Bueb | Lob der Disziplin | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 176 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

Bueb Lob der Disziplin

Eine Streitschrift
11001. Auflage 2011
ISBN: 978-3-8437-0169-3
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Eine Streitschrift

E-Book, Deutsch, 176 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

ISBN: 978-3-8437-0169-3
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Dreißig Jahre lang hat Bernhard Bueb die Eliteschule Schloss Salem geleitet. Der  renommierte Pädagoge gilt als einer der bekanntesten Kritiker des deutschen  Erziehungswesens. In Lob der Disziplin hat er seine provokanten Thesen erstmals zusammengestellt. Ein richtungsweisendes und engagiertes Plädoyer für eine Erziehung zu mehr Selbstdisziplin und Verantwortung. Lernen Sie auch da Hörbuch zu diesem Titel kennen!

Bernhard Bueb, 1938 in Tansania geboren, studierte Philosophie und katholische Theologie. Von 1974 bis 2005 war er Schulleiter der Eliteschule Schloss Salem am Bodensee. Seine Buchveröffentlichungen, Lob der Disziplin (2006) und Von der Pflicht zu führen (2008), waren wochenlang auf der Bestsellerliste. Bueb ist verheiratet und hat zwei Töchter.
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Wir brauchen wieder Mut
zur Erziehung


Der Bildungsnotstand in Deutschland ist die Folge eines Erziehungsnotstandes. Kinder und Jugendliche werden heute nicht mehr aufgezogen, sondern wachsen einfach auf. Sie sind umgeben von ungewollt aggressiv präsenten Erziehern: vom Fernsehen, vom plakativen Wohlstand unseres Landes, von den Verführern der Konsumgesellschaft, von den Vorbildern eines geistigen und charakterlichen Mittelmaßes, das unsere »Eliten« repräsentieren. Zukunftserwartungen, die Jugendliche zu Taten beflügeln könnten, sind Zukunftsdrohungen gewichen: die strukturbedingte Arbeitslosigkeit, die Sinnentleerung unseres Daseins, auch verursacht durch den Verlust der Religion, die Vergreisung der Gesellschaft, die Ausbeutung der Lebensgrundlagen der Menschen, die Herrschaft des Geldes als letzter sinngebender Instanz – die Aufzählung ließe sich fortsetzen. Wem die Zukunft verloren geht, der wird nicht an sich arbeiten, sich nicht mehr anstrengen und keinen Idealen nachstreben. Den mangelnden Zukunftsaussichten treten wir nicht durch Erziehung entgegen. Die Kunst der Erziehung haben wir verlernt, gemeinsame Maßstäbe sind verloren gegangen, der Glaube hat sich breitgemacht, das Aufwachsen der Kinder werde schon irgendwie gelingen. Alle meinen es gut. Von Gottfried Benn haben wir jedoch gelernt, dass das Gegenteil von Kunst nicht Natur ist, sondern gut gemeint. Wir fahren auf einem Schiff ohne Kompass.

Was heißt Erziehung? Wie können wir durch Erziehung und Bildung Jugendliche zu Zuversicht und Lebensmut führen und wie können wir sie überhaupt erreichen?

Der Trainer führte seine Schüler mit harter Hand durch die hohe Schule des Handballs. Zügig flog der Ball von Mann zu Mann, ein atemberaubendes Tempo ließ auch den Zuschauern das Herz schneller schlagen, präzise und wie nach einem geheimen Plan bewegten sich die Spieler. Intellektuell und körperlich verlangte der Trainer höchste Anstrengung. Handballtraining hieß bei ihm, eine Gruppe durchtrainierter junger Menschen zu strategischem Denken, taktisch wendigem Zusammenspiel und zu einer Haltung des Fair Play zu führen. Was zunächst wie eine Folge schneidender Befehle klang, wurde von den Spielern als fortlaufende Liebeserklärungen erlebt. Die Führung seiner Schüler mit Disziplin und Liebe bildete das Geheimnis seines Erfolges. Mit jedem Handballtraining demonstrierte er, was Erziehung bedeuten kann.

