Brinx/Kömmerling / Brinx / Kömmerling | Wanda – Hüte dich vor der Nacht | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

Brinx/Kömmerling / Brinx / Kömmerling Wanda – Hüte dich vor der Nacht


12001. Auflage 2012
ISBN: 978-3-522-65173-8
Verlag: Planet! in der Thienemann-Esslinger Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

ISBN: 978-3-522-65173-8
Verlag: Planet! in der Thienemann-Esslinger Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Wanda hat das ungute Gefühl, beobachtet zu werden. Plötzlich ist es da und lässt sie nicht mehr los. Schaut da jemand durchs Fenster? War das der Wind, der das Glockenspiel auf der Terrasse bewegte? Oder war es derjenige, der in riesigen Lettern das Wort 'Rache' an die Kaimauer gesprüht hat? Gerade jetzt ist ihr Vater, ein Kunstprofessor, auf Geschäftsreise und sie ist allein auf dem Hausboot. Immer, wenn es Nacht wird, kommt die Angst. Als jemand einbricht und Wanda niederschlägt, findet sie einen Hinweis. Und ihr wird klar, dass der Täter gefährlicher ist, als sie dachte ...

Anja Kömmerling und Thomas Brinx erzählen Geschichten wie das Leben - mit Ecken und Kanten, Höhen und Tiefen, gerne über Menschen, die anders sind und nicht ganz ins System passen. Bis heute in über 40 Büchern, Märchenfilmen, Krimis und Komödien für Kino und Fernsehen. Ihr Thienemann-Jugendbuch »Neumond« wurde mit der Segeberger Feder ausgezeichnet.
Brinx/Kömmerling / Brinx / Kömmerling Wanda – Hüte dich vor der Nacht jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


In der Nacht kann man besser hören. Es gibt kaum laute Geräusche von außen, niemand mäht Rasen, die Flugzeuge starten und landen nicht, die meisten Autofahrer haben etwas anderes zu tun, als ihren Motor laufen zu lassen. In der Nacht ist es leichter, nicht gesehen als nicht gehört zu werden.

Wanda schreckte hoch. Was war das? Barras kratzte an ihrer Tür. Der Hund war unruhig und wollte hinaus. Das kam äußerst selten vor mitten in der Nacht.

»Mmmh, echt, Barras?«, stöhnte Wanda.

Er kratzte weiter.

»Warte, ich komme!« Wanda kletterte aus ihrem Bett. Der Fußboden war kalt. Sie rollte die Zehen ein und zog eine Strickjacke über ihr weißes Nachthemd. »Komm, Süßer!« Leise öffnete sie die Tür und hörte ein schepperndes Geräusch von draußen. Ein Scheppern, das irgendwie nicht zu Ende klingen konnte, das mittendrin unterbrochen wurde. Wanda versuchte die Ziffern ihrer Uhr zu erkennen, aber es war zu dunkel. Barras drängte sich an ihr vorbei und fegte die steile Treppe hinunter. Ein rascher Seitenblick brachte Wanda zu der Erkenntnis, dass ihr Vater noch nicht da war. Seine Zimmertür stand offen. Sie lauschte nach draußen, hörte aber nichts mehr, außer das friedliche Gebimmel der Glockenspiele, die sie an Deck aufgehängt hatte. Wanda folgte Barras, schnappte sich eine Taschenlampe und öffnete die Tür des Schiffes, auf dem sie seit drei Monaten lebten. Barras rührte sich nicht und starrte in Habtachtstellung nach draußen. Jeder andere Hund hätte angeschlagen, aber Barras konnte nicht bellen. Er hatte es bisher zumindest noch nie getan.

»Was ist?«, flüsterte Wanda und knipste die Taschenlampe an. In diesem Moment raste Barras los, das riesige Tier setzte sich in Bewegung, und auch wenn er nicht bellte, so wollte sicher doch niemand der Grund für seinen Blitzstart sein.

Ein Schatten huschte aus dem Lichtkegel und verschwand über die Kaimauer, Barras sprang wie ein Wahnsinniger an dem verschlossenen Tor hoch und hätte den Schatten zu gerne gejagt.

»Hey!« Wandas Ruf schallte durch die dunkle Nacht, die ihren Lichtkegel viel zu schnell verschluckte. Sie führte ihn zurück zur Mauer, auf die in großen, roten Buchstaben Rache gesprayt worden war. Wanda starrte die noch frisch glänzenden Buchstaben an. Rache! An wem? Für was? Eine Gänsehaut lief ihr über den Rücken und leise pfiff sie nach Barras, der sich überhaupt nicht beruhigen wollte.

»Komm rein, den erwischen wir eh nicht mehr!« Sie machte die Taschenlampe aus und ging mit ihrem Hund zurück ins schützende Schiff.

