Brooks | Kissing the Rain | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Englisch, 416 Seiten

Reihe: dtv- extra

Brooks Kissing the Rain

Roman
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-423-42372-4
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, Englisch, 416 Seiten

Reihe: dtv- extra

ISBN: 978-3-423-42372-4
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Nominiert für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2008 Mike Nelson, wegen seiner Körperfülle Moo genannt, lässt Beleidigungen und Prügel, die er in der Schule als verachteter Außenseiter oft einsteckt, an sich abprallen wie Regen. Sein Zufluchtsort ist eine Autobahnbrücke, von der aus er den Verkehr beobachtet, sich an Lichtern und Bewegungen berauscht. Dabei wird er Zeuge eines Vorfalls, den er nicht deuten kann: Ein Wagen drängt einen anderen ab, die Fahrer halten auf dem Standstreifen, geraten in Streit, ein Mann geht zu Boden. Später werden die Ermittlungsbehörden behaupten, der Fahrer des abgedrängten Wagens habe den anderen erstochen. Moo aber hat genau gesehen, dass das nicht stimmt. Da es sich bei dem Beschuldigten um den berüchtigten Kriminellen Keith Vine handelt, den die Staatsanwaltschaft schon lange dingfest machen will, ist die Sache äußerst brisant: Was Moo gesehen hat, macht ihn zum Entlastungszeugen für Vine - doch will er das überhaupt sein?

Kevin Brooks, geboren 1959, wuchs in einem kleinen Ort namens Pinhoe in Südengland auf. Nach seinem Studium verdiente er sein Geld mit Gelegenheitsjobs. Seit dem überwältigenden Erfolg seines Debütromans >Martyn Pig< widmet er sich ganz dem Schreiben. Für seine Arbeiten wurde er mit renommierten Preisen ausgezeichnet, u.a. mehrfach mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis sowie der Carnegie Medal für >Bunker Diary<. Er schreibt auch Thriller für Erwachsene.
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1/ Der Anfang der WAHRHEIT


Du willst die WAHRHEIT wissen? Ich sag dir die WAHRHEIT – ich hab die Schnauze voll. Die Schnauze voll von dem ganzen Scheiß mit FETT-Sein, von Callan und Vine und der Brücke, der Autobahn, den Wagen, den Blicken, den Worten, den Lügen …

SCHEISSE.

Ich wünsch mir, ich hätt nie da oben gestanden … wär nie in die Sache REINGEZOGEN worden …

Echt, DAS isses, was ich mir wünsch. Nix gesehn, von nix was mitgekriegt. Ich? Hätt meine große Klappe halten solln. HAB NULL GESEHN, KLAR?

Jetzt weiß ich das.

Jetzt muss ich das in Ordnung bringen. Ich muss was machen. Was Schlimmes machen.

Schlimm = gut.

Gut = schlimm.

WAHRHEIT = Lüge.

Lüge = WAHRHEIT.

Du willst die WAHRHEIT wissen?

Ich erzähl dir die WAHRHEIT.

Okay – mal sehn, was Sache is. Letztes Jahr, Anfang November, kurz vor Guy-Fawkes-Nacht mit Feuerwerk, Krachern und Böllern, so gegen fünf Uhr nachmittags. Hab kalte Hände, der Himmel is voll Rauch, Knaller zerreißen die Luft, auch wenn’s dafür noch zu früh is, mein Atem macht ’ne Dunstfahne, als ich den Gartenweg Richtung Schuppen langstampfe. Bin schon halb dort, zieh mir grad die Jacke zu, als mir Mum aus der Hintertür nachruft.

»Hast du deine Handschuh, Moo?«

»Ja.«

»Sicher?«

»Ja, hab ich dabei.«

»Okay – bleib nich so lang. Soll noch Frost geben heut.«

Ich wink ihr über die Schulter zu.

Die Hintertür schlägt zu – klack.

Hol mein Rad außem Schuppen und schieb’s an der Rückseite vom Haus vorbei, den Weg lang und dann durchs Tor. Zieh mir die Handschuh an, die Kapuze hoch, knall das Gartentor zu, schieb mein Rad übern Gehsteig, schwing ein Bein übern Sattel, setz mich drauf, fahr an, heb den Arsch, steig in die Pedale, schalt mich nach oben, werd immer schneller, dann übern Bordstein am Ende der Straße und weg bin ich, nich mehr da, fahr durch die dunklen Straßen.

Unterwegs – am Dorfrand lang, weg von den Häusern, weg von den Leuten, auf die schmalen Wege durch Wiesen und Felder, dann in die Senke runter und danach den Berg hoch, bin wie wild am Strampeln, ’n fauchender KESSEL, und schwitz wie die Sau … SCHEISSE, wenn ich bloß nich so schwitzen würd. Is echt kalt und klebrig wie gefrierendes Blut, die eisige Luft brennt in der Kehle, tut weh wie blöd und die Fingerspitzen werden total taub … aber das is mir egal. Geb ich ’n SCHEISS drauf. Denn ich fahr DAHIN, wo ich sein will. Ich fahr zur Brücke … zu MEINER Brücke. Und das is das EINZIGE, was ich will.

