Borner | Professor Zamorra - Folge 1017 | E-Book | www2.sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 1017, 64 Seiten

Reihe: Professor Zamorra

Borner Professor Zamorra - Folge 1017

Der Feind meines Feindes
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-8387-4907-5
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Der Feind meines Feindes

E-Book, Deutsch, Band 1017, 64 Seiten

Reihe: Professor Zamorra

ISBN: 978-3-8387-4907-5
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



'Lassen Sie uns einen Pakt schließen, Cranston.' Nicole Duval sah Zamorra an, als habe er den Verstand verloren. Doch der Dämonenjäger sprach unbeirrt weiter. 'Sie und ich - gemeinsam gegen das Unbekannte.' Finn Cranston, der Vampir, der sich zum Herrscher über New York aufgeschwungen hatte, lachte abfällig. 'Sie träumen wohl, Zamorra! Wir stehen auf verschiedenen Seiten. Ihnen verdanke ich meine größte Niederlage! Warum sollte ich mich mit Ihnen verbünden?' 'Weil Sie sonst untergehen. Genau wie Nicole und ich. Nur gemeinsam können wir noch überleben.' Cranston schnaubte. Seine Mundwinkel zuckten. 'Sie täuschen sich, Professor. Einer von uns dreien wird den Central Park morgen früh lebend verlassen - das versichere ich Ihnen. Aber Sie werden es nicht sein ...'

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Kapitel 2

Feuergeist

Vor langer Zeit

 Die Trommeln sangen wieder. Ihr Lied erzählte von jenen, die der Sonne zu nah gekommen und ins Meer gestürzt waren. Von den Waldläufern, die keinen Blick für die Natur gehabt hatten. Von den Fischern, die mit ihren Booten zu nah an den Horizont fuhren, weil sie glaubten, unbesiegbar zu sein.

Rathuul stand auf der Klippe und schaute hinaus in die Nacht. Es war kalt, doch die Felle, die er trug, wärmten ihn ausreichend. Das Meer tobte und rauschte unter ihm. Es sang ein ganz anderes Lied als die Trommeln. Eines, das ihm bedeutend besser gefiel.

Erst, als das Rascheln hinter ihm erklang, drehte er sich um. Doch es war nicht sein Bruder, wie sonst. Sondern …

»Frydda.« Vor lauter Staunen stand ihm der Mund offen. »Was machst du hier? Warum bist du nicht bei den anderen, am Feuer?«

Der Himmel war wolkenverhangen. Nur selten schaffte es ein Strahl Mondlicht zur Erde. Dennoch sah er sie schmunzeln. Sie sagte nichts und trat schweigend an seine Seite. Minuten vergingen, in denen er ziemlich ratlos neben ihr stand und wartete, doch Frydda sah hinaus aufs Meer. Sie schien über etwas nachzudenken.

»Es ist schön hier«, sagte sie irgendwann, und es klang wie ein Entschluss.

Rathuul hob eine Braue. »Findest du?« Das hatte er noch niemanden sagen hören. Normalerweise hatte er diese Stelle für sich allein – sie und die Träume.

Frydda sah ihn an. »Warum kommst du hierher, Rathuul?«, fragte sie plötzlich, und ihr Ton machte deutlich, dass sie keine Ausreden tolerieren würde. »Du spaltest dich vom Rest des Stammes ab, gehst deine eigenen Wege. Du sitzt nicht bei den Feuern, und du singst auch nicht von den Geistern, die in den Flammen wohnen. Du bist anders als die anderen.«

Er schluckte. Ähnliches fragte sein Bruder schon seit Jahren, doch bei Frydda klang es nicht anklagend, sondern … ja, wie? Er bemerkte den Unterton durchaus, verstand ihn aber nicht. So hatte noch niemand mit ihm gesprochen.