Dieser Trainer war Lehrer und Erzieher am Internat Salem, er war Argentinier, sein Anspruch an sich und die Schüler erinnerte eher an Preußen als an Südamerika. Wie er die Handballmannschaft trainierte, so erzog er seine Schüler im Internat. Die Schüler liebten und verehrten ihn. Wir anderen Lehrer und Erzieher bewunderten, wie er mit Konsequenz und Fürsorge die Jugendlichen erreichte; wir beneideten ihn auch ein wenig, dass er so unbefangen mitten im Deutschland der Jahre nach 1968 Disziplin forderte.

Sein Erziehungsstil fand erstaunlicherweise allgemeine Zustimmung in einem Umfeld, das Erziehung eher als verständnisvolle Begleitung aufwachsender junger Menschen propagierte, weil die Leidenschaft seiner Zuwendung und sein pädagogischer Eros jeden Einwand theoretisch und dürr erscheinen ließen. Es gibt geborene Lehrer und Erzieher, er war so einer.

Zur gleichen Zeit arbeitete an der Schule eine Lehrerin, deren Erziehungsstil gegensätzlicher nicht hätte sein können, die aber denselben Anspruch auf Führung der Schüler erhob, nur tat sie es mit anmutiger, stiller Autorität, aber keinem geringeren pädagogischen Eros als der Argentinier und mit derselben Gefolgschaft der Schüler.

Führen oder wachsen lassen – so charakterisieren wir traditionell die gegensätzlichen Pole der Erziehung. Sie lassen sich im Bild des Töpfers oder des Gärtners anschaulich darstellen. Der Erzieher, der das Bild des Töpfers zu seiner Leitidee erkoren hat, will den jungen Menschen formen, er greift ein, steuert, fordert heraus, diszipliniert, schafft Freiräume, um ihn auf die Selbstständigkeit vorzubereiten, ja er wird ihn in die Selbstständigkeit und Freiheit zwingen. Wer sich am Bild des Gärtners orientiert, wird eher darauf achten, dass der junge Mensch gute Bedingungen des Aufwachsens vorfindet, er wird ihn mehr fördern als fordern, weniger eingreifen, aber darauf vertrauen, dass er sich selbst diszipliniert, also wenig Zwang und Autorität braucht.

Der Töpfer und der Gärtner repräsentieren zwei legitime Stile der Erziehung, die in Reinform selten vorkommen, meistens treffen wir eine Mischung mit einer Neigung zum einen oder anderen Pol an. Beide Stile bergen Gefahren in sich, der Stil des Töpfers kann in autoritäre Erziehung ausarten und der Stil des Gärtners in Nicht-Erziehung.

Wir wollten nach den Erfahrungen einer autoritären Erziehungstradition, die in einer Diktatur endete, eine Nation von Gärtnern werden, sind aber zu einer Nation von Nicht-Erziehern geworden, denn es herrscht das Missverständnis, dass der Gärtner auf Führung verzichten dürfe. Aber auch er greift ein, beschneidet die Pflanzen, bindet sie an Stangen und bewahrt sie vor Befall und Fehlentwicklung, wenn er ein guter Gärtner sein will.

Erziehung bedeutet immer Führung, diese Wahrheit wird durch den Begriff »Pädagoge« bestätigt. Er stammt aus dem Griechischen und heißt Knabenführer. Wer führt, erwartet Gefolgschaft. Da Kinder nicht gehorsam geboren werden, ignorieren sie Anweisungen, rebellieren gegen Erziehungsmaßnahmen, missachten Gebote und wenden alle Mittel an, um ihren eigenen Willen durchzusetzen. Wutanfälle eines dreijährigen Kindes auszuhalten, dessen Äußerungen ohne Verstand sind, und sich nicht ab und an zu Klapsen oder gar Schlägen hinreißen zu lassen bedarf gehöriger Selbstdisziplin von Vater oder Mutter. Solche Selbstdisziplin wächst mit dem Bildungsgrad der Eltern. Gebildete Eltern wissen, dass Erziehung nicht ohne Konflikte gelingen kann. Sich ihnen zu stellen, nicht gleich nachzugeben und auch die Öffentlichkeit nicht zu scheuen, wenn konsequentes Handeln Ärgernis erregt, braucht Mut zur Erziehung. Supermärkte, Restaurants und Eisenbahnabteile sind beliebte öffentliche Austragungsorte pädagogischer Konflikte. Wer konsequent Unterordnung eines Kindes verlangt, beweist Mut vor Zuschauern, die in Deutschland konsequentes Handeln zu häufig missbilligen. Das gilt auch für die kleinere Öffentlichkeit der weiteren Familie oder der Freunde.

