Brown | Teuflische Saat | E-Book | www2.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 416 Seiten

Brown Teuflische Saat

Thriller
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-641-16941-1
Verlag: btb
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Thriller

E-Book, Deutsch, 416 Seiten

ISBN: 978-3-641-16941-1
Verlag: btb
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Nach einem geheimen Drohnenangriff auf ein ziviles Ziel im Südsudan erfährt George Bartholomew, Leutnant der britischen Luftwaffe, dass ein verräterisches Stück Schrapnell am Einschlagort zurückgeblieben ist. Er versucht alles, es zurückzubekommen, doch er ist nicht der Einzige mit diesem Vorhaben. Zur gleichen Zeit reist auch der englische Botaniker Gabriel Cockburn in die Region, auf der Suche nach einer Pflanze, die wesentlich ist für seine Forschung. Dort trifft er auf Alek, eine junge Frau, die sich bereit erklärt, ihn zu Forschungszwecken in gefährliches Gebiet zu führen, doch insgeheim ihre eigenen Pläne verfolgt. Die Schicksale der drei sind auf unheilvolle Weise miteinander verknüpft. Und das hat explosive Folgen ...

Andrew Brown, 1966 in Kapstadt geboren, war während der Apartheid u.a. in der United Democratic Front aktiv und wurde mehrere Male in Haft genommen. Eine mehrjährige Gefängnisstrafe konnte durch ein Berufungsverfahren am Cape High Court abgewendet werden. Am selben Gericht ist Andrew Brown inzwischen als Anwalt tätig. Als Reservepolizist ist er jede Woche auf den Straßen Kapstadts und in den Townships im Einsatz. »Schlaf ein, mein Kind« wurde mit dem wichtigsten Literaturpreis Südafrikas ausgezeichnet und stand in Deutschland auf der KrimiWelt-Bestenliste. Sein Roman »Würde« war auf der Shortlist für den renommierten Commonwealth Writer‘s Prize. Andrew Brown gilt als die neue Stimme in der Literatur Südafrikas. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.»Letztlich kommt mir das Streben nach Gerechtigkeit wie ein Tanz vor, der sich völlig unvorhersehbar entwickeln kann, ohne Choreograf und ohne das sichere Wissen, wer führt und wer folgen muss. Das liefert einem Schriftsteller zweifelsohne reichlich Stoff, das menschliche Wesen zu erkunden – von seinem sicheren Platz im Zuschauerraum aus.« Andrew Brown

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ZWEI

RAF-Luftstützpunkt Waddington, Lincolnshire, England

Die Operationszentrale war geräumt worden. Nur drei Männer saßen noch vor einem kleinen Videobildschirm, den sie aufmerksam beobachteten. Der erste war der Hauptmann, ein früherer Tornadopilot, der jetzt der 39. Fliegerstaffel und dem ISTAR-Programm des Verteidigungsministeriums zugewiesen war. Er, der ein Faible für Scherze und Anzüglichkeiten hatte, redete normalerweise gerne, doch die Gegenwart der zwei ranghöheren Offiziere ließ ihn verstummen. Sie und die angegebene Flugbahn des GPS-Systems auf dem Bildschirm vor ihnen.

Oberst Frank Richards stand mit gespreizten Beinen hinter ihm und beobachtete den Bildschirm über seine Schulter hinweg. Er war ein imposanter Mann mit kurz geschnittenen sandfarbenen Haaren und einer breiten Brust. Theoretisch fungierte er für den Flug als Koordinator, obwohl die Richtlinien verlangten, dass der Koordinator kein Angehöriger der Luftwaffe sein sollte. Für die Mission gab es zudem keinen Fliegerleitoffizier. In Kombination ergab das eine grundlegende Abweichung von den Regeln und hätte zu einem Disziplinarverfahren geführt, wäre da nicht der dritte Mann im Raum gewesen: Generalleutnant George Bartholomew.

Bartholomew stand etwas abseits, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Aufmerksam beobachtete auch er, wie sich die GPS-Werte veränderten. Der RAF-Luftstützpunkt war der Knotenpunkt von ISTAR – dem Programm der Luftwaffe zur Nachrichtengewinnung, Überwachung und Zielaufklärung –, und Generalleutnant Bartholomew der direkte Ansprechpartner für das Verteidigungsministerium. Er hatte bereits das Kabinett direkt informiert, als die ersten Spione eingesetzt worden waren, um die Landstreitmächte in Afghanistan zu unterstützen und die »von Piloten bedienten kinetischen Interventionen auf fliehende Zielpunkte«, auch bekannt als Drohnen, zum Einsatz zu bringen. Das Kabinett machte das Ganze zu einer dringenden Angelegenheit und bewilligte bedeutende Summen für die Finanzierung. Seine einzige Bedingung: die schrecklichen Begriffe zu ändern.

