E-Book, Deutsch, Band 2, 300 Seiten
Reihe: Edition Media Noctis
Blutlinie
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-948592-79-0
Verlag: Ashera Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
E-Book, Deutsch, Band 2, 300 Seiten
Reihe: Edition Media Noctis
ISBN: 978-3-948592-79-0
Verlag: Ashera Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Als ein Fremder Annabelle den Hof macht, erlebt sie mit ihm erotische Träume, die zunehmend düsterer werden und ihre Gesundheit ruinieren. Die Mutter scheint mehr zu wissen, als sie preisgibt, denn sie verbietet Annabelle den Umgang mit dem Verehrer. Doch Annabelle kann von dem mysteriösen Fremden nicht lassen, bis der Tod in einer Sturmesnacht an die Tür klopft und ein Opfer fordert.
Petra E. Jörns wurde 1964 in der Pfalz geboren und studierte Biologie an der Universität Kaiserslautern. Seit dreißig Jahren betreut sie die Schutzgebiete in ihrem Heimatlandkreis. Die Überzeugung, dass der Schutz der Natur und die Menschen, die wir lieben, wichtiger sind als Geld und Ruhm, zieht sich durch all ihre Romane. Neben Military-SF und Space-Romance schreibt sie auch Fantasy und historische Liebesromane.
Autoren/Hrsg.
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Kapitel 1 – Ausritt mit Folgen Die Frühlingssonne schien Annabelle warm ins Gesicht und ein lauer Wind wehte die Strähnen schwarzen Haares aus ihren Augen, die sich durch den Ritt gelöst hatten und unter dem kecken Hut herausquollen. Die braune Stute unter ihr bewegte sich mit geschmeidigem und elegantem Schritt. Beidseits des Weges, den sie entlang ritt, breiteten sich saftig grüne Wiesen wie ein Teppich auf den sanften Hügeln aus. Dunkle Bänder von Gehölzen durchbrachen sie und ihr grünes Kleid war verziert mit bunten Blumen. Annabelle atmete tief die klare Luft ein. Wie schön Somerset doch war! Aber gleichgültig, wie sehr sie ihre Heimat liebte, sie sehnte sich danach, fremde Länder kennenzulernen – das tiefe Blau des Meeres, weiße Strände unter Palmen, die steilen Berge des Himalaya, die dampfenden Dschungel Indiens und Afrikas mit wilden Tieren und Pflanzen, fremde Städte voller exotischer Gerüche, das Stimmengewirr der Einheimischen noch nie gehörter Sprachen. Wie aufregend das sein musste! Was würde sie nicht darum geben, all das kennenzulernen und mit eigenen Sinnen zu erfahren. Ob es je dazu kommen würde? Doch jetzt war sie hier, in Somerset auf dem Landsitz ihrer Eltern. Auch hier konnte sie nach Abenteuer suchen und sei es nur auf dem Rücken ihrer braven Stute Chocolate abseits der Wege. Mit einem knappen Zug am Zügel wies sie die Stute an, ihren Schritt zu beschleunigen, und setzte beherzt über das niedrige Mäuerchen, das den Weg von der Wiese trennte. Annabelle genoss den kurzen Moment, in dem sie leicht wie ein Vogel über dem Mäuerchen schwebte, bis die Hufe der Stute den Wiesenboden trafen und sich der Ruck durch ihren Körper fortpflanzte. Am Ende der Wiese wartete ein weiteres Mäuerchen. Mit einem Schnalzen ließ Annabelle die Stute galoppieren. Die Kühe, die braun und weiß gefleckt auf der Weide standen, wichen muhend zur Seite. Es klang fast ein wenig vorwurfsvoll, weil sie sie in ihrer Ruhe störte. Wie würde Mutter erst schimpfen, wenn sie sie so sehen könnte. Aber die Mutter war so ängstlich um ihr Wohlergehen besorgt, dass sie ihr wie eine riesige Glucke vorkam, die schützend ihre Flügel ausbreitete und ihr so die Sicht nahm auf all die schmückenden Details und die Schrecken, die das Leben barg. Dabei wollte sie sie doch sehen, die Blumen am Wegesrand ebenso wie die Abgründe. Denn waren es nicht diese Gegensätze, die den Reiz des Lebens ausmachten? Sie genoss den Wind, der über ihr Gesicht strich, während sie über die Weide galoppierte. Vage dachte sie an die Warnungen ihrer Mutter, die sie an Maulwurfslöcher und Sumpfstellen erinnerte, die Chocolate aus dem Tritt