Mut zur Erziehung heißt vor allem Mut zur Disziplin. Disziplin ist das ungeliebte Kind der Pädagogik, sie ist aber das Fundament aller Erziehung. Disziplin verkörpert alles, was Menschen verabscheuen: Zwang, Unterordnung, verordneten Verzicht, Triebunterdrückung, Einschränkung des eigenen Willens. Disziplin setzt an die Stelle des Lustprinzips das Leistungsprinzip: Jede Einschränkung ist erlaubt oder sogar geboten, die dem Erreichen eines gesetzten Zieles dient. Disziplin beginnt immer fremdbestimmt und sollte selbstbestimmt enden, aus Disziplin soll immer Selbstdisziplin werden. Disziplin in der Erziehung legitimiert sich nur durch Liebe zu Kindern und Jugendlichen.

Erziehung ist eine nicht endende Gratwanderung zwischen Gegensätzen. Mütter, Väter, Lehrer und Erzieher suchen nach der rechten Mitte zwischen Führen und Wachsenlassen, Gerechtigkeit und Güte, Disziplin und Liebe, Konsequenz und Fürsorge, Kontrolle und Vertrauen, aber nicht nach einer arithmetischen Mitte, sondern einer dialektischen Mitte, weil die Gegensätze sich gegenseitig bedingen und ihre gelungene Synthese wahre Pädagogik begründet. Dialektisch heißt, der Erziehende muss sein Handeln jedes Mal wieder, intuitiv oder rational, dem Wechselspiel der Begründungen für diese oder jene Maßnahme aussetzen und auf Rezepte verzichten. Der Blick auf das einzelne, unverwechselbare Kind soll sein Denken steuern. »Vergleiche nie ein Kind mit einem anderen, sondern immer nur mit ihm selbst.« (Pestalozzi) Ein kaum erfüllbarer und doch unverzichtbarer Anspruch an alle Erziehung.

Das mühselige tägliche Geschäft der Erziehung erzeugt eine Sehnsucht nach Rezepten, nach schematischen Lösungen von pädagogischen Problemen, weil das Scheitern kluger Überlegungen und abgewogener Maßnahmen Eltern und Lehrer zermürbt und weil das immer neue Abwägen des Für und Wider einer pädagogischen Entscheidung manche überfordert. Aber gerade Rezepte sind der Feind aller Pädagogik, weil die schematische Anwendung von Regeln dem Wesen der Erziehung widerspricht. Wer die Gratwanderung verlässt und simple Lösungen sucht, hat den Pfad der pädagogischen Tugend schon verlassen. Wer pädagogisch tätig ist, muss sich darauf einlassen, immer wieder Entscheidungen zu treffen, die er verantworten, die er aber nicht als die einzig richtigen begründen kann. Eltern, Erzieher und Lehrer müssen mit Zweifeln leben können, ob eine Entscheidung richtig ist; sie müssen aber zu ihrer Entscheidung stehen. Den fünfzehnjährigen Sohn eine Party besuchen zu lassen, wo sicher Alkohol fließt und der Konsum von Haschisch nicht ausgeschlossen ist, fordert Mut, setzt Vertrauen in den Sohn und einen Schuss Gottvertrauen voraus. Die Entscheidung kann sogar dann...


Bueb, Bernhard
Bernhard Bueb, 1938 in Tansania geboren, studierte Philosophie und katholische Theologie. Von 1974 bis 2005 war er Schulleiter der Eliteschule Schloss Salem am Bodensee. Seine Buchveröffentlichungen, Lob der Disziplin (2006) und Von der Pflicht zu führen (2008), waren wochenlang auf der Bestsellerliste. Bueb ist verheiratet und hat zwei Töchter.

Bernhard Bueb, 1938 geboren, studierte Philosophie und katholische Theologie. Von 1974 bis 2005 leitete er die Internatsschule Schloß Salem. Er ist verheiratet und hat zwei Töchter. Seine erste Buchveröffentlichung Lob der Disziplin löste in Deutschland eine Erziehungsdebatte aus.



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