E-Book, Deutsch, 120 Seiten
Reihe: edition unerzogen
Brena Lernbegleitung als Kultur
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-937797-44-1
Verlag: tologo Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
In Beziehungen wachsen
E-Book, Deutsch, 120 Seiten
Reihe: edition unerzogen
ISBN: 978-3-937797-44-1
Verlag: tologo Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Texte für Menschen, die Kinder und Jugendliche beim Lernen begleiten. Im Fokus der Autorin liegt die Beziehung, die Begleitende und Heranwachsende eingehen. Vertrauen und empathische Präsenz prägen die Haltung, die in einer nicht belehrenden Lernbegleitung gelebt wird.
Die Praxis dieser Haltung wird an so unterschiedlichen Themen wie Lernen und Lernen lassen, Kontakt zwischen Lehrern und Eltern, Verzicht auf Strafen oder Beenden von Mobbing dargestellt.
Ein Buch für Eltern und für Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher, Groß-, Pflege- und Tageseltern, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen.
In der edition unerzogen erscheinen Bücher mit beliebten Artikeln aus dem unerzogen Magazin. Sie stellen entweder eine Reihe eines Autors oder verschiedene Artikel zu einem Thema in den Vordergrund. Jedes Buch enthält weitere, unveröffentlichte Texte.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Vorwort
Worum es geht
Lernen – oder für Tests pauken?
Vorbild sein: eine nicht zu unterschätzende "Schule"
Kinder lernen lassen
Freie Schule – freie Erwachsene?!
Im Gespräch mit Kay Garcia
Nie wieder Strafen!
Wir können auch anders
Loslassen oder Laisser-faire?
Empathische Präsenz und Wertschätzung
Empathisch zuhören
Im Dreieck Eltern – Kind – Lehrer
Ordnung versus Chaos
Literatur
Worum es geht
Ein Bewusstsein darüber, wie bedeutsam die gelebte Beziehungskultur in familiären wie beruflichen, privaten wie öffentlichen, internationalen und interkulturellen Beziehungen ist, wächst allmählich. Respekt und Wertschätzung für individuelle wie für kulturell geprägte Vielfalt, echte Neugier oder Wohlwollen gegenüber »anderen« sind Pflänzchen, die es behutsam und stetig zu pflegen gilt. Dies wird durch die Globalisierung samt der durch deren ökonomische Wucht ausgelösten Fluchtbewegungen besonders deutlich. Kontakt zwischen Menschen unterschiedlichster Herkunft, Tradition, Sprache und Kultur wird dadurch nicht nur in international agierenden Unternehmen, sondern auch im Stadtteil und auf dem Dorf Alltag. Es geht jedoch genauso um »uns«: Wo Inklusion wachsen soll, da muss »Erziehung« als Anpassung auf Kosten von Individualität und Integrität weichen. Und Mitläufertum und Verantwortung leugnender Gehorsam dürfen auf den Komposthaufen der Geschichte wandern. Lernbegleitung als Kultur zu entwickeln bedeutet, wesentlich zu dieser gesamtgesellschaftlichen (Bewusstseins-)Entwicklung beizutragen. Lernbegleitung meint hier eine Kunst, Beziehungen zu gestalten, in denen es sich gut lernen lässt, weil sie frei von, auch subtilem, Zwang, von Manipulation, Einschüchterung und Demütigungen sind, weil das zu Lernende von den Lernenden selbst gewählt wird, weil Wege und Orte, Methoden und Materialien sowie zeitliche Ordnung, Tempo und Dauer der verschiedenen Lernprozesse frei wählbar sind. Beziehungen, die dem Umstand gerecht werden, dass die eigentlichen Lernprozesse nicht das sind, was wir beobachten können, sondern innerlich geschehen, nur sehr begrenzt steuerbar sind, da sie nicht linear stattfinden (wie es zum Beispiel Sprachlernbücher noch immer vorgaukeln), ineinandergreifen – bei den einzelnen Beteiligten und zwischen ihnen (was zum Beispiel gegen einen immer früher eingeführten »Fach-Unterricht« spricht) und daher stets unvorhersehbar bleiben. Warum steht die Beziehung im