E-Book, Deutsch, 464 Seiten
Bomann Der Lilienpakt
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7519-0905-1
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 464 Seiten
ISBN: 978-3-7519-0905-1
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Frankreich 1643: Die siebzehnjährige Comtesse Christine d'Autreville wird Zeugin des Mordes an ihrer Familie. Nur knapp entkommt sie. Ein Schmied nimmt sie bei sich auf, doch Christine muss ihre Identität ablegen und zum Jungen werden, denn der Geheimbund "Schwarze Lilie" ist ihr auf den Fersen. Jules, der Sohn des Schmiedes wird zum Freund und bald schon beginnt sie, mehr für ihn zu empfinden. Als die Musketiere D'Athos, Porthos und Aramitz in Christines Leben treten, kommt sie ihrem Ziel, die Mörder zu finden, etwas näher. Doch damit bringt sie sich und ihre Liebe in tödliche Gefahr ...
Corina Bomann wurde 1974 in Mecklenburg geboren. Seit vielen Jahren schon schreibt sie Romane für Erwachsene und Jugendliche. Ihre im Ullstein-Verlag erschienenen Bücher wurden allesamt Bestseller und werden in viele Sprachen übersetzt. Mittlerweile lebt und arbeitet sie in Berlin.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1. Kapitel
Als ich klein war, haderte ich oft damit, ein Mädchen zu sein. Ich wollte wie meine Brüder durch die Wälder streifen, anstatt mich beim Lautespielen und Sticken zu langweilen. Ich wollte bei der Jagd mitreiten, anstatt im Salon meiner Mutter unter der strengen Aufsicht von Madame Poussier Tanz und gutes Benehmen zu erlernen. Ich wollte frei sein wie die Männer meiner Familie. Zu dieser Freiheit gehörte es für mich, fechten zu lernen. Solange ich denken konnte, hatten mich Degen und Rapiere fasziniert. Seit ich groß genug war, um Türklinken herunterzudrücken, schlich ich regelmäßig in den Fechtsaal unseres Schlosses. Dort waren die prächtigsten Waffen aufgereiht. Ehrfürchtig ließ ich meine Hand über die kostbar verzierten Griffe gleiten und stellte mir vor, mit der Waffe in der Hand elegant über den blanken Marmorboden zu tänzeln, während mein Bild von den hohen, goldgerahmten Spiegeln zurückgeworfen wurde. Meist endete meine Träumerei damit, dass ich von meiner Gouvernante aus dem Fechtsaal gezerrt und gerügt wurde. Umherstreifen, Jagen und Fechten waren keine Leidenschaften für ein Mädchen. Doch ich ließ mich nicht von meinem Traum abbringen, eines Tages eine berühmte Fechterin zu werden. Immerhin war ich eine d’Autreville, und das Fechten hatte eine lange Tradition in unserer Familie. Meine Vorfahren hatten bereits im Hundertjährigen Krieg neben dem König gekämpft. Meine Brüder würden die lange Reihe hervorragender Fechter aus unserer Familie fortsetzen. Mein Vater plante, sie mit Ausnahme meines ältesten Bruders Bernard, der sein Erbe war, der berühmten Garde du corps du roi beitreten zu lassen. Ihr hatte mein Vater als junger Mann angehört. Doch was würde mir, der einzigen Tochter, bleiben? Nichts anderes als Heirat und Langeweile! Mit meinen vierzehn Jahren hatte ich bereits eine genaue Vorstellung davon, wie trist mein Leben verlaufen würde. Andere Mädchen in meinem Alter waren bereits verheiratet und erwarteten Kinder. Das war aber nicht das Leben, das ich mir erträumte. Ich wollte Abenteuer erleben, Geheimnisse entdecken und vielleicht auch ferne Länder bereisen. Mit Ehemann und Kindern am Rockzipfel war das nicht möglich. Ich versuchte also, meinen Eltern bei jeder passenden Gelegenheit zu beweisen, dass ich noch nicht reif für die Ehe war. Ich spielte Streiche, kletterte auf Bäume und lungerte im Fechtsaal herum. Die Fechtübungen meiner Brüder ahmte ich während der Handarbeitsstunde mit der Nadel nach. Meine Gouvernante beschwerte sich deswegen regelmäßig bei meinem Vater. »Dauernd fuchtelt sie mit den Nadeln herum, Monsieur le Comte! Erst gestern hat sie mich wieder im Vorbeigehen gestochen.« Als ich zur Rede gestellt wurde, gab ich mich reuevoll, doch insgeheim freute ich mich diebisch darüber, dass sie wie ein Huhn gackernd in die Höhe gefahren war. Wenige Tage später, als Madame Poussier am wenigsten damit rechnete, setzte ich erneut zum Angriff an. Ich sprang plötzlich auf, nahm Kampfhaltung ein und stürmte mit der Nadel in der Hand und wilden Kampfesrufen voran. »Nimm das, elender Spion! Und das! Es lebe der König!« Madame Poussier starrte mich an, als hätte ich den Verstand verloren, und bekreuzigte sich hastig. Abends beschwerte sie sich dann wieder bei Papa. Als ihm die Klagen meiner Gouvernante schließlich zu viel wurden, zitierte er mich zu sich in sein Studierzimmer. Es war ein schöner, mit rotem Holz getäfelter Raum, an dessen Wänden ebenfalls Schwerter und Degen hingen. Als ich eintrat und fasziniert zu den Waffen blickte, räusperte sich mein Vater und erhob sich hinter seinem Schreibtisch. Seine dunklen Kleider und das von Silberfäden durchzogene schwarze Haar ließen ihn sehr würdevoll wirken. Er blickte mich streng an, doch mir entging nicht, dass der Spitzbart an seinem Kinn zu zucken begann und die Falten um seine braunen Augen tiefer wurden. Das waren bei ihm sichere Anzeichen für ein Lächeln. Da er mir das aber nicht zeigen wollte, begann er, mit auf dem Rücken verschränkten Händen vor mir auf und ab zu gehen. »Alors, Christine. Du weißt sicher, warum ich dich gerufen habe.