Bock | Nicht unmöglich | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 291 Seiten

Bock Nicht unmöglich

Geschichten zwischen Diesseits und danach
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-7575-9205-9
Verlag: neobooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Geschichten zwischen Diesseits und danach

E-Book, Deutsch, 291 Seiten

ISBN: 978-3-7575-9205-9
Verlag: neobooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Was ist Leben? Was ist Zeit? Und was bitte soll das mit dem Floppen, Flippen oder Fluppen? Dieses Buch stellt keine Antworten bereit. Es stellt sie sich. Und zwar auf eine ganz eigene, hintersinnige, humorvolle und herrlich absurde Weise. Wenn Sie sich je gefragt haben, - ob Einstein wirklich Drillinge hatte, - ob Kleopatra Pickel hatte, - ob Caesar bei Maischberger funktionieren würde, - wie das Leben entstand (Spoiler: es war ein Unfall), - und ob Ihr Tod womöglich nur ein übermüdeter Beamter mit Doppelschicht ist - dann sind Sie hier richtig. In zwölf Geschichten wird das Universum aus den Angeln gehoben, in Zeitreisen zerknautscht, mit Metaphysik verknotet und mit einem sehr feinen Schmunzeln wieder zurückgestellt. Die Texte kreisen um das Leben, den Tod, die Evolution, das Vergessen, das Staunen - und das unfassbare Glück, in diesem absurden Theater mitspielen zu dürfen. Wer Douglas Adams liebt, Terry Pratchett verehrt und Stanis?aw Lem heimlich um seine kosmische Ironie beneidet, wird sich in diesen Geschichten zuhause fühlen - zwischen schwarzem Humor, philosophischer Schwerkraft und der großen, leisen Frage: Warum sind wir hier - und wohin, zum Teufel, führt dieser Flur?

Bock ist Autor und Weltbeobachter mit Wurzeln in Biologie, Marketing und Publizistik. Seine Texte bewegen sich zwischen Philosophie, Satire und Gesellschaftsanalyse - präzise, lakonisch, poetisch und bisweilen bitterböse. Bock schreibt über das Leben, als sei es ein Irrtum mit System - er lässt seine Figuren scheitern, aber niemals ohne Würde. Er lebt in Stralsund, veröffentlicht auf www.querstrom.de und www.glasklar.biz und bringt seine Texte in bibliophilen Kleinauflagen unter die Leute.
Bock Nicht unmöglich jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Nicht unmöglich


„Moin Carsten1“, sagte Henning Pogwisch als er aus seinem aufgemotzten Ford-Mustang mit unglaublich vielen PS in Polizeiblau mit Silber und der Leiste mit den Blinklichtern auf dem Dach und dem Schriftzug POLIZEI auf den Seiten, ausstieg. Das war der wahrscheinlich ungewöhnlichste Streifenwagen in Deutschland – vor allem auch deshalb, weil der dem Polizisten, nämlich Henning Pogwisch persönlich gehörte und nicht dem Innenminister oder wem auch immer. Und Henning genoss das Fahren in SEINEM Streifenwagen mit der US-Sirene, die hier zwar verboten ist – aber er ist schließlich die Polizei! Wer wollte ihm etwas verbieten oder ihn gar anzeigen?

Er setzte sich zu Carsten auf die Bank, die einen ungewöhnlich langweiligen Blick auf Telefonzelle, Kirche und Friedhof und – heute – einen riesigen Trecker bot, und sagte, „schöner Tag heute, nicht?“

„Jo“, nickte Carsten.

„Hast wieder Deinen frisch gewaschenen Trecker dabei, oder?“

Das war eine mehrfach dumme Bemerkung. Frage konnte man es eigentlich auch nicht nennen, denn der Trecker war so groß, dass er unübersehbar zwischen Bank und Kirche stand und aus dem niedrigen Blickwinkel von der Bank aus den Kirchturm völlig verdeckte und sogar überragte.

Der Trecker gehörte Carsten so, wie der Polizeiwagen Henning gehörte. Und der Trecker war immer frisch gewaschen. Carsten ohne frisch gewaschenen Trecker, das gab es gar nicht – höchstens auf´m Acker. An machen Tagen wusch Carsten ihn zweimal, einmal vorm Acker und einmal danach. Ungewaschen war schlicht unmöglich. Und in Hinsicht auf das Folgende: Es war schlicht nicht nicht wahrscheinlich, es war unmöglich.

Aber damit sei für jetzt alles über Autos gesagt.

„Jo“, nickte Carsten, weil er den Trecker dabei hatte, und der frisch gewaschen war.

