E-Book, Deutsch, Band 2, 316 Seiten
Reihe: Ivy-Years-Reihe
Bowen The Ivy Years – Was wir verbergen
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-7363-0791-9
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 2, 316 Seiten
Reihe: Ivy-Years-Reihe
ISBN: 978-3-7363-0791-9
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wie lange kannst du ein Geheimnis verbergen, bevor es deine Liebe für immer zerstört?
Direkt bei ihrer ersten Begegnung am Harkness College spüren Scarlet Crowley und Bridger McCaulley die starke Anziehung, die zwischen ihnen herrscht. Jeder Blick, jede flüchtige Berührung lässt ihre Herzen höher schlagen - und es fällt ihnen immer schwerer, einander zu widerstehen. Dabei haben Scarlet und Bridger gute Gründe, sich dem anderen nicht vollkommen zu öffnen. Denn sie verbergen beide ein Geheimnis, das nicht nur ihr bisheriges Leben am College, sondern vor allem auch ihre gemeinsame Zukunft zerstören könnte ...
'Sarina Bowen schreibt New Adult, wie es besser nicht sein könnte!' Tammara Webber
Band 2 der Ivy-Years-Reihe von USA-Today-Bestseller-Autorin Sarina Bowen
Weitere Infos & Material
1
Die Aufgabe einer Torhüterin
Scarlet
In der Sekunde, in der ich den Garagentoröffner summen hörte, setzte ich mich in Bewegung. Ich musste nicht erst aus dem Fenster sehen, um mich davon zu überzeugen, dass meine Eltern wegfuhren. Wenn der Rasen vor dem Haus von drei neuen Vans belagert wird, öffnet man das Garagentor nicht einfach so zum Spaß. Die Nachrichtensender hatten im letzten Jahr Tausende Fotos vom Innenleben unserer Garage geschossen. Es hätte sich ja etwas Berichtenswertes darin befinden können.
Aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, sich damit zu befassen.
Kaum hörte ich das Auto meiner Eltern auf der Straße Fahrt aufnehmen, riss ich auch schon meine Schranktür auf und holte die längst gepackten Reisetaschen und den Bücherkarton heraus. Dann trug ich die Sachen nach und nach zur Haustür. Als Nächstes lief ich noch mal nach oben, nahm den Abschiedsbrief aus der Schreibtischschublade und legte ihn mitten aufs Bett.
Liebe Mom, lieber Dad,
ich habe mich mit meinem Einzugstag vertan. Es fängt schon am dritten an. Ich muss los, rufe Euch aber heute Abend an. Das Durcheinander tut mir leid. Hab Euch lieb, S.
Meine Nachricht enthielt so viele Halbwahrheiten, dass es schon nicht mehr lustig war. Aber so lief es nun mal in der Casa Ellison. Wir verbogen die Wahrheit nach Bedarf. Ich hatte es mein ganzes Leben so gehalten, auch wenn ich siebzehn Jahre gebraucht hatte, um herauszufinden, wie weit die Täuschungen tatsächlich gingen.
Als Letztes trug ich Jordan nach unten – meine Gitarre. Ohne Jordan wäre ich niemals irgendwo hingegangen.
Danach rannte ich ein weiteres Mal nach oben und flitzte in mein Zimmer. Allerdings nicht aus Sentimentalität. Das Zimmer war schön – geräumig und mit Möbeln aus Ahornholz eingerichtet –, hatte sich im letzten Jahr für mich jedoch in eine Gefängniszelle verwandelt. Ich betrat es deshalb noch einmal, weil ich meine Hockeyausrüstung in den begehbaren Kleiderschrank befördern musste. Schlittschuhe, Torhüterschläger, Polster. Ich versteckte alles in der Hoffnung, dass meine Mutter die Sachen vorläufig nicht fand. Die Entscheidungen, die ich in den vergangenen Wochen getroffen hatte, hatten sie sowieso schon an den Rand eines Nervenzusammenbruchs getrieben. Je länger ich den Streit darüber, dass ich nicht mehr Eishockey spielen wollte, hinauszögern konnte, desto besser.
