Brendel / Krüger / Meyer | Naivität und Ironie | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 139 Seiten

Reihe: Edition Petrarca

Brendel / Krüger / Meyer Naivität und Ironie

Essays und Gespräche
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-8353-8817-8
Verlag: Wallstein Erfolgstitel - Belletristik und Sachbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Essays und Gespräche

E-Book, Deutsch, 139 Seiten

Reihe: Edition Petrarca

ISBN: 978-3-8353-8817-8
Verlag: Wallstein Erfolgstitel - Belletristik und Sachbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Neue Essays Alfred Brendels – zu Musik, Literatur und über das Altern.

Alfred Brendel ist nicht nur einer der besten Pianisten unserer Zeit, sondern auch einer der anregendsten Essayisten, der sich nicht nur mit »Naivität und Ironie«, sondern auch mit großer Kenntnis und Empathie mit der Musik auseinandergesetzt hat. Wenn Goethe behauptet: »Wer Musik nicht liebt, verdient nicht, ein Mensch genannt zu werden; wer sie liebt, ist ein halber, wer sie aber treibt, ein ganzer Mensch«, dann spricht in diesen neuen Arbeiten der »ganze Mensch« Alfred Brendel. Ob er über Goethes »musikalische Bedürfnisse« oder über »Goethe und Beethoven, über Mozart oder den oft vernachlässigten Haydn schreibt, immer öffnet er uns die Augen für die besonderen Aspekte ihrer Musik. Über Haydn: »Neben der verwirrenden Vielfalt seines Schaffens ist es die weit verbreitete Humorlosigkeit, die ich als einen Hauptgrund dafür sehe, dass Haydn immer noch gerne unterschätzt wird.«
Neben den großen Essays stehen drei Gespräche, die nicht nur über sein Verhältnis zur Musik und zum Musikbetrieb, sondern auch zur Literatur, die er zeitlebens geliebt, und zum Alter, das nun auch diesen Menschen erreicht hat, Auskunft geben. Anlässlich eines Gesprächs über Busoni hat er ein kleines Selbstporträt gezeichnet: »Was mich an ihm sofort fesselte, war die Vielfalt seiner Persönlichkeit: Pianist, Komponist und Pädagoge, Schriftsteller und Büchernarr, Herausgeber und Bearbeiter, Liebhaber der bildenden Künste und der Architektur sowie des Theaters … das alles in einer Person. Kennen Sie einen anderen Musiker mit einem so weiten Horizont?«