Die Brücke.

Jaaah …

Die Brücke.

Die Geländer – dit, dit, dit –, die Stufen, der Beton, der stumpfe graue Stahl. Die Form, die Winkel, die Farben … der Verkehr auf der Straße darunter, wie er anschwillt und abschwillt … die Hintergrundgeräusche, das Uuuurrrrhhhhsshhhhmmmm … das Wuu-uuusch-wuu-uuusch-wuu-uuusch von den PKWs, LKWs, Sattelschleppern.

Der Gesang der Autobahn.

Kann’s jetzt schon hörn, wird lauter, als ich mich den Berg hochacker – wuu-uuusch-wuu-uuusch-wuu-uuusch –, kommt immer näher, dringt in mich ein. Der Gesang, die Autobahn, die Brücke … ich FÜHL’S, die ziehn ihr DING DURCH, bringen mich zum Grinsen, räumen mir den Kopf frei … jetzt bin ich fast da. Die Steigung läuft aus und ich fahr im Leerlauf, ganz locker, schwing mein Bein übern Sattel, spring ab und lande, ziemlich lässig für so’n FETTEN Typen – schade, dass mich jetzt keiner sieht. Ich hüpf ein, 2 Schritte, schieb das Rad bis zum Fuß der Stufen und lass los – kleng. Einfach so. Lass es liegen. Kein Problem – is ja keiner da außer mir.

Nur ich und die Brücke.

Ich und die Autobahn.

MEINE Brücke.

MEINE Autobahn.

Is dieselbe Autobahn wie vor 5 Jahren, dieselbe Autobahn, auf der wir hergekommen sind. Wusste ich damals noch nich, kannte die Brücke nich. KENN ich sie jetzt? Ja, tu ich. Tag um Tag. Sie is meine Erlösung. Mein ORT. Mein Schutz vorm REGEN. Keine Ahnung, von wo sie herkommt und wo sie hinführt … von irgend’nem Ort zu irgend’nem andern Ort, sag ich mal. Spielt aber keine Rolle … is IRRELI… IRRILE… egal. Fängt an und hört auf, bis wohin ich gucken kann. Der Rest … wen kümmert der Rest? Der Rest hat nix mit mir zu tun. Und die Brücke? Was is mit der Brücke? Wozu is die da? Was SOLL die? Ich will jedenfalls nirgendwo hin. Die Brücke geht von hier nach da, von dieser Seite der Autobahn zur andern. Und was is auf der andern Seite? Das Gleiche wie hier – nich viel. Wege, Straßen, kleine Orte, Felder, Hecken und so …

Wozu die Brücke da is?

Für MICH.

Jeden Tag …

Denn seit eh und je is jeder Tag gleich – Eintag, Zweitag, Dreitag, Viertag, Fünftag, dann Ramschtag und Grautag … jeder Tag bloß wieder so’n Tag … genau wie der Tag davor, genau wie der Tag davor, genau wie der Tag davor. Gibt nich viel, was passiert, nur den ewig gleichen Scheiß, immer und immer wieder …

Du weißt doch, wie das läuft.

Irgendwas muss man ja machen, stimmt’s?

Okay – also jeden Tag, nach der Schule, nach dem REGEN, nach dem Nachmittagstee, steig ich auf mein Rad und fahr zur Brücke – stöhnend und hechelnd, so FETT, dass ich kaum Luft krieg –, und wenn ich ankomm, schieb ich das Rad an die Stufen und lass los – kleng –, einfach so. Als Nächstes steh ich ’ne Minute oder auch 2 bloß da und schau zur Brücke hoch, saug das alles in mich ein, krieg wieder Luft, spür so’n Prickeln unter der Haut und dann fang ich an, die Stufen hochzusteigen – 3 Treppen im Zickzack, jede 12 Stufen, ausgetreten, grau, dröhnend. Zick, zack, zick – jeden Tag führen sie mich haargenau DA hin, wo ich sein will. Rauf auf die Brücke. Hoch über die Autobahn. Von wo ich dann runtergucke. Den Verkehr beobachte – 2 Spuren nach Norden, 2 Spuren nach Süden … uuuurrrrhhhhsshhhhmmmm … wuu-uuusch-wuu-uuusch-wuu-uuusch … den grauen Fluss.

MANN, tut das GUT hier oben.

Die Luft, der Wind, das Gefühl der Brücke unter meinen Füßen … die is aus irgend’nem griffigen, grauen, rutschfesten Zeug, macht Spaß, da drauf rumzulaufen – echt schön schluffig, trocken und sicher. Jeden Tag geh ich da drüber, tamp, tamp, tamp, rüber über die Brücke, manchmal schlag ich dabei mit meinen Fingern gegen die Geländer, bing, manchmal auch nicht – bis ich an meinen Platz komm …

MEINEN PLATZ.

