Borchard | Eine unmögliche Freundschaft | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 384 Seiten

Borchard Eine unmögliche Freundschaft

David Ben-Gurion und Konrad Adenauer
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-451-81534-8
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

David Ben-Gurion und Konrad Adenauer

E-Book, Deutsch, 384 Seiten

ISBN: 978-3-451-81534-8
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



David Ben Gurion und Konrad Adenauer sind zwei politische Urgesteine des 20. Jahrhunderts. Ihre Leben sind durch die deutsche und israelische Geschichte vielfältig miteinander verflochten und weisen erstaunliche Parallelen auf. Beide kommen erst sehr spät in ihrem Leben an die Spitze der politischen Macht, beide werden Begründer einer neuen Staatlichkeit ihrer Völker, beide müssen im Innern ihrer Länder wie in der Diplomatie Pionierarbeit leisten - und kommen sich dabei sehr nah und werden Freunde, obwohl sie sich nur zweimal persönlich begegnen. Ihre Familien pflegen die Freundschaft der beiden Männer bis heute. Auch charakterlich zeigen sich viele Ähnlichkeiten: als zurückhaltend und mürrisch, praktisch und erfinderisch werden beide beschrieben. Michael Borchard erzählt die Lebensgeschichte von Ben Gurion und Konrad Adenauer als Parallelgeschichte, berichtet von ihrer unmöglichen Freundschaft und fragt danach, was sich von diesen beiden großen Männern für heute lernen lässt.

Michael Borchard, Dr. phil., Jahrgang 1967, studierte Politikwissenschaft, Neuere Geschichte und Öffentliches Recht; 1995 bis 1997 wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bundesarchivs; 1998 bis 2003 Referatsleiter in der Thüringer Staatskanzlei; Vorbereitung der Reden von Ministerpräsident Dr. Bernhard Vogel; ab Dezember 2003 Leiter der Hauptabteilung 'Politik und Beratung' in der KAS, 2014-2017 Leiter des Israel-Büros der KAS, seit 2018 Leiter der Hauptabteilung Wissenschaftliche Dienste/Archiv für Christlich-Demokratische Politik der KAS.
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Konrad Adenauer und seine Beziehung zum Judentum


Immer wieder ist von Forschern und Journalisten darüber spekuliert worden, wie ehrlich der Einsatz des deutschen Bundeskanzlers Konrad Adenauer für eine Versöhnung Deutschlands mit den Juden und für eine Annäherung Deutschlands an Israel unter dem Strich wirklich war. Wohl hat man seine unzähligen Äußerungen über die moralische Pflicht, mit finanziellen Leistungen zum Überleben Israels beizutragen, vernommen, und doch fehlte dabei kaum jemals der ostentative Hinweis auf den Pragmatismus Adenauers, seine Cleverness, seinen Willen, mit den Beziehungen zum Judentum und zu Israel das »Eintrittsticket« zu lösen, das Deutschland wieder zu einem geachteten Mitglied der Völkerfamilie macht. Wie groß war diese Notwendigkeit wirklich, wie groß war dementsprechend der Faktor »Berechnung« und wie groß war auf der anderen Seite das moralische Pflichtempfinden, ja wie groß war die Sympathie Adenauers zum Judentum und davon abgeleitet zu Israel?

Es mag die banalste aller Charakterisierungen des großen Rheinländers sein, aber sie ist zutreffend: Konrad Adenauer war ein vielschichtiger Charakter, der nicht einfach zu greifen ist. Ein Politiker, der ebenso Meister der Differenzierung und auch der Zurückhaltung wie auch rücksichtloser Vertreter der Interessen sein konnte, die er politisch für richtig hielt. Adenauer war strenger Moralist und im gleichen Moment von rheinischer Großzügigkeit. Adenauer war ein frommer und gläubiger Katholik, im besseren Sinne des Wortes »gottesfürchtig«, und doch nie ein undifferenziert hierarchiegläubiger Starrkopf. Er konnte sowohl Kritiker und Skeptiker einbeziehen als auch seine unbändige Durchsetzungskraft einsetzen. Er wollte die dunklen Jahre des Nationalsozialismus ebenso hinter Deutschland wissen und ein neues Kapitel aufschlagen wie er skeptisch blieb gegenüber der Demokratiefestigkeit seiner Landsleute. Deshalb kann es auf die Frage nach seinem Verhältnis zum Judentum und nach den Auswirkungen dieser Beziehung auf seine Politik als Bundeskanzler keine einfache Antwort geben. Vor allem kann es keine Antwort geben, die seine Haltung gegenüber dem Judentum in den Jahren seiner »ersten Karriere« als Kölner Kommunalpolitiker7 ausblendet.