»Tut mir leid«, sagte er zerknirscht und wunderte sich zugleich darüber. Warum glaubte er, sich bei ihr entschuldigen zu müssen? Für was denn? Er war, wie er war. Er wollte gar nicht anders sein. »Ich … Die alten Geschichten geben mir einfach nichts, verstehst du? Sie bremsen uns doch nur aus. Jahraus, jahrein dieselben alten Rituale, dieselben Muster. Schwindet das Eis, ziehen wir auf die Felder. Kehrt es zurück, gehen wir in die Höhlen, wo die Ernte bereits wartet. Wir werden alt und zeugen Junge, doch wir ändern nichts am Lauf der Dinge. Wir stagnieren, statt zu wachsen.«

Frydda hob die Hand und strich ihm über die Wange. »Rechtfertigungen, Rathuul?«, fragte sie amüsiert und leise. »Ich hätte dich für stärker gehalten.«

Das war er auch! Verflucht, natürlich war er das. Normalerweise scherte er sich einen Dreck um das, was andere von ihm dachten. Er wusste, dass er in den Augen der restlichen Stammesbrüder ein Sonderling war, weil er sich nach dem sehnte, wovor die Lieder warnten. Na und?

Aber warum fühlte er sich vor Frydda plötzlich, als müsse er sich erklären? Ausgerechnet vor ihr?

»Was willst du hier?«, fragte er, einer spontanen Eingebung folgend, die er selbst nicht ganz begriff.

Frydda öffnete den Knoten am Kragen ihres Leibchens. Der Stoff glitt ihr von den Schultern. Weiße, weiche Haut glänzte im Mondschein. »Ich? Ich will gar nichts. Ich mag es, wenn jemand anders ist. Weiter nichts.« Sie schmunzelte. »Die Frage lautet viel eher: Was willst du

Rathuul atmete schwer. Irgendetwas schien plötzlich in seinen Eingeweiden zu brennen, sein ganz eigener Feuergeist. Sein Blick hing wie gefesselt an Fryddas Körper, glitt über sie, als wolle er jedes Detail und jede Rundung auf ewig in sein Gedächtnis zwängen.

Frydda ergriff seine Hand. Führte sie an ihre Brust. Hielt sie dort. »Willst du das?«

Ihre Augen waren tiefer als das Meer. Rathuul wusste nicht, was er tat, als er Frydda packte und mit sich auf den grasigen Boden zog. Doch sein inneres Feuer und ihr fröhliches Lachen zeigten ihm, dass es richtig war. Der Rest fand sich von selbst.

Dass am Horizont – dort, wo den Trommeln und den Liedern der Alten nach alles endete – hölzerne Schiffe erschienen, mit aufgeblähten Segeln und festem Kurs, bemerkten sie beide nicht.

 Die Jagd war wenig ertragreich gewesen. Und der Grund dafür hatte gar nicht an ihr teilgenommen.

Seit der vergangenen Nacht auf der Klippe konnte sich Rathuul einfach nicht mehr konzentrieren. Wann immer er sich unbeobachtet fühlte, wanderten seine Gedanken zurück an nackte Schenkel und heiße Seufzer, und ein idiotisches Grinsen schlich sich auf seine Züge, dem selbst eine erfolglose Jagd nichts anhaben konnte. Stundenlang war Rathuul durch die Wälder nahe des Sommerlagers gestreift, doch mehr als drei Wildkaninchen und zwei Vögel, die ihm nun tot vom ledernen Gürtel hingen, hatte er nicht aufzuweisen.

Frydda war schuld. Auch daran, dass er seine Gruppe verloren hatte und garantiert viel zu spät nach Hause kam. Doch beides nahm er ihr nicht übel. Er hatte an sie denken müssen, statt zu jagen. Und daran, was sie hoffentlich auch in dieser Nacht treiben würden – draußen an den Klippen. Wo das Meer von Möglichkeiten sang und die Trommeln übertönte.

Rathuul machte sich keine Sorgen. Es würden neue Tage kommen, an denen man jagen konnte. Das Eis war noch fern. Dies war die Phase des Lebens – mehr denn je.

Leise pfeifend bog er um die Felsformation, die aus dem Waldboden ragte. Er erkannte sie wieder. Von hier war es nicht mehr allzu weit bis zum Lager. Seine Irrfahrt hatte endlich ein Ende.

