Brauner / Gronemeier | Münter & Kandinsky | E-Book | www2.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 336 Seiten

Brauner / Gronemeier Münter & Kandinsky

Von der Macht der Farben und einer fatalen Liebe
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-641-32141-3
Verlag: Penguin
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Von der Macht der Farben und einer fatalen Liebe

E-Book, Deutsch, 336 Seiten

ISBN: 978-3-641-32141-3
Verlag: Penguin
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



»Wie du mich glücklich machen kannst. Und wie du mich quälen kannst.« Wassily Kandinsky in einem Brief an Gabriele Münter
Das Buch zum großen Kinoereignis im Oktober 2024 über die leidenschaftliche und zugleich fatale Beziehung des Künstlerpaares


Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lebt und malt die gebürtige Berlinerin Gabriele Münter gemeinsam mit ihrer großen Liebe, dem Russen Wassily Kandinsky, im bayerischen Murnau am Staffelsee. Die Provinz wird zum Ausgangspunkt eines künstlerischen Aufbruchs in die Moderne, der Malerei und Kunstverständnis revolutioniert und die Künstlerbewegung Der Blaue Reiter hervorbringt.

Atmosphärisch dicht zeichnen Alice Brauner und Heike Gronemeier die Lebens- und Liebesgeschichte von Münter und Kandinsky nach: Die junge Malschülerin, die sich in den elf Jahre älteren Lehrer verliebt. Ihr gemeinsames Leben auf Reisen und im Blauen Land, das zu der Inspirationsquelle ihrer Malerei wird und sie – gemeinsam mit Werefkin, Jawlensky, Marc und Macke – zu Pionieren ihrer Zeit macht. Ihre künstlerisch produktive, aber privat eher fatale Verbindung, die Münter zeitweise in Depression und Schaffenskrise stürzt, ehe sie sich aus dem Schatten ihres Mentors und Geliebten zu befreien vermag.

Dabei gelingt es den Autorinnen nicht nur, die Leser*innen am Rausch der 1914 jäh endenden Aufbruchstimmung teilhaben zu lassen, sondern auch die Beziehung der beiden Künstler in ein neues Licht zu setzen: Der eine konnte nur das werden, was er war, durch den anderen. Denn so wenig, wie sich Leben und Kunst Gabriele Münters ohne Wassily Kandinsky darstellen lassen, so wenig ist seine Geschichte und auch die der neuen Künstlerbewegungen ohne sie denkbar. Mit zahlreichen SW-Fotografien und einem Farbbildteil.
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Vorwort


»Du verdienst totgeschlagen zu werden. (…) Warum räche ich mich nicht an Dir?« Große Wut und tiefer Schmerz sprechen aus diesen Worten. Sie stammen aus einem Brief, den Gabriele Münter im Juni 1903 an Wassily Kandinsky schrieb. Da kannten sich die beiden gerade einmal ein Jahr. Beim darauffolgenden Malkurs in Kallmünz werden sie endgültig zueinanderfinden – die durchaus selbstbewusste junge Künstlerin und der russische Maler, beide noch nach einem eigenen künstlerischen Ausdruck suchend, beide noch nicht auf dem Höhepunkt ihres Schaffens. Und doch stehen diese verstörenden Worte nicht nur für den schwierigen Beginn dieser dramatischen Liebe, sondern sinnbildlich für die zwölf Jahre andauernde Beziehung: eine Zeit des wechselseitigen künstlerischen Befruchtens und gleichzeitig eine des schleichenden gegenseitigen Vergiftens.

Nur zögerlich lässt sich Münter auf Kandinsky ein, diesen attraktiven Mann, der deutlich älter ist als sie und von seinem Wesen her ganz anders. Ein wankelmütiger, zögerlicher Mensch, dessen emotionale Ausschläge zwischen glühender Leidenschaft und pathetischem Rückzug in die Einsamkeit ihr alles abverlangen. Vor allem aber ist er ein verheirateter Mann, gequält von Schuldgefühlen gegenüber seiner Frau, geplagt von Verlustängsten und gleichzeitig beseelt von der Vorstellung, mit Münter zu leben und zu arbeiten.