Bartholomew näherte sich der Pensionsgrenze, ein alter Soldat mit einem zunehmend komplexen Aufgabengebiet, wo man Befehle nicht über das Donnern des Militärfahrzeugs und fernes Maschinengewehrgeknatter hinweg brüllte, sondern indem man sie in eine Tastatur eintippte oder einen Touchscreen benutzte. Sein Haar war dünn und fast farblos weiß geworden, wodurch seine von feinen Venen geröteten Wangen einen noch stärkeren Kontrast als zuvor bildeten. Alter und Wetter ließen ihn wie einen Alkoholiker wirken, obwohl er in Wahrheit kaum einen Tropfen zu sich nahm. Insgeheim befürchtete er, sein Aussehen könnte seine Autorität mindern, da ihn seine jüngeren Untergebenen fälschlich für einen ermüdenden Besoffenen hielten.

»Zwölf Minuten, Sir«, sagte der Hauptmann, ohne den Blick vom Bildschirm abzuwenden. »Soll ich Creech über unsere Position in Kenntnis setzen, Sir?« Creech war der Luftwaffenstützpunkt der USA in Nevada und stand mit Waddington über das ISTAR-Programm in Kontakt.

»Die wissen Bescheid.« Bartholomew hatte durchaus bemerkt, dass dem Hauptmann die veränderte Vorgehensweise nicht passte. Dennoch ärgerte ihn die Frage seines Untergebenen. Richards hatte dem Mann bereits erläutert, dass es bei dem Flug um eine Operation mit beschränktem Zugang ging. Allein die Tatsache, dass die Operationszentrale geräumt worden war, machte das offensichtlich. Er war das Werkzeug, nicht der Schöpfer, und seine Unfähigkeit, das anzuerkennen, irritierte Bartholomew. Der Hauptmann schien es für nötig zu halten, bei jedem Handlungsschritt sich erneut der unorthodoxen Vorgehensweise zu versichern.

»Ich bin gleich zurück«, erklärte Bartholomew, drehte sich um und ging zur Tür. Er legte seinen Daumen auf das Sicherheitsfeld und hörte, wie das Schloss entriegelt wurde. Er stieß die Metalltür auf und blieb dann im Korridor stehen, wo er darauf wartete, dass sie sich wieder schloss und automatisch versperrte.

Die Toiletten befanden sich ganz in der Nähe und waren zum Glück leer. Nicht nur die Kabinen und Pissoirs, sondern auch die Toilettenschüsseln und Wasserkästen hatte man aus schimmerndem Metall gefertigt. Nur die Klobrillen aus Kiefernholz durchbrachen die Sterilität des Raums.

Das entsprach wohl der Vorstellung eines Designers, wie es in der Armee zuging, dachte Bartholomew, während er seine Hose herunterließ. Das Ganze erinnerte ihn an die Tate Modern. Was war an gewöhnlichem britischen Beton und Emaille bitte schön falsch? Wie in vielen Bereichen des Militärs hatte auch hier die Funktionalität Platz gemacht für Komitee-Entscheidungen und unerträgliche Political Correctness. Es war schon schlimm genug, dass normale Soldaten neben Schwulen und Lesben arbeiten mussten. Vermutlich, brummte er vor sich hin, während er sich niederließ, war diese erbärmliche Latrine von irgendeinem Homosexuellen entworfen worden, der damit öffentliche Gelder verschwendete.

Die Klobrille war kalt, immerhin. Es gab nichts Unangenehmeres als eine vorgewärmte Brille vom Vorgänger. Er begann sich anzuspannen, und seine Schenkel wurden automatisch hart. Bartholomew litt unter Verstopfung. Sein Allgemeinarzt Maurice hielt sie für rein psychologisch, meinte, dass er unbewusst »zurückhielt«, da er befürchtete, ansonsten seine Hämorrhoiden zu reizen. Eine von ihnen sei schon teilweise zu erkennen, wie er mit einer gewissen Schadenfreude feststellte. Bartholomew hatte sich nicht in der Lage gesehen, mit heruntergelassener Unterhose angemessen zu antworten. Würde war etwas, was heutzutage für ihn selten ins Spiel kam, wenn er seinen Arzt aufsuchte. Maurice hatte ihm eine Operation vorgeschlagen, und Bartholomew hatte zugestimmt, obwohl er im Grunde lieber so weitergemacht hätte wie bisher, so unangenehm das auch sein mochte.

Er stellte sich seine neuen Gebilde als zwei blaurote Trauben vor, die am Eingang zu seinem Anus pulsierten, wobei er nie das Bedürfnis verspürte, sich über einen Spiegel zu hocken und sie zu betrachten. Er wusste, dass seine Verkrampfungen das Ganze nur schlimmer machten, aber es gelang ihm nicht, seine Darmtätigkeit in den Griff zu bekommen. Allmählich entwickelte es sich zu einer Quelle unablässiger Frustration. Er nahm genügend Abführmittel, um die Eingeweide eines Mammuts durchzuspülen, doch selbst an einem guten Tag schaffte er es nicht, mehr als ein paar Kerne, die ihn an trockene Nüsse erinnerten, herauszudrücken. Ansonsten hatte er meist einen aufgeblasenen Bauch und das dringende Verlangen, sich zu erleichtern, was allerdings zu Blähungen führte. Er schob das Ganze auf die Prostataoperation, die er ein Jahr zuvor hatte machen lassen. Aber tatsächlich hatte er bereits unter Verstopfung gelitten, lange bevor sich Maurice mit seinen unteren Regionen zu beschäftigen begann und dort mit einem »Oh« und »Ah« seinen Zeigefinger hineingesteckt hatte.