Dass etwas nicht stimmte, merkte er erst einige Zeit später. Es war so ruhig. Zu ruhig. Rathuul stutzte. Normalerweise hörte er aus dieser Entfernung bereits Kinderlachen, laute Rufe – aber heute nichts. Lendengesteuerte Unbeschwertheit und die Wachsamkeit des Jägers wetteiferten in seinem Inneren um die Vorherrschaft. Die Wachsamkeit gewann – endlich. Rathuul zog das steinerne, scharfe Messer aus der ledernen Scheide und verlangsamte seinen Schritt.

Kurz darauf hatte er den Waldrand erreicht. Was er sah, als er zwischen den Büschen hervorlugte, war nicht weniger als das Ende von allem.

Die Sommerhütten brannten. Der Wind kam von den Bergen, deshalb hatte Rathuul den Rauch nicht schon früher gerochen. Die kleinen Behausungen aus Stämmen, Ästen, Lehm und allerhand Blattwerk, die den Stamm während der Ackerzeit vor dem Wetter schützten, standen in Flammen. Hoch loderten die orangeroten Geister gen Himmel und vernichteten, was immer sie kriegen konnten.

Viel schlimmer war aber, was zwischen ihnen lag.

Rathuul wurde übel. Die Männer, Frauen und Kinder waren tot, daran bestand kein Zweifel. Zwei Handvoll Personen, mehr zählte der Stamm nicht, lagen reglos zwischen den brennenden Fanalen der Zerstörung, und er kannte jede einzelne so gut wie den Rücken seiner Hand. Ihr Blut hatte den Erdboden durchtränkt und klebte verkrustend an ihren geschändeten Körpern. Ihre Schädel waren gespalten, ihre Knochen gebrochen worden. Rathuul sah zerfetzte Kleidung und geschundene Leiber. Bataal, die Engste seines Bruders, lag leblos über einem umgestürzten Baumstamm und bot dem Betrachter ihr nacktes Hinterteil feil. Ihr Junge, Korrit, hatte noch das Beil in der Hand, mit dem er die Ehre seiner Mutter wohl hatte verteidigen wollen. Es war ihm misslungen, wie der Pfeil in seiner Brust, die sich nie mehr heben und senken würde, bewies.

Fassungslos trat Rathuul in ihre Mitte. Sah sich um. Suchte nach Begreifen.

Dann sah er die Schiffe.

Es waren zwei, und sie zogen wieder von dannen. Der Wind von den Bergen, der den Rauch der Zerstörung und die verhallten Schreie des Stammes aufs Meer hinaus trug, blähte nun ihre Segel auf. Rathuul rannte bis zu den Klippen und kam doch zu spät. Zu weit waren die hölzernen Gefährte bereits, als dass er sie noch schwimmend hätte einholen können. Doch obwohl er Objekte wie sie nie zuvor gesehen hatte und keinerlei Details mehr an ihnen ausmachen konnte, wusste er, was sie bedeuten mussten. Und wer sich auf ihnen befand.

Die Ältesten hatten stets gesagt, der Horizont sei das Ende der Welt. Nun, umgeben von den Toten und den Ruinen seines bisherigen Lebens, begriff Rathuul, dass er recht daran getan hatte, diese Worte stets anzuzweifeln.

Der Horizont war nicht das Ende. Das Ende kam von dort.

Frydda!

Ihr Name zuckte durch seinen Geist wie ein Blitz durch eine Sturmesnacht. Wo war sie? Die, die seine Engste hätte werden können – hatten die Horizontler auch ihr das Leben geraubt?

Panik trieb seine Muskeln an, verdrängte die Schreckenstaubheit. Rathuul rannte zurück zwischen die Flammen. Ratlos und doch zielgerichtet wanderte sein Blick über die Spuren der Zerstörung. »Frydda!«, rief der junge Jäger. »Frydda!«

Keine Reaktion. Selbst der Wald schien sich von den Sommerhütten abgewandt zu haben, schwieg vor Trauer und Entsetzen. Nur das Feuer sprach noch zu Rathuul, und der Wind sang dazu das Lied vom Tod.

Nein.

Rathuuls Herz war lauter als die Trommeln, sein Atem schneller als die wilden Kaninchen. Seine Fingerkuppen kribbelten, als wären es Insekteneier, deren Brut unmittelbar vor dem Schlüpfen stand. Seine Knie wurden weich. Als er zu Boden fiel, merkte...



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