Doch die gegenseitige Enttäuschung auf der Beziehungsebene wird in den gemeinsamen Jahren Monat um Monat wachsen. Weil Kandinsky die Scheidung hinauszögert und damit das Münter gegebene Eheversprechen. Er fühlt sich von ihr bedrängt und eingeengt, während sein ausweichendes Verhalten bei ihr zunehmend Verbitterung und Verzweiflung nährt.

Dieses Buch versucht das komplexe Geflecht, das dieses Liebesverhältnis geprägt hat, zu entwirren. Ziel ist eine zeitgemäße Lesart ohne retrospektive Projektionen, doch eingebettet in eine profunde Darstellung der gemeinsamen Geschichte im Kontext der damaligen gesellschaftlichen Verhältnisse.

Johannes Eichner, Kunsthistoriker und seit 1927 Münters Lebensgefährte, beschrieb das Paar in den 1950er Jahren als den »Zusammenschluss zwischen dem Naiven und dem Spirituellen«. Münters »unversehrte Zuversicht des Herzens« stellte er der »komplizierten Geistigkeit Kandinskys« gegenüber, ihre »unreflektierte Sicherheit der Kreatur« seiner »intellektuellen Grübelsucht«. In der Heiterkeit eines schüchternen Gemütes halte Münter die »Anmaßung des Denkens« von sich fern und sei außerstande, »Erklärungen, Begründungen, Wertungen« für ihre eigene Arbeit zu geben. Ihre Kunst sei ihrer »Einsicht und Absicht entzogen«. Gelassenheit sei ihr Grundzug, sie sei »echt und ursprungsfrisch«, »kindhaft-fröhlich«, kritikfern und spontan im Gegensatz zu Kandinskys »verquält köpflicher Einstellung«.[1] Aus dieser charakteranalytischen und kunsttheoretischen Schwarz-Weiß-Malerei, die keinem der beiden gerecht wird, sprechen der Geist der damaligen Zeit und typische Rollenzuschreibungen.

Gisela Kleine hat sich in ihrem Standardwerk . tief in die Beziehung der beiden hineingearbeitet, doch das Werk ist inzwischen 34 Jahre alt. Seitdem wurden einzelne Aspekte der Verbindung von Münter und Kandinsky beleuchtet, es entstanden kunsthistorische Sachbücher mit kleinen biografischen Einsprengseln, deren Fokus auf der Malerei und dem künstlerischen Aufbruch in die Moderne liegt; oder aber romanhafte Erzählungen, die diese vielschichtige intensive Verbindung trivialisieren und eine klare Rollenverteilung zwischen »gut« und »böse« vornehmen. Oftmals wird Münter dabei als »Opfer«, Kandinsky als »Täter« stilisiert, der sie durch sein Verhalten in eine Depression und Schaffenskrise stürzte. Hier die verkannte Münter, dort der verteufelte Kandinsky. Aber so einfach ist es nicht.

Wir haben intensiv über die Blaue Reiterin Gabriele Münter und ihr persönliches und künstlerisches Umfeld recherchiert und uns mit wachsender Neugier in ihr Leben und Werk vertieft. Dieses Buch fasst die Ergebnisse dieser Annäherung zusammen. Es ist der Versuch eines emotionalen, intimen Einblicks in ein faszinierendes und bisweilen tragisches Künstlerleben, das sich vielschichtiger zeigt als bislang angenommen. Von Anfang an konnten wir uns sehr stark mit Gabriele Münter identifizieren, weil viele Frauen zu allen Zeiten Ähnliches erlebt haben und heute noch erleben: das Dasein im Schatten eines berühmten, erfolgreichen, emotional fordernden Mannes. Das Sich-erniedrigt-und-wertlos-Fühlen.

