E-Book, Deutsch, 228 Seiten
Breger Road Stops
5. Auflage 2016
ISBN: 978-3-7412-5780-3
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Stationen einer Lebensreise mit Burroughs, Gysin und vielen anderen
E-Book, Deutsch, 228 Seiten
ISBN: 978-3-7412-5780-3
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Im Zentrum von Udo Bregers »Road Stops« stehen seine Begegnungen mit William S. Burroughs und Brion Gysin. Es handelt sich dabei, wie Peter Weibel im Vorwort schreibt, um eine multipolare Erzählung. Die Texte sprechen für sich selbst, aber auch für die Fotografien. Sein Buch ist ein Fotoalbum im Zeitalter des Internet, eine persönliche Zeitung, ein Blog bevor es den Blog gab. Wer dieses Buch durchblättert und seine Texte liest und seine Bilder sieht, wird zum Passagier auf einer Reise On the Wild Side (Lou Reed), Breaking Through to the Other Side (Jim Morrison). Udo Bregers Leben ist eine Straße mehr steil als breit. Eine Reise durch Raum und Zeit, eine Reise durch ein experimentelles Feld, eine Reise durch erweiterte Medien und Bewußtseine, eine Reise durch Milieus und minds that matter. Diese bebilderte Lebensreise führt von Göttingen nach Basel (1977) und von dort aus im Gefolge von Burroughs und Gysin nach Amsterdam, Brüssel, Paris, New York, London und Lawrence (Kansas). Udo Breger berichtet über Begegnungen mit A. Ginsberg, H. Huncke, A. Waldman, G. Freund, R. Wilson, J. Giorno, P. Highsmith, C. Weissner, J. Beuys, K. Acker, I. Cohen, F. Zappa und vielen anderen mehr.
Udo Breger, *1941 in Göttingen, Autor, Übersetzer, Ausstellungsmacher, Fotograf. Studium der Anglistik & Romanistik. Von 1968-1975 Expanded Media Editions, Verlag für Konzeptkunst & Autoren der Beat Generation. Realisierte Projekte mit Ian Hamilton Finlay, Joseph Beuys, Wolf Wostell, Ben Vautier, Timm Ulrichs, Jörg Fauser, Allen Ginsberg, Brion Gysin, William S. Burroughs, Jürgen Ploog u.v.m. Lebt seit 1977 in seiner Wahlheimat Basel, mit zahlreichen Aufenthalten in den USA & regelmäßigen Abstechern nach London & Paris. Übersetzte u.a. Robert Shea, John Lilly, Alan Watts, Walt Whitman, Thorne Smith. Mitarbeit als Übersetzer an Robert Wilsons The Black Rider am Thalia-Theater, Hamburg. Veröffentlichte in Tages- und Wochenpresse, in Kunst-Katalogen und Literaturzeitschriften. Buchveröffentlichungen. Lesungen und Vorträge, diverse Fotoausstellungen. Im Team mit Peter Weibel und Axel Heil Kurator der Ausstellung The Name Is Burroughs im ZKM Karlsruhe (2012) und in der Sammlung Falckenberg Hamburg (2013).
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
ZWISCHENWORT OLIVER HARRIS
Und pfft – weg ist es
In Dead Roads schrieb Burroughs davon, dass die Unsterblichkeit des Schriftstellers wörtlich zu nehmen sei, denn »sobald nämlich jemand seine Worte liest, ist auch der Schriftsteller ›dabei‹«.1 Schon richtig, aber nicht die ganze Wahrheit. Wie Udo Bregers Fotografien zeigen, war Burroughs mehr als ein Schriftsteller, denn er lebt nicht allein im Echo seiner Worte fort, sondern in der Resonanz seines Bildes und wie es in Gedächtnis und Traum fortwirkt – so dass es sich bei dem Foto, das Burroughs’ Präsenz am deutlichsten evoziert, um ein Bild handelt, das in seiner Abwesenheit aufgenommen wurde und diese zum Gegenstand hat. Ich rede hier von einem profan wirkenden Schnappschuss vom März 1992, wo man mehrere Mäntel auf der Holztruhe im Flur des alten Holzhauses in der Learnard Avenue Nr. 1927 liegen sieht. Doch wir lassen uns nicht hinters Licht führen: Burroughs ist präsent, er wird evoziert durch eine Kombination, die mit der perversen Wörtlichkeit eines Freudschen Witzes funktioniert, und zwar im Nebeneinander des schwarzen (oder dunkelgrauen) Hutes und der rötlich-braunen Katze, die auf diesen Mänteln liegen. Wieso