Das Bett, in dem sie eben noch sorglos geschlafen hatte, war warm, sie zog sich die Decke bis zur Nasenspitze hoch und schloss die Augen. Rache blitzte es. Wanda öffnete die Augen wieder und lauschte, aber draußen blieb alles still. Sie wünschte, ihr Vater wäre da, drehte sich auf die Seite und zog die Beine an. Barras hatte sich vor ihrem Bett zusammengerollt und schlief friedlich. Das war das beste Zeichen dafür, dass der Täter nicht zurückgekommen war. Barras würde sie warnen, so wie er es eben auch schon getan hatte. Wanda seufzte und schloss die Augen wieder. Rache!

Der frühe Nebel, der über den Rheinwiesen lag, erinnerte an den Herbst, der vor der Tür stand. Die Luft war feucht und kühl. Wanda atmete sie tief ein. Sie stand am geöffneten Fenster ihres Schiffszimmers, lauschte dem Klang der Glockenspiele und reckte sich. Ihr Zimmer lag zum Rhein hinaus und sie konnte die kleinen Enten hören, die erwachsen geworden waren, aber immer noch wussten, dass es hier bei den Schiffen gelegentlich Cornflakes zum Frühstück gab. Wanda schaute auf die Uhr. Jetzt schnell duschen, eine kleine Runde mit Barras und dann Schule. Sie war immer die Erste hier, die aufstand. Leise und barfuß verließ sie ihr Zimmer, lauschte an der mittlerweile geschlossenen Tür ihres Vaters, hörte ihn gleichmäßig schnarchen und lächelte beruhigt. Nach der anscheinend sehr üppigen Semesterparty hatte der Herr Kunstprofessor doch noch nach Hause gefunden. Ob ihm die Schrift aufgefallen war? Sicher nicht!

Wanda huschte die steile Wendeltreppe aus Stahl hinunter und fröstelte. Die Stufen waren kalt und bald würde sie Strümpfe anziehen müssen. Wanda hasste Strümpfe. Gefängnisse für die Füße.

Unten wurde sie freudig von Barras empfangen. Anscheinend hatte er den Vater kommen hören und es dann, nach dem nächtlichen Zwischenfall, vorgezogen, Wachposten vor der Tür zu beziehen. Er war riesig, ein Wolfshund in seinen besten Jahren, und dadurch natürlich Furcht einflößend. Ein tiefes, bedrohliches Bellen hätte dazu allerdings einiges beigetragen. Als sie noch in New York wohnten, hatten sie ihn mal durchchecken lassen, es konnten aber keine körperlichen Defizite festgestellt werden. Die Tierwissenschaft interessierte sich brennend für diesen außergewöhnlichen Fall. Ein vielleicht freiwillig stummer Wolfshund. Sie hätte viel Geld dafür bezahlt, Barras zu Untersuchungszwecken bei sich behalten zu können. Aber wer besaß schon genug Geld, um etwas zu kaufen, das Wanda ins Herz geschlossen hatte?

Sie strich ihm über den Kopf, durchquerte den großen Wohnraum in die offene Küche und füllte seinen Napf. »Hast du noch gut geschlafen?«

Barras legte den Kopf schief, weil er nicht verstand, was sie sagte. Aber die Stimme klang vertraut und es war schön, sie zu hören. Während er fraß, verschwand Wanda ins Bad, blieb an der Tür stehen und scannte mit dem Blick erst die Decke ab, dann die Wände, den Boden, besonders die Ecken. Auf so einem Schiff gab es mehr Spinnen als in New Yorker Lofts und finnischen Holzhütten zusammen. Die meisten im Bad. Und Wanda konnte unmöglich mit einer Spinne in einem Raum sein.

Heute war keine zu sehen, sie duschte erleichtert, rubbelte ihre pechschwarzen, langen Haare trocken, zumindest trocken genug, und putzte sich die Zähne. Ihr Vater hatte viel Zeit dafür aufgewendet, das ganze Bad mit kleinen Mosaiksteinen auszulegen, allein das schon ein Kunstwerk, und immer noch konnte Wanda sich in den Mustern verlieren und unterschiedliche Figuren entdecken, brüllende Drachen, die am nächsten Tag, wenn man anders hinsah, zu einer freundlichen Meerjungfrau geworden waren.

Als sie auf die Uhr schaute, stand Eile darauf. Sie flocht die nassen Haare zu einem langen dicken Zopf, schlüpfte in ihre Klamotten, die von gestern noch über dem Sofa hingen, trank einen Schluck Milch und verzichtete auf ein weiteres Frühstück.

»Nein, Mama, ich habe keinen Hunger. Ich kann morgens nichts essen, und doch, ich kann mich dann trotzdem konzentrieren.«

Diese Diskussion hatte sie so viele Morgen geführt. Jetzt lebte ihre Mutter seit fünf Jahren auf Antigua mit ihrer großen Liebe Gerome und Wanda konnte seit ihrem elften Lebensjahr selbst bestimmen. Ihr Vater hätte nicht einmal bemerkt, dass sie nichts zu sich nahm. Vorausgesetzt, er wäre wach gewesen.