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Naivität und Ironie
Goethes musikalische Bedürfnisse
Nach einer Aufführung von Haydns »Schöpfung« in Weimar schrieb Carl Friedrich Zelter unter Goethes Augen einen Aufsatz, in dem er Haydn die Merkmale des wahren Genies bescheinigt, nämlich Naivität und Ironie. Ich werde später auf diese Behauptung zurückkommen. Die Frage, ob Goethe selbst musikalisch war und wie viel Musik er brauchte, ist oft gestellt worden. Der Anteil der Musik an Goethes Leben wird gewöhnlich unterschätzt. Betrachten wir zunächst, was Goethe selbst über Musik gesagt und geschrieben hat. Ich zitiere:   – »Wer Musik nicht liebt, verdient nicht, ein Mensch genannt zu werden; wer sie liebt, ist ein halber, wer sie aber treibt, ein ganzer Mensch.« – »Wäre die Sprache nicht unstreitig das Höchste, das wir haben, so würde ich Musik noch höher als Sprache und ganz zuoberst setzen.« – »Musik steht so hoch, daß kein Verstand ihr beikommen kann, und es geht von ihr eine Wirkung aus, die alles beherrscht und von der niemand imstande ist, sich Rechenschaft zu geben.« So steht es im Eckermann. Mit anderen Worten: Goethe spricht der Musik dämonische Qualitäten zu. – Über Bach schreibt Goethe an Zelter: »… als wenn die ewige Harmonie sich mit sich selbst unterhielte, wie sich’s etwa in Gottes Busen, kurz vor der Weltschöpfung, möchte zugetragen haben – so bewegte sich’s auch in meinem Innern, und es war mir, als wenn ich weder Ohren, am wenigsten Augen und weiter keine übrigen Sinne besäße noch brauchte.« – In seinen Maximen und Reflexionen lesen wir: »Die Musik ist heilig und profan. Das Heilige ist ihrer Würde ganz gemäß, und hier hat sie die größte Wirkung aufs Leben, welche durch alle Zeiten und Epochen gleich bleibt. Die profane sollte durchaus heiter sein.« – Die Musik war für Goethe der Ort, »woher alle Dichtungen entspringen und wohin sie zurückkehren.« – Im Werther heißt es: »Wie mich der einfache Gesang angreift!«   Und hier noch ein paar Gedichtzeilen:   – Nur nicht lesen, immer singen. (An »Lida«) – Fühlst Du nicht an meinen Liedern, daß ich eins und doppelt bin? – Drum danket Gott, ihr Söhne der Zeit, daß er die Pole für ewig entzweit. (Gott, Gemüt, und Welt)   Wir sind hier in das Gebiet der Ironie geraten. Mit den Widersprüchen in Goethes Natur will ich mich später beschäftigen.   Trotz seiner enzyklopädischen Interessen, seiner riesigen Arbeitsleistung als Autor, seiner intensiven Beschäftigung mit den Naturwissenschaften, seiner Belesenheit im Griechischen und Lateinischen, seiner Kenntnis englischer, französischer und italienischer Schriftsteller, seiner Verantwortung für die Universität von Jena und seinen Staatspflichten ist Goethes Verbindung mit der Musik kaum jemals unterbrochen worden. Seine Beschwörung, man solle nie lesen, immer singen, ist fast wörtlich zu nehmen. Schon ein frühes Gedicht, das er kaum 17-jährig in englischer Sprache schrieb, enthält die Zeilen: I hum no supportable tune / I can no poet be. (Ich summe keine geeignete Melodie, also kann ich kein Dichter sein.) Viele seiner Gedichte waren schon in der Vorstellung mit Musik verbunden. Gedichte mussten so schnell wie möglich komponiert werden, manche waren schon von vornherein auf bereits existierende Melodien zugeschnitten. Einige von Goethes oder Schillers Gedichten wurden gleich mit beigefügten Musiknoten publiziert. Die wunderbaren Gedichte, die in Goethes »Wilhelm Meister« mysteriös auftauchen, erschienen im Erstdruck des Romans schon in Reichardts Vertonung. Goethe nannte zahlreiche seiner Gedichte »Lieder« – in allen seinen Ausgaben der gesammelten Werke standen sie am Anfang. Nach Goethes Wunsch mussten die Kompositionen einfach bleiben, durften den Text nicht stören und mussten die Anfangsmelodie, ob es nun drei Strophen waren oder zehn, beibehalten, ein Schema, das vom Volkslied herrührte. Das hört sich heutzutage mühsam an und konnte schon damals nur den Vorteil haben, dass die Melodie sich dem Gedächtnis einprägte. Ferdinand Hiller nannte es eine »idealisierte Bänkelsänger-Manier«. Abwechslung schaffen musste der deutlich deklamierende Sänger. Nicht der Komponist sollte charakterisieren, sondern der Interpret. Dieses Schema entsprach den Grundsätzen der Ersten und Zweiten Berliner Liederschule, denen Reichardt bzw. Zelter als ihre bemerkenswertesten Mitglieder angehörten. Die hier geforderte Einfachheit