E-Book, Deutsch, Band 10, 520 Seiten
Reihe: Edition PEREGRINI
Brühl / Frentzel August der Glückliche
4. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7562-9784-9
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Traum und Courage des Herzogs von Gotha - Eine Spurensuche
E-Book, Deutsch, Band 10, 520 Seiten
Reihe: Edition PEREGRINI
ISBN: 978-3-7562-9784-9
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Vorliegendes Buch ist das erste, das sich der faszinierenden Gestalt des ernestinischen Herzogs August von Sachsen-Gotha und Altenburg (1772-1822) widmet. Er war ein Urahn des britischen Königshauses, doch vor allem ein poetisch gesonnener Pazifist und Feminist seiner Zeit. Als Protegé Napoleons einst berühmt und bewundert, dann oft bis zur Lächerlichkeit geschmäht und schließlich sehr verdrängt, hatte der Herzog sich in Kriegszeiten als furchtloser Beschützer Gothas bewährt, der seinen Landen hohe Steuern ersparte. Das in seiner revolutionären Epoche einzigartige Idyll §Ein Jahr in Arkadien. Kylenion" erschien 1805 anonym und beschreibt die glückliche Liebeserfüllung zweier Jünglinge, aber auch die Eroberungen selbstbewusster junger Frauen. Im Freien will ich frei mich dünken. Olaf Brühl offeriert mit seinem Materialbuch eine Fülle an Themen, Querverweisen und bislang unbeachtete Dokumente, Briefe sowie Erstveröffentlichungen. Da ist das Weimar der Klassiker, natürlich Goethe, der französische Aufklärer Melchior von Grimm, Wieland, Madame de Staël, der Naturwissenschaftler Blumenbach, Wilhelm von Humboldt, Bettina von Arnim oder Carl Maria von Weber. Auch die vom Herzog bedeutend erweiterten Sammlungen auf dem Gothaer Schloss Friedenstein werden erörtert und Fragen aufgeworfen wie: Was schätzte Napoleon an dem "Kleinen Herzog von Gotha"? Wofür wurde er von seinen Untertanen so geliebt? Worüber sprach August mit Goethe? Wie ging der Herzog mit den deutschen Burschenschaftlern um? Was hat es mit seiner Phallus-Tasse auf sich? Warum waren Männer für ihn die Tyrannen der Welt? Was heißt Weiblichkeit? Starb Herzog August von Gotha eines natürlichen Todes? Wer erbte das Herzogtum und was widerfuhr seiner Tochter Luise, der Mutter von Prince Albert of Saxe-Coburg and Gotha, dem späteren Gemahl der Queen Victoria? Manche Rätsel und Geheimnisse bleiben im Dunkel. Der Bogen aus der Vergangenheit weist in die Gegenwart. Dieser Herzog vermag noch heute mit seinem Witz und Sarkasmus zu provozieren. Weil alle Seelen weiblich sind. August der Glückliche, ein Universum von verwirrender Sinnenlust und Sinnsuche, aber auch politischer Konsequenz.
Der Autor Olaf Brühl ist Opernregisseur und Dokumentarfilmer, sowie Publizist. Er wurde 1957 in Gotha geboren und lebt in Berlin.
Autoren/Hrsg.
