E-Book, Deutsch, 272 Seiten
Brown Träum weiter, Baby!
1. Auflage 2010
ISBN: 978-3-423-40386-3
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
E-Book, Deutsch, 272 Seiten
ISBN: 978-3-423-40386-3
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Andrea Brown »scheint ihren eigenen Büchern entsprungen« (AZ). Die in München geborene Tochter eines französisch-ungarischen Elternpaars verbrachte die Kindheit in Los Angeles, die Jugend in Berlin, das Studium in Australien und lebt heute als Drehbuchautorin in München.
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gimme gimme gimme
»Du weißt gar nicht, wie gut du es hast«, seufzte Paula, »Single zu sein ist der totale Streß.«
Sie hatte recht. Ich wußte wirklich nicht, wie gut ich es hatte oder ob ich es besser hatte als sie. Drei Jahre Beziehung sind wie eine Käseglocke. Ich hatte vergessen, wie es war, Single zu sein. Und erst recht, was so stressig an dem Zustand gewesen war, daß ich ihn unbedingt hatte beenden wollen.
Im Vergleich zu meinem Leben kam mir das Singledasein ziemlich entspannt vor! Paula wurde jedenfalls ständig sehr chic von irgendwelchen Kerlen zum Essen eingeladen, die zwar, wenn man ihr glauben durfte, alle eine Macke hatten, aber das schien mir zumindest abwechslungsreicher, als das Essen selbst zu kochen und sich mit ein und derselben Macke herumzuschlagen. Doch wie erklärte man das einer Frau wie Paula, die fest davon überzeugt war, daß sie nur den mackenlosen Prinzen finden mußte, um dann bis ans Ende ihrer Tage auf rosaroten Wolken zu schweben. Daß sie diesen himmlischen Zustand noch nicht erreicht hatte, lag an den Männern, die sich nach einem vielversprechenden Flirt ausnahmslos als Idioten entpuppten. Mittlerweile hatte Paula die Testphase auf eine Nacht reduziert. Das war sinnvoll, weil sie dadurch Enttäuschungen vermied, aber auf der anderen Seite hatte sie kaum Zeit, sich den Namen des jeweiligen Typen zu merken, geschweige denn, den Test zu vertiefen oder sich möglicherweise wirklich mal zu verlieben.
»Nimmst du ihn jetzt oder nicht?«
Der Typ mit der Pudelmütze wurde ungeduldig.
Wir waren auf dem Flohmarkt im Kunstpark Ost, einer Ansammlung von ehemaligen Fabrikhallen, die weder ein Park noch besonders künstlerisch waren, sondern eine ehemalige Knödelfabrik, in die nach dem Auszug der Teigprodukte Nachtclubs Einzug gehalten hatten. Unter anderen auch der Club, in dem Sascha arbeitete, mein nicht ganz perfekter Traumprinz. Tagsüber war auf dem Gelände Flohmarkt.
Ich war hier, um ein Ostergeschenk für Sascha zu suchen. Es sollte diesmal etwas Besonderes sein, um den Flop vom letzten Jahr auszugleichen. Ich hatte es witzig gefunden, Schokoeier in Saschas Zimmer zu verstecken, aber Sascha zeigte wenig Phantasie, was Verstecke angeht, so daß er die Eier nur durch Zufall fand, wenn er sich entweder draufsetzte oder -legte. Auf diese Weise hatte ich eine helle Couch und ein Paar Schuhe ruiniert, was die Freude über die nette Idee deutlich geschmälert hat.
Paula suchte nichts Bestimmtes. Sie war nur mitgekommen, weil sie gerade den Testkandidaten der letzten Nacht vor die Tür gesetzt hatte und jemanden zum Reden brauchte, aber inzwischen hatte sie tütenweise Kleinkram sowie eine Lampe in Form einer Ananas für ihre Küche erstanden, die quer über dem Kinderwagen lag, in dem mein Baby unserem Treiben verwundert zuguckte. Außerdem zerrte sie einen alten Schaukelstuhl hinter sich her, den sie dringend brauchte, um in Zukunft schaukelnd fernsehen zu können. Wie würde Paula wohl mit dem Vorsatz, etwas kaufen zu , zum Shoppen gehen?
