Bühler | Kampf den Piraten | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

Bühler Kampf den Piraten

Mein Einsatz unter fremder Flagge
13001. Auflage 2013
ISBN: 978-3-8437-0420-5
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Mein Einsatz unter fremder Flagge

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

ISBN: 978-3-8437-0420-5
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Sie sind schwer bewaffnet und ständig auf der Hut. Ihr Auftrag: internationale Handelsschiffe vor Piraten zu schützen. George Cypriano Bühler berichtet von seinem abenteuerlichen Einsatz für maritime Sicherheitsfirmen vor Somalia und anderswo. In seinem Insider-Bericht erzählt er von lebensgefährlichen Feuergefechten, den immer ausgeklügelteren Strategien der Piraten und seiner Aufgabe, als Teamleader eine Truppe eigenwilliger Charaktere zusammenzuhalten. Ein spannender und politisch aktueller Bericht aus einer verschwiegenen Branche.

George Cypriano Bühler, *1977, verpflichtete sich bei der Bundeswehr als Marineinfanterist. Seit 2009 arbeitet er für internationale private Sicherheitsfirmen und machte schnell Karriere als Teamleader. Heute ist er Einsatzleiter für ein deutsches Unternehmen im Bereich der maritimen Sicherheit.
Bühler Kampf den Piraten jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Im Visier der Piraten

Nach einer guten Seemeile hatten wir den Strand erreicht. Als Treffpunkt war ein Leuchtturm an einer kleinen Steinmole ausgemacht. Am Steg lagen zwei kleine Fischerboote, die bei dem Wellengang wie tollwütige Hunde an ihren Leinen zerrten. Während die Fipse sich mühten, das Boot festzumachen, kletterten wir etwas unelegant auf den Anleger und winkten verlegen zu den Fischern hinüber, die nur kurz mürrisch aufblickten. Ein kleiner Pfad aus Kieselsteinen führte hinter der Steinmole den Strand hinauf. Das Dorf – wenn das denn ein Dorf war – bestand aus ein paar alten Bretterbuden und Lehmhäusern. Das Ganze sah eher aus wie eine Baustelle, die jemand in der Wüste vergessen hatte. Drum herum war nichts als gelbe Erde. Es gab nicht einmal ernstzunehmende Vegetation. Die Farbe Grün fehlte vollständig.

Ein paar weißgekleidete Männer saßen vor den Hütten. Was man bei uns eher als Bettlaken bezeichnet hätte, diente den Einheimischen als Freizeitkleidung. Am oberen Ende des Strandes spielten Kinder. Als sie uns entdeckten, liefen sie unter aufgeregtem Geschrei auf uns zu.

So standen wir etwas unsicher herum und zündeten uns eine Zigarette an. Trotz des Windes lief mir der Schweiß von der Stirn. Nach ewigen fünf Minuten sahen wir linker Hand einen weißen Pick-up über den Strand näher kommen. Von der Ladefläche sprangen vier Männer. Sie machten ein Gesicht, als wollten sie lächeln und zubeißen zugleich. Ihre Gastfreundschaft demonstrierten sie zusätzlich dadurch, dass jeder von ihnen eine dicke Waffe in den Händen hielt. Der Gedanke, dass uns die Jungs einfach das Geld abnehmen und dann mit den Gewehren kräftig eins über die Rübe ziehen würden, schien irgendwie auf der Hand zu liegen. Wer hier – von uns einmal abgesehen – sollte etwas dagegen einzuwenden haben?

Ich zischelte Frank zu, ob er einen dieser Vögel kenne. »Nie gesehen«, raunte er. Die Typen hoben eine kleine schäbige Styroporkiste von der Ladefläche. Sah aus wie eine Kiste mit frischem Fisch. Damit kamen sie zu uns herunter. Als die weißgewandeten Gestalten direkt vor uns standen, stellten sie die Kiste ab und sagten irgendwas auf Arabisch. Ich versuchte es mit einem »Hi guys, good to see you!«, aber genauso gut hätte ich Ostfriesisch reden oder zur Begrüßung einen Zaubertrick vorführen können. Keine Reaktion.

Einer der Typen öffnete stattdessen den Deckel der Kiste. Zum Vorschein kamen vier AK-47, also russische Sturmgewehre der Bauart Awtomat Kalaschnikowa, allerdings handelte es sich, so viel ich sehen konnte, um einen billigen osteuropäischen Nachbau. Neben den Gewehren stand eine Blechdose mit chinesischen Schriftzeichen. Vermutlich die Munition.

