E-Book, Deutsch, 336 Seiten
Brisch Bindung und psychische Störungen
Die Auflage entspricht der aktuellen Auflage der Print-Ausgabe zum Zeitpunkt des E-Book-Kaufes.
ISBN: 978-3-608-11665-6
Verlag: Klett-Cotta
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ursachen, Behandlung und Prävention
E-Book, Deutsch, 336 Seiten
ISBN: 978-3-608-11665-6
Verlag: Klett-Cotta
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Neueste Erkenntnisse aus der Bindungsforschung bei psychischen Störungen- Neueste Befunde aus der Hirnforschung und der Psychoneuroimmunologie- Beiträge international renommierter ForscherInnen und KlinikerInnen
Die Bindungstheorie ist inzwischen eine der am besten untersuchten entwicklungspsychologischen Theorien. Sie kann wesentliche Ursachen der Entstehung psychischer Störungen erklären, z.B. von Angst- und Panikstörungen, Depressionen, Borderline-Störungen, posttraumatischen Belastungsstörungen und anderen psychopathologischen Entwicklungen. Anhand zahlreicher Längsschnittstudien der Bindungsforschung konnte die Entwicklung psychischer Störungen von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter nachverfolgt werden, wobei transgenerationale Effekte sichtbar wurden. Dieser Band zeigt, welche neuen Möglichkeiten der Behandlung sich aus diesen Erkenntnissen ergeben und welche Erfolge eine bindungsbasierte Prävention von psychischen Störungen vorweisen kann. Bindungsbasierte Programme setzen idealerweise bereits in der Schwangerschaft ein und wirken erfolgreich der Weitergabe psychischer Belastungen von der Eltern- an die Kindergeneration entgegen.
Dieses Buch richtet sich an:
- PsychologInnen, PsychotherapeutInnen, PsychiaterInnen
- ÄrztInnen aller Fachrichtungen
- SozialarbeiterInnen, PädagogInnen und MitarbeiterInnen der Jugendhilfe
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Einleitung
Das vorliegende Buch enthält eine Reihe von Beiträgen aus den Bereichen Forschung, Klinik und Prävention, die sich aus den verschiedensten Perspektiven mit dem thematischen Zusammenhang von »Bindung und psychische Störungen« auseinandersetzen. Entsprechend werden sowohl Ergebnisse aus der Forschung vorgestellt als auch Erfahrungen aus der klinischen und therapeutischen Arbeit vermittelt, um die Möglichkeiten und die Voraussetzungen einer erfolgreichen Beratung und Therapie von Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und alten Menschen aufzuzeigen, in deren Entwicklung Bindungsprobleme eine gewichtige Rolle spielen. An drei Beiträgen aus verschiedenen Therapieschulen wird deutlich, wie die Bindungstheorie für die therapeutische Arbeit nutzbar gemacht werden kann. Alexander Trost konzentriert sich in seinem Aufsatz »Bindungswissen für die systemische Praxis« auf die systemische Theorie und zeigt auf, wie Bindungswissen für die systemische Praxis Bedeutung gewinnen und in der Klinik angewandt werden kann. Thomas Schnell (»Bindung in der Verhaltenstherapie«) belegt, wie intensiv die Bindungstheorie inzwischen auch die kognitive Verhaltenstherapie beeinflusst hat und hier in verschiedenen therapeutischen Ansätzen Anwendung findet. Maria Teresa Diez Grieser (»Die Erfahrung von Sicherheit in therapeutischen Beziehungen durch Mentalisieren fördern«) verbindet das Konzept des Mentalisierens mit der Entwicklung von Bindung und psychischen Störungen. Sie stellt dar, wie sehr Bindungstraumatisierungen die Entwicklung eines gesunden Mentalisierens behindern können und wie dies zur Entwicklung von psychischen Störungen führt. In der therapeutischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen muss dann erstmalig in der Beziehung zum Therapeuten das Mentalisieren erfahren und »neu erlernt« werden. Die Mentalisierungsbasierte Therapie hat inzwischen weite Verbreitung gefunden und basiert auf der Bindungstheorie. Warum frühe Stresserfahrungen, insbesondere solche, die nicht verarbeitet werden, uns für psychische Erkrankungen anfällig machen, warum andererseits sichere Bindungserfahrungen zu einer psychischen Widerstandsfähigkeit führen können (Resilienz) und was dies alles mit der Entwicklung des Gehirns zu tun hat, vermittelt Nicole Strüber in ihrem Beitrag »Von der frühen Stresserfahrung zur psychischen Erkrankung« auf sehr anschauliche Art und Weise. Besonders in Zeiten der Covid-Pandemie waren nicht nur einzelne Familien, sondern Menschen in vielen Gesellschaften weltweit in ihrer Gesundheit bedroht; auf der ganzen Welt starben Menschen durch das Virus, erkrankten so schwer, dass sie fast gestorben wären, und verloren geliebte Menschen durch SARS-Cov 2. Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich Karl Heinz Brisch mit der Frage von »Bindungskrisen in Zeiten der Pandemie« und zeigt die Folgen wie auch mögliche Bewältigungsstrategien unter bindungsdynamischen Aspekten auf. Die Bindungstheorie kann nicht nur gesunde Entwicklungen erklären, sondern hat auch einen eigenen Bereich geschaffen, der sich Entwicklungspsychopathologie nennt. Diese Wissenschaft wird seit vielen Jahren hervorragend von Marinus van IJzendoorn aus den Niederlanden vertreten, der für diesen Band einen Beitrag über »Bindung und Entwicklungspsychopathologie« verfasst hat. Vor dem Hintergrund jahrzehntelanger Forschung wird im Detail in Längsschnittstudien nachvollziehbar, wie sich während der kindlichen Entwicklung eine Psychopathologie herauskristallisiert und welche Rolle Bindungsbeziehungen und auch besonders traumatische Erfahrungen hierbei spielen. Um sichere Bindungsentwicklungen auf den Weg zu bringen, sind körperliche, feinfühlige Berührungen und auch seelische »Berührungen« zwischen Menschen grundlegend. Diese haben große Auswirkungen auf die gesunde Entwicklung der Psychoneuroimmunologie, also des Zusammenspiels zwischen Psyche, neurologischer Vernetzung im Gehirn und der Entwicklung von Immunsystemen. In seinem Aufsatz »Körperlich-seelische Berührungen und deren Bedeutung für die psychoneuroimmunologische Entwicklung aus biopsychosozialer Sicht« kann Christian Schubert (mit Michaela Ott, Magdalena Singer, Karl Heinz Brisch) die komplexe Verbindung zwischen früher körperlicher und seelischer Berührung und Psychoneuroimmunologie sehr differenziert aufzeigen. Wenn Kinder als Frühgeborene zur Welt kommen und ihr Leben damit beginnt, dass sie mehrere Wochen – oftmals unter lebensbedrohlichen Bedingungen – im Inkubator aufwachsen müssen, machen sie gänzlich andere frühe Erfahrungen als reif geborene Babys: Erfahrungen, die unter Umständen langfristige Auswirkungen auf ihre körperliche, soziale und emotionale Entwicklung, insbesondere auch auf die Bindungsentwicklung haben könnten. Carmen Walter (»Bindung, Frühgeburt und deren langfristige Auswirkungen auf die psychische Entwicklung bis zur Spätadoleszenz«) berichtet von einer besonderen Längsschnittstudie, die Frühgeborene vom Inkubator bis zum jungen Erwachsenenalter immer wieder unter Bindungs- und Entwicklungsaspekten nachuntersucht hat. Hier zeigt sich, dass bei ehemaligen Frühgeborenen in der späten Adoleszenz und im jungen Erwachsenenalter nochmals erneut große emotionale Schwierigkeiten auftreten können, die auf eine gewisse langfristig vorhandene emotionale Vulnerabilität hinweisen können. Eine intensivere psychosoziale und emotionale Versorgung der Frühgeborenen in ihren späteren Lebensjahren bis zum Erwachsenenalter sowie eine langfristige Unterstützung ihrer Bindungspersonen zur Verarbeitung des Traumas der Frühgeburt wären dringend notwendig. Die Phase des Jugendalters ist unter Bindungsaspekten von besonderer Instabilität gekennzeichnet, weil mit dem Prozess der Ablösung und Autonomie frühe Bindungserfahrungen, besonders auch traumatische, wachgerufen werden können und zu erheblichen psychischen Symptomen einschließlich Borderline-Persönlichkeitsentwicklungen führen können. Kirsten Hauber (»Heranwachsende mit Persönlichkeitsstörungen und unsicheren Bindungsmustern in der Forschung und in der klinischen Praxis«) arbeitet und forscht auf diesem Gebiet und zeigt auf Basis ihrer Studie, welche Therapieansätze möglich und notwendig sind, um Jugendliche mit frühen problematischen Bindungserfahrungen, die in der Pubertät aufbrechen und zu Schwierigkeiten in der Adoleszenz führen, auf einen guten Weg zu bringen. Manchmal erleiden Kinder in ihren Familien lebensgefährliche Krisen und benötigen frühzeitig eine fachspezifische Krisenintervention, um psychopathologische Entwicklungen zu verhindern, besonders dann, wenn ihre Bindungspersonen selbst von der familiären Krise traumatisiert wurden und sie aus diesem Grund ihren Kindern keinen ausreichenden Schutz und keine Sicherheit vermitteln können. Tita Kern und Simon Finkeldei (»KinderKrisenIntervention nach APSN«) stellen ein neues traumapräventives Programm der Frühintervention vor, das hilft, präventiv schwerwiegende Symptombildungen, die sich bis zum Vollbild einer chronifizierten posttraumatischen Belastungsstörung bei Kindern und Jugendlichen entwickeln können, dadurch zu verhindern, dass sehr frühzeitig bindungs- und traumasensibel interveniert wird. Frühe Bindungsstörungen und Traumatisierungen haben nicht nur einen Einfluss auf die psychopathologische Entwicklung, sondern sie können Menschen in ihren beruflichen Feldern sehr negativ beeinflussen, so z. B. auch in ihren gesellschaftlichen Denkmustern. Herbert Renz-Polster (»Politik auf dem Wickeltisch«) zeigt auf, welche Rolle die frühen Bindungserfahrungen bei der Entstehung autoritärer Gesinnungen in Gesellschaften spielen und wie einzelne politische Führer und politisch Verantwortliche ihrerseits aufgrund ihrer frühkindlichen Entwicklung eine autoritäre Politik vertreten und hier sozusagen auf einem gesamtgesellschaftlichen Boden frühe Traumaerfahrungen reinszeniert werden, sehr zum Schaden ganzer Gesellschaften. Hier wird deutlich, welch großen Einfluss die frühen Bindungserfahrungen auch im Hinblick auf Prävention, gesellschaftliche Entwicklung und Politik haben. In der psychotherapeutischen Situation treffen die Bindungserfahrungen von Therapeutin/Therapeut und Patienten und Patientinnen aufeinander. Es spielt somit eine große Rolle, in welcher Weise das Bindungssystem von allen in der therapeutischen Situation Beteiligten aktiviert wird und wie es fruchtbar sozusagen für den...