Brown Süßer Tod
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-641-10320-0
Verlag: Blanvalet
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Thriller
E-Book, Deutsch, 512 Seiten
ISBN: 978-3-641-10320-0
Verlag: Blanvalet
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wenn aus tiefer Abneigung ein Feuer der Leidenschaft erwacht ...
Britt Shelley wird aus der unbeschwerten Leichtigkeit ihres Seins gerissen und des Mordes an ihrem Ex-Liebhaber verdächtigt. Schnell ins Visier der Polizei geraten, sieht sich Britt mit jedoch noch gefährlicheren Gegnern konfrontiert. Allen voran der Ex-Feuerwehrmann Raley Gannon. Er war es, der bei dem Feuer damals Verdächtiges fand - und dann alles verlor. Seitdem sinnt er auf Rache und kidnappt Britt, um sie zu verhören. Doch sie werden gemeinsam zum Ziel von sehr mächtigen Feinden ...Wenn perfekte Harmonie mit einem Schlag vernichtet oder ein Leben durch genüsslich langsame Rache Schritt um Schritt zerstört wird, dann stecken Sie mittendrin in einem spannenden Thriller von Sandra Brown! 'Niemand schreibt so fesselnd, wie Sandra Brown!' (Publishers Weekly)
Sandra Brown arbeitete als Schauspielerin und TV-Journalistin, bevor sie mit ihrem Roman »Trügerischer Spiegel« auf Anhieb einen großen Erfolg landete. Inzwischen ist sie eine der erfolgreichsten internationalen Autorinnen, die mit jedem ihrer Bücher die Spitzenplätze der »New York Times«-Bestsellerliste erreicht! Ihr endgültiger Durchbruch als Thrillerautorin gelang Sandra Brown mit dem Roman »Die Zeugin«, der auch in Deutschland zum Bestseller wurde. Seither konnte sie mit vielen weiteren Romanen ihre Leser und Leserinnen weltweit begeistern. Sandra Brown lebt mit ihrer Familie abwechselnd in Texas und South Carolina.
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Prolog
Gott sei Dank schlief er noch tief und fest. Aufzuwachen und zu entdecken, dass sie mit Jay Burgess im Bett lag, war schon peinlich genug, da wollte sie ihm nicht auch noch ins Gesicht sehen müssen. Wenigstens nicht, bevor sie Zeit gehabt hatte, sich zu sammeln. Zentimeter um Zentimeter schob sie sich an die Bettkante und schlüpfte unter der Decke hervor, um ihn nicht aufzuwecken. Am Matratzenrand setzte sie sich auf und schielte über ihre Schulter. Aus dem Lüftungsschlitz über dem Bett blies ein kalter Luftzug, unter dem sich die Härchen an ihren Armen aufstellten. Obwohl Jay nackt und nur bis zur Taille zugedeckt war, hatte ihn die Eiseskälte nicht geweckt. Ganz behutsam verlagerte sie ihr Gewicht vom Bett auf ihre Füße und stand auf. Der Raum kippte zur Seite weg. Um nicht ihrerseits umzukippen, streckte sie instinktiv die Arme aus. Ihre Hand traf mit einem Klatschen auf der Wand auf, das wie ein Schellenschlag durch das stille Haus hallte. Ohne sich noch groß darum zu kümmern, ob sie Jay aufweckte, sondern nur noch fassungslos, wie viel sie gestern Abend getrunken hatte, atmete sie an die Wand gelehnt durch und fixierte einen festen Punkt, bis sie das Gleichgewicht wiedergefunden hatte. Wie durch ein Wunder hatte sie Jay mit ihrer Tollpatschigkeit nicht aufgeweckt. Sie erspähte ihren Slip, schlich zum Fußende des Bettes, holte ihn und arbeitete sich dann auf Zehenspitzen durch den Raum, um ihre übrigen Sachen einzusammeln, die sie züchtig an ihre Brust presste, auch wenn das unter den gegebenen Umständen eher lächerlich war. Der Bußgang. Der Begriff aus dem College passte. Er bezeichnete Studentinnen, die sich nach einer Nacht mit einem Mitstudenten aus dessen Zimmer stahlen. Sie war längst übers Collegealter hinaus und außerdem Single, genau wie Jay, weshalb beide nach Belieben miteinander schlafen konnten, wenn sie sich dazu entschlossen. Wenn sie sich dazu entschlossen. Der Nebensatz peitschte