„Was treibst Du denn so, ich meine hier auf der Bank gegenüber vonne Kirche, in die eh keiner mehr geht? Außer nix... Musst Du Deine Pflugscharen nicht durch irgendeinen Acker schleifen, Carsten?“

„Nee.“

„Ja, das sieht man“, sagte Henning, „darin büsst ja gut, ich mein´ im Nixtun!“

„Jo!„

Und damit war für eine Weile alles gesagt, fand Carsten, aber dann fuhr er doch noch fort: „Du ja man ook, Henning, nich... Hast wohl auch nix zu tun, wat? Keine Kriminalen hier? Keine Kriminellen? Kein Mord? Nix?“

„Nee!“ Henning musste sich bei dem Gedanken schütteln, dass da ernsthafte Arbeit auf ihn warten würde. „Nee, zum Glück. Sonst müsst ich ja...“

Henning Pogwisch ist die Polizei hier im Dorf in Ostholstein. Polizei, Verkehrs- und Kriminalpolizei, alles in einem. Meistens hat er Glück und hier ist nix los, dann kann er ausspannen und sich von den Tagen mit Mord und Totschlag erholen, die es hier gar nicht so selten gibt.

„Jo, denn müsstest Du ja mit tatü tata..., oder so.“

„Genau!“ Pause. „Und warum sitzt Du nun hier so rum?“

„Kannst die Bullenfragerei nich´ lassen, was? Na gut, Henning, weil Du´s bist: Ich warte auf ´n Anruf.“

Carsten nickte in Richtung der gelben Telefonzelle, die eine der letzten in Ostholstein sein dürfte, die noch als solche und nicht als Büchertauschzelle funktionierte, und die ca. drei Meter neben der Bank und gegenüber der Kirche eigentlich sinnlos in der Sonne stand. Höchstens, dass sie Schatten auf den Briefkasten warf, der zweimal wöchentlich geleert wurde. Nicht jedes Mal war ein Brief drin.

Die Holsteiner reden nicht so viel, müssen Sie wissen – und schreiben schon mal gar nicht. Todes- und Geburtsanzeigen und Hochzeitsanzeigen, ja, aber der Rest ging andere eigentlich nix an, finden sie.

Wahrscheinlich hatten Post oder Telekom, wer auch immer die immer noch originalgelbe Telefonzelle zuständig war, sie einfach vergessen, weil sie so selten benutzt wurde, oder sie hatten sie genauso einfach im wahrsten Sinne nicht mehr auf dem Schirm, weil das Computerprogramm für die Verwaltung von Telefonzellen nicht mehr einwandfrei lief.

Das wusste man nicht. Andererseits interessierte niemanden im Dorf, warum die Zelle da noch stand, sie fanden es im Dorf nur ganz gut, dass sie noch eine hatten. Die seit kurzem für Tourismus zuständige neue Werbeagentur aus Kiel hatte unlängst Fotos von der Zelle machen lassen, weil die jungen Grafiker der Agentur „Telefonzelle ansich“ geil, aber auch so etwas von geil fanden: Historisches Zentrum nannten sie das mit Kirche von 1250 und Telefonzelle von 1950! Genau 700 Jahre Differenz, das konnte kein Zufall sein, fanden die, da könne man doch etwas draus machen... In den anderen Dörfern der Umgebung hatten sie nämlich keine mehr! Nach der Währungsreform mit der Euro und Cent eingeführt worden waren, war die Zelle das letzte Mal technisch upgedatet worden. Seitdem wurde sie weiterhin regelmäßig abkassiert. Das sprach gegen das Vergessenhaben.

„Auf ´n Anruf? Inne Telefonzelle?“

„Jo.“

„In der da?“, Henning zeigte mit dem Daumen in Richtung Zelle.

„Jo“, nickte Carsten zustimmend.

„Echt? Geht das denn eigentlich? Glaub´ ich nich´. Ich meine, kann man denn inner Telefonzelle angerufen werden?“

Carsten zuckte mit den Schultern. „Im Krimi geit dat, heb ick seen...“

„Und wer soll Dich da anrufen?“

Carsten zuckte mit den Schultern. „Egal, ist mir wurscht.“

„Aber irgend jemand, den Du kennen tust, weiß, dass Du jetzt neben der Telefonzelle sitzt und auf den Anruf wartest?“