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ÆMIL LEOPOLD AUGUST
Æmil Leopold August, 1772, im Jahr des Regierungsantritts seines Vaters, Ernst II. von Sachsen-Gotha-und-Altenburg, geboren und 1804 dessen Nachfolger auf dem Thron2. – Er starb 1822 unter nie eindeutig geklärten Umständen3. Als Regent in seiner Zeit vollzieht er den Schnitt zuerst, imzuge der Aufklärung Privates von staatlichem Amt zu trennen: so nennt er sich zum Zeichen als Herzog offiziell August, bzw. Französisch: Auguste, privat aber Emil, bzw. Émile. VON WÜSTEMANN: Als er das Gesuch einer sehr geliebten Person nicht erfüllen konnte, versicherte er, auf den durch seine Unterschrift bezeichneten Unterschied des Fürsten und des Freundes verweisend, als August nicht erfüllen zu können. was er selbst als Aemil gern gewünscht hätte. Nur den allerengsten, intimeren Freundinnen und Freunden gegenüber nannte er sich, nicht frei von Humor und nur selten: »Emilie«4! – Er wird in seiner Zeit (und in Dokumenten) daher grundsätzlich August (oder mit allen drei Namen), sehr selten in späterer Zeit Emil August genannt (auch August Emil usw.). – Es gibt für uns weder Grund, noch Berechtigung, ihn anders zu nennen als August. – Einmal befragt, welchen Beinamen er für sich selbst als den passendsten wählen würde, antwortete er: AUGUST der Glückliche5. AUGUST: Sie müssen wohl wissen, dass ich mir keine Diademe und keine Machtvollkommenheiten wünsche. Émile est bon prince... Ich wiederhole es: *** Ich bin die ehrlichste Haut von einer Hoheit, die sich seit der Regierungszeit Seiner vorsintflutlichen Majestät auf diesem Erdenrund voll Finsternis und Narrheit nur finden läßt6. Er war zweimal verheiratet und Vater eines Mädchens. Beide Ehen waren, soweit sich das für uns heute noch ersehen lässt, glücklich7. LOUISE VON MECKLENBURG-SCHWERIN, Mutter seines einzigen Kindes, starb infolge der Geburt mit erst 21 Jahren8. Auch Augusts zweite, sicherlich nicht einfache, Ehe mit KAROLINE AMALIE VON HESSEN-KASSEL, bestimmten offenbar bis ans Ende Zuneigung und Respekt – in den Ehen des Adels nicht eben die Regel. Jacobs bezeugt: sie wich bis zuletzt nicht von des Herzogs Seite. Der Fourier verzeichnet, dass sie am Sterbetag Augusts nicht zu Abend aß. Karoline starb 18489. Sie ließ sich auf der Gothaer Parkteichinsel an Augusts Seite beisetzen. Als das Herzogspaar einmal die Gräber auf der Parkteichinsel besuchte, wo Emil Augusts Vater liegt, wünschte seine Gattin ebenfalls an diesem Ort bestattet zu werden. »Wo du liegst, will ich auch liegen, liebes Karolinchen«, antwortete der Herzog und ließ zwei Grüfte ausmauern, die immer mit frischen Blumen ausgelegt waren.10 Herzogliche Gräber mit der Prinzensäule auf der Gothaer Parkteichinsel (Ernst und Ludwig, Ernst I., August, Friedrich IV. und Karoline) 1799 hatte August über seinen Onkel PRINZ August den mit diesem befreundeten Dichter JEAN PAUL kennen gelernt, Autor des TITAN. Er ist begeistert. JEAN PAULS Veröffentlichung einer Widmung an den Herzog von Gotha wurde von der Zensur der Jenaer Universität untersagt, eben der Herzog von Gotha wiederum hob das Verbot auf und es kam zu einem spöttischen Briefwechsel zwischen dem Dichter und dem Fürsten über die Herren akademische Zensoren, publiziert im FREIHEITS-BÜCHLEIN. Vieles, was von Jean Paul gesagt wurde, hört man auch von August: Sonderlinge, etwas närrische Naturen, regiert von ihrer geistigen Überfülle. Es gibt hier eine Verwandtschaft des Humors, der Aufrichtigkeit, der Rastlosigkeit, der »Originalität«11, die mit tieferer Zeitgenossenschaft zu tun haben mag. Sie sprudeln über, die Gedanken jagen sich, bizarre Ideenfunken. JEAN PAUL schreibt schier manisch an einem riesigen Werk, AUGUST agiert sich habituell aus, lebt sich in tausend Gestalten, ein Redestrom. JEAN PAUL bemerkte über den Gothaer: er habe »die Titanomanie«, und nachdem dieser Herzog wurde: er sei »der witzigste Kopf, der je unter einer Krone gesteckt habe, nur taugt der Witz für die Fürsten nicht.