Wanda schnappte sich ihr Fahrrad und verließ mit Barras im Schlepptau das Schiff über den schmalen Steg. Sie öffnete das Metalltor und warf einen schnellen Blick auf den roten Schriftzug, um sich zu vergewissern, dass sie nicht nur geträumt hatte.

Rache. Unweigerlich blieb sie stehen und sofort machte sich wieder dieses unangenehme Gefühl in ihr breit, als würde sich alles zusammenziehen, als wäre sie gemeint. Aber wer sollte sich an ihr rächen wollen? Sie und Enno waren doch noch gar nicht lange genug da, um Feinde zu haben. Oder hatte hier nur jemand eine freie Fläche gesucht und gefunden? Jemand, der die Welt hasste oder die Politiker, und sich an ihnen rächen wollte, weil er meinte, sie hätten ihm keine Chance gegeben? Doris, die Wirtin vom Kajüttchen nebenan, hatte bestimmt keine Feinde. Das ging gar nicht, dafür war sie viel zu nett. Höchstens ihren Exmann. Aber der weilte irgendwo im Himalaja und trainierte zu überleben. Goran kam als Adressat schon eher infrage. Da gab es sicher einige, die ihm die Pest an den Leib wünschten. Er führte den Boxklub und bewohnte damit die andere Hälfte ihres Hausbootes. Sie waren nicht gerade vertrauenerweckend, die Männer, die bei ihm ein- und ausgingen, meist grundwütend und mit zermanschten Gesichtern, schiefen Nasen oder zu wenigen Zähnen. Wanda und ihr Vater, Doris und ihr Sohn Kai aber gehörten zur Familie und standen unter ihrem persönlichen Schutz.

Wanda schüttelte den Kopf, wie um sich selbst zu beruhigen oder das Bild des Schriftzuges wegzuradieren. »Schweinerei!«, murmelte sie und überließ die Schrift den anderen, die wahrscheinlich auch irgendwann aufwachen und einen Blick aus dem Fenster werfen würden. Sie lehnte ihr Fahrrad an die Mauer, genehmigte Barras die kleine Morgenrunde und brachte ihn dann zurück aufs Schiff. »Schlaf noch ein bisschen, bin gleich wieder da!«

Wanda wusste, dass Hunde kein Zeitgefühl besaßen. Wenn jemand weg war, war er weg, wie lange, das konnten sie nicht bemessen. Auf jeden Fall war Barras nicht sehr einverstanden damit, dass Wanda seit Anfang September die meisten Tage so früh morgens verschwand. Aber er musste es hinnehmen. Er war nur ein Hund. Niemand hörte seine stummen Klagen.

Wanda schwang sich aufs Rad und raste los. Sie war gut in der Zeit, aber sie liebte es, schnell durch die Morgenluft zu fahren und sich den Kopf freiblasen zu lassen. Sie preschte den Kiesweg an den Rheinwiesen entlang, die jetzt noch beinahe leer waren. Nur Krähen und ein paar Möwen, die sich um die Reste der fleißigen Picknicker vom Vortag stritten, vereinzelte Jogger, frühe Vögel und eine alte, gebückte Frau, die die Papierkörbe nach Pfandflaschen absuchte, bevor die Müllabfuhr kam.

»Wanda, Scheiße, ich hab die...


Brinx/Kömmerling
Anja Kömmerling wurde 1965 in München geboren und ist dort auch aufgewachsen. Nach dem Abi wollte sie vor allem nichts Kreatives werden – davon gab es in ihrer Kindheit genug – und machte eine Friseurlehre. Das war aber nicht das Richtige, deshalb ging sie nach Frankfurt zum Studieren. In dieser Zeit machte sie bei einem Praktikum ihre erste Bekanntschaft mit dem Kinderfernsehen.

Thomas Brinx (geboren 1963) ist in Ringenberg am Niederrhein groß geworden, wo er vor allem viel Fußball gespielt hat. Die Schule schaffte er nebenbei mit links und ging danach nach Landshut, um Keramiker zu werden. 1988 lernten sich Anja Kömmerling und Thomas Brinx im Urlaub in Südfrankreich kennen; seitdem schreiben sie zusammen Geschichten, zuerst fürs Radio, für die Augsburger Puppenkiste und dann vor allem fürs Fernsehen; zudem sind schon etliche Kinder- und Jugendbücher von ihnen erschienen, insbesondere natürlich in der Reihe "Freche Mädchen – freche Bücher!". Anja Kömmerling lebt heute in Düsseldorf, Thomas Brinx in Bonn.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.