„Nee.“

„Ja, Carsten, warum soll der Dich denn anrufen?“

„Das weiß ich doch nicht. Guck mal“, und damit drehte Carsten sich zu Henning, „Mensch Henning, denk´ doch mal nach. Tu doch nicht so, als ob Du das nicht können tätest. Das ist doch so: Das weiß der andere, der ruft mich doch an, ich den doch nicht! Ich weiß das doch erst, wenn der angerufen hat. Und dann kann ich ihn doch erst fragen, warum er mich angerufen hat. Ist doch logisch, Henning. Muss ich Dir das wirklich erklären? Ich mein, pass mal auf: Du sitzt doch auch in Deinem Büro und wartest auf Anrufe. Da weißt Du doch auch nicht, wer das ist, und was der will. Ist doch dasselbe, oder?“

Darüber musste Henning Pogwisch erst einmal nachdenken, denn da schien tatsächlich etwas dran zu sein... Schließlich sagte er kopfschüttelnd: „Nee, nee, Carsten, die Leute haben ja meine Nummer...“

„...und wer hier anruft, hat die Nummer doch auch, muss er ja, sonst könnte er ja nich´.... Außerdem steht die nämlich da drinnen auf dem Telefon...“

„Echt?“, fragte Henning offenbar beeindruckt, „Ist da so?“

„Jo. Hab´ selber nachgeguckt.“

„Und Du wartest hier auf der Bank in der Sonne auf einen Anruf, der nie kommen wird?“, wollte Henning wissen.

„Jo.“

„Weiß Du was, Carsten?“, sagte Henning nach einer Zeit überlegenden Schweigens, „Entweder ist das doof oder... oder das ist schwer philosophisch, finde ich..., aber wirklich! Philosophisch... Doch, eher philosophisch.“

„Ja, nich? Das ist wie bei die alten Griechen, die war´n doch auch alle Philosophen... Ich meine, der in der Tonne da, der da gelebt hat, das war doch auch fast ne Telefonzelle, oder?“

Von einem Griechen in einer Telefonzelle hatte Hanning noch nie etwas gehört.

„Naja, ich weiß nicht, Carsten, ich glaube, die hatten noch kein Telefon, oder? Kam das nicht erst später? Bei den Römern? Obwohl, zuzutrauen wäre denen das schon“. Henning meinte das nicht ernst, was Carsten aber nicht bemerkte.

„Naja, könnt ja auch einer aus Zufall anrufen, oder weil ihm die Nummer so gut gefällt? Könnte ja auch ein Ferngespräch sein“, gab Carsten zu Bedenken.

„Nö“, sagte Henning, „Zufall? Glaub ich nicht. Zufall...? Nee, so ´n Quatsch. Ich glaub nicht an Zufall. Die Wahrscheinlichkeit, dass einer, der die Nummer von der Telefonzelle nicht kennt und sie aus Zufall wählt, der aber nicht weiß, dass Du hier auf der Bank auf seinen Anruf wartest... Carsten, das ist unmöglich, dass das passiert! Das sage ich Dir als Bulle und als Freund. Unmöglich!“

„Aber die Waaascheinlichkeit2 ist nicht null, Henning“, gab Carsten zu bedenken, „ich meine, es ist eben nicht unmöglich, verstehst Du, es ist NICHT unmöglich. Denn wenn es unmöglich wäre, dann wäre die Wahrscheinlichkeit gleich Null. Vielleicht, wenn hier keine Telefonzelle wäre, dann wäre es von mir aus unmöglich. Aber die Telefonzelle steht ja da, und das Telefon funktioniert auch. Also, könnte auch einer anrufen. Ich glaube nicht, dass es absolut unmöglich ist, nee, wirklich nicht. Und denn muss doch einer da sein, der den Hörer abnimmt, oder?“

„Doch“, sagte Henning, „unmöglich, denk doch mal nach, Carsten, wer auf dieser Welt sollte Dich unter einer ihm unbekannten ...“

„Das hast Du eben schon gesagt, ich bin doch nicht blöd, Henning, ein bisschen langsam vielleicht, aber nicht doof. Und weil es nicht unmöglich ist, könnte es passieren! Es könnte geschehen! Könnte... Sag mal, siehst Du auch immer diese Zahlenreihen und Zahlenmuster im Kopf, wenn Du die Augen zu machst? Geht mir andauernd so...“

Carsten schloss die Augen. „Da“, sagte er, „da ist sie... ist sie nicht schön und so einfach...“

Henning schloss auch die Augen, sah aber nichts.

„Ach was“, winkte Henning ab, „ich seh ´nix, son Tüttelkram...“

„Nee, nee, Henning, das ist eben kein Tüttelkram! Guck mal, das ist wie bei dem Stück Zeitung da...“, Carsten deutete auf ein Stück von der BILD am Boden vor ihnen, „ Guck mal, das liegt da jetzt ganz ruhig, es geht ja kein Wind, nicht einmal ein...



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.