E-Book, Deutsch, 272 Seiten
Buchner / Freisleben-Teutscher / Hüther Inverted Classroom and beyond 2023: Agile Didaktik für nachhaltige Bildung
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7578-8499-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, 272 Seiten
ISBN: 978-3-7578-8499-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Die Herausgeber Josef Buchner, Christian F. Freisleben-Teutscher, Judith Hüther, Iris Neiske, Karsten Morisse, Ricarda Reimer greifen in diesem Tagungsband vielfältige Impulse der Konferenz, die unter dem Motto Agile Didaktik für nachhaltige Entwicklung" stand, auf und präsentieren spannende und zukunftsweisende Beiträge zum Thema.
Autoren/Hrsg.
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Karsten MORISSE2 (Osnabrück)
Agiles Arbeiten & Lernen im ICM – Wie gestalten wir Lehre bei der Unkenntnis von Morgen?
Zusammenfassung Komplexe gesellschaftliche Herausforderungen und die digitale Transformation vieler Arbeits- und Lebensbereiche erfordern eine kritische Betrachtung unseres gegenwärtigen Bildungssystems. Wissenschaftspolitische Empfehlungen raten zu einem Paradigmenwechsel in der Gestaltung unserer Lehr- und Lernprozesse sowie dem damit einhergehenden Rollenverständnis der handelnden Menschen. In der Arbeitswelt wird von New Work geredet und Agilität ist in aller Munde. Ende 2022 werden durch die Verfügbarkeit von generativen Text-Chatbots KI-System Hochschulen vor neue Herausforderungen gestellt. Zwangsläufig ergeben sich daraus Anforderung an Hochschulen für ein New Learning. Was kann oder soll das Verständnis von New Learning aber sein? 1 Herausforderungen & Chancen
„Niemals war mehr Anfang als jetzt“ – dieses Zitat des US-amerikanischen Literaten Walt Whitman beschreibt die gegenwärtige Situation des Bildungssystems sehr treffend. Die gegenwärtigen gesellschaftlichen Krisen (Corona-Pandemie, Energiekrise, Finanzkrise) in Kombination mit den Herausforderungen der digitalen Transformationen stellen die Hochschulen vor große Herausforderungen und werfen Fragen und Aspekte auf, die grundsätzlich überdacht werden müssen. Auf der anderen Seite bieten sich immer wieder auch gute Gelegenheiten, diese Herausforderungen als Chance zu verstehen und ihnen gestaltend zu begegnen. Steht man beispielsweise am Anfang eines Reakkreditierungsprozesses für einen Studiengang, so wie es aktuell an der Hochschule Osnabrück der Fall ist, so ist das eine hervorragende Gelegenheit die Zukunft neu zu gestalten. Die digitale Transformation der Lehre wird häufig auf der Ebene einer einzelnen Lehrveranstaltung diskutiert. Befindet man sich aber in einem Studiengangwicklungsprozess, kann und muss man sich dieser Herausforderung in größerer Breite stellen. Im Folgenden sollen einige Aspekte auf der organisatorischen, wie auch auf der inhaltlich-didaktischen Ebene betrachtet werden. 1.1 Herausforderungen auf organisatorischer Ebene
1.1.1 Krise, Krise, Krise,…
In der jüngeren Vergangenheit rutschen wir von einer Krise in die nächste Krise. Nach der Corona-Pandemie kam unmittelbar eine Energiekrise und damit gekoppelt eine Finanzkrise. Wir müssen als Hochschulen beispielsweise in Niedersachsen bis zum Jahr 2030 unter dem Stichwort effizientes Flächenmanagement 10% der landeseigenen und angemieteten Büroflächen reduzieren sowie weitere Energiesparmaßnahmen umsetzen. Die entstehenden Mehrkosten werden dabei nicht abgepuffert. Die Corona-Pandemie hat aufgezeigt, dass eine Digitalisierung in der Lehre auf breiter Front möglich ist, wenn man nur will (oder es keine Alternativen gibt). Das dabei die Digitalisierung nicht an allen Stellen gut gemacht war, ist bei der Geschwindigkeit, mit der uns die Krise erwischt und zur Reaktion gezwungen hat, evident. Schnell machte der Begriff des Remote Emergency Teaching die Runde (HODGES ET AL., 2020). In der Breite konnte den Studierenden aber durch einen Kraftakt aller Beteiligten (Studierende, Lehrende, unterstützende Einrichtungen) ein Studienangebot aufrechterhalten werden. Diejenigen, die ihre Lehre bereits vor dem Corona-Lockdown auf das Inverted Classroom Modell umgestellt hatten, sahen sich vor deutlich geringere Herausforderungen gestellt als diejenigen, die bislang wenige digitale Medien in der Lehre genutzt haben. Einige Hochschulen nutzen die Erfahrungen der Corona-Digitalisierung für den weiteren Ausbau der digitalen Transformation, bei anderen ist ein Reflex zurück in die Präsenz wahrnehmbar. Die Befragung per Mentimeter während des Vortrags (MORISSE, 2023) zeigte ein breit gefächertes Bild beim Stand der Digitalisierung der anwesenden Organisationen Abb. 1: Mentimeter-Befragung zum Stand der Digitalisierung (MORISSE, 2023) Vor diesen Hintergründen stellt sich mehr denn je die Frage nach unseren Lernorten! Was sind die richtigen Lernorte? Sind es die insbesondere