Nicht ohne Grund und sicher nicht in erster Linie aus Berechnung kommt Konrad Adenauer bei seinen Begegnungen mit David Ben-Gurion, aber auch mit unzähligen anderen Vertretern Israels oder jüdischer Organisationen, immer wieder auf seine eigenen Erfahrungen und Erlebnisse – insbesondere in der Zeit der Weimarer Republik – zurück. Auch bei den Juden in aller Welt nährt sich der Respekt vor Konrad Adenauer nicht zuletzt aus seiner Ablehnung des Nationalsozialismus, an der auch von erbitterten Gegnern seiner »Wiedergutmachungspolitik« in den Nachkriegsjahren nicht ernsthaft gezweifelt wird, und aus seiner immer wieder offen gezeigten Sympathie für das Judentum und für jüdisches Leben in Deutschland.

Schon zum Ende der 1920er-Jahre beginnen die Nationalsozialisten mit einer erbitterten Rufmordkampagne gegen den Kölner Zentrumspolitiker. Er wird während der aufgeheizten Polarisierung der Endphase der Weimarer Republik zunehmend zum »›großen Buhmann‹ aller Radikalen in Köln«8, wie es Hans-Peter Schwarz formuliert. Im Mittelpunkt der nationalsozialistischen Agitation gegen ihn steht neben dem eigens »aufgewärmten« Vorwurf, dass Adenauer »Separatist«9 gewesen sei und eine Abspaltung des Rheinlandes vom Deutschen Reich befürwortet habe, den ausnahmslos alle seine Biografen zurückweisen, schnell seine positive Haltung zum Judentum, die er nie verborgen hatte.

Bereits vor seiner Ernennung zum Oberbürgermeister und bis zu seiner Absetzung hatte Adenauer immer engen Kontakt zu den Vertretern der jüdischen Gemeinden, aber auch zu unzähligen Juden in allen Lebensbereichen: in der Wissenschaft, der Wirtschaft und der Kultur. Einige ragen dabei besonders hervor, werden zu maßgeblichen Wegbegleitern des talentierten Kommunalpolitikers und prägen seinen Werdegang.

Eine besondere Beziehung pflegt er zu einer der schillerndsten jüdischstämmigen Persönlichkeiten Kölns in der Zeit der Weimarer Republik, zu dem konvertierten Bankier Louis Hagen, Erbe und Vorstandschef des Bankhauses A. Levy & Co., einer der mit Abstand wichtigsten Industriefinanziers des Rheinlandes, ja der ganzen Weimarer Republik, ab 1924 Miteigner der Deutschen Bank, außerdem von 1915 bis zu seinem Tod 1932 Präsident der Kölner Handelskammer. Konrad Adenauer sei, so Hans-Peter Schwarz, einer derjenigen gewesen, die Louis Hagen sich verpflichtet habe, indem er den Aufstieg des politischen »Jungstars« gefördert habe, ohne ihn dabei zu demütigen.

Eine entscheidende Rolle spielt Louis Hagen bei der Wahl Konrad Adenauers zum Oberbürgermeister von Köln. Er ist es, der die Rolle des »Königsmachers« übernimmt und in der Liberalen Fraktion des Stadtparlamentes, der er angehört, entschieden für den jungen Lokalpolitiker eintritt. Ihm gelingt es gemeinsam mit einem anderen maßgeblichen jüdischen Politiker bei der Liberalen Fraktion, Bernhard Falk, der Adenauer ebenfalls sehr achtet und mit ihm freundschaftliche Beziehungen unterhält, Vorbehalte auszuräumen, die in der Liberalen Fraktion gegen das Zentrum allgemein und in Ableitung auch gegen Konrad Adenauer bestehen.

»Die folgenden Jahre«, so schreibt Hans-Peter Schwarz über die Freundschaft zu Louis Hagen, »sind durch eine enge Allianz zwischen dem Älteren und dem Jüngeren gekennzeichnet. Gelegentlich gibt es auch Krach, aber beide respektieren sich und wissen, was sie aneinander haben.«10 Konrad Adenauer ist jedenfalls ein gern gesehener und häufiger Gast des Kölner Geschäftsmannes in seinem »Landsitz«, dem Schloss Birlinghoven in der Nähe von Bonn. Bereits kurz nach seinem Amtsantritt verewigt sich Konrad Adenauer als frisch gebackener Oberbürgermeister im Gästebuch des Schlosses. 1919 wird Louis Hagen, der bereits 1886 zum Katholizismus konvertiert war, gar Parteifreund von Konrad Adenauer; er verlässt die Liberale Fraktion, um dann der Zentrumsfraktion in der Stadtverordnetenversammlung beizutreten.