Bartholomew drückte erneute, und die Muskeln an seinen Hüften und Innenschenkeln fingen an, sich schmerzlich zusammenzuziehen. In der Metallkabine hallte ein Furz wider. Er drückte erneut, doch nichts weiter geschah. Einen Moment lang wartete er und lauschte auf irgendeinen Hinweis, dass jemand seine Flatulenzen gehört haben könnte. Dann erhob er sich und schloss seine exakt gebügelte Hose. Trotz seiner Erfolglosigkeit auf der Toilette wusch er sich die Hände mit Seife und warmem Wasser, wobei er den Blick auf das laufende Wasser gerichtet hielt, um sich nicht im Spiegel anschauen zu müssen. Die Bilder auf seinem Kaminsims zu Hause zeigten einen finsteren, gefestigt aussehenden Offizier, der vielleicht nicht die körperliche Statur eines Frank Richards hatte, aber doch fit und schlank war. Nachdem er vier Jahrzehnte seines Lebens der Armee gewidmet hatte, erkannte er sich kaum mehr selbst wieder – die herabhängenden Wangen und die labbrige Haut an seiner Brust, die braunen Flecken auf seinen Beinen. Seit der OP hatte ihn seine Libido im Stich gelassen, wobei sich Lilly nicht beklagte oder es auch nur erwähnte. Es schien so, als ob sie beide, ohne darüber jemals zu sprechen, akzeptiert hätten, dass das Körperliche vorbei war. Das arme alte Mädchen, dachte er, letztlich hatte er ihr kein sonderlich interessantes Leben geboten. Er hoffte, dass seine Verhandlungen mit den Saudis in dieser Hinsicht etwas ändern würden, dann könnten sie sich zumindest nach seiner Pensionierung ein paar echte Annehmlichkeiten leisten.

Nichts hatte sich in der Operationszentrale geändert, als er dorthin zurückkehrte. Bartholomew fragte sich, ob Richards inzwischen überhaupt geblinzelt hatte. Der Mann schien aus Stahl zu sein. Zumindest präsentierte er sich so. Als junger Pilot hatte er zuerst in Afghanistan und dann in Syrien gekämpft, und tatsächlich stellte er mit seinem kantigen, glatt rasierten Kinn und den harten Augen die wahre Verkörperung eines RAF-Piloten dar. Er machte den Eindruck, ständig schwerwiegende Entscheidungen auf seinen Schultern zu tragen, auch wenn er in Wirklichkeit nicht viel nachdenken mochte. Sein Benehmen hatte etwas Irritierendes. Er strahlte eine selbstgefällige Arroganz aus, als ob er sich zu einer höherwertigen Sorte von Soldat zählte, wobei ihn Bartholomew vor allem für einen nützlichen, wenn auch ziemlich beschränkten Wachhund hielt, für einen Mann, von dem er hoffte, dass er seine Pflichten erfüllte, ohne allzu viele sinnlose Fragen zu stellen. Im Grunde zeichnete ihn eher seine physische Präsenz aus, als dass er als Stratege eingesetzt werden konnte.

Der Raum war voller Bildschirme, auf denen grüne und rote...


Brown, Andrew
Andrew Brown, 1966 in Kapstadt geboren, war während der Apartheid u.a. in der United Democratic Front aktiv und wurde mehrere Male in Haft genommen. Eine mehrjährige Gefängnisstrafe konnte durch ein Berufungsverfahren am Cape High Court abgewendet werden. Am selben Gericht ist Andrew Brown inzwischen als Anwalt tätig. Als Reservepolizist ist er jede Woche auf den Straßen Kapstadts und in den Townships im Einsatz. »Schlaf ein, mein Kind« wurde mit dem wichtigsten Literaturpreis Südafrikas ausgezeichnet und stand in Deutschland auf der KrimiWelt-Bestenliste. Sein Roman »Würde« war auf der Shortlist für den renommierten Commonwealth Writer‘s Prize. Andrew Brown gilt als die neue Stimme in der Literatur Südafrikas. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.»Letztlich kommt mir das Streben nach Gerechtigkeit wie ein Tanz vor, der sich völlig unvorhersehbar entwickeln kann, ohne Choreograf und ohne das sichere Wissen, wer führt und wer folgen muss. Das liefert einem Schriftsteller zweifelsohne reichlich Stoff, das menschliche Wesen zu erkunden – von seinem sicheren Platz im Zuschauerraum aus.« Andrew Brown



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