»Hm? Was meinst du, Melanie«, fragte sie jetzt und hielt ihre perfekt manikürte Hand in die Luft, an deren Ringfinger ein glitzernder Klunker hing.
»Ich find ihn klasse«, sagte ich, »und sehr praktisch, wenn du Lichtsignale in andere Galaxien schicken willst.«
»Also, verarschen kann ich mich selber«, grinste die Pudelmütze.
»Ist schon gut, ich nehme ihn«, sagte Paula kurz entschlossen.
Sie reichte dem Typen einen Schein, dann beachtete sie weder ihn noch den Klunker weiter.
»Kannst du mir mal sagen, warum ich immer nur Nieten kennenlerne«, fragte sie statt dessen. »Ich ziehe sie an wie ein Magnet!«
Sie stöhnte theatralisch und fuhr sich mit der Hand durch die dunkle Mähne.
»Ich weiß nicht, wozu ich mir überhaupt die Mühe mache, die Wohnung zu verlassen. Ich investiere ein Vermögen in Klamotten und Drinks, aber das Ergebnis steht in keinem Verhältnis zum Aufwand. Als ob man den zukünftigen Vater seiner Kinder in einer Bar kennenlernen würde!«
Genau das war mir passiert, und Paula reagierte prompt auf mein Schweigen.
»Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel«, korrigierte sie sich schnell, »Sascha ist ein süßer Typ. Aber generell ist doch mit Leuten etwas faul, die jeden Abend in der Kneipe rumhängen.«
»Du hängst doch auch jeden Abend in der Kneipe rum«, sagte ich vorsichtig.
Paula lachte.
»Du weißt, daß ich nicht kochen kann! Außerdem lerne ich in meiner Küche bestimmt nie jemanden kennen.«
»Dann mach doch ein Fest«, schlug ich vor, »wenn die Bierkästen in der Küche stehen, ist sie garantiert voller Männer.«
»Ich weiß nicht. Die Typen, die ich einladen würde, kenn ich doch alle schon. Entweder beschissen oder besetzt. Meistens beides! Nee, so geht das nicht. Ich sage dir, ich brauch dringend wieder einen Job.«
Für Paula lohnte sich der Aufwand, arbeiten zu gehen, nur, wenn er mit interessanten Zusatzvergünstigungen verbunden war. Wie Männer kennenlernen. In ihrem letzten Job in einer Modeagentur war sie viel gereist, hatte Designerklamotten zu Spottpreisen bekommen und jede Menge Kandidaten für ihre nächtlichen Eignungstests an Land gezogen. Es war der ideale Job für Paula gewesen, der aber leider vor zwei Monaten zu Ende gegangen war, weil die Agentur Pleite gemacht hatte. Paula trug die Arbeitslosigkeit mit Fassung, weil ihr das frühe Aufstehen sowieso auf den Keks gegangen war und außerdem keine finanziellen Einbußen damit verbunden waren, solange sie von ihrem Vater mehr Geld bekam, als sie jemals selbst verdienen konnte. Das einzige, was Paula wirklich nervte, war, daß sie jetzt ihre Testpersonen aus dem Nachtleben rekrutieren mußte.
»Mein Vater hat mich neulich gefragt, wann ich wieder Arbeit habe«, sagte sie und rollte mit den Augen.
»Als ob du wüßtest, wann die Regierung ihr Wahlversprechen einlöst!«
Paula lachte.
»Sehr witzig! Du hast keine Ahnung, wie schwer es ist, den richtigen Job zu finden!«
»Fast so schwer wie den richtigen Mann, schätze ich? Besonders, wenn man so realistische Ansprüche stellt wie du!«
Paula lachte und knuffte mich, so gut es geht, wenn man einen Schaukelstuhl schleppt, in die Seite. Dabei rempelte sie einen Typen an, der sich jetzt mit schmerzverzerrtem Gesicht das Schienbein rieb.