war die Reaktion auf barocke Kompliziertheit und auf die Virtuosität italienischer Koloraturarien. Das Ziel war, mit Hilfe weniger Noten den Hörer unprätentiös ans Herz zu greifen. Goethe liebte es, seinen Komponistenfreunden zu sagen, wie sie komponieren sollten, und zwar nicht nur seine Gedichte, sondern auch seine Opernlibretti. Mit der Oper hat Goethe sich nämlich die längste Zeit seines Lebens abgegeben. Aber es mussten leichte Opern sein, wie sie damals die Opera comique, Opera buffa und das Singspiel vor Augen führten. Goethe schätzte die Opera seria gar nicht und zog die Vergnügtheit Cimarosas bei weitem vor. Der Sänger Eduard Genast hat verzeichnet, dass Goethe mit seiner Bassstimme komische Texte unvergleichlich deklamierte, während sich im Tragischen manchmal falsches Pathos einschlich. Sein Freund Kayser bezeugte, dass in Goethes Libretti die Oper quasi schon vorauskomponiert war; die Anweisungen waren so detailliert, dass dem Komponisten wenig Bewegungsfreiheit übrig blieb. Eine ganze Reihe dieser Libretti wurde zu seinen Lebzeiten vertont und aufgeführt, und einige sogar in seine Gesammelten Werke aufgenommen. Unter den Komponisten waren Johann André, Philipp Christoph Kayser, Karl Siegmund von Seckendorff, die Sängerin und Schauspielerin Corona Schröter, die Herzogin Anna Amalia und Johann Friedrich Reichardt. Dreizehn verschiedene Versionen von »Claudine von Villa Bella« und sechzehn von »Jery und Bätely« sind bekannt. Noch im 20. Jahrhundert komponierte Othmar Schoeck »Erwin und Elmire« und der Schönberg-Schüler Egon Wellesz »Scherz, List und Rache«. Hofmannsthal studierte Goethes Operntexte und schrieb ein Vorwort für einen Sammelband. Keine der komponierten Fassungen machte allerdings einen bleibenden Eindruck, und der Triumph von Mozarts »Entführung« stellte alle anderen Versuche, ein deutsches Singspiel zu präsentieren, in den Schatten.   Goethe war geradezu besessen von Lied und Gesang. Im Lied musste die Musik unmittelbar dem Wort und der Wortmelodie entnommen werden und allen Verlockungen, das Gedicht zu illustrieren, aus dem Weg gehen. Wie sein Mentor Herder war er davon überzeugt, daß es die Musik sei, von der alle Dichtungen herkommen und wohin sie zurückkehren. Als Goethe in jungen Jahren auf Herders Wunsch elsässische Volkslieder und Balladen sammelte, sang er sie seiner Schwester Cornelia vor, die sie niederschrieb. »Des Knaben Wunderhorn«, die Sammlung von Volkspoesie Achim von Arnims und Clemens Brentanos, erschien 1806 mit einer Widmung an Goethe, der das Werk freundlichst aufnahm. In der orientalischen Dichtung, die Goethe später so entzückte, spielt neben dem Lieben, Trinken und Beten das Singen eine wichtige Rolle. Marianne von Willemer, deren Gedichte im »West-östlichen Divan« Goethe mit seinen eigenen vereinigte, erfreute ihn durch die Fähigkeit, ihre Lieder zur Gitarre zu singen. Musik steht auch im Zentrum von Goethes letztem Roman »Wilhelm Meisters Wanderjahre«. Für die Bewohner der pädagogischen Provinz ist Gesang der erste Schritt ihrer Erziehung, dem alles übrige nachfolgt und der alles weitere erreichbar macht. Wo in den Wanderjahren Menschen zusammenkommen, wird gesungen. Goethe selbst brauchte immer jemanden, der ihm vorsang. In Weimar waren es drei junge Frauen: Caroline Bardua, Dlle Brand und Ernestine Engels, die das besorgten. In späteren Jahren, als Goethe selten das Haus verließ, hielt er sich sein eigenes Collegium Musicum Vokale, das in Christianes Räumen seine Proben abhielt und mit einer einfachen Mahlzeit belohnt wurde. Manchmal griff er in die Proben ein und gab Ratschläge zu Tempo und Ausdruck....


Krüger, Michael
Michael Krüger, geb. 1943 in Sachsen-Anhalt, war viele Jahre Verleger und Zeitschriftenherausgeber in München, wo er jetzt als freier Autor lebt. Er war einer der Mitbegründer des Petrarca-Preises.

Meyer, Martin
Martin Meyer, 1951 in Zürich geboren, hat neben vielen Büchern zur Philosophie und Geistesgeschichte einen vielbeachteten Gesprächsband mit Alfred Brendel veröffentlicht und ist »ein ganzer Mensch«.

Brendel, Alfred
Alfred Brendel, 1931 in Wiesenberg geboren,wird am 5. Januar 2025 vierund- neunzig Jahre alt. Er lebt in London, »eng mit der Musik verbunden, indem ich über sie spreche, darüber schreibe, jungen Pianisten zuhöre und neue Musik höre, wie ich es immer getan habe.«



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