bringen könnten. Das nächste Mäuerchen flog förmlich auf sie zu, ehe die Stute mit einem weiten Satz darüber sprang. Ein fremdes Pferd schnaubte. Aus den Augenwinkeln erhaschte Annabelle einen weiteren Reiter, der sein Tier zügelte und mit ruhiger Stimme einige Worte murmelte. Atemlos brachte Annabelle ihre Stute zum Halt und ließ sie auf der Hinterhand kehrtmachen. Vor ihr saß ein junger Mann mit zerzaustem blondem Haar auf einem roten Pferd, das nervös auf dem Fleck tänzelte. Als bemerke er die Unart seines Reittiers nicht, lupfte er mit einem freundlichen Lächeln seine Kappe. „Ihr ergebenster Diener, Mademoiselle! Sollte ich Euch erschreckt haben, so entschuldigt mich bitte!“ Annabelle erkannte ihn nun. Sein Name war Alfred Swan, er war der Sohn eines Landadeligen und ebenso mittellos wie langweilig, wie ihre Zofe Harriett zu sagen pflegte. Mit einem Nicken in Richtung des tänzelnden Reittiers lachte Annabelle kurz auf. „Mir scheint, dass ich eher Euch erschreckt habe oder besser Euer Pferd.“ „Mabon ist in der Tat ein wenig schreckhaft“, erwiderte er und klopfte auf den Hals des roten Pferds, das immer noch mit den Augen rollte, obwohl es endlich stillstand. „Mabon … ich habe den Namen noch nie gehört. Woher kommt er?“ „Mabon ist eine walisische Sagengestalt. Es heißt, dass er ein Gefolgsmann von Uther Pendragon war und in Gloucester gefangen gehalten wurde.“ „Ach? Ihr interessiert Euch für alte Sagen und Legenden?“ „Ich interessiere mich für viel Dinge, Mademoiselle.“ Bei den Worten neigte er leicht den Kopf, als wolle er eine Verbeugung andeuten, aber der Blick seiner viel zu blauen Augen hing dabei unverwandt an ihrem Gesicht. „Ist das so?“, fragte Annabelle mit einem koketten Lächeln. Alfreds Wangen färbten sich sofort rot bis an die Ohren, die unter seiner braunen, speckigen Mütze hervorschauten. „Mademoiselle, es lag mir fern …“ Annabelle lachte leise. Wie leicht sich dieser Alfred aufs Glatteis führen ließ! Ob er wirklich so unbedarft war, wie er schien? Nun, sie würde es herausfinden. „Ach, seid Ihr etwa auch an mir interessiert?“ Die Röte seiner Wangen wurde noch um eine Spur tiefer. Sein Pferd machte einen Schritt zur Seite. Alfred reagierte zu spät, weil er die Mütze von seinem blonden Schopf riss und an seine Brust drückte. „Mademoiselle, es tut mir leid, wenn …“ „Kommt Ihr zum Ball anlässlich meines achtzehnten Geburtstages?“ Sie wusste genau, dass er eine Einladung erhalten hatte. Ihre Mutter hatte keinen heiratsfähigen Mann von Stand ausgelassen. Auch wenn Alfred sicherlich sehr weit hinten auf ihrer Liste potenzieller Ehemänner rangierte. „Ich …“ Mabon schüttelte den Kopf, weshalb Alfred gezwungen war, ihn zu zügeln. Als Alfred wieder aufsah, leuchteten seine blauen Augen. „Wenn ich auf einen Tanz mit Mademoiselle hoffen dürfte ...“ Herrje, dieser Trottel war hoffnungslos verliebt in sie! „Vielleicht. Aber ist es nicht so, dass der Held in alten Legenden immer zuerst eine Aufgabe erfüllen muss, ehe er seinen Preis erhält?“ „Und was ist Eure Aufgabe, Mylady?“ „Kennt Ihr die alte Eiche?“ Er nickte. Lachend wendete Annabelle ihre Stute. „Wenn Ihr mich einholt, ehe ich sie erreicht habe, gehört ein Tanz Euch.“ Bei ihren letzten Worten trieb sie bereits ihr Reittier an und galoppierte den Weg entlang, der in Richtung der alten Eiche führte. Sie würde es ihm nicht so einfach machen! Sonst war der Preis ja nichts wert. Die grüne Wiese flog nur so an Annabelle vorbei. Sie lachte, als sie sich nach Alfred umsah, der eine halbe Pferdelänge hinter ihr zurückgefallen war. Fast ein wenig steif saß er auf dem galoppierenden Pferd. Niemals würde er sie noch einholen. Die alte Eiche kam schon in Sicht. Dahinter konnte Annabelle die Gehölze ausmachen, die den Hohlweg säumten, der dort durch die Wiesen schnitt. Den konnte sie nicht überqueren, dafür war er zu breit. Chocolate würde sich die