer trugen. Die Eingangshalle war mit dunklen Marmorfliesen ausgelegt. Kaum war ich eingetreten, als sich die Dame an der Rezeption von ihrem Stuhl erhob. "Kann ich Ihnen helfen?“ fragte sie. "Ja, das können Sie. Mein Name ist Vanderbild, wir haben schon miteinander telefoniert.“ "Ach, Frau Vanderbild.“ Sie schien jedoch nicht sehr erfreut darüber zu sein, dass ich gekommen war, ohne vorher noch einmal anzurufen. Nervös nahm sie den Hörer der Telefonanlage zur Hand und drückte verschiedene Knöpfe. "Die Frau Vanderbild ist hier,“ sagte sie in den Apparat hinein, ohne mich aus den Augen zu lassen, und nach einer Weile schloss sie das Gespräch mit dem Satz: „In Ordnung. Danke, Herr Doktor.“ Dann wandte sie sich wieder an mich. „Einen Augenblick bitte, Dr. Wilhelm wird gleich hier sein.“ Im nächsten...