« »Ja, Papa.« »Nun, dann erkläre mir doch bitte, was es mit deinem Ungehorsam auf sich hat. Madame Poussier hat in dieser Woche nicht weniger als zwölf Nadelstiche von dir bekommen und weigert sich nun, dich weiter zu unterrichten.« Recht so! Sollte sie es doch aufgeben, aus mir eine Dame machen zu wollen. Dann brauchte ich auch nicht zu heiraten. »Sag mir, tust du das aus Bosheit oder Trotz?«, fragte er weiter, als meine Antwort ausblieb. »Nein, Papa, aus keinem der beiden Gründe«, entgegnete ich kleinlaut. »Und warum führst du dich so auf?« »Weil...« Sollte ich es wagen? Ich hörte auf mein Herz und fuhr fort: »Weil ich fechten lernen möchte!« Mein Vater hielt inne, dann drehte er sich langsam zu mir um. »Du willst fechten lernen?« Ich nickte inbrünstig, wagte aber nicht zu hoffen, dass sich mein Wunsch erfüllen würde. Stattdessen würde Papa mir sicher gleich einen Vortrag über die wahren Pflichten einer Frau halten. »Fechten ist kein Spiel«, begann er seufzend. »Deine Mutter würde es nicht gern sehen, wenn ich es dir erlaube.« »Papa, ich...«, setzte ich an, doch er brachte mich mit einer raschen Handbewegung zum Schweigen. »Es ist nicht die Bestimmung einer Frau, zu kämpfen!« »Aber wohl die, sich zu Tode zu langweilen!«, platzte es aus mir heraus, was ich sogleich bereute, als mich erneut ein strenger Blick traf. »Verzeiht, Papa, ich wollte nicht...« Mein Vater schnaufte. »Ich müsste dir eigentlich zürnen, aber ich weiß wohl, dass sich dein Ungestüm nur schlecht bezähmen lässt. Du kannst nichts für das Erbe deiner Vorfahren, das sich augenscheinlich auch in dir offenbart.« Er blieb stehen, seufzte und sah mich dann an. Sein Blick hatte sich verändert. Er wirkte nun nicht mehr streng, sondern eher – stolz! »Wenn du mir versprichst, die arme Madame Poussier nicht weiter mit der Nadel und deinem Desinteresse zu traktieren, werde ich in Erwägung ziehen, dir das Fechten beibringen zu lassen.« Ich starrte ihn fassungslos an. »Ist das Euer Ernst?« Mein Vater nickte, dann lächelte er so breit, als bereite es ihm diebische Freude, dass das Erbe der Degen nun auch in mir aufgehen würde. Mit einem freudigen Aufschrei fiel ich ihm um den Hals. »Danke, Papa, vielen Dank. Ihr wisst nicht, was das für mich bedeutet!« »Was ist mit deinem Versprechen?« »Ich verspreche, nein, ich schwöre, dass ich Madame Poussier nie wieder stechen werde! Und ich werde auch sticken, so gut ich kann.« Mein Vater löste sich sanft von mir und legte mir die Hände auf die Schultern. »Mach mir keine Schande im Unterricht von Maître Nancy! Höre auf seine Ratschläge und sei gelehrig. Und wehe, mir kommt noch eine Klage von deiner Gouvernante zu Ohren! Du wirst auch ihrem Unterricht folgen und versuchen, so kunstfertig wie möglich zu werden! Wenn nicht, wird es das letzte Mal gewesen sein, dass du einen Degen in der Hand hältst.« In diesem Augenblick hätte ich ihm alles versprochen. Am gleichen Abend belauschte ich ein hitziges Gespräch zwischen Papa und Mama. Natürlich hielt sie nichts davon, dass ich eine Waffe in die Hand nahm. »Was, wenn sie verletzt wird?«, hielt sie meinem Vater vor. »Wenn sie sich einen Kratzer im Gesicht holt? Die Verantwortung dafür können wir nicht übernehmen.« »Keine Sorge, sie wird sich nicht verletzen. Außerdem schadet ihr ein wenig Körperertüchtigung nicht. Sie ist ohnehin ein Wildfang und regt damit nur die arme Madame Poussier auf.« Papa machte eine kurze Pause, dann fügte er hinzu: »Und vielleicht wird ihr das Fechten eines Tages von Nutzen sein.« Dem Schweigen, das auf seine Worte folgte, maß ich keine Bedeutung bei. Meine Mutter fügte sich, und am nächsten Morgen fand ich einen Degen neben meinem Bett, eingepackt in ein Futteral aus feinem Damast. Eine einfache, etwas leichtere Waffe, nicht zu vergleichen mit den Prachtstücken im Fechtsaal, doch für mich war es die schönste Klinge der Welt. Noch am gleichen Tag stand ich ebenso wie meine Brüder Maître Nancy gegenüber. Der hochgewachsene Mann mit dem halblangen, graumelierten Haar und dem Ziegenbart am Kinn musterte mich von Kopf bis Fuß und ließ mich dann den Degen ziehen. Kurz darauf gingen wir die ersten Bewegungen durch. Ich wusste nicht, was der Fechtmeister von mir dachte, doch wenn es ihm missfiel, ein Mädchen zu unterrichten, verbarg er es. Von nun an ließ ich, wie ich es Papa versprochen hatte, Madame Poussier in Ruhe. Ich bemühte mich redlich, die von ihr geforderten...