»Wo hast du das Geld«, zischte ich Frank zu. Der zückte den Briefumschlag und reichte ihn einem der Männer, während ich mich bemühte, die Kiste mit dem Stiefel ein Stück in unsere Richtung zu ziehen. Ich war sicher, dass mein Herz über den ganzen Strand hinweg zu hören sein musste – und dass es zu 99 Prozent Adrenalin durch meine Adern pumpte. Es setzte kurz ganz aus, als einer der Typen die Hand hob. Jetzt, da sie das Geld in Händen hielten, würden sie uns erschießen, alles klar. Auf Wiedersehen, war schön mit euch.

Aber dann machte er eine nur allzu vertraute Bewegung. Zigaretten! Der Typ tat so, als würde er rauchen. »Frank«, sagte ich begeistert, »reich ihm die Schachtel!« Wenn nichts geht in dieser Welt – Zigaretten gehen immer. In Gedanken dankte ich dem Erfinder des transportablen Rauchguts, dem wahren Schutzheiligen des internationalen Sicherheitsgewerbes, und beschloss, in meinem Leben niemals mit dem Rauchen aufzuhören.

Die Jungs bedienten sich, und zwar reichlich. Dann sprangen sie wieder auf ihren Pick-up und dampften davon.

»Weg hier«, sagte Frank. Ohne einen weiteren Blick in die Kiste trugen wir unsere Beute aufs Boot. Die Fipse waren so froh, uns zu sehen, dass sie uns am liebsten um den Hals gefallen wären. Hastig machten sie die Leinen los, und wir gurgelten zurück zu unserem Frachter.

An den Rückweg habe ich keinerlei Erinnerungen, auch wenn die Fahrt bei dem hohen Seegang abenteuerlich gewesen sein muss, ebenso das Auffieren, also unsere vereinten Anstrengungen, das kleine Beiboot wieder an seinen Platz an Deck unseres Frachters zu bringen. Ich war zwar körperlich anwesend, aber vom Adrenalin so auf Droge, dass ich alles nur wie aus weiter Ferne wahrnahm. Dieses Gefühl kannte ich von unseren Trips nach Dänemark, wenn wir bei heftigem Seegang auf Meterwellen surfen gegangen waren. Man weiß später immer noch: Das muss hammergeil gewesen sein. Aber zugleich war es auch so brandgefährlich, dass es fast keinen Spaß mehr gemacht haben durfte – ich wusste es nur einfach nicht mehr, durch den Rausch waren die Erinnerung fast ausgelöscht.

An Bord erwarteten uns Mike, Jeffrey und eine Horde Fipse. Jetzt wollten natürlich alle wissen: Was hatte die Shoppingtour gebracht?

Versprochen worden waren ja eigentlich Kalaschnikows, bekommen hatten wir vier AMD-65, einen billigen Lizenznachbau aus Ungarn. Diese Waffe kursiert seit einigen Jahren sehr viel im Nahen Osten. Auch die afghanischen Sicherheitskräfte wurden von den Amerikanern mit diesen Nachbauten ausgestattet. Alle Teile, die an einer originalen Kalaschnikow aus Holz waren, sind bei der AMD aus schwarzem Plastik. Und anstatt eines vorderen Handschutzes besitzt die Waffe einen einfachen sogenannten Sturmgriff, der eine ziemliche Fehlkonstruktion darstellt. Da er nach vorn schräg abgewinkelt ist, sorgt er eher für Schmerzen im Handgelenk als für einen sicheren Anschlag.

Die Munition steckte in dieser schweren Blechdose, die ich einem der Fipse zum Öffnen gab. »Bist du wahnsinnig?!«, rief Mike, als er das mitbekam. »Die kriegen das hin und stellen die Dose noch auf den Herd wie eine Fischkonserve!«

Da kümmerten wir uns also doch lieber selbst darum. Von der üblichen NATO-Munition war ich Patronen gewohnt, die ordentlich in Pappschachteln und dann in 8er-Packs fest in grünes Plastik geschweißt waren. Messer reinstechen und aufschlitzen, dann konnte man die Patronen einzeln entnehmen. Nicht hier. Zu der chinesischen Dose gab es einen Drahtstift, den man unterhalb des Deckels ansetzte und einmal rundherum rollte, wie an einer Thunfischdose. Dabei schälte sich ein schmaler Metallstreifen von der Dose. Waren bei der Prozedur wider Erwarten alle Daumen drangeblieben, konnte man die in öliges Krepppapier gewickelten Patronen einzeln entnehmen.

