Bryndza | Das Mädchen im Eis | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 432 Seiten

Reihe: Ein Fall für Detective Erika Foster

Bryndza Das Mädchen im Eis

Kriminalroman
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-641-20619-2
Verlag: Penguin
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Kriminalroman

E-Book, Deutsch, 432 Seiten

Reihe: Ein Fall für Detective Erika Foster

ISBN: 978-3-641-20619-2
Verlag: Penguin
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ein bitterkalter Wintertag hüllt London in Schnee und Schweigen. Das Klingeln eines Handys durchbricht die gespenstische Stille eines zugefrorenen Sees. Doch niemand antwortet. Nur wenige Zentimeter daneben ragen Finger aus dem Eis ...
Acht Monate sind vergangen seit Detective Erika Fosters letztem Einsatz, der in einer Katastrophe endete und ihrem Mann das Leben kostete. Doch es ist an der Zeit, nach vorn zu blicken. Die Tochter einer der mächtigsten Familien Londons wurde ermordet, und Erika setzt alles daran, den Schuldigen zu finden. Während sie noch gegen die Dämonen der Vergangenheit kämpft, rückt sie ins Visier eines gnadenlosen Killers.



Robert Bryndza ist in England geboren und hat in den USA und Kanada gelebt, ehe er mit seinem slowakischen Mann in dessen Heimat zog. Er hat eine Schauspielausbildung absolviert und ist heute hauptberuflich als Autor tätig. 'Das Mädchen im Eis' ist der Auftakt seiner Krimireihe um Detective Erika Foster, die in 22 Ländern erscheint.

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1

Lee Kinney trat aus dem kleinen Reihenendhaus, in dem er immer noch mit seiner Mutter wohnte, und betrachtete die mit Schnee bedeckte Hauptstraße. Er zog eine Schachtel mit Zigaretten aus seiner Trainingshose und zündete sich eine an. Es hatte das ganze Wochenende geschneit, und jetzt fiel wieder Schnee und überdeckte alle Fuß- und Reifenspuren. Der Bahnhof Forest Hill lag still am Fuß des Hügels; die Pendler, die montagmorgens normalerweise auf dem Weg in ihre Büros im Zentrum Londons an ihm vorbeiströmten, waren wahrscheinlich noch im Warmen und genossen einen geschenkten Vormittag im Bett mit ihrer besseren Hälfte.

Glückspilze.

Lee war arbeitslos, seit er vor sechs Jahren die Schule abgeschlossen hatte, aber die guten alten Zeiten, in denen der Staat einem ein gemütliches Leben ermöglichte, waren vorbei. Die neue Tory-Regierung ging hart gegen die Langzeitarbeitslosen vor, und Lee musste jetzt für sein Geld Vollzeit arbeiten. Man hatte ihm jedoch einen ziemlich bequemen Job als Gemeindegärtner im Horniman Museum zugewiesen, nur zehn Fußminuten entfernt. Er wäre gern wie alle anderen an diesem Vormittag zu Hause geblieben, aber er hatte nicht vom Jobcenter gehört, dass die Arbeit heute ausfallen würde. Seine Mutter hatte sich tierisch aufgeregt und ihn angeschrien, wenn er nicht zur Arbeit erscheine, werde ihm das Arbeitslosengeld gestrichen, und dann könne er sich gleich eine andere Bleibe suchen.

Hinter ihm rumste es. Er drehte sich um und sah das verkniffene Gesicht seiner Mutter am Küchenfenster, die ihn mit einer Handbewegung losscheuchte. Er zeigte ihr den Stinkefinger und machte sich auf den Weg.

Vier hübsche junge Mädchen kamen ihm entgegen. Sie trugen die Uniform der Mädchenschule in Dulwich – rote Jacke, kurzer Rock, weiße Kniestrümpfe. Auf ihre affektierte Art schwatzten sie aufgeregt darüber, dass sie aus der Schule nach Hause geschickt worden waren, während sie gleichzeitig auf ihren iPhones herumwischten – um den Hals die typischen weißen Kopfhörerkabel, die sich von ihren roten Jacken abhoben. Sie gingen nebeneinanderher und machten Lee keinen Platz, sodass er gezwungen war, auf die Straße auszuweichen und durch den Schneematsch zu stapfen, den das Streufahrzeug hinterlassen hatte. Er spürte, wie eisiges Wasser in seine neuen Sportschuhe drang, und warf den Mädchen einen finsteren Blick zu, aber die waren in ihr Geschnatter vertieft und lachten gerade kreischend über irgendetwas.

