E-Book, Deutsch, Band 305, 64 Seiten
Reihe: Alpengold
Brunner Alpengold 305
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7325-8448-2
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kathrin und der Dorflehrer
E-Book, Deutsch, Band 305, 64 Seiten
Reihe: Alpengold
ISBN: 978-3-7325-8448-2
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kathrin und der Dorflehrer
Ihr langer, steiniger Weg ins Glück
Von Christl Brunner
Ganz nass ist Kathrins Kissen von den vielen heißen Tränen, die sie in dieser Nacht geweint hat. Eingesperrt hat der Vater sie in ihrem Zimmer, nachdem er erfahren hat, dass sie sich mit dem neuen Dorflehrer eingelassen hat.
Nicht ihr Glück ist ihm wichtig, sondern dass sie - wie beschlossen - baldmöglichst den reichen Truller-Ferdl heiratet, um auf diese Weise den Hof vor dem Ruin zu retten.
Als endlich der Morgen heraufdämmert, hat das Madl keine Tränen mehr. Dafür hat es einen folgenschweren Entschluss gefasst ...
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Kathrin und der Dorflehrer
Ihr langer, steiniger Weg ins Glück
Von Christl Brunner
Ganz nass ist Kathrins Kissen von den vielen heißen Tränen, die sie in dieser Nacht geweint hat. Eingesperrt hat der Vater sie in ihrem Zimmer, nachdem er erfahren hat, dass sie sich mit dem neuen Dorflehrer eingelassen hat.
Nicht ihr Glück ist ihm wichtig, sondern dass sie – wie beschlossen – baldmöglichst den reichen Truller-Ferdl heiratet, um auf diese Weise den Hof vor dem Ruin zu retten.
Als endlich der Morgen heraufdämmert, hat das Madl keine Tränen mehr. Dafür hat es einen folgenschweren Entschluss gefasst …
In der Küche vom Rohrmoserhof brannte trotz der späten Abendstunde noch das Licht. Der untersetzte grauhaarige Bauer hatte seine Brille ganz vorn auf der Nase sitzen und schaute mit betrübter Miene in seine Bücher. Die Bäuerin saß mit ihrem Strickzeug neben ihm.
Schließlich zog Lenz die Brille von der Nase und wischte sie mit seinem großen karierten Taschentuch sauber.
„Es geht mit dem Hof immer mehr bergab“, sagte er und stöhnte laut auf. „Der Verkauf des Stiers und der Kälber hat net das eingebracht, was wir dafür hätten haben müssen. Und die neue Saat muss bestellt werden. Wo ich das Geld hernehmen soll, ist mir schleierhaft!“
Die Frau mit dem verhärmten, schmalen Gesicht und den noch immer schönen dunklen Augen legte ihre Arbeit beiseite. Scheu strich sie dem Mann über den Janker.
„Ich hab noch die Kette von der Mutter, Lenz. Du weißt schon, die mit dem Kreuz aus Rubinen. Ich möchte sie in die Stadt bringen.“
Er starrte sie einen Moment aus seinen wasserhellen Augen an, dann schüttelte er den Kopf.
„Du hast schon so viel hergeben müssen, Anna. Und ich weiß, wie du an der Kette hängst. Sie ist die letzte Erinnerung an deine Mutter. Nein, dass du sie hergibst, das dulde ich auf keinen Fall. Es muss auch so weitergehen. Wenn nur Kathrin vernünftig wäre! Sie könnte uns mit einem Schlag aus unserer Misere heraushelfen.“
Die Bäuerin schwieg und nahm ihr Strickzeug wieder zur Hand. Sie wusste, was der Bauer meinte, und sie wusste auch, dass er recht hatte. Wenn Kathrin, ihre einzige Tochter, bereit wäre, Ferdinand, den Sohn vom Trullerbauern, zu heiraten, dann hätte endlich die Armut ein Ende. Ferdinand liebte sie schon seit Jahren, und er hatte viel Geduld mit dem Mädchen. Dabei hatte sie ihm noch nie Hoffnung gemacht, dass sie seine Frau werden wollte.