Die Beziehung zwischen Münter und Kandinsky war in der Tat dysfunktional – das bestätigen sowohl die Briefwechsel aus dem Umfeld der beiden, als auch die vielen Selbstzeugnisse: Von Wassily Kandinsky sind rund siebenhundert Briefe, darunter vielfach mehrseitige, sowie Postkarten im Nachlass erhalten, von Gabriele Münter nur etwa zweihundert, dazu Notizen und Tagebucheinträge. Sie zeichnen den langen Weg nach vom erst zarten, dann drängenden Werben Kandinskys hin zu einer Bindung, in der beide künstlerisch Fesseln sprengen, sich aber der Wunsch aus den Anfangszeiten, es möge immer heiterer Himmel über ihnen sein, als Illusion erweist.

Münter war eine sperrige Person, die zuweilen Schwierigkeiten im sozialen Umgang hatte. Kandinsky ein janusköpfiger Russe mit starken Gefühlsschwankungen. Waren sie getrennt, vermisste er sie unendlich, schrieb ihr seitenlange Briefe, die vor Liebesbekundungen nur so trieften. Waren sie beieinander, gab es immer wieder Schwierigkeiten bis hin zu erbitterten Streitereien. Es war eine Liebe, die keine Erfüllung duldete, weil sie sich nie die Wirklichkeit zum Maßstab ihrer Vollendung machte. Kandinsky, seinerseits verliebt in die Idee von Liebe, konnte in jeder verwirklichten Liebe nur ein Schattenbild seiner schillernden Vorstellung derselben sehen. Münter, ihrerseits verliebt in einen zum Phantasma idealisierten Kandinsky, eilte einer Fata Morgana nach, die blass aus der Ferne lockte, im Augenblick des Greifbarwerdens aber nur ernüchtern konnte. Einer Liebe, die zu keinem Zeitpunkt in Zusammenhang mit ihrer Verwirklichung steht, ist die Enttäuschung als Signatur eingeschrieben. Von dieser Signatur, die sich aus den Namen Münter und Kandinsky zusammensetzt, erzählt das Buch.

Eine Betrachtung von Kandinsky vor dem Hintergrund von Münters Biografie kann ihre Leistung als Künstlerin keinesfalls schmälern. Im Gegenteil: Frauen in der Kunst werden bis heute oftmals unterschätzt. Das ist nichts wirklich Neues. Neu allerdings ist die Anerkennung, die Gabriele Münter in jüngster Zeit erfährt – ihre Bilder erzielen mittlerweile zum Teil siebenstellige Summen auf internationalen Auktionen. Gabriele Münter in all ihren Facetten zu zeigen, heißt deshalb auch, die Beziehung zu Kandinsky nicht als Scheitern weiblicher Emanzipation, sondern als Ausdruck ihrer Unbeugsamkeit zu begreifen. Münter ist die Wertschätzung, die sie verdient hätte, lange nicht zuteilgeworden. Aber war das so, weil sie zu lange im Schatten des »großen« Wassily Kandinsky stand? Oder hat nicht gerade er ihre Wandlung vom impressionistischen Abmalen zu expressionistischen Höhenflügen gefördert? Münter selbst sagte später über ihren ehemaligen Lehrer und seine Rolle in ihrer künstlerischen Entwicklung: »Alle meine Bilder stellen Momente meines Lebens dar, flüchtige, visuelle Augenblicke, meist rasch und spontan hingeworfen. Aber Malen ist wie plötzlich in tiefes Wasser springen, und ich weiß vorher nie, ob ich werde schwimmen können. Was Kandinsky mich lehrte, war eben die Technik des Schwimmens, das heißt (…) mit genügend Selbstvertrauen zu malen, um solche Augenblicke des Lebens rasch und ungezwungen festzuhalten.«[2]

Gabriele Münter war im Kontext ihrer Zeit progressiv und emanzipiert. Auch dank des Erbes ihres Vaters, das ihr die Ausbildung an privaten Akademien wie Kandinskys Malschule Phalanx ermöglichte. Aber eben »emanzipiert« im damaligen Sinne. Wer die Bemühungen um die Eigenständigkeit einer Künstlerin wie Gabriele Münter zur Darstellung bringen will, sollte also nicht der Versuchung erliegen, sie durch die Linse zeitgenössischer Emanzipationsbewegungen zu betrachten. Heute mag es niemanden verwundern, wenn ein Kunstwerk von einer Frau signiert ist. Doch zu Zeiten des war schon der bloße Akt, aus Gründen der beruflichen Selbstverwirklichung als freie Künstlerin zum Pinsel zu greifen, ein emanzipatorischer. So kann Münters Malerei auch als Ausdruck des Triumphes weiblicher Selbstbestimmung über den männlichen Blick auf die Welt gewertet werden.

Dass Gabriele Münter unabhängig davon eine Ehe nach bürgerlichem Vorbild mit Kandinsky anstrebte, macht sie nicht minder selbstbestimmt. Vielmehr war das Ausdruck der gesellschaftlichen Strukturen der Belle Époque, denen sie trotz allen Aufbäumens unterworfen war. Ohnmächtig stand Gabriele Münter diesen Strukturen jedoch nicht gegenüber. Nicht im Mindesten! Statt sich mit der ihr aufgezwungenen Rolle abzufinden, statt sich in Passivität und Resignation angesichts patriarchaler Weltmuster zu flüchten, brachte sie ihr künstlerisches Können zur Entfaltung.

Die Erwartungen, die Vorbehalte und der Widerstand, gegen die Gabriele Münter ankämpfen musste, waren andere als heute. Doch das schmälert ihre Leistung für die selbstbestimmten Lebensperspektiven von Frauen nicht. Neben Paula Modersohn-Becker, Käthe Kollwitz, Marianne von Werefkin und anderen war Gabriele Münter eine jener Künstlerinnen, die den Keim legten, den heutige...


Gronemeier, Heike
Heike Gronemeier, geboren 1969, arbeitete nach einem literaturwissenschaftlichen Studium zehn Jahre als Lektorin bei renommierten Verlagshäusern in München und Berlin. 2008 machte sie sich mit der Verlagsagentur text & bild in München selbständig. Seitdem betreut sie als Lektorin Autor*innen wie Hillary Clinton, Yael Adler, Mai Thi Nguyen-Kim und Hamed Abdel Samad. Als Ghostwriterin und Co-Autorin verfasste sie zahlreiche Spiegel-Bestseller, unter anderem die Autobiografien von Natascha Kampusch, Carlos Benede, Monica Lierhaus und zusammen mit Alice Brauner die Lebensgeschichte ihrer Eltern, des legendären Filmproduzenten Artur Brauner und seiner Frau.

Brauner, Alice
Alice Brauner, geboren 1966, ist Journalistin, promovierte Historikerin und Filmproduzentin. 1999 promovierte sie am Zentrum für Antisemitismusforschung an der TU Berlin. Sie war Mitarbeiterin in Steven Spielbergs Stiftung Survivors of the Shoah Visual History Foundation, für die sie auch ihre Mutter interviewte. 2006 stieg sie in die CCC Filmkunst ihres Vaters, des legendären Filmproduzenten Artur Brauner, ein, die sie seit 2019 leitet. Sie produzierte u.a. »Wunderkinder« und »CRESCENDO #makemusicnotwar«. Ihr Buch »Also dann in Berlin... Artur und Maria Brauner. Eine Geschichte vom Überleben, von großem Kino und der Macht der Liebe« über ihre Eltern war ein SPIEGEL-Bestseller. Alice Brauner lebt mit ihrer Familie in Berlin und München.



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