Wie sehr Konrad Adenauer sich mit dem Kölner Bankier verbunden fühlt, wird auch nach dem Tod des Geschäftsmannes 1932 noch einmal sehr deutlich. Am 30. September kommt dem Handelskammerpräsidenten die Ehre zu, die neue Handelskammer und Kölner Börse einzuweihen. Am Abend dieses ereignisreichen Tages erleidet er einen Schlaganfall, an dessen Folgen er am 1. Oktober verstirbt. Sein Freund Konrad Adenauer ist es, der am 4. Oktober die Trauerrede zu seinen Ehren hält.

Auch der Nachfolger von Louis Hagen als Präsident der Kammer ist ein weiterer enger Wegbegleiter und Freund Konrad Adenauers: Paul Silverberg. Neben Hagen und Falk ist er der »Dritte« im Bunde derjenigen mit jüdischer Herkunft, die Adenauer schätzen, unterstützen und fördern.

Paul Silverberg entstammt einer traditionsreichen jüdischen Familie, konvertierte aber 1895 zum protestantischen Glauben. Konrad Adenauer lernt der Jurist vermutlich schon während der gemeinsamen Referendarzeit, spätestens aber 1903 kennen, als beide beim Kölner Oberlandesgericht Anwaltskollegen sind.

Silverberg, der in den väterlichen Bergbaubetrieb einsteigt, ist entscheidend an der Gründung des bis heute bestehenden Bergbauriesen RAG beteiligt und steht dem Unternehmen lange vor. Er erarbeitet sich den Ruf, der »Beherrscher der Braunkohle«11 zu sein. In der Tat ist er nicht allein die prägende Figur des rheinischen Braunkohlereviers, sondern auch einer der einflussreichsten Unternehmer der Weimarer Republik insgesamt. Er ist an der Sanierung des Stinnes-Konzerns ebenso wie an jener von Hapag und Lloyd beteiligt. Die Reichsbahn und die Deutsche Bank werden von ihm beraten.

Aber auch die Politik vertraut auf seinen Rat. Neben Konrad Adenauer, der in engem Kontakt mit ihm steht, ist das vor allem Reichskanzler Heinrich Brüning, der ihn 1931 gar zum Verkehrsminister machen will, an seinen ambitionierten Bedingungen jedoch scheitert.

In der Zeit, in der sich die Weimarer Republik ihrem Ende zuneigt, nähert sich Paul Silverberg dem politischen Spektrum am rechten Rand an. Über Gregor Strasser lässt er der NSDAP eine Geldspende zukommen, mit dem Ziel, so die Partei wirtschaftsfreundlicher zu stimmen. Zu den zahlreichen Befürwortern einer Regierungsbeteiligung der NSDAP in der Zeit vor der Machtergreifung zählt Paul Silverberg allerdings niemals. Eine Tatsache, die dem bis heute vor allem in links- wie rechtsradikalen Kreisen genährten Klischee vom »jüdischen Förderer« und Anhänger Adolf Hitlers deutlich widerspricht.

Vermutlich Ende 1933, spätestens aber Anfang 1934 emigriert Silverberg nach Lugano in die Schweiz. 1936 wird er Staatsbürger des Fürstentums Liechtenstein, wo er den Krieg überlebt. Die Verbindung mit Paul Silverberg ist so eng, dass Konrad Adenauer nach dem Krieg darauf drängt, dass er an die Spitze der RAG zurückkehrt. Silverberg lehnt das ab, erfährt aber zahlreiche Ehrungen in seiner Heimatstadt Köln. 1951 wird er anlässlich seines 75. Geburtstages zum Ehrenpräsidenten der Industrie- und Handelskammer Köln wie auch des Bundesverbandes der Deutschen Industrie ernannt. Mit Konrad Adenauer unterhält er in der Nachkriegszeit bis zu seinem Tod einen engen Kontakt, der sich in ihren vielen Briefen12 manifestiert.

Von ganz besonderer Bedeutung ist allerdings die freundschaftliche Beziehung, die Konrad Adenauer zu...


Michael Borchard, Dr. phil., Jahrgang 1967, studierte Politikwissenschaft, Neuere Geschichte und Öffentliches Recht; 1995 bis 1997 wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bundesarchivs; 1998 bis 2003 Referatsleiter in der Thüringer Staatskanzlei; Vorbereitung der Reden von Ministerpräsident Dr. Bernhard Vogel; ab Dezember 2003 Leiter der Hauptabteilung "Politik und Beratung" in der KAS, 2014-2017 Leiter des Israel-Büros der KAS, seit 2018 Leiter der Hauptabteilung Wissenschaftliche Dienste/Archiv für Christlich-Demokratische Politik der KAS.



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