Förderung, Training und Therapie in der Praxis
E-Book, Deutsch, 591 Seiten
ISBN: 978-3-8409-2486-6
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Der vorliegende Band präsentiert in seiner überarbeiteten und erweiterten Neuauflage zahlreiche effektive Möglichkeiten der Lernförderung. Führende Expertinnen und Experten stelle Interventionen mit einer empirische gut belegten Wirksamkeit dar, dass sie im (Förder-)Unterricht, in Trainings und in Therapien leicht umgesetzt werden können.
Im ersten Teil geht es um die wichtigsten Formen von Lernstörungen. Der zweite Teil enthält Informationen über Interventionen zur Förderung spezifischer Lernleistungen. Im dritten Teil werden bereichsübergreifende Techniken präsentiert, die sich bei der Behandlung von Lernschwierigkeiten als nützlich erwiesen haben. Die Beiträge folgen einer einheitlichen Gliederung und zeigen jeweils konkret und verständlich auf, wie eine bestimmte Intervention zu planen und durchzuführen ist. Den Abschluss der Kapitel des zweiten und dritten Tiels bilden Hinweise zur organisatorischen Umsetzung der Förderung sowie Angaben zu ihrer Effektivität. Das Buch ist eine unentbehrliche Informationsquelle für alle Fachleute, die mit schulschwachen Kindern oder Jugendlichen arbeiten.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Sozialwissenschaften Psychologie Psychotherapie / Klinische Psychologie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie
- Sozialwissenschaften Psychologie Allgemeine Psychologie Entwicklungspsychologie Pädagogische Psychologie
- Sozialwissenschaften Pädagogik Pädagogik Pädagogische Psychologie
- Sozialwissenschaften Pädagogik Teildisziplinen der Pädagogik Sonderpädagogik, Heilpädagogik Lernschwierigkeiten, Legasthenie, ADHS
Weitere Infos & Material
1;Interventionen bei Lernstörungen;1
2;Inhaltsverzeichnis;7
3;Vorwort zur zweiten, überarbeiteten und erweiterten Auflage;11
4;Vorwort zur ersten Auflage;14
5;Teil 1: Lernstörungen: Arten, Klassifikation und Entstehungsbedingungen;17
5.1;1.?Lernstörungen im Überblick: Arten, Klassifikation, Verbreitung und Erklärungsperspektiven;19
5.2;2.?Underachievement: Wenn Schülerinnen und Schüler weniger leisten als sie könnten;34
5.3;3.?Rechenschwäche;45
5.4;4.?Lese-Rechtschreibschwäche;58
5.5;5.?Allgemeine Lernschwäche (Kombinierte Schulleistungsstörung nach ICD-10);68
5.6;6.?Lernbehinderung;78
5.7;7.?Lernschwächen bei Entwicklungsverzögerungen;92
6;Teil 2: Interventionen: Inhalte, Ziele und Vorgehensweisen;103
6.1;8.?Ausrichtung und Konzeption der Interventionen;105
6.2;9.?Evaluation von Interventionen durch Einzelfallstudien;121
6.3;10.?Förderung von phonologischer Bewusstheit;141
6.4;11.?Aufbau von Lesefertigkeiten;152
6.5;12.?Förderung des Leseverständnisses durch „Reziprokes Lehren“;164
6.6;13.?Aufbau von Rechtschreibkenntnissen;178
6.7;14.?Förderung der Schreibkompetenz;190
6.8;15.?Förderung des Zahlverständnisses;201
6.9;16.?Vermittlung von Basiskompetenzen zum Rechnen;211
6.10;17.?Aufbau elaborierter Rechenfähigkeiten;222
6.11;18.?Motivierung durch operante Verstärkung;234
6.12;19.?Förderung von Unterrichtsbeteiligung;245
6.13;20.?Förderung von Interessen;253
6.14;21.?Vermittlung von Lernstrategien und selbstreguliertem Lernen;264
6.15;22.?Förderung regelkonformen Verhaltens im Unterricht;279
6.16;23.?Förderung bei visuell-räumlicher Wahrnehmungs- und Konstruktionsstörung;287
6.17;24.?Förderung von Gedächtnisprozessen (Gedächtnistraining);301
6.18;25.?Förderung von Aufmerksamkeit und Konzentration;312
6.19;26.?Förderung begrifflich-kategorialer Verarbeitung;322
6.20;27.?Förderung des induktiven Denkens und Lernens;333
6.21;28.?Förderung von Metakognition und strategischem Lernen;343
6.22;29.?Anleitung von Eltern sowie Erzieherinnen und Erziehern zur Hausaufgabenbetreuung;355
7;Teil 3: Interventionsverfahren: Mittel und Formen der Lernförderung;367
7.1;30.?Wirkfaktoren beim Lernen;369
7.2;31.?PC-gestützte Übungsprogramme;386
7.3;32.?Das Üben mit der Wortkartei;397
7.4;33.?Komplexität reduzieren und kontinuierliche Fortschritte ermöglichen;409
7.5;34.?Direkte Instruktion;420
7.6;35.?Lernerfolge belohnen: Kontingenzmanagement;431
7.7;36.?Selbstinstruktionstraining;442
7.8;37.?Eltern und Lehrkräfte als Mediatorinnen und Mediatoren;453
7.9;38.?Tutorielles Lernen;464
7.10;39.?Verhaltensverträge;474
7.11;40.?Attributionstraining;486
7.12;41.?Frühprävention von Lernstörungen;495
7.13;42.?Response to Intervention als schulisches Förderkonzept;507
7.14;43.?Gestaltung von Förderunterricht;519
7.15;44.?Abflachung sozial-ökologischer Übergänge: Vom Kindergarten in die Schule;531