« Das trifft zu. Ein Jahrzehnt später wird es empfindlich: Bayreuth d. 17. Sept. 1810 (...) Der Herzog ist ein personifizierter Nebel – bunt – leicht – schwül kühl – in alle phantastischen Gestalten sich zertheilend zwischen Sonne und Erde schwebend – bald fallend bald steigend; – nur nie greife man nach diesem Nebel. Hätt’ er ein Herz, sein dichterischer Kopf wäre der größte. Er schrieb mir auf einmal mit umgehender Post 3 dicke Briefe – Witz. Phantasie – Zorn über die Daemmerungen und über die Levana, worin phantastische Fürsten getadelt werden (...), usw. erfüllten die Briefe. Ich habe nicht, geantwortet. Gewiss. Nur: ob »Herzlosigkeit« das passendste Wort sein mag? So endet es. Jean Paul schreibt: Ich wußt schon, daß es mit dem gekrönten Phantasten in Gotha nichts werde. / Hier ist der Brief der niedrigen Hoheit (...)12. AUGUST liest weiterhin treu seine Werke. Er liest überhaupt viel und ist lebenslang von Büchern fasziniert13. Er beginnt neuerdings einen übersprudelnden Briefwechsel mit dem heute vergessenen Autor ERNST WAGNER, der aber bald stirbt14. BETTINA VON ARNIM: ... Er [Joh. Gottfr. Ebel, Arzt aus Frankfurt a. M. – O.B.] kuckt nach dem Wetter und behauptet, die Wolken, die da heran kommen, seien gewitterhaft von meiner electrischer Natur zusammen gezogen, und er mag durch aus nicht in meiner Nähe verweilen bei schwüler Luft, er fürchtet für sein geschätztes Dasein, das Gewitter könne in ihn einschlagen und seine Seele ungewaschen und ungekämmt vor den Richterstuhl Gottes bringen! Der Herzog von Gotha war dabei, als er dies einmal sagte, und hatte seine Verwunderung über den gelehrten Naturforscher, er fragte ihn, ob er denn an ein letztes Gericht glaube, ob er an die Hölle glaube? – da kam es heraus, daß er an noch mehr glaubt; nämlich an einen großen Actenschrank, worin alle Lebensprocesse aller Menschen drinnen in höchster Ordnung aufgestapelt sind. Dieser Actenschrank ist sehr leicht beweglich, auf einen Wink fliegt er auf und präsentiert grade die Acten, die zum Proceß des Lebens verfloßnen die nötigen überweisenden sind, denn kein Mensch wird verurteilt, er werde denn von der Gerechtigkeit des Richterspruchs überzeugt, damit er sich die Höllenpein nicht durch den Trost erleichtere, er sei ungerecht verdammt, – denn Gott kann nicht ungerecht sein, setzt Ebel hinzu! O Hirngespinst, o Scheusal, o Gespenst, o Empusa, sagte der Herzog, und seitdem trägt Ebel den Namen Empusa! er wird auch nicht mehr masculiniert, sondern muß weiblich passieren, was ihn ärgert, mich aber auch.15 AUGUST, witzig, phantasievoll, angriffslustig, immer offenherzig, bizarr, verwöhnt, kreativ, sarkastisch, geistreich, launig und launenhaft, gesellig, narzisstisch, auf Dauer wohl ziemlich schwierig, belastend, vielleicht für fast alle, oft bewundert16. In Gotha fesselte uns der Herzog eine ganze Woche (...) nie hab’ ich mehr Originalität gefunden (...)17. Wenn er kein – in der Sprache der Zeit – »Original« war, was war er dann? – Einer der liebt und geliebt sein will. AUGUST: (...) aber ich mache Alles anders wie andere Erdensöhne, das wissen Sie ja selbst (...) 18. AUGUST (am 19. Dezember 1806): (...) Ich mag nicht auf den fährlichen Zähren- und Sehnsuchtsweg zurückblicken, nein, erschöpft, empört vermag ich nicht noch einmal die 365 Kammern prüfend zählen, die ich, immer getäuscht, beleidigt, umsonst hoffend, halb träumend, halb irrend durchrann, ich mag nicht all die Erfahrungen wie giftige Pfeile tiefer in die Herzwunde drücken (...) (...) ewig hoffend und zagend um meinen Bruder, verkannt von Vielen, ewig durch hingebende Treue das Spielwerk eines grausamen Freundes, immer nicht das, was ich eigentlich sein sollte19. Es ist die Generation der um 1800 Jungen, die, tragikumwittert, geboren im Aufschwung von Aufklärung, Revolution und Klassik, Fragen stellen und Alternativen andenken, die aus dem suchenden Elan der deutschen Frühen Romantik sehnsuchtsstark und ungeschützt in ein Leben losstürzen, das sie jedoch mit der Brutalität der Restauration in die Knie zwingt und im Biedermeier erstickt. – Die Begegnung AUGUSTS mit BETTINA VON ARNIM und der Dichtung der Günderrode ist dafür so bezeichnend, wie etwa die Nähe zu JEAN PAUL. Durch Stand von jenen entfernt20, wird uns der Herzog heute neu interessant, dank seiner spöttischen Unangepasstheit und Verweigerung, seine Ideale aufzugeben. AUGUST: (...)...