Eingebildete reiche Zicken, dachte Lee. Als er die Hügelkuppe erreichte, sah er den Turm des Horniman Museums durch die kahlen Äste der Ulmen. Schneereste klebten an den gelben Sandsteinmauern wie nasse Klopapierfetzen.

Lee bog rechts in eine Wohnstraße, die entlang des schmiedeeisernen Zauns der Museumsgärten verlief. Die Straße stieg steil an, und die Häuser wurden immer vornehmer. Oben angekommen blieb er einen Augenblick stehen, um zu verschnaufen. Schnee flog ihm in die Augen, rau und kalt. An guten Tagen konnte man von hier aus über ganz London sehen, bis zum London Eye am Ufer der Themse, aber heute hatte sich eine dicke weiße Wolke über die Stadt gelegt, und Lee konnte nur die imposante Ansammlung von Villen in der Overhill Road am gegenüberliegenden Hügel ausmachen.

Das kleine Tor im Zaun war verriegelt. Der Wind fegte ihm ins Gesicht, und Lee bibberte in seinem Trainingsanzug. Ein bescheuerter alter Depp war für das Gärtnerteam verantwortlich. Eigentlich musste Lee warten, bis der kam und ihn einließ, aber es war weit und breit niemand zu sehen. Er sah sich kurz um, dann kletterte er über das niedrige Tor auf das Museumsgelände und folgte einem schmalen Pfad durch hohe immergrüne Hecken.

Hier, im Schutz vor dem heulenden Wind, war die Welt auf einmal auf geradezu unheimliche Weise still. Es schneite jetzt ziemlich heftig, und Lees Fußspuren wurden schnell überdeckt, als er durch die Heckenreihen ging. Das Gelände des Horniman Museums umfasste sieben Hektar, und die Geräteschuppen befanden sich im hinteren Teil vor einer hohen Mauer mit geschwungenem Rand. Um Lee herum war alles blendend weiß, sodass er die Orientierung verlor und tiefer in der Gartenanlage herauskam, als er erwartet hatte, gleich neben der Orangerie. Der Anblick des opulenten Gebäudes aus Schmiedeeisen und Glas brachte ihn so sehr aus dem Konzept, dass er kehrtmachte. Doch schon wenige Minuten später stand er erneut auf unvertrautem Terrain vor einer Weggabelung.

Wie oft bin ich schon durch diesen verfluchten Park gelaufen?, dachte er. Er nahm den Weg, der nach rechts in einen Senkgarten führte. Weiße marmorne Putten posierten auf verschneiten, aus Backsteinen gemauerten Sockeln. Der Wind heulte leise, und als Lee an den Putten vorbeiging, schien es, als würden sie ihn mit ihren milchigen Augen beobachten. Er blieb stehen, hielt sich gegen das Schneegestöber schützend die Hand über die Augen und überlegte, welcher der kürzeste Weg zum Besucherzentrum war. Den Gartenarbeitern war es normalerweise nicht erlaubt, sich im Museum aufzuhalten, aber es war eiskalt, und das Café war vielleicht schon geöffnet, und er würde sich dort aufwärmen wie jeder normale Mensch, verdammt noch mal.

Sein Handy vibrierte in seiner Hosentasche, und er nahm es heraus. Eine SMS vom Jobcenter: Wegen des »widrigen Wetters« brauche er nicht am Arbeitsplatz zu erscheinen. Er stopfte das Handy wieder in die Tasche. Die Putten schienen sich ihm alle zugewandt zu haben. Hatten die auch vorher schon so dagestanden? Konnte es sein, dass ihre perlmuttfarbenen kleinen Köpfe sich langsam bewegten und seinen Weg durch die Parkanlage verfolgten? Er schüttelte den Gedanken ab und eilte an den leeren Augen vorbei, den Blick auf den schneebedeckten Boden geheftet, bis er ans Ufer eines stillen, kleinen Sees gelangte, der früher einmal zum Bootfahren benutzt worden war.

Er blieb stehen und spähte mit zusammengekniffenen Augen durch die wirbelnden Schneeflocken. Ein Ruderboot, dessen blauer Anstrich verblasst war, lag in einem Oval aus Schnee, das sich auf dem zugefrorenen See gebildet hatte. Am gegenüberliegenden Ufer befand sich ein halb verfallener Bootsschuppen, unter dessen Dach Lee ein Ruderboot zu erkennen glaubte.