Ich machte die Schranktür zu, ging zum Fenster und warf einen Blick durch die Lamellen der Jalousie. Auf dem Rasen hatten sich drei Kamerateams aufgebaut. Was nicht erlaubt war. Sie hätten unser Grundstück gar nicht erst betreten dürfen. Leider setzte die Polizei in der Stadt diese Regel nicht durch. Nicht für meine Familie. Ich war mir nicht mal sicher, ob die Feuerwehr ausrücken würde, wenn unser Haus in Flammen stand.
Die Reporter vor dem Haus unterhielten sich vermutlich über Sport, das Wetter oder irgendetwas anderes, solange es nichts zu berichten gab. Einer mischte Spielkarten, was bedeutete, dass sie sich gleich für eine Pokerpartie auf ihren Klappstühlen niederlassen würden.
Perfekt.
Ich lief zum letzten Mal die Treppe hinunter und öffnete die Tür zur Garage. Der Leibwächter meines Vaters hatte die Tür wie immer nach dessen Abfahrt wieder zugemacht. So war dieses Ekelpaket wenigstens zu irgendetwas nutze. Meine Eltern nannten ihn »unseren Fahrer«, aber das war nur eine weitere Schönfärberei. Keiner wollte über den wahren Grund seines Hierseins sprechen. Aber ein Mann, dem Kindesmissbrauch in zahlreichen Fällen vorgeworfen wurde, ließ sich natürlich gerne den Rücken von einem ehemaligen Scharfschützen freihalten, wenn er mal aus dem Haus ging.
Hastig warf ich mein Zeug ins Auto und schloss so behutsam wie möglich die Türen. Als ich am Steuer saß, gönnte ich mir einen Moment, um mich davon zu überzeugen, dass ich auch alles dabeihatte.
Da war meine Handtasche, in der mein nagelneuer Führerschein steckte. Und da mein Gepäck. Daneben lag Jordan. Keine Hockeyausrüstung.
Gut.
Ich ließ den Motor an und betätigte den Garagentoröffner. Man hatte mir beigebracht, dass es ein Verbrechen war, einen Wagen zu starten, ohne ihn vorher warmlaufen zu lassen. Aber die Lage war ernst und duldete keinen Aufschub. Der noble deutsche Motor würde mir dieses eine Mal verzeihen müssen, da ich dringend das Überraschungsmoment nutzen wollte.
Kaum war der SUV unter dem sich noch immer hebenden Garagentor hindurchgeglitten, schoss ich rückwärts die Auffahrt hinunter. Dummerweise versperrten mir die Übertragungswagen die Sicht auf die Straße. Daher musste ich kurz anhalten, um mich zu vergewissern, dass ich freie Fahrt hatte.
Die Kameraleute erhoben sich unsicher von ihren Klappstühlen. Sie hatten eben erst den Wagen meines Vaters gesehen. Für den Fall, dass es später am Tag irgendwas über ihn zu berichten gab, hatten sie seine Abfahrt vorsichtshalber auf Film gebannt. Ich war indes kein Thema, schon gar nicht am Labor-Day-Wochenende und am allerwenigsten allein. Ein kurzer Blick bestätigte mir, dass sich keiner auf seine Kamera stürzte. Yesss!
Vorsichtig setzte ich weiter zurück – jetzt mit einem Übertragungswagen zusammenzustoßen hätte mir meinen Abgang bestimmt nicht erleichtert – und rollte langsam die Straße hinunter.
Mit rasendem Herzen fuhr ich an den Häusern unserer ordentlichen Universitätsstadt in New Hampshire vorbei. Die Flucht war mir gelungen. Ein ganzes Jahr lang hatte ich auf diesen Moment gewartet. Indem ich mich heimlich davonmachte, konnte ich den von meiner Mutter vor laufenden Kameras tränenreich inszenierten Abschied der perfekten Tochter aufs College vermeiden. Ich hatte die Schnauze voll von aufgezwungenen gestellten Fototerminen. Außerdem ersparte mir der heimliche Abflug den Abschied von meinem Vater. Wir hatten es schon vor den jüngsten Skandalen nicht leicht miteinander gehabt. Ich hatte in ihm immer ein Relikt des vergangenen Jahrhunderts gesehen – streng, viel zu beschäftigt, um sich für meine Belange zu interessieren, es sei denn, ich stand auf Schlittschuhen. (Zu beschäftigt war er inzwischen nicht mehr, aber immer noch streng.) Unser Verhältnis war immer eher kühl gewesen, jetzt aber herrschten geradezu antarktische Temperaturen zwischen uns. Der frühere Workaholic hing mittlerweile den ganzen Tag in einem Lehnstuhl in seinem Arbeitszimmer ab. Ich setzte schon lange keinen Fuß mehr in dieses Zimmer, in dem die Atmosphäre mit angestautem Zorn und Schweigen aufgeladen war. Manchmal jedoch warf ich ihm verstohlene Blicke zu und fragte mich, ob er all das, was man ihm vorwarf, tatsächlich getan hatte. Und warum. Und wie ich so lange mit ihm unter einem Dach hatte leben können, ohne etwas zu bemerken.