„Ich möchte wissen, auf wen Kathrin wartet. Was ihr der Ferdl bieten kann, das kann sie von keinem anderen erwarten. Der Pangratz hat nix dagegen, wenn sie seine Schwiegertochter wird, obwohl ich mir denken kann, dass ihm eine reiche Bauerntochter lieber wäre.“ Der Rohrmoser zündete sich eine Zigarre an.
„Wir können das Madl net zwingen, Lenz. Sie ist unser einziges Kind, und wenn sie den Ferdl nun einmal net gernhaben kann …“
„So ein Unsinn!“ Der Bauer stand auf und ging mit großen Schritten in der Küche umher. „Gernhaben, wenn ich das schön höre! Man heiratet doch net immer nur wegen der großen Liebe, sondern auch aus Vernunft. Und Kathrin weiß ganz gut, was mir an dieser Verbindung liegt. Manchmal möchte ich meinen, ihr ist es gleichgültig, was aus uns und dem Hof wird.“
„Das kannst du net sagen, Vater.“ Die Bäuerin nahm ihre Tochter in Schutz. „Kathrin ist ein liebes, fleißiges Ding und hat net wie alle anderen nur Vergnügen und teure Kleider im Kopf. Sie steht von morgens bis abends im Laden und gibt uns ihr schwer verdientes Geld.“
Der Bauer setzte sich wieder hin.
„Du weißt, wie ich an dem Madl hänge, Mutter. Weiß Gott, ich möchte ihr alle ihre kleinen Wünsche erfüllen. Und ich schätze auch, dass sie für uns und den Hof arbeiten geht. Aber mehr tät sie uns halt noch helfen, wenn sie den Ferdl nehmen würde.“
„Lass ihr noch ein bisserl Zeit, Vater. Sie ist noch sehr jung und hat net viel gehabt von ihrer Jugend. Vielleicht kommt sie eines Tages zur Einsicht und nimmt den Ferdl.“
„Hoffentlich ist es dann net zu spät“, murmelte Lenz und beugte sich wieder über seine Bücher.
***
Kathrin, von der sie gesprochen hatten, lag oben in ihrem Zimmer und schaute gegen die Decke, an der das Mondlicht durch das Fenster Kreise zeichnete.
Sie konnte keinen Schlaf finden, denn immer wieder sah sie ein Männergesicht vor sich, braun gebrannt und mit zwei hellen blauen Augen. Diese Augen hatten sie gemustert, ganz kurz nur und das jetzt beinahe jeden Tag.
Fast immer um die Mittagszeit war es gewesen, da war er in den Laden gekommen und hatte sich von ihr bedienen lassen.
Sie kannte jeden im Dorf, denn sie war hier aufgewachsen. Aber diesen hochgewachsenen jungen Mann mit den braunen Haaren hatte sie noch nie gesehen.
Die Kugler-Betty jedoch, ihre Arbeitskollegin, die wusste Bescheid. Auch sie konnte nicht verleugnen, dass ihr der Fremde gefiel.
„Das ist der Pranzer-Robert, der neue Lehrer“, hatte sie hinter der vorgehaltenen Hand gewispert, als er heute Mittag wieder den Laden betreten hatte.
Er wollte wieder von Kathrin bedient werden, und Betty hatte das mit einem spöttischen Lächeln registriert.
„Ich glaube fast, der hat Feuer gefangen“, hatte sie lachend gesagt, als er wieder gegangen war. Kathrin hatte sich auf der Ladentheke aufgestützt.
„Red keinen Unsinn, Betty. Er kauft halt bei uns, weil es keinen anderen Laden gibt“, hatte sie erwidert.