Beim ersten Zählen der Päckchen war schnell klar, dass die Munition kaum reichen würde. 300 Schuss, die wir nun aufteilten wie kleine Jungs ihre Bonbons: einer für dich, einer für dich, einer für mich. So richtig große Schießexperimente würden wir mit den neuen Waffen nicht unternehmen können. Dabei hatte niemand Erfahrung mit diesem Modell. Wir gingen erst einmal in die Offiziersmesse, bauten die Waffen auseinander und putzten die gebrauchten Teile. Dann bekam jeder eine Magazinladung mit zehn Schuss, um sie im Einzelfeuer zu testen, und noch einmal fünf für einen Feuerstoß in Vollautomatik. Wir hielten aufs Meer. Wunderbar! Das waren zwar keine neuwertigen Kalaschnikows, geschweige denn Sahnestücke von Heckler & Koch, aber soweit wir sehen konnten, funktionierten sie einwandfrei. Wir hatten nun zumindest eine gewisse Chance, uns zu verteidigen, wenn die Piraten kamen.

Die Anspannung an Bord ließ schlagartig nach. Auch die Fipse nahmen fröhlich ihre Arbeit wieder auf. Der Kapitän brachte das Schiff zurück auf Kurs, und wir traten unsere Wachdienste an. Jeder war zweimal am Tag für vier Stunden auf Posten, so dass wir den Horizont und die Geräte rund um die Uhr im Blick hatten.

Allerdings hatte unser Trip zwei unerfreuliche Nebenwirkungen. Zum einen hatten wir deutlich mehr Treibstoff verbraucht als ursprünglich geplant – für weitere Ausweichmanöver blieb jetzt also überhaupt keine Reserve mehr. Außerdem hatten wir den Anschluss an den sogenannten asian konvoi verpasst. Der ursprüngliche Plan hatte vorgesehen, gemeinsam mit anderen Frachtern, die sich zu diesem Zweck am Anfang des Golfes von Aden verabredet hatten, durch den IRTC zu fahren. IRTC steht für International Recommended Transit Corridor, eine Art Autobahn durch die gefährliche Golfzone. Schiffen mit Geschwindigkeiten über 18 Knoten wird geraten, diese Route nachts zu befahren. Langsamere Schiffe wie unseres sollten sich in den Morgenstunden am Eingang des Golfes einfinden, um ihn im Konvoi und flankiert von den Militärschiffen der coalition forces zu befahren, die dort am Horn von Afrika im Einsatz sind. Auf diese Weise wären wir besser geschützt gegen Überfälle, so zumindest die Hoffnung. Denn leider hält der IRTC nicht immer, was er verspricht. In den vergangenen Jahren ist es hier trotz aller Sicherheitsmaßnahmen regelmäßig zu Überfällen gekommen.

2011 gab es am Horn von Afrika 176 Piratenangriffe. Dabei wurden 25 Schiffe gekapert, das waren immerhin 11 weniger als 2010. Vorläufiger Höhepunkt war das Jahr 2009 mit 214 Angriffen und 47 Entführungen. Während die Zahl der Entführungen also zurückgegangen ist, sind die Piraten professioneller und leider auch brutaler geworden. Das lässt sich nicht zuletzt am Lösegeld ablesen, das sie den Reedern 2011 abgepresst haben. Es gibt eine Zahl von Konteradmiral Christian Canova, dem ehemaligen stellvertretenden...


Bühler, George Cypriano
George Cypriano Bühler, *1977, verpflichtete sich bei der Bundeswehr als Marineinfanterist. Seit 2009 arbeitet er für internationale private Sicherheitsfirmen und machte schnell Karriere als Teamleader. Heute ist er Einsatzleiter für ein deutsches Unternehmen im Bereich der maritimen Sicherheit.

George Cypriano Bühler, *1977, verpflichtete sich bei der Bundeswehr als Marineinfanterist. Seit 2009 arbeitet er für internationale private Sicherheitsfirmen und machte schnell Karriere als Teamleader. Heute ist er Einsatzleiter für ein deutsches Unternehmen im Bereich der maritimen Sicherheit.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.