»O je, hab ich dir weh getan?« fragte Paula.
»Überhaupt nicht«, zischte der Typ mit gequältem Lächeln zwischen den Zähnen durch und humpelte davon.
Abgesehen von seinem ungelenken Gang sah er ganz nett aus: dunkelhaarig, groß, genau so, wie ein Typ aussehen mußte, der Paula gefallen könnte, wenn sie ihn nicht vorher mit einem Schaukelstuhl niederstreckte.
»Tut mir leid«, schrie sie hinter ihm her. Dann zuckte sie mit den Achseln. »Also, so eingeschnappt hätte der nicht zu reagieren brauchen! Die Typen haben doch alle ’ne Macke! Ich sage dir, der einzige normale Mann, den ich kenne, ist Moritz.«
Sie beugte sich über den Kinderwagen und küßte meinen Sohn. Moritz grinste sie begeistert an und verkrallte seine kleinen Finger in ihren Locken. Paula befreite sich lachend.
»So ein Süßer! Der hat den Charme seines Vaters geerbt!«
»Ist das gut oder schlecht?«
Sie lachte.
»Ich hätte auch gerne so ein Knuddelteil«, sagte sie dann allen Ernstes, »obwohl ich natürlich keinen Bock auf die Krampfadern durch die Schwangerschaft oder Schmerzen bei der Geburt habe.«
»Du kannst ja adoptieren. Ist ja ohnehin die große Mode! Und nur mal fürs Protokoll: Ich habe keine Krampfadern.«
»Mel, du weißt, was ich meine. Ich seh doch an dir, wie es ist, ein Kind zu haben. Superanstrengend! Aber du könntest mir Moritz mal öfter leihen. Zum Üben!«
»Du kannst sofort damit anfangen«, sagte ich.
Ich war wie immer unausgeschlafen und hätte ein paar Stunden babyfreie Zone gut gebrauchen können. Das Knuddelteil wäre bestimmt einverstanden gewesen, aber Paula schüttelte den Kopf.
»Nicht heute! Ich bin total fertig, die Nacht war echt lang!«
»Hat es denn wenigstens Spaß gemacht?«
»Wenn es Spaß ist, neben einem Wildfremden aufzuwachen und sich zu fragen, wie er in deine Wohnung gekommen ist?«
»Ich weiß genau, was du meinst.«
Paula lachte. »Soll das ein Witz sein? Du liebst deinen Sascha doch! Und wenn er dich mal nervt, dann hast du ja immer noch die Kleinausgabe.«
Die Kleinausgabe fing jetzt an zu quengeln, weil er hungrig war, und ich dachte, daß sein Vater vermutlich zu Hause dasselbe tat. Ich hatte Sascha versprochen, etwas zum Frühstück mitzubringen, und wahrscheinlich wartete er inzwischen schon darauf. Also entschied ich mich, kurzen Prozeß mit dem Ostergeschenk zu machen, und kaufte bei einem Kollegen der Pudelmütze eine alte Cabriobrille als Osterei für Sascha. Er würde sich bestimmt freuen, und ich könnte vielleicht aufhören, mich darüber zu ärgern, daß er so viel Geld für einen Zweisitzer ausgegeben hatte, weil ich die Aktion durch den Kauf der Brille sozusagen im nachhinein legitimierte.
Als wir fertig waren, verstauten wir Paulas Errungenschaften in ihrem Auto und fuhren zum Viktualienmarkt, wo der samstägliche Run auf die Stände seinen Höhepunkt erreicht hatte. Da man mit einem sperrigen Kinderwagen schlechte Startchancen hat, wartete Paula mit Moritz im Auto, bis ich ein paar Grundnahrungsmittel erkämpft hatte.
Als ich zurückkam, weinte Moritz, und Paula sah völlig gerädert aus.
»Was hat der Kleine bloß«, fragte sie in einem Tonfall, der darauf schließen ließ, daß sie ihre spontane Kinderwunschattacke überwunden hatte.
»Hunger«, sagte ich, »wir müssen nach Hause. Kommst du...