während der Corona-Pandemie entstandenen hybriden Lernorte und -szenarien (GUMM & HOBUß, 2021); (KOHLS & DUBBERT, 2023)? Oder sind vielleicht die didaktischen und organisatorischen Herausforderungen an die Lehrenden für diese Szenarien doch zu hoch, da sie ein intensives didaktische Arrangement der Lehre erfordern, was sich in der Breite der Hochschullehre nicht unbedingt größter Beliebtheit erfreut hat. Gleichzeitig ist aber auch eine hohe technische Kompetenz erforderlich, um neben der inhaltlichen Gestaltung der Lehre auch die technische Regie der Veranstaltung zu beherrschen. Eine separate technisch-redaktionelle Begleitung einer Lehrveranstaltung ist heute an Hochschulen nicht der Regelfall. Schaut man sich das Einzugsgebiet einer Hochschule etwas näher an, kann man verschiedene Fragen zu den Lernorten stellen. An der Hochschule Osnabrück erfolgt dies beispielsweise im Rahmen des Projektes EN ROUTE (PREHN & JUTZ, 2022). Was macht den Campus als physischen Ort unverzichtbar? Welche Funktion übernimmt der Weg „EN ROUTE“ und wie wird er genutzt? Was sind also zukünftig unsere Lernorte? Ist es nach wie vor der Hörsaal, der allein von der Architektur her schon ein kollaboratives Arbeiten der Studierenden erschwert, da er architektonisch auf die Front-Beschallung ausgelegt ist? Ist es das Home-Office, welches vielleicht bei der akademischen Sozialisierung hinderlich ist? Können wir den Weg zur Hochschule mit Mikro-Learning anreichern? Beispielsweise durch Podcast-Angebote der Hochschule. Sind es formelle oder informelle Learning-Hubs vor Ort in den Wohnorten der Studierenden? ... Wir müssen die gegenwärtigen Krisen als Chance verstehen, über unsere zukünftigen Lernorte neu nachzudenken! 1.1.2 Digitale Transformation und Serviceangebote
Wie können wir die Lernenden heute auf Arbeitsplätze vorbereiten, die noch nicht existieren? Wie können wir sie befähigen, die gegenwärtigen gesellschaftlichen Herausforderungen zu bewältigen, aber auch auf die Herausforderungen vorbereiten, die noch nicht absehbar sind und dabei Technologien nutzen, die es heute noch nicht gibt? Das Beispiel der generativen KI-System zeigt dramatisch, wie überraschend schnell derartige digitalen Angebote die Hochschulen in der Breite treffen können. Aufgabe der Bildung war es früher und heute noch viel mehr, für die Lernenden eine Orientierung in der zunehmend vernetzten Welt zu schaffen, in der sie verschiedene Perspektiven und Weltanschauungen verstehen und respektieren, wertschätzend miteinander interagieren und verantwortungsbewusst für Nachhaltigkeit und kollektives Wohlergehen eintreten. Technologischen Wandel hat es immer schon gegeben. Manchmal langsamer, heute aber sehr schnell und immer schneller werdend. Die nachfolgende Kurve zeigt den stetigen Wettlauf zwischen technologischer Entwicklung und dem Bildungssystem. Abb. 2: Wettlauf zwischen Technologie und Bildung (OECD Lernkompass 2030, 2020) Wandel, insbesondere technologischer Wandel war immer schon Teil unseres Lebens. Dieser Wandel kann sowohl Ursache von Ungleichheit sein (und sozialen Schmerz verursachen), als auch eine Chance bieten, Ungleichheiten zu beseitigen. Geht die Bildung diesen Wandel nicht mit (gelbe Kurve), dann profitieren gesamtgesellschaftlich nur einige wenige von dem technischen Fortschritt und eine gesellschaftliche Kluft entsteht. Wird die Bildung in der Breite ermöglicht, können mehr von dem Fortschritt profitieren und es entsteht eine Phase des Wachstums und der Prosperität. Folgt man der Metaanalyse von (SCHNEIDER & PRECKEL, 2017), so sind die Effektstärken von ausgelagerten technologischen Lernansätzen eher gering und es gibt keine Vorteile gegenüber dem Lernen im Klassenraum. Jedoch ist derselben Metaanalyse auch zu entnehmen, dass Blended Learning Angebote, also der Mix aus Online Angeboten und Präsenzangeboten im Hörsaal gegenüber der alleinigen Unterrichtsgestaltung im Hörsaal überlegen sind. Die Wirkfaktoren hängen aber in einem hohen Maße u.a. davon ab, wie der aktivierende Unterricht im Hörsaal gestaltet wird. Aktuell ist erkennbar, dass digitale Technologien immer schneller entwickelt werden. Ganz aktuell (Stichwort: „chatGPT“, generative KI) drängt sich die Frage auf, welche Rolle spielt künstliche Intelligenz in unserem Leben und in unserem Bildungssystem. Die Einsatzformen sind vielfältig und viele nutzen KI unbewusst regelmäßig, beispielsweise wenn man den Einkaufsempfehlungen eines Online-Warenhauses folgt oder die Hinweise eines Videoportals betrachtet, die „zufälligerweise“ (dank KI eben gerade nicht zufällig) angeboten werden und auf die ein oder andere Weise mit dem bisher konsumierten Content zusammenhängen. Neben der generativen Textgenerierung gibt es bereits heute Anwendungen zu Erzeugung von Bildern (Dall-E, Midjourney), Filmen (z.B. synthesia.io oder...