der Hut? Man zeige mir ein Foto von Burroughs ohne Hut, und ich halte sofort mit fünfzig dagegen, wo er einen aufhat. Man denke an die längst zur Ikone gewordenen Bilder – etwa das der Viererbande, aufgenommen 1945 in Morningside Heights: Hal Chase mit zerzaustem Haar, Kerouac mit seiner zwischen den Lippen hängenden Zigarette, der jugendliche, himmelwärts schauende Ginsberg und Burroughs im zweireihigen Chesterfield, mit schwarzen Lederhandschuhen und schwarzem Hut. Oder das Gruppenbild im Sommer 1961 vor der Villa Muniria: Orlovsky, Ginsberg, Ansen, Corso, Sommerville, Bowles – und Burroughs mit seinem Fedora. So aufschlussreich wie die berühmten Gruppenbilder, wo allein Burroughs Hut trägt, sind auch die Doppelporträts: Burroughs und Bowie Mitte der 1970er, der Sänger mit einem schicken, breitkrempigen Filzhut, den er schräg nach rechts gezogen hat, dazu trägt er ein T-Shirt, das den Oberdroogie Alex aus A Clockwork Orange mit Bowler zeigt – Bowie sieht toll aus, aber es wirkt auch reichlich bemüht. Der neben ihm stehende Burroughs hat so etwas nicht nötig. Oder das Triptychon von François Lagarde, wo sich der Kopf von Gysin in drei Schritten zu dem von Burroughs wandelt, der hutlose Gysin zu Burroughs mit Trilby wird. Oder die sehr schöne, weniger bekannte Aufnahme, die Ginsberg 1989 in Boulder von David Hockney und Burroughs gemacht hat: Beide sitzen sie an einem Tisch, auf dem ihre Hüte liegen – der Panama des Malers und der Fedora des Schriftstellers. Ein Hut mag Signum seines Trägers sein, aber wer an Hockney denkt, sieht ihn nicht unbedingt mit Hut vor sich. Burroughs erkennt man zwar auch ohne Hut, doch es scheint, als fehle etwas im Bild. Burroughs und Hut haben nicht zueinander gefunden, weil ihm ein Hut einfach stand (obschon dies zutraf). Ohne Hut mag er unvollständig gewirkt haben, doch er trug ihn, um damit – so, wie man an die Krempe seines Hutes tippt – eine bestimmte Ära zu würdigen, zu der er sich nostalgisch hingezogen fühlte, wenn auch nicht ohne Ironie. Neil Steinberg räumt in seinem unterhaltsamen Buch Hatless Jack: The President, the Fedora and the Death of the Hat mit dem Mythos auf, Kennedy habe den Hut aus dem öffentlichen Bewusstsein verbannt, und er verweist darauf, JFK sei einfach ein Mann seiner Zeit gewesen, der mit der aktuellen Mode Schritt hielt. Schon 1947 hatte eine landesweite Umfrage ergeben, dass 57% der amerikanischen Männer unter 45 es vorzogen, keinen Hut zu tragen, während 78% der über 45-jährigen einen trugen. Woraus Steinberg folgert: »Was einst als Zeichen des Erwachsenenseins galt, war zu einem Symbol des Alters geworden.« Der jugendlich wirkende Präsident legte diese Gewohnheit ab – eine entbehrliche Last auf dem Weg zur New Frontier. Dennoch war JFK nur drei Jahre jünger als WSB. Burroughs sah sich als cosmonaut of inner space, aber sein Hut evozierte die Ära der G-men und Gangster, Jazzmusiker und Junkies von einst, ebenso den Dresscode von Bankern und Bestattern – eine Referenz an die kriminelle Unterwelt und zugleich an die konservativen Metiers, ans Gesetz der Straße wie an die formellen Umgangsformen. Als Schlüsselelement dessen, was Burroughs sein »banker’s drag« nannte, stand der Hut für eine kalkulierte Ambiguität und zugleich für eine bestimmte Ära. In den späten Fünfzigern hat Alan Ansen die Bedeutung dieser Requisiten für El Hombre Invisible erkannt, sah »seine Persona eher durch eine magische Triade aus Fedora, Brille und Regenmantel definiert als durch ein Gesicht«, eine Feststellung, die an Burroughs’ Selbsteinschätzung in den frühen Schriften anknüpft. In Homo ist es ja gerade die Anonymität von William Lees Apartment, seine Konturlosigkeit, welche die Markenzeichen seiner Identität in den Vordergrund rückt: »… die ganze Wohnung [war] geprägt von Lees Anwesenheit. Einer Jacke über einer Stuhllehne oder einem Hut auf dem Tisch sah man sofort an, dass sie Lee gehörten.