E-Book, Deutsch, 152 Seiten
Bommas / Schubert / König Das Alte Ägypten
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-534-72844-2
Verlag: wbg Academic in Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 152 Seiten
ISBN: 978-3-534-72844-2
Verlag: wbg Academic in Herder
Format: EPUB
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Ägypten – Reich der Pharaonen am Strom des Lebens, dem Nil. Der Band erläutert die Geschichte und die Entwicklungen des Alten Ägypten vom Jahr 3300 v. Chr. an und reicht bis zur Eroberung durch Alexander den Großen und damit dem Ende der Pharaonenzeit. Anhand der Königslisten vollzieht der Autor den Fortgang der Geschichte nach und verliert dabei nicht den Blick für die Individuen, welche die Geschicke des Reiches lenkten. Neben der Chronologie wird jedoch insbesondere der kulturellen Entwicklung des Alten Ägypten (Sprache, Schrift, Kunst, Literatur) Rechung getragen, denn neben den reinen historischen Fakten ist die Geschichte Ägyptens vor allem eine Kulturgeschichte, die sich selbst zwischen den großen Epochen des Alten, Mittleren und Neuen Reiches fortsetzte. Erstmals werden auch Zeugnisse der Alltagskultur herangezogen, welche die Geschichte aus nicht offizialisierter Perspektive erfahrbar machen.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
II. Die Frühzeit (Naqada III A–D, Dynastien 0–2; ca. 3300–2740)
1. Staatsbildung
Institutionalisierung von Handel Die ägyptische Frühzeit ist identisch mit Naqada III A–D, deren letzte Ausläufer sogar bis in das Alte Reich hineinreichen (bis ca. 2550). Damit steht außer Frage, dass die letzte Phase der vordynastischen Zeit, aber auch die ersten drei Dynastien der ägyptischen Geschichte, maßgeblich von der einst aus Oberägypten stammenden Naqada-Kultur beinflusst waren. Diese war in ihren beiden ersten Phasen vom Süden aus nach Norden vorgedrungen und hatte am Ende von Naqada II zu vielfach gleichen Lebensformen in Ober- und Unterägypten geführt. Es ist dies die Zeit der ägyptischen Staatsbildung. Diese Entwicklung ist jedoch mit modernen Staatsgebilden nicht vergleichbar, die auf der Idee eines Nationalstaates gründen, der aufgrund von Beschlüssen generiert werden kann. In Ägypten, das um ca. 3300 keine Vorbilder kennt, ist weder ein isoliertes Einzelergebnis für die Entstehung des Staates verantwortlich zu machen noch das Vorhandensein einer Identität, die sich gegen Außen abzugrenzen sucht. Die Staatswerdung ist in Ägypten ein schleichender Prozess, der von Handelsbeziehungen und Warenaustausch getragen wird und in dem Moment nach Außen tritt, in dem eine Überschusswirtschaft greift und Absatzmärkte erschlossen werden. Neue Untersuchungen zeigen, dass die Nutzung der zur Rohstoffbeschaffung und zum Warenabsatz geschaffenen Handelswege eine wesentliche Rolle bei der politischen Vernetzung der Regionen spielte. E
Dynastien
Die Einteilung ägyptischer Herrscher in Dynastien stammt von den Ägyptern selbst. Sie orientiert sich an Königshäusern beziehungsweise an Regionen. Abschnitte werden um ca. 1250 bereits im Turiner Königspapyrus, auch Kanon genannt, skizziert. Die heutige Einteilung geht im Wesentlichen auf den griechischen Historiker Manetho (3. Jh. v. Chr.) zurück, der die Könige von Menes bis Nektanebos II. in 30 Dynastien unterteilte. Außenhandel und Staatsmythos Eine zunehmende Bevölkerungsdichte und das damit verbundene Interesse der Elite an wirtschaftlicher Stabilität dürfte auch bei der Präsentation wirtschaftlichen Erfolges einen wichtigen Faktor darstellen: Die Spezialisierung der Keramikproduktion und die Nutzung von in der Wüste anstehendem Mergelton sowie der Export fertiger Gefäße bis in die Levante sind nur einige wenige Ausdrucksformen dieses frühen interregionalen Denkens. Möglicherweise deuten fremdartige unterirdische Bauten in Maadi im Delta, die als Magazine genutzt werden, darauf hin, dass auch levantinische Händler zu diesem Zeitpunkt in Ägypten tätig waren. Vorgänge dieser Art sind undenkbar, ohne dass sie das Interesse der Eliten geweckt hätten, die in der Tat zunehmend den interregionalen Handel zu organisieren und kontrollieren in der Lage waren: So ist aus der 1. Dynastie eine Inschrift bekannt, die darüber Auskunft gibt, dass Schiffe ausgesandt werden, um im Mittelmeerraum und der südlichen Levante Zedernholz zu sichern. Zu Beginn der historischen Zeit steht ein voll ausgebildetes Handelsnetz zur Verfügung, mit dessen Hilfe es den Eliten gelingt, Kontrolle auszuüben und wirtschaftlichen Wohlstand zu sichern. So ist es das Ringen um materiellen Wohlstand, das schließlich zu einem Gebilde führt, das mit dem modernen Begriff des „ägyptischen Staates“ annähernd umschrieben werden kann. Altägyptischer Ideologie zufolge ist dieser Staat die Konsequenz aus der „Vereinigung der Beiden Länder“. Dieser Staatsmythos kann als Befriedung zuvor sich feindlich gegenüberstehender Landesteile verstanden werden. Tatsächlich jedoch kann mithilfe archäologischer Methoden gezeigt werden, dass es sich hierbei nicht um ein einmaliges Ereignis gehandelt hat, das in historischer Zeit mit jedem Regierungsantritt neu inszeniert wird, sondern um den langwierigen Prozess einer pluralistischen Gesellschaft, die die verschiedensten Regionen Ägyptens mit einbezieht, über einen längeren Zeitraum hinweg stattfindet und zahlreiche Auslöser und Protagonisten hatte. 2. Mythos als Ursprung von Geschichte