Mittelpunkt? Eine kurze Antwort: Es wird höchste Zeit. Die Beziehung zwischen Lernenden und ihren Begleitenden hatte schon immer eine sehr große Bedeutung. Doch das wurde entweder nicht erkannt oder als nebensächlich angesehen. Wir alle haben uns in dem, was und wie wir lernten, an unseren nächsten Bezugspersonen orientiert: in der Familie, in den verschiedenen Gruppen, denen wir angehörten, und in den Einrichtungen, in die wir mehr oder weniger freiwillig gingen. Ob Krippe, Kita und Schule oder Sportverein, Kirche, Musikschule: Wir lernten ständig in Beziehungen, und ein Teil unserer Aufmerksamkeit war immer und überall auf unseren Anteil an der Gestaltung dieser Beziehungen gerichtet. Sei es aus Liebe oder Bewunderung für »die Großen«, sei es aus empathischem Erahnen heraus, was von uns erwartet oder gewünscht wurde, um »die Großen« zufrieden zu stellen, sei es aus purem Gehorsam, in der Hoffnung, uns in der Folge selbst sicher fühlen und uns unser Bedürfnis nach Zugehörigkeit dauerhaft stillen zu können. In den Beziehungen, um die es hier geht, haben die begleitenden Erwachsenen typischerweise einen großen Vorsprung an Wissen, Kraft, Können, Ressourcen und Machtmitteln gegenüber den Lernenden, die sie begleiten. Das beeinflusst diese Beziehungen wesentlich und durchdringend. Und es begründet sowohl die Verantwortung als auch die Legitimation der Begleitenden. Die Verantwortung, weil Verantwortung innerhalb menschlicher Systeme mit dem Maß an Wissen, Kraft, Können, Ressourcen und Machtmitteln zunimmt. Wer weiß, dass der Saft des Schöllkrauts, nimmt man ihn ein, zu Vergiftung führen kann, wird jemanden, der es gerade einnehmen will, warnen oder gar direkt davon abhalten: Er nimmt seine Verantwortung aufgrund größeren Wissens wahr. Die Legitimation, weil Lernen, Entwicklung und Wachstum innerhalb von Umgebungen stattfinden, die von Menschen gemacht, ausgewählt und gestaltet sind, und weil Kinder in diese Umgebungen hinein geboren werden. Diese Legitimation ist nicht zu verwechseln mit dem noch im 20. Jahrhundert weit verbreiteten Erziehungs-Prinzip: »So lange du deine Füße unter meinen Tisch stellst, tust du, was ich sage!« Die Legitimation könnte hingegen etwa so klingen: »Du bist in diese Familie/Gemeinschaft geboren, und wir bestimmen deshalb einen wesentlichen Teil der Bedingungen, unter denen du aufwächst. Uns ist klar, dass wir damit dein Leben beeinflussen und uns ist klar, dass dieser Einfluss nach und nach über die Jahre abnimmt, da du ja selbst wächst, lernst und dich entwickelst und selbst die Umgebung und unsere Beziehungen beeinflusst und mehr und mehr Verantwortung trägst.« Lernbegleitung als soziale Kunst Die Verantwortung für die Qualität der Beziehung zwischen begleitenden Erwachsenen und heranwachsenden Lernenden liegt bei den Erwachsenen. Hierin stimme ich Jesper Juul zu, der dies meines Wissens als erster formuliert hat. Und das gilt auch dann, wenn die Erwachsenen im »Fach« Beziehungen selbst nicht besonders »gut« sind. Wenn sie zum Beispiel gern andere dafür verantwortlich machen, dass ihnen gerade etwas misslungen ist, oder wenn sie versuchen, Konflikten durch Bagatellisieren, Nachgeben oder Heimlichtuerei aus dem Weg zu gehen. Oder wenn sie sich noch nie Gedanken über den Zusammenhang zwischen ihrem Umgang mit ihren eigenen erfüllten oder unerfüllten Bedürfnissen einerseits und den Stimmungen oder dem Verhalten ihrer Kinder, Schüler oder Kita-Schützlinge andererseits gemacht haben. Lernbegleitung als soziale Kunst zu begreifen bedeutet also, sich als Begleitende um die Beziehung zu den Lernenden zu kümmern. Themen, Situationen und Rollen der Lernbegleitung werden hier nicht in den Blick genommen – es sei denn exemplarisch, um zu verdeutlichen, worum