Mein Herz war voller hässlicher Fragen. Doch selbst wenn ich sie gestellt hätte, hätte ich mich nicht darauf verlassen können, von irgendjemandem in meiner Familie eine ehrliche Antwort darauf zu bekommen.
Ich beschleunigte und fuhr über Nebenstraßen Richtung Highway 91. Shannon Ellison ließ Sterling, New Hampshire, im Rückspiel immer kleiner werden, damit anderthalb Stunden später Scarlet Crowley in Harkness, Connecticut, aus ihrem Auto steigen konnte.
»Scarlet Crowley«, murmelte ich leise vor mich hin. Ich musste mir angewöhnen, auf meinen neuen Namen zu reagieren. Was sich zuerst sicher seltsam anfühlen würde. Wenn ich es mir recht überlegte, allerdings nicht mal halb so seltsam, wie das Eishockeyspielen an den Nagel zu hängen. Hockey war mein Leben gewesen. Seit meinem elften Lebensjahr hatte ich im Tor gestanden und so viele Stunden zwischen den Pfosten verbracht, dass ich sogar noch im Schlaf Torschüsse verhinderte.
Die Aufgabe einer Torhüterin besteht nicht allein darin, sich auf den Puck zu werfen. Sie muss die gesamte Eisfläche im Auge behalten. Beobachten, welche Richtung das Drama auf dem Feld nimmt, bevor der Puck auf das Netz zugeflogen kommt. Ich hatte mir beigebracht, die jeweilige Spielerin mit dem Puck vor dem Schläger an ihrer Schulterhaltung einzuschätzen, sodass ich voraussehen konnte, wer passte und wer einen Torschuss wagte. Ich behielt den Überblick, wie Schachspieler es taten, wenn sie sich auf mehrere Züge im Voraus und alle möglichen Folgen gefasst machten.
Meine Schule hatte die letzten drei Meisterschaften des Bundesstaats gewonnen. In Folge. Im heimischen Wohnzimmer zeugte eine Reihe Trophäen von meinen Fähigkeiten im Tor. Und bis vor einem Jahr hatte ich die Auszeichnungen für verdient gehalten. Aber wie sich zeigte, war ich nicht mal annähernd so toll, wie ich immer geglaubt hatte.
Es ist die Aufgabe der Torhüterin, Lücken in der Verteidigung vorherzusehen. Im Leben allerdings hatte ich in dieser Hinsicht komplett versagt. Als die abstoßenden Geschichten über meinen Vater unser Familienleben zu vergiften begannen, war ich vollkommen unvorbereitet gewesen. Die Widerwärtigkeit traf mich wie ein mit voller Wucht geschlagener Puck vor die Brust, riss mich von den Füßen und verschlug mir den Atem.
Mein früheres Leben war aus und vorbei. Ich hatte ein Jahr Zeit gehabt, mich daran zu gewöhnen, die Phasen des Schocks und der Verleugnung lagen hinter mir. Nun gab es nur noch Plan B. Er war nicht perfekt, aber einen anderen hatte ich nicht.
Zwei Stunden später stand ich auf einem gepflasterten Gehweg in einem wunderschönen Hof. Es fiel mir jedoch nicht leicht, die gotische Architektur und den makellos gemähten Rasen zu bewundern, während mein Herz in der Brust Geschwindigkeitsrekorde im Klopfen brach. Wahrscheinlich...