7.16;45.?Gestaltung ökologischer Übergänge: Von der Schule in den Beruf;545
8;Anhang;553
8.1;Anhang A: Leitfaden „Verhaltensanalytisches Interview bei Lernstörungen“ zur Durchführung mit den Eltern bzw. Lehrerinnen und Lehrern;555
8.2;Anhang B: Beobachtung des Lernverhaltens in einer Hausaufgabensituation;559
8.3;Anhang C: Auswahl geeigneter Schulleistungstests;562
8.4;Anhang D: Normtabellen zur Umrechnung von verschiedenen Leistungsinformationen;574
8.5;Anhang E: Praxisseminare und Schulungskurse „Interventionen bei Lernstörungen“;578
9;Autorinnen und Autoren des Bandes;581
10;Stichwortverzeichnis;585
1.2 Verbreitung von Lernstörungen
Lernstörungen sind weit verbreitet (s . Tabelle 2) . Im Jahr 2010 beendete etwa jeder zwanzigste Jugendliche in Deutschland seine Schullaufbahn ohne Hauptschulabschluss (Statistisches Bundesamt, 2011) . In den letzten 10 Jahren wiederholten alljährlich 2–3 % der Schülerinnen und Schüler in Deutschland eine Klasse . In absoluten Zahlen ausgedrückt waren dies pro Jahr ca . 250 .000 Schülerinnen und Schüler (Klemm, 2009) . Im Rahmen der PISA-2003 Studie gab fast jeder vierte Jugendliche in der Gruppe der 15-Jährigen an, in seiner Schullaufbahn mindestens einmal die Klasse wiederholt zu haben (Prenzel et al ., 2004) . Die durch Klassenwiederholungen verursachten Mehrausgaben im Bildungssystem werden in Deutschland auf über 900 Millionen EUR pro Jahr geschätzt (Klemm, 2009) – eine Investition, deren Nutzen fragwürdig ist, weil sich die Schulleistung dadurch zumeist nicht verbessert (Hattie, 2009) .
Lernstörungen sind aber auch bezüglich des Geschlechts ungleich verteilt . Das Risiko für eine Lese-Rechtschreibstörung ist bei Jungen doppelt bis dreifach so hoch wie bei Mädchen . Bei einer Rechenstörung ist das Risiko für Jungen und Mädchen in etwa gleich stark ausgeprägt . Bei diesen Angaben ist zu bedenken, dass Lernstörungen gemäß ICD und DSM aufgrund des IQ-Diskrepanzkriteriums eher eng und konservativ definiert werden . Verlässt man dieses Kriterium und legt nur das unzureichende Lernergebnis zugrunde, so erhöht sich die Zahl der betroffenen Kinder und Jugendlichen ganz erheblich . Nach Ergebnissen der PISA-2000 Studie (Baumert et al ., 2001) wiesen seinerzeit 10 % der 15-Jährigen in Deutschland ein Leseniveau auf, das unterhalb des absolut erforderlichen Minimums für das verständige Lesen einfachster Textinformationen lag . Zwar ging der Anteil der 15-Jährigen mit gravierendsten Defiziten im Leseverständnis in den letzten 10 Jahren in Deutschland auf ca . 5% zurück; der Anteil der insgesamt „schwachen Leser“ wird in PISA 2009 aber immer noch mit 18 .5 % der 15-Jährigen beziffert (Klieme et al ., 2010) . Solche Fälle häufen sich bei Kindern aus Familien der sozialen Grundschicht und Familien mit Zuwanderungshintergrund . Ähnliche Ergebnisse liefern internationale Vergleichsstudien zu den Leistungen von Grundschulkindern in Deutschland . Nach den Ergebnissen der IGLUund TIMSS-Studien 2011 (Institut für Schulentwicklungsforschung, 2012) sind derzeit bei jedem fünften bis sechsten Viertklässler in Deutschland gravierende Leistungsschwächen im Lesen (15 .4 %), Rechnen (19 .3 %) und naturwissenschaftlichen Wissen (22 .0 %) festzustellen . Bei Kindern aus bildungsfernen Schichten und aus Familien mit Zuwanderungshintergrund häufen sich diese Fälle wiederum . Fast ein Drittel der Kinder, in deren Elternhaus nie oder nur manchmal Deutsch gesprochen wird, erreichen in der 4 . Klasse nicht das erwünschte Kompetenzniveau . Bei diesen Kindern sind erhebliche Schwierigkeiten beim schulischen Lernen in der Sekundarstufe I vorprogrammiert . Geradezu alarmierend ist dann auch die Tatsache, dass im Jahr 2010 annähernd 13 % der Jugendlichen „ausländischer Herkunft“ die Schule ohne Hauptschulabschluss verließen (Statistisches Bundesamt, 2011) .
1.3 Woher kommen Lernstörungen?
Moderne Erklärungen für Lernstörungen sind sehr konkret (Swanson, Graham & Harris, 2003) . Sie gehen von dem aus, was gelernt werden soll . Was müsste der Lernende tun, um eine bestimmte Anforderung meistern zu können (z . B . die Bedeutung eines gelesenen Textes zu verstehen)? Wie sollte er dabei vorgehen? Welche Anforderungen stellt eine Aufgabe an sein (Vor-)Wissen, Denken und an seine Anstrengungsbereitschaft? Verfügt der Lernende über diese Voraussetzungen? Setzt er seine Kenntnisse beim Lernen auch wirklich ein? Lernen wird somit als eine Handlung gesehen, die sich in ihrem Ablauf und in ihren Voraussetzungen präzise beschreiben lässt . Im Einzelnen lassen sich vier Komponenten des Lernens unterscheiden, in denen lerngestörte Kinder markante Defizite aufweisen können: