Braddon | Aurora Floyd | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 336 Seiten

Reihe: Baker Street Bibliothek

Braddon Aurora Floyd

Ein viktorianischer Krimi
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-940855-83-1
Verlag: Dryas Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein viktorianischer Krimi

E-Book, Deutsch, 336 Seiten

Reihe: Baker Street Bibliothek

ISBN: 978-3-940855-83-1
Verlag: Dryas Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Aurora Floyd, Tochter aus bestem Haus, kehrt von einer Pariser Privatschule zurück nach Felden Woods, dem Landsitz ihres Vaters. Ihr Start ins gesellschaftliche Leben scheint perfekt, doch etwas muss in Paris geschehen sein, über das Aurora nicht reden will. Auch ihrem Verlobten gegenüber verweigert sie die Wahrheit, und so kommt es zum Bruch. Da wird die Leiche eines Mannes nahe Felden Woods entdeckt und Aurora des Mordes beschuldigt. Ihr Schweigen droht Aurora und der gesamten Familie zum Verhängnis zu werden.

Mary Elizabeth Braddon (1837-1915) gilt als erste viktorianische Bestsellerautorin. Kritiker wie Charles Dickens oder Thomas Hardy nannten ihre Werke 'brillant, geistreich und lebendig'. M. E. Braddon war eine starke Frau, sie ernährte früh ihre gesamte Familie, stand eine Scheidung durch, lebte in skandalös wilder Ehe und schrieb über 80 Romane. Darin thematisierte sie auch gesellschaftlich heikle Themen wie Bigamie, Ehebruch, Abtreibung u.a. Anja Marschall ist Krimiautorin und lebte lange Zeit in London. Als bekennende Anglophile mit Faible für das 19. Jahrhundert machte sie den vergessenen viktorianischen Krimiklassiker mit ihrer Übersetzung und Überarbeitung für das heutige Publikum endlich wieder zugänglich.
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KAPITEL 1

Ein reicher Bankier heiratet eine Schauspielerin

Blassrote Streifen schimmerten hier und da über den dunklen Wäldern von Kent. Des Herbstes Hand legte sich sacht auf das Laub, sparsam wie ein Künstler, der die hellen Farbtöne mit Bedacht in sein Bild einfügte. Die Pracht des Sonnenuntergangs überflutete an diesem Abend im August die friedvolle Landschaft und ließ sie erstrahlen. Die umliegenden Wälder und weiten Wiesen … die klaren Teiche … die dichten Hecken und sanften, kurvenreichen Wege … die Hügelkuppen, die sich in die violette Ferne hineinschmolzen … die Hütten der Tagelöhner, wie sie sich strahlend weiß vom herbstlichen Laub abhoben … die einsamen Gasthöfe am Straßenrand mit ihren braunen Strohdächern und den von Moos bewachsenen Kaminen … das vornehme Herrenhaus, versteckt hinter uralten Eichen mit seinem Säulentor, gekrönt von in Stein gehauenen Wappenschildern, geschmückt mit grünen Kränzen aus Efeublättern.

Auf der breiten Fassade des mächtigen Herrenhauses aus rotem Ziegelstein, das im Stil der frühen georgischen Epoche erbaut worden war, verweilte die sinkende Sonne lange genug, um für einen herrlichen Schimmer in den langen Reihen der schmalen Fenster zu sorgen, die allesamt vom Abendlicht entzündet schienen.

Ein braver Wanderer, der von der nahen Landstraße kam, um über die Weite des taufrischen Rasens und des ruhigen Sees zum Herrenhaus zu blicken, mochte anderes als das Zwielicht der Sonne darin erblicken. Vielleicht wären seine Gedanken voll Angst, könnte er doch fürchten, das brennende Haus von Master Floyd entdeckt zu haben!

Ja, das herrschaftliche Haus dort hinten gehörte Master Archibald Floyd, wie er vom braven Volk der Gegend genannt wurde. Er war einer der Floyds vom großen Bankhaus Floyd, Floyd & Floyd aus der Lombard Street in der Londoner City.

Die Leute in Kent wussten nicht viel von dem bekannten Bankhaus in der Stadt, denn Archibald, der Seniorpartner, hatte sich seit einiger Zeit aus dem aktiven Geschäft zurückgezogen, das nun vollständig von seinen beiden Neffen Andrew und Alexander Floyd betrieben wurde. Beide waren ruhige Männer mittleren Alters mit Familien und Landhäusern. Und beide verdankten ihr Vermögen dem reichen Onkel, der für sie vor dreißig Jahren, als sie selbst noch ungestüm und rothaarig gewesen waren, einen Platz in seinem Unternehmen gefunden hatte.

Seit der Gründung entwickelte sich das Bankhaus wunderbar. Erfolg über Erfolg wartete auf jede Unternehmung, die die angesehene Firma Floyd, Floyd & Floyd jemals in Angriff genommen hatte. Es ging seit einem Jahrhundert stetig aufwärts, denn immer, wenn ein Mitglied des Hauses aus dem alten Stammbaum herausfiel, trieb ein junger grüner Zweig aus, sodass es bisher nie nötig gewesen war, die dreifache Wiederholung des bekannten Namens auf den Messingschildern über den hohen Mahagonitüren zu ändern.

Auf dieses Messingschild wies Archibald Floyd hin, als er etwa dreißig Jahre vor besagtem Augustabend seine beiden Neffen zum ersten Mal über die Schwelle des ehrwürdigen Geschäftshauses treten ließ.

»Seht her, Jungs«, sprach er. »Schaut euch die drei Namen dort oben an. Euer Onkel George ist über fünfzig und Junggeselle – das ist der erste Name. Unser Cousin ersten Grades, Steven Floyd aus Kalkutta, wird seine Geschäftsanteile früher oder später verkaufen – das ist der zweite Name. Der dritte Name ist meiner, und ich bin siebenunddreißig Jahre alt. Ein Mann, der nicht daran denkt, einen Narren aus sich zu machen, indem er heiratet. Kinder bleiben mir also erspart. Darum werden eure Namen früher oder später die dann entstandenen Lücken füllen. Bis dahin aber soll der Name Floyd leuchten. Wehe euch, wenn auch nur ein Fleck auf diesen Namen fällt!«

Vielleicht nahmen sich die jungen Männer diese Lektion damals zu Herzen, vielleicht war aber auch Ehrlichkeit eine natürliche und angeborene Tugend im Hause Floyd. Wie dem auch sei, weder Alexander noch Andrew entehrten jemals ihre Vorfahren. Und als sich der ostindische Kaufmann aus dem Geschäft zurückzog und auch Onkel George der Geschäfte überdrüssig wurde und den üblichen Beschäftigungen eines alleinstehenden Mannes nachzugehen trachtete, traten die beiden jungen Männer in die Schuhe ihrer Verwandten und nahmen das Geschäft auf ihre breiten Schultern.

An einem einzigen Punkt aber hatte Archibald Martin Floyd seine Neffen irregeführt, und dieser Punkt betraf ihn selbst.

Zehn Jahre nach seiner Ansprache an die jungen Männer machte sich der Bankier nicht nur durch eine Heirat lächerlich, sondern sank noch weiter hinab von den stolzen Worten, die er einst gesprochen hatte, indem er sich verzweifelt in eine schöne, jedoch mittellose Frau verliebte, die er nach einer Geschäftsreise durch die Fertigungsbezirke eines Kunden mit nach Hause brachte. Während einer unangebracht kleinen Zeremonie stellte er diese Frau seinen Verwandten und den Familien der Grafschaft vor.

Die Angelegenheit kam so plötzlich! Kaum hatten die Leute einen bestimmten Abschnitt in der linken Kolumne der Times gelesen, aus der sie von der Vermählung Archibald Floyds, Bankier in der Lombard Street, mit Eliza, der einzig überlebenden Tochter von Kapitän Prodder, erfuhren, jagte auch schon der Reisewagen des Bräutigams an den Toren des Pförtnerhauses vorbei, hinauf zum Herrenhaus.

Die frisch angetraute Gattin des Bankiers war eine kaum dreißigjährige, hochgewachsene Frau mit dunklem Teint und großen schwarzen Augen, die ihr Gesicht erstrahlen ließen.

Erinnern wir uns an eines jener Gesichter, dessenalleinige Schönheit im glanzvollen Licht eines prachtvollen Augenpaares liegt.

Erinnern wir uns daran, wie weit diese Augen in ihrer Faszination alle anderen übertreffen. Dieselbe Schönheit, die auf einer wohlgeformten Nase, rosa, schmollenden Lippen, einer symmetrischen Stirn und einem zarten Teint beruht, würde jedoch nur eine Frau von gewöhnlicher Schönheit ergeben. Erst im wunderbaren Glanz der Augen konzentriert, wird aus üblicher Schönheit Göttlichkeit, die einer Circe würdig ist! Ersterem Liebreiz kannst du an jedem Tag begegnen, zweiterem aber nur ein Mal im Leben!

Mister Floyd stellte seine Frau den angesehenen Familien der Gegend auf einer Dinnerparty vor, die er kurz nach der Ankunft der Dame in Felden Woods gab, wie sein Landsitz genannt wurde. In der Einladung, die sehr eilig verschickt worden war, ließ er nicht viel über seine Wahl verlauten, obwohl seine Nachbarn und Verwandten allesamt gern erfahren hätten, wie diese unvorhergesehene Ehe zustande gekommen war. Natürlich heizte gerade diese Zurückhaltung Archibald Floyds die tausend Zungen des Gerüchts an. Rund um Beckenham und West Wickham nahe Felden Woods gab es kaum eine verdorbene und niedere Station des Lebens, der Mrs Floyd nicht angeblich entsprungen sein sollte. Sie wäre ein Fabrikmädchen, und der dumme alte Bankier hätte sie in den Straßen von Manchester gesehen. Mit einem farbigen Tuch um den Kopf, einer Korallenkette um den Hals und schuh- und strumpflosen Füßen sei sie im Schlamm umhergestolpert. Er hätte sie gesehen und sich sofort in sie verliebt, ja, ihr sogar angeboten, sie auf der Stelle zu heiraten.

Sie sei eine Schauspielerin, hieß es von anderer Seite, und er habe sie auf der Bühne eines heruntergekommenen Theaters entdeckt. Nein, schlimmer noch! Sie sei eines dieser armen Geschöpfe, die, mit dreckigem weißem Musselin, rotem Baumwollsamt und Pailletten geschmückt, in einem Zelt mit jämmerlichen wandernden Vagabunden und einem gelehrigen Schwein umherzogen. Manchmal sagten die Leute, sie sei eine Reiterin und es wäre bei Astley’s und nicht in den Arbeitervierteln gewesen, wo der Bankier sie zum ersten Mal gesehen hätte. Nein, einige waren bereit zu schwören, dass sie selbst die Braut durch vergoldete Reifen hatten springen und die Cachucha auf einem Pferd hatten tanzen sehen, mitten in einer mit Sägemehl ausgestreuten Arena. Es gab flüsternde Gerüchte, die noch weiter gingen. Gerüchte, die ich hier nicht niederzuschreiben wage, denn die geschäftigen Zungen, die so unbarmherzig mit dem Namen und dem Ruhm von Eliza Floyd umgingen, wurden ihrer eigenen Bosheit nicht müde.

Es könnte sein, dass einige der Damen persönliche Gründe für ihren Widerwillen gegen die Braut hatten. All die schwindenden Schönheiten in ihren feinen Villen mochten auf das Einkommen des Bankiers und die damit verbundenen Vorteile einer Vereinigung mit dem Besitzer von Felden Woods spekuliert haben.

»Eine gewagte, verruchte Kreatur, die nicht einmal mit Schönheit zu empfehlen ist«, tuschelten die Damen der Grafschaft und ignorierten beflissentlich Elizas wunderschöne Augen. Man war sehr kritisch ob ihrer niedrigen Stirn, der angeblich zweifelhaften Nase und dem ziemlich weiten Mund. Sie sei eine...


Mary Elizabeth Braddon (1837–1915) gilt als erste viktorianische Bestsellerautorin. Kritiker wie Charles Dickens oder Thomas Hardy nannten ihre Werke "brillant, geistreich und lebendig". M. E. Braddon war eine starke Frau, sie ernährte früh ihre gesamte Familie, stand eine Scheidung durch, lebte in skandalös wilder Ehe und schrieb über 80 Romane. Darin thematisierte sie auch gesellschaftlich heikle Themen wie Bigamie, Ehebruch, Abtreibung u.a.

Anja Marschall ist Krimiautorin und lebte lange Zeit in London. Als bekennende Anglophile mit Faible für das 19. Jahrhundert machte sie den vergessenen viktorianischen Krimiklassiker mit ihrer Übersetzung und Überarbeitung für das heutige Publikum endlich wieder zugänglich.



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