„Dann könnte ich ihn ja morgen bedienen. Und außerdem hast du ja auch den Ferdl.“ Betty hatte schwärmerisch die Augen verdreht. „Du musst etwas an dir haben, das die Männer anzieht. Ich für meinen Teil würde den Trullersohn vorziehen.“
„Ich heirate den Mann, den ich liebe, und wenn er arm ist wie eine Kirchenmaus“, hatte Kathrin darauf noch gesagt.
Daran dachte sie, als sie jetzt im Bett lag und unentwegt an ihn denken musste. An den Lehrer, der neu im Dorf war und der Robert Pranzer hieß.
Seit sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte, wusste sie, dass sie den Ferdl niemals heiraten konnte. Auch dann nicht, wenn es die letzte Rettung für den Rohrmoserhof war. Sie hatte ihn gern, den Freund aus Kindertagen, aber mehr als Freundschaft konnte sie ihm niemals geben.
Ob sie in den jungen Lehrer verliebt war, darüber machte sie sich keine Gedanken. Es war jedenfalls schön, wenn er kam und sie so eigenartig ansah. Ob es Liebe war, wusste sie nicht. Sie war ihr bis jetzt noch nicht begegnet.
***
Am nächsten Morgen, als es auf den Mittag zuging, geriet Kathrin sichtlich in Aufregung.
Betty hatte sich heute einen Pferdeschwanz gebunden und sah frech und niedlich zugleich aus. Kathrin wusste, warum sie diese neue Frisur trug. Auch Betty ließ die Ladentür kaum aus den Augen.
Gegen zwölf kam der Ladenbesitzer. Er schaute sich unter den Mädchen um und nahm dann Kathrin am Arm.
„Komm mit hinauf ins Büro, wir müssen die neuen Bestellungen durchgehen.“
Kathrin biss sich verärgert auf die Lippen, während sie ein frohlockender Blick aus Bettys Augen traf. Sie würde ihn heute nicht sehen, denn aus dem Büro des Chefs würde sie vor einer Stunde nicht herauskommen.
Betty ordnete zum wiederholten Male unauffällig die Locken vor ihrem Taschenspiegel, da wurde plötzlich die Ladentür geöffnet. Als sie aufsah, stand er schon vor ihr. Schnell steckte sie den Spiegel weg.
„Womit kann ich dienen?“, fragte sie freundlich.
Robert Pranzer sah sich im Laden um, als suche er jemanden. Und Betty war es, als wäre er enttäuscht.
Ärger stieg in ihr hoch. Dass Kathrin mehr Glück in der Liebe haben sollte als sie, das wollte sie nicht glauben.
„Kathrin ist nicht hier“, sagte sie schnippisch. Er zuckte zusammen und lachte.
„Das macht nichts. Ich brauche Taschentücher, und die kann ich doch auch von Ihnen bekommen?“
„Aber ja!“ Diensteifrig holte sie eine Schublade hervor. Er begann auszuwählen, und wieder war es ihr, als ließe er sich besonders viel Zeit. Immer wieder wanderte sein Blick zur Tür. Sie schien er gar nicht zu sehen.
„Ich bin heute allein“, begann sie zu plaudern. „Kathrin, meine Kollegin, ist heute bei ihrem Verlobten. Sie hat einen freien Tag und noch allerlei für die Hochzeit vorzubereiten. Ferdl ist der Sohn vom reichsten Bauern hier im Dorf. Kathrin hat unwahrscheinliches Glück.“
Robert Pranzer schien sich plötzlich für die Taschentücher nicht mehr zu interessieren. Achtlos legte er einige vor Betty hin.
„Die nehme ich“, sagte er zerstreut.
„Bitte sehr.“ Sie packte sie ein und kassierte. Als er schon an der Tür war, kam er noch einmal zurück.
„Sagen Sie bitte, die Kollegin von der Sie sprachen, ist es das Mädchen mit den dunklen Haaren?“
Bettys Augen blitzten.
„Ja, richtig, das ist Kathrin. Wir sind nur zu zweit hier.“
„Danke“, sagte er, und diesmal fiel die Tür lauter hinter ihm zu als sonst. Im...