Seine Sportschuhe waren nass, und die Kälte drang durch seine Jacke. Er schämte sich dafür, dass er tatsächlich Angst verspürte. Aber er musste unbedingt hier raus. Wenn er jetzt kehrtmachte und durch den Senkgarten zurückging, konnte er den Weg am Zaun entlang finden und den Ausgang an der London Road nehmen. Die Tankstelle hatte bestimmt geöffnet, dort konnte er sich Zigaretten und ein paar Schokoriegel kaufen.

Er wollte sich gerade auf den Weg machen, als ein Geräusch die Stille durchschnitt, blechern und verzerrt, und es kam aus der Richtung des Bootsschuppens.

»Hallo? Wer ist da?«, rief er. Seine Stimme klang schrill und panisch. Erst als das Geräusch verstummte und Sekunden später wieder von Neuem zu hören war, begriff Lee, dass es sich um den Klingelton eines Handys handelte, das womöglich einem seiner Kollegen gehörte.

Wegen des Schnees konnte er nicht erkennen, wo der Weg endete und der See begann. Er hielt sich möglichst dicht an den Bäumen, die das Ufer säumten, während er vorsichtig auf den Klingelton zuging. Es war eine fürchterlich schnulzige Melodie, und beim Näherkommen hörte Lee, dass sie aus dem Bootsschuppen kam.

Er bückte sich unter das niedrige Dach und sah einen Lichtschimmer im Dunkel hinter dem kleinen Boot. Das Klingeln verstummte. Lee war erleichtert, dass es nichts weiter war als ein Handy. Junkies und Penner kletterten regelmäßig nachts über den Zaun, und Lee und seine Kollegen fanden oft leere Brieftaschen, benutzte Kondome und Spritzen. Wahrscheinlich hatte jemand das Handy weggeworfen. Aber warum? Man wirft doch nur ein richtig beschissenes Handy weg, oder?

Lee ging um den kleinen Bootsschuppen herum. Die Pfosten eines schmalen Anlegestegs ragten aus dem Schnee, und der Steg führte unter das Dach des Schuppens. Dort, wo kein Schnee hingelangt war, konnte Lee sehen, dass das Holz faul war. Vorsichtig bewegte er sich über den Steg und zog unter dem niedrigen Dach, dessen Holz ebenfalls verrottet und zersplittert war, den Kopf ein. Über ihm hingen Spinnweben und Staubfäden. Er war jetzt neben dem Boot und entdeckte auf einem kleinen hölzernen Vorsprung auf der anderen Seite des Schuppens ein iPhone.

Er bekam Herzklopfen. So ein Handy konnte er locker im Pub verkaufen. Er schubste das Ruderboot mit dem Fuß an, doch es rührte sich nicht, denn es saß im Eis fest. Er ging um den Bug des Boots herum und blieb am anderen Ende des Stegs stehen. Er kniete sich hin, beugte sich vor und wischte mit dem Ärmel die dünne Schneeschicht weg, unter der durchsichtiges Eis zum Vorschein kam. Das Wasser darunter war klar, und tief unten konnte er zwei rot-schwarz gescheckte Fische erkennen, die träge umherschwammen. Winzige Bläschen stiegen von den Fischen auf, stießen gegen das Eis und verteilten sich in entgegengesetzte Richtungen.

Als das Handy erneut klingelte, wäre Lee vor Schreck beinahe vom Steg gefallen. Die schnulzige Melodie hallte vom Dach des Schuppens wider. Er konnte das iPhone jetzt deutlich an der gegenüberliegenden Wand sehen, es lag auf der Seite auf dem schmalen Vorsprung direkt über dem Eis. Es steckte in einer Schutzhülle mit Glitzerschmuck. Lee schwang ein Bein über den Rand des Ruderboots. Er stellte einen Fuß auf die Sitzbank, um zu testen, ob es sein Gewicht aushielt, während er mit dem anderen Fuß noch auf dem Steg stand. Das Boot rührte sich nicht.

Er kletterte in das Boot, aber das Gerät war...


Bryndza, Robert
Robert Bryndza ist in England geboren und hat in den USA und Kanada gelebt, ehe er mit seinem slowakischen Mann in dessen Heimat zog. Er hat eine Schauspielausbildung absolviert und ist heute hauptberuflich als Autor tätig. »Das Mädchen im Eis« ist der Auftakt seiner Krimireihe um Detective Erika Foster, die in 22 Ländern erscheint.

Breuer, Charlotte
Charlotte Breuer und Norbert Möllemann übersetzen Literatur aus dem Englischen, u.a. von Chloe Benjamin, Elizabeth George und Kate Morton.



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