Erfahrung und Geschichte sind eng miteinander verknüpft: Jede neue Erfahrung hat ihre eigene Geschichte und kann überhaupt nur vor dem Hintergrund historisch gewachsener Erfahrungsdispositionen auftreten. Und auch die Geschichtsschreibung unterliegt dem Anspruch, ihre retrospektiven Konstruktionen mit den Erfahrungen der historischen Akteure abzugleichen und sie durch die fortgesetzte Prüfung ihres Empiriegehalts als Rekonstruktionen auszuweisen. Doch ist der Bezug von Erfahrung und Geschichte in den geschichtstheoretischen Debatten der letzten Jahre um den literarischen und erzähltheoretischen Ort der Geschichtswissenschaft unterbelichtet geblieben. Das vorherrschende narrativistische Paradigma hat in eine Repräsentationskrise geführt, wie sie besonders in den Diskussionen um den Status historischer Wirklichkeit greifbar wurde, indem die Referenz des historischen Textes auf die Wirklichkeit der Vergangenheit in seiner literarischen Konstruktivität aufgehoben wurde. An diese Ausgangslage anschließend versucht der Band, die Verkürzungen dieser Positionen durch konzise Untersuchungen zum charakteristischen Erfahrungsbezug derjenigen Darstellungen zu korrigieren, die den Anspruch erkennen lassen, Vergangenheit zu repräsentieren. Im interdisziplinären Gespräch zwischen Philosophie und Geschichts-, Literatur- und Kulturwissenschaften gehen die Beiträge der Frage nach, in welchem Verhältnis historische Erzählungen zu denjenigen Erfahrungen stehen, die ihre Grundlage bilden und ein genuines Erzählbedürfnis überhaupt erst anstossen. Was ist der „Inhalt“ oder „Gegenstand“ einer historischen Erfahrung? In welchen Medien und Praktiken wird sie konserviert und aktualisiert und wie modifiziert sie sich hierdurch? Wie ist es möglich, über die historische Narration hinaus auf die ihr zugrunde liegende Erfahrung zurückzuschließen? Dabei wird ein neuer Begriff historischer Erfahrung geschärft, der die pränarrativen Dimensionen historischer Sinnbildung erschließt und damit auch eine adäquatere Bestimmung des Verhältnisses von Geschichte und Erzählung sowie von Individual- und Kollektivgeschichte - mit ihren entsprechenden Gedächtnis- und Erinnerungsmodalitäten - ermöglicht.
Breyer / Creutz
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Zielgruppe
Academics, Libraries, Institutes / Wissenschaftler, Institute, Bibliotheken
Weitere Infos & Material
1;Inhaltsverzeichnis;6
2;Einleitung;10
3;„Narrative Referenz“;30
4;Experience, Experientiality, and Historical Narrative;49
5;Erleichterte Erkenntnis;82
6;Die wechselseitigen Erfahrungen von Erzähler und Zuhörer im Prozess des historischen Erzählens;102
7;Erfahrung und Geschichte;120
8;Die Erfahrung des bäuerlichen Jahreslaufs;141
9;Welt-Geschichte;158
10;Inkorporierung, Objektivierung, Akkumulation;176
11;In Verteidigung der Geschichtserfahrung;194
12;Sinnerfahrung;212
13;Die Geschichte geht in Spuren;226
14;Fireside storytelling beim Symposion;246
15;„Unmögliche Antike“;266
16;Telling the Unthinkable;286
17;Die Erzählbarkeit der Erfahrung am Beispiel von Veda Slovena;310
18;„Luftstrom aus alten Städten“;326
19;Historische Erfahrung;341
20;Personenregister;374
21;Über die Autoren;378
Thiemo Breyer und Daniel Creutz, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.