Da isser, guck – 8 Schritte weiter, das Stück da, wo das eine Geländer so’n knieförmigen Knick hat und die Querstreben abgewetzt sind und speckig von 5 Jahren Dranlehnen …

MEIN PLATZ.

Und jetzt, mit dem aufwirbelnden Wind vom Verkehr, dem Wind, der mir die Haare zerzaust, und dem Puls der Brücke, der in den Füßen summt, jetzt ist der Moment da, an dem ich in meine Position sink … die Arme gekreuzt … vornübergebeugt … den Blick nach unten …

Ich lausch …

Ich beobachte …

Beobachte den Verkehr.

Jeden Tag …

Ich beobachte den Verkehr.

Das isses, was ich tu.

Ich beobachte den Verkehr.

Tag um Tag, Stunde um Stunde … eine Stunde, 2 Stunden, 3 Stunden, manchmal am Wochenende auch 4. 4? Okay, 5 … 5 Stunden. Is echt nich lang. Nich, wenn du drüber nachdenkst … oder besser gesagt NICH drüber nachdenkst, das is ja grade der PUNKT. Hier oben denkste nich nach. Hier oben denkste über NIX nach. Ja, okay, du denkst vielleicht irgendwelches Zeug, so’n Krempel, über den keiner nachdenken braucht, aber das is nich dasselbe – das is bloß einfach so rumdenken. Und dafür brauchste keine Zeit. Du brauchst NIX, das is ja der ganze PUNKT. Denn hier oben fließt die Zeit einfach so wie der Verkehr auf der Autobahn unten – ein Fluss ohne Ende, immer da – wuu-uuusch-wuu-uuusch-wuu-uuusch … PKWs, Sattelschlepper, Lieferwagen, LKWs, Motorräder … Richtung Norden, Richtung Süden, rumpelnd, rasend, rauschend, kreischend, still wie nix …

Trägt mich fort.

Jeden Tag.

Trägt mich fort. Von der Brücke aus läuft die Autobahn ungefähr 800 Meter schnurgerade, dann geht sie allmählich in so ’ne Kurve über. ’ne leicht abschüssige Kurve nach rechts, Richtung Osten, immer weiter runter, runter, runter und dann weg, wie’n langes schwarzes Band, wenn der Wind aufhört, runter bis hinter die Kuppe von so’m Hügel und weg, außem Blick. An klaren Tagen kann ich sie echt fast zwei Kilometer weit sehn.

Das is ’ne Tatsache, echt.

Ich weiß es, weil ich’s ausgemessen hab, als die Autobahn irgendwann mal gesperrt gewesen is wegen ’ner Baustelle. Ich werd dir nich ALLE Details erzählen, das is echt zu TROSTLOS und langweilig, aber ich hab’s ungefähr so gemacht: Ich bin die Autobahn langgelaufen, von der Brücke bis zu dem Stück, wo du sie nich mehr siehst, und hab den ganzen Weg über die Schritte gezählt, die ich vorher ausgemessen hab. Dann bin ich nach Hause und hab alles auf dem Taschenrechner zusammengerechnet. Darum WEISS ich, es sind 1204 Schritte bis zu dem großen grünen Schild, wo die Kurve anfängt, was rund 797 Meter macht, und ich weiß, es sind 1422 Schritte von dem grünen Schild bis zu dem Tor in der Hecke gegenüber von dem Pfeiler, bis zu dem ich sehn kann, was rund 941...


Gutzschhahn, Uwe-Michael
Uwe-Michael Gutzschhahn, geboren 1952, studierte Anglistik und Germanistik und schloss sein Studium mit der Promotion ab. Er war viele Jahre als programmverantwortlicher Lektor in diversen Verlagen tätig und lebt heute als Autor, Übersetzer, Herausgeber und freier Lektor in München. Seine Bücher wurden vielfach prämiert, für sein Gesamtwerk als Übersetzer erhielt er den Deutschen Jugendliteraturpreis.

Brooks, Kevin
Kevin Brooks, geboren 1959, wuchs in einem kleinen Ort namens Pinhoe in Südengland auf. Nach seinem Studium verdiente er sein Geld mit Gelegenheitsjobs. Seit dem überwältigenden Erfolg seines Debütromans ›Martyn Pig‹ widmet er sich ganz dem Schreiben. Für seine Arbeiten wurde er mit renommierten Preisen ausgezeichnet, u.a. mehrfach mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis sowie der Carnegie Medal für ›Bunker Diary‹. Er schreibt auch Thriller für Erwachsene.

Kevin Brooks, geboren 1959, wuchs in einem kleinen Ort namens Pinhoe in Südengland auf. Nach seinem Studium verdiente er sein Geld mit Gelegenheitsjobs. Seit dem überwältigenden Erfolg seines Debütromans ›Martyn Pig‹ widmet er sich ganz dem Schreiben. Für seine Arbeiten wurde er mit renommierten Preisen ausgezeichnet, u.a. mehrfach mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis sowie der Carnegie Medal für ›Bunker Diary‹. Er schreibt auch Thriller für Erwachsene.



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