ihr ins Genick wie ein straff gezogenes Gummiband. Plötzlich wich das Entsetzen darüber, in Jays Bett aufgewacht zu sein, der erschreckenden Erkenntnis, dass sie keine Ahnung hatte, wie sie dort hineingeraten war. Sie glaubte nicht, dass sie irgendwann den bewussten Entschluss gefasst hatte, mit ihm zu schlafen. Sie konnte sich nicht erinnern, Pro und Kontra abgewogen zu haben und zu der Überzeugung gelangt zu sein, dass das Pro überwog. Sie konnte sich auch nicht erinnern, so lange umworben worden zu sein, bis die Vernunft von schierer Lust erdrückt worden war. Sie konnte sich nicht einmal erinnern, im Geist mit den Achseln gezuckt und gedacht zu haben: Was soll’s? Wir sind erwachsen. Sie konnte sich an überhaupt nichts erinnern. Sie drehte eine langsame Pirouette und nahm dabei den Schnitt und die Einrichtung des Zimmers in sich auf. Es war ein angenehmer Raum, geschmackvoll möbliert und auf einen allein lebenden Mann zugeschnitten. Aber nichts hier drin kam ihr bekannt vor. Gar nichts. Es war, als würde sie ihn zum ersten Mal sehen. Offenbar waren sie tatsächlich in Jays Wohnung; hier und da standen Bilder von ihm, größtenteils Ferienschnappschüsse mit verschiedenen Freunden beiderlei Geschlechts. Sie war ganz sicher noch nie in diesem Raum oder in diesem Haus gewesen. Sie hätte nicht einmal die Adresse gewusst, obwohl sie eine vage Erinnerung daran hatte, dass sie zu Fuß hierher gegangen war – aber von wo aus? Genau, aus dem Wheelhouse. Dort hatte sie sich mit Jay auf einen Drink getroffen. Er hatte schon einiges intus gehabt, als sie angekommen war, aber das war nicht ungewöhnlich. Jay trank gern und vertrug erstaunlich viel Alkohol. Sie hatte ein Glas Weißwein bestellt. Anschließend hatten sie geplaudert und sich gegenseitig erzählt, was es Neues gab. Dann hatte er gesagt… Als ihr wieder einfiel, was er ihr erzählt hatte, überlief sie eine Gänsehaut, die nichts mit der Kälte im Zimmer zu tun hatte. Die Hand auf den Mund gepresst, um ein leises Aufstöhnen zu unterdrücken, drehte sie sich zum Bett um. Sie hauchte ein bekümmertes »O Jay« und wiederholte damit die Worte, die sie ausgestoßen hatte, als er ihr gestern Abend die grauenvolle Neuigkeit eröffnet hatte. Können wir zu mir gehen und dort weiterreden?, hatte er gefragt. Ich bin inzwischen umgezogen. Eine alte Tante ist gestorben und hat mir ihre weltlichen Güter hinterlassen. Einen Haufen Porzellan, Kristall, antike Möbel, lauter alten Krempel. Ich habe alles zu einem Antiquitätenhändler geschleppt und mir von dem Erlös ein Haus in der Stadt gekauft. Gleich hier in der Nähe. Er plauderte fröhlich weiter, so als hätten sie nur über die nahende Hurrikan-Saison gesprochen, dabei hatte seine Nachricht wie eine Bombe eingeschlagen. Grauenvoll. Nicht zu glauben. Es hatte ihr den Boden unter den Füßen weggezogen. War ihr Mitgefühl schließlich in ein anderes Gefühl umgeschlagen? Erklärte das die Liebesnacht? Mein Gott, warum konnte sie sich nicht erinnern? Auf der Suche nach Antworten und nach ihren restlichen Kleidern schlich sie weiter ins Wohnzimmer. Ihr Kleid und ihre Strickjacke lagen zusammengeknüllt auf einem Sessel, ihre Sandalen standen auf dem Boden. Auf dem Tisch vor dem Sofa sah sie eine offene Flasche Scotch und zwei Gläser. In der Flasche war nur noch ein Fingerbreit Flüssigkeit. Die Sofakissen waren eingedellt und verrutscht, so als hätte sich jemand darauf herumgewälzt. Offenbar sie und Jay. Im nächsten Moment lief sie ins Schlafzimmer zurück und weiter in das dahinter liegende Bad. Sie drückte lautlos die Tür zu, aber diese Vorsichtsmaßnahme war angesichts der Tatsache, dass sie schon Sekunden später würgend über der Toilette hing, überflüssig. Ihr Magen wurde von heftigen Krämpfen geschüttelt und stieß