«2 In diesem Moment der Selbstmythologisierung fungiert der von der Person isolierte Hut als Zeichen ihrer Anwesenheit. In Junkie ist der Hut in ähnlicher Weise aufgeladen mit einer paradoxen Abwesenheitspräsenz. Während Lee in Mexico City auf seinen Schuss wartet, erzählt ihm sein Dealer Old Ike die Geschichte eines als El Sombrero bekannten Mannes, der »seinen Kies damit anschafft, dass er den Leuten den Hut vom Kopf reißt und die Fliege macht. Sägt sich an ’ne Straßenbahn ran, die grade abfährt, langt rein, schnappt sich ’n Hut und pfft – weg isser«.3 Und an einer wahrhaft gespenstischen Stelle des Romans berichtet Burroughs von dem »Brandzeichen«, das Junk bei den Usern hinterlässt, als seien sie »auf eine merkwürdige, nicht näher definierte Weise uniformiert«, was zunächst keinen Sinn zu ergeben scheint. Er schreibt: »Junkies sieht man immer nur mit Hut – vorausgesetzt, sie haben einen.«4 Der bewusst banale Nachsatz macht aus dem Hut ein metaphysisches Rätsel (wie kann jemand einen Hut tragen, wenn er keinen besitzt?) und verleiht ihm eine Aura, die dem nicht näher definierten »Brandzeichen« entspricht. Gerade weil der Hut von Anfang an eine solche Konstante in Burroughs’ Leben und ein ikonisches Feature seiner Identität darstellt, hat seine alleinige Anwesenheit auf einem Foto stets etwas Evozierendes. Doch ist der Hut auf Udos Bild nicht allein, und weil er neben Burroughs’ Katze liegt, evoziert er durch die monosyllabische Assonanz – cat und hat – eine ähnliche gespenstische Stimmung wie jene Zeile in Junkie. Als Schnappschuss, dessen Bildinhalt kurioserweise wörtlich zu nehmen ist und sich obendrein reimt, kombiniert das Bild mithin zwei Alltagsobjekte – nämlich ein Haustier und ein Kleidungsaccessoire – mit der symbolischen Logik von Träumen. Es lässt uns an Freuds Fallgeschichte »Der Hut als Symbol des Mannes (des männlichen Genitals)« aus der Traumdeutung von 1911 denken, wo Freuds Analyse ebenfalls auf eine wörtliche Auslegung abzielt und der Ausdruck »unter die Haube kommen« ein Traumszenario umschreibt, wo die Patientin einen merkwürdigen Hut trägt. Freuds phallische Deutung des Hutsymbols, das er zum Maskulinum erklärt, verdeutlicht das Genus der braunen Katze: eine Pussy. In dieser Fotografie geht es um Burroughs’ sexuelle Identität, Hut und Katze verkörpern seine maskuline und seine feminine Seite – die Katze im Hut. Tatsächlich identifiziert Burroughs seine Katze Ginger in The Cat Inside als »old lady« von Ruski (seiner berühmten Russisch Blau) und ebenso mit einer weiblichen Figur aus seinem Leben, angesiedelt in der Heimatstadt seiner Jugendjahre: »Ginger spielt Pantopon Rose, die alte Puffmutter in einem Freudenhaus in der Westminster Street von St. Louis. Beim Hinausgehen schleuste sie mich jedesmal durch einen mit einem Vorhang abgetrennten Alkoven, um zu verhindern, dass mir Freunde meines Vaters beim Hineingehen begegneten.«5 Die rötlich-braune Katze ist nicht nur feminin, sondern steht auch für Burroughs‘ Erfahrung als Hetero. Natürlich bezeichnet man ein Freudenhaus im Amerikanischen auch als cathouse, aber das Wortspiel schenkt er sich. Bei der Rolle, die Burroughs seiner Ginger ein halbes Jahrhundert später zuteilen sollte, ist nichts der Willkür überlassen. Auf diese Art und Weise funktionieren Worte und verbreiten sich Namen, und so kommt es, dass eine Katze – die ebenfalls Ginger heißt – sich gerade auf meinem Schoß zusammenrollt, während ich dies schreibe. Bekanntlich enthüllte The Cat Inside eine neue Seite an Burroughs – liebevoll, zärtlich, emotional. Wenn man genauer hinschaut, war diese spirituelle...