Buch, Tschechisch, Deutsch, 160 Seiten, Format (B × H): 143 mm x 189 mm
Reihe: Ke¯tos
Symbolismus vom Feinsten
Buch, Tschechisch, Deutsch, 160 Seiten, Format (B × H): 143 mm x 189 mm
Reihe: Ke¯tos
ISBN: 978-3-903124-08-0
Verlag: Ketos
Düstere Sehnsucht, tiefe Mystik, symbolistische Bilder. Otokar Brezinas erste Lyrik-Sammlung "Geheimnisvolle Weiten" ist von dessen platonischer Liebe zur Feministin Anna Pammrová geprägt und vereint die Düsternis von Charles Baudelaire mit dem Bilderreichtum von Karel Hynek Mácha. Die vielfältigen Versmaße zeichnen sich durch eine außergewöhnliche, teilweise extrem langsam getragene Rhythmik aus und erinnern von der Metrik her mitunter an die biblischen Psalmen.
Brezina inspirierte den berühmten Graphiker Josef Váchal (1884–1969), den Autor des Werks „Der blutige Roman“ (Kétos 2019), zu zahlreichen Kunstwerken. Die Illustrationen zur vorliegenden Übersetzung Brezinas besorgte daher der angesehene österreichische Holzschnitzer Christian Thanhäuser (*1956), der ein Kenner und Verehrer Váchals ist.
Bis zum Ende der 1920er Jahre wurde Brezinas Werk vielfach ins Deutsche übersetzt, unter anderem von Franz Werfel. Die symbolistische Sammlung „Geheimnisvolle Weiten“ blieb aber großteils unberücksichtigt. Sie erscheint nun zum ersten Mal auf Deutsch, und zwar in einer zweisprachigen Ausgabe.
Ondrej Cikán (*1985) ist für seine hochpoetischen und präzisen Übersetzungen bekannt.
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Besuch
Ich sagte: Schwester, es leuchten im Blick dir erloschene Sonnen,
erwach und laß mir (daß ich sie dir wärme) die kalt gewordene Hand.
Abend war. Was in der Dämmerung duftete, war traurig verronnen
und weinte mit eisernem Schluchzen der Glockenwand.
Da sah ich sie, meine Seele, vor Jugend errötet, erbeben,
sie stieg in den graueren Dunst meines Morgengrauens hinaus;
vergessenes Kind, das spielt vor dem Sturm, das ein Lächeln zu heben
versucht an der Schwelle vorm verschlossenen Haus.
Sie war fröhlich, ein Kranzmädchen vor dem Begräbnis, im weißen Schleier
und glücklich, wie im Haus, wo es brennt, der Atem der Schlafenden geht,
jungfräuliche Braut im Gebet vor dem Tag ihrer Hochzeitsfeier,
die an den Betten der Sterbenden steht.
Auf meiner Wange ihr Hauch: so erweht aus entfernten Gärten
der Duft verwelkter Rosen, damit auf dem Mund er zum Kuß sich erhelle.
Und Vorhänge östlichen Scheins, die aus reinsten Strahlen sich nährten,
hängte meinen kranken Sehnsüchten sie in die Zelle.