scheinbar literweise Scotch aus. Sie war noch nie eine große Scotch-Trinkerin gewesen, aber jetzt würde sie nie wieder einen Tropfen von diesem Gift anrühren, so viel stand fest. In dem Spiegelschrank über dem Waschbecken stöberte sie etwas Zahnpasta auf, drückte sie auf ihren Zeigefinger und versuchte, den Schmutzfilm und den schlechten Geschmack von den Zähnen zu massieren. Danach fühlte sie sich zwar besser, aber immer noch so schmutzig, dass sie unbedingt duschen wollte. Wenn sie sauber war, würde sie Jay selbstbewusster gegenübertreten können, und die Exzesse der letzten Nacht wären ihr nicht mehr ganz so peinlich. Die Duschkabine war bis unter die Decke gefliest und mit einer fest montierten Regendusche ausgestattet. Direkt unter dem Pseudoregen stehend, seifte und spülte sie sich mehrmals ab. Besonders sorgsam und gründlich wusch sie den Bereich zwischen ihren Beinen. Sie shampoonierte sich auch die Haare. Nachdem sie fertig geduscht hatte, verlor sie keine unnötige Zeit. Bestimmt hatte ihn der Lärm, den sie veranstaltet hatte, inzwischen aufgeweckt. Sie zog sich wieder an, glättete ihr Haar mit seiner Bürste, holte tief Luft, um ihren ganzen Mut zusammenzunehmen, und riss die Badezimmertür auf. Jay schlief immer noch. Wie war das möglich? Er war ein trainierter Trinker, offenbar hatte die vergangene Nacht sogar ihm zugesetzt. Wie viel Scotch war in der Flasche gewesen, als sie zu trinken angefangen hatten? Hatten sie tatsächlich zu zweit einen knappen Liter geleert? Allem Anschein nach. Warum konnte sie sich sonst nicht erinnern, wie sie sich ausgezogen hatte und mit Jay Burgess ins Bett gehüpft war? Sie hatten vor Jahren eine kurze Affäre gehabt, die aber schnell erkaltete und geendet hatte, bevor sie sich zu einer echten Beziehung auswachsen konnte. Beide waren mit ungebrochenem Herzen daraus hervorgegangen. Es hatte keine Szene gegeben, keiner hatte offiziell Schluss gemacht. Sie hatten einfach aufgehört, miteinander auszugehen, und waren dennoch Freunde geblieben. Nichtsdestotrotz hatte Jay, der charmante und unverbesserliche Jay, jedes Mal versucht, sie ins Bett zu locken, wenn sich ihre Wege gekreuzt hatten. »Man kann auch nur befreundet sein und trotzdem hin und wieder miteinander in die Kiste gehen«, hatte er ihr mit seinem verführerischsten Lächeln versichert. Sie sah das anders, und genau das hatte sie ihm immer erklärt, wenn er sie überreden wollte, um der alten Zeiten willen bei ihm zu übernachten. Gestern Nacht hatte sie sich offensichtlich breitschlagen lassen. Sie hätte erwartet, dass er in aller Frühe aus dem Bett springen würde, um mit seiner Eroberung zu prahlen, oder dass er sie mit einem Kuss wecken und sie ironisch zu einem Frühstück im Bett einladen würde. Sie konnte ihn fast auftrumpfen hören: »Wenn du schon hier bist, kannst du die Burgess-Behandlung auch bis zum Schluss genießen.« Warum war er eigentlich nicht zu ihr unter die Dusche gehüpft? Das wäre typisch Jay. Eigentlich hätte er sich zu ihr stellen und erklären müssen: Du hast eine Stelle auf deinem Rücken vergessen. Huch, und da vorne auch. Aber nicht einmal die Dusche hatte ihn geweckt. Genauso wenig wie das mehrmalige Spülen der Toilette. Wie konnte er all das verschlafen? Er hatte sich nicht einmal … Bewegt. Ihr Magen hob sich wie auf einer Flutwelle. Ätzender Schleim schoss ihr in die Kehle, und sie hatte Angst, sich gleich wieder zu übergeben. Sie schluckte schwer. »Jay?«, fragte sie zaghaft. Dann lauter: »Jay?« Nichts. Kein Seufzen und kein Schniefen. Nicht die leiseste Bewegung. Wie angewurzelt stand sie da und spürte ihr Herz klopfen. Dann setzte sie sich widerstrebend in Bewegung, trat ans Bett, legte die ausgestreckte Hand an seine Schulter und rüttelte sie mit aller Kraft....