es geht. Im Fokus der Texte liegen weder Wissensvermittlung an Kinder und Jugendliche noch Zielerreichung, weder pädagogische oder erzieherische »Methoden« noch Ergebnisse. Das betone ich hier, weil unter dem Begriff »Lernbegleitung« durchaus unterschiedlichste Ansätze pädagogischer Arbeit gemeint sein können, insbesondere in Schulen mit besonderen Konzepten, »Freien« und »Alternativschulen«. Viele dieser Einrichtungen arbeiten tatsächlich anders als die meisten Schulen in öffentlicher Trägerschaft. Was sie jedoch im Einzelnen unter »Lernbegleitung« verstehen und praktizieren, ist meiner Beobachtung nach sehr unterschiedlich. Denn die Maßnahmen, die aus einer Schule eine »alternative« machen, sagen noch nichts darüber aus, wie an diesen Schulen die Beziehungen zwischen Begleitenden und Lernenden gelebt werden. Maßnahmen wie kleinere Klassen; »bessere« Ausstattung mit Mobiliar, Geräten und Anschauungsmaterial, Jahrgangs-Mischung usw.; alternative Unterrichtsformen wie Team-Teaching, Wochenplan, Wahl-Angebote, Offener Unterricht usw.; und auch gänzlicher Verzicht auf Unterrichtsangebote zugunsten konsequent selbst organisierten Lernens und freier Wahl von Bezugspersonen – das alles mag sich auf die Beziehungen auswirken. Wie es das aber tut, und ob dabei eine Beziehungsqualität entsteht, die ich als soziale Kunst bezeichnen würde, ist nicht dadurch zu beantworten, dass solche strukturellen Maßnahmen etabliert sind. Und auch die Schulkonzepte, in denen diese Beziehung thematisiert wird, können bestenfalls Absichtserklärungen darstellen. Womit ich nicht sage, dass die Lernbegleiter an diesen Einrichtungen diese Absichten nicht umsetzen wollen. Ich will darauf hinweisen, dass es eine Kunst ist, sich innerhalb des Konstrukts »Lernbegleiter oder Lernbegleiterin – Lernende (Schüler und Schülerinnen, Kinder)« nicht belehrend (im Sinne von ungefragtem Vortragen, Erklären, Abfragen), nicht »erziehend« (im Sinne von jemanden in Richtung eines pädagogischen Ziels ziehen) zu bewegen. Eine Kunst, für die die wenigsten Eltern und in der Pädagogik Wirkenden Vorbilder oder Modelle erlebt haben, geschweige denn eine Ausbildung, ein Training oder auch nur gründliche und gründlich reflektierte Selbsterfahrung mitbringen. Die Absicht, sich in dieser Hinsicht anders in die Beziehung zu den »Lernenden« einzubringen, ist das eine; dies umzusetzen stellt jedoch eine große Herausforderung dar. Ein »Unterricht« für Eltern, Pädagogen und Pädagoginnen in »Wie geht Beziehung?« kann da zwar sinnvolle Anregungen und Orientierung geben. Letztlich geht es aber darum, sich auf einen Prozess einzulassen, der von jeder einzelnen Lernbegleiterin und jedem Lernbegleiter durchlebt und individuell bewusst gestaltet werden muss. Je nach eigenem Ausgangspunkt stoßen die Erwachsenen dabei auf ganz verschiedene Stolpersteine. Und von den jeweiligen Kollektiven muss diesen individuellen Lernprozessen ebenso wie dem Lernen des Systems (Familie oder Einrichtung) als Ganzem mit angemessenen Ressourcen an Zeit und Unterstützung Raum gewährt werden. Es geht um nichts weniger als um die Entwicklung einer Beziehungskultur. Und da stehen wir, auf die Gesellschaft geschaut sowieso, aber auch mit Blick auf die Praxis der »Alternativschulen«, noch ganz am Anfang. Lernbegleitung ist ein Lernprozess Lernbegleitung als soziale Kunst zu begreifen erfordert, sich bewusst mit eigenem Verhalten, eigenen Werten, Erwartungen und Denk-Konzepten zu befassen und diese zu benennen, zu entwickeln, zu verändern oder zu verlassen. Was nicht in Form eines Studiums in sechs Semestern oder eines Führerscheins zu verwirklichen ist. Es gibt kein Diplom, keinen Abschluss! Es gilt, sich selbst als lernend zu begreifen und sich...