Der Beginn ritualisierter Geschichte Schriftliche Quellen, die detailliert Auskunft geben könnten über die vielschichtigen Prozesse, die zum ägyptischen Staat geführt haben, gibt es nicht, obwohl die Hieroglyphenschrift zu diesem Zeitpunkt, also kurz nach der Erfindung der Schrift in Mesopotamien, ausgebildet vorlag. Möglicherweise verlaufen diese Prozesse vor der Gründung einer autorisierten Staatsgewalt auch mehr intuitiv als von langer Hand geplant, weshalb sich eine allgemeingültige, zeitgenössische Beurteilung nicht aufdrängte. So treten anstelle historischer Inschriften mythisch überhöhte „historisierende“ Bilder, deren Entschlüsselung nach wie vor die mit der ägyptischen Geschichtsforschung befassten Ägyptologen beschäftigt. Eine allgemeingültige Lehrmeinung zu formulieren, darf aufgrund der verschiedenen Forschungsansätze derzeit nicht erwartet werden. Neben der teilweise bildlich dekorierten Naqada-Keramik sind es insbesondere Prunkpaletten und Ritualmesser der ausgehenden Naqada-II- und der beginnenden Naqada-III-Zeit, die das reichste verwertbare Bildmaterial liefern. Zwar erschließen diese Funde einerseits die Entwicklung religiöser Konzepte ebenso wie politische Strukturen und die Repräsentation von Herrschern, andererseits sind gesicherte Interpretationen über die Uniformität des Staatsgebildes dieser Zeit nicht möglich. E
Zweidimensionale Kunst als Kulturgenerator
Der Messergriff aus Abu Zeidan (heute im Brooklyn Museum) zeigt zahlreiche vorüberziehende Tierarten und damit eine sich in Bewegung befindliche Landschaft, die rituell kontrolliert werden kann. Während die offenbar älteste Palette, die sogenannte Jagdpalette, von Tieren übernommene Jagdtechniken darstellt, sind kriegerische Themen auf einer Reihe von Medien überliefert: Das früh zu einem Topos stilisierte Thema des „Erschlagens der Feinde“ findet auf den Köpfen von Schlagkeulen, aber auch im bemalten Grab von Hierakonpolis (Grab 100) und in der wohl berühmtesten Palette, der des Königs Narmer, lebendigen Ausdruck. Entscheidend ist aber vielmehr, dass diese Objekte aus der Dreidimensionalität heraustreten und mit der Bevorzugung der zweidimensionalen Kunst in Malerei und Relief den Weg bereiten für eine Darstellungsform, die nur wenig später in der Hieroglyphenschrift ihren wohl überzeugendsten Ausdruck findet. 3. Narmer
Die „Vereinigung der Beiden Länder“ Der früheste Protagonist eines an der Formierung der Staatsidee interessierten Herrschers ist unter dem Namen Narmer bekannt: In Hieroglyphen geschrieben und eingerahmt von der Abbildung einer Palastfassade, die von einem Horusfalken bekrönt wird, besteht der Name dieses Königs aus der Darstellung eines Welses mit dem phonetischen Lautwert nar und dem Stößel mit dem Lautwert mr. Auf der beidseitig dekorierten Narmer-Palette ist der König auf einer Seite mit der Weißen (oberägyptischen) Krone dargestellt, auf der anderen mit der Roten (unterägyptischen) Krone, so als solle hiermit ein gleichzeitiger Anspruch auf beide Landesteile zur Geltung gebracht werden. E
Symbol und Mythos der Herrschaft
Stets ist es der König, der die Feinde niederschlägt, wobei sich die Künstler einer standardisierten Formsprache bedienen, die ikonhaft wirkt. Sie lässt den Einfluss einer übergeordneten, an formaler Ikonographie interessierten Oberschicht erkennen, der es gelingt, einige der bis zum Ende des Pharaonenreiches gültige Prinzipien der bildenden Kunst zu entwickeln und zu etablieren. Es darf als unwahrscheinlich gelten, dass diese formalisierte Bildsprache dazu vorgesehen ist, konkrete historische Ereignisse, wenn auch schemenhaft, darzustellen. Das Erschlagen der Feinde auf der Narmer-Palette, das in der Ägyptologie als Ausdruck der kriegerisch erwirkten Vereinigung der Beiden Länder verstanden wurde, stellt sehr wahrscheinlich symbolhaft einen Staatsmythos dar. Dies heißt jedoch nicht, dass der Mythos vom Vereinigen der Beiden Länder gegenstandslos wäre: Ganz im Gegenteil ist die Geschichte des Alten Ägypten ein Wechselspiel von politischer Einheit und deren zeitweisem Verfall. Die Ägyptologie hat diese politischen Zustände mit den Begriffen der Reiche beziehungsweise der Zwischenzeiten kenntlich gemacht und systematisiert. 3.1 Narmer und der Ursprung ägyptischen Herrschaftsanspruchs Geschichte als offener Prozess Ereignisse werden immer dann zu historischen Fakten, wenn es dem Historiker gelingt, sie als Argument zu interpretieren. Damit unterscheidet sich Geschichte etwa von der Chronik, der es nur darauf ankommt, Ereignisse zu katalogisieren. Wenn also Geschichte insbesondere Argument ist, so muss der Beginn der Geschichte mit einer speziellen Aussage zu verbinden sein, wie beispielsweise das Zeitalter des Hellenismus mit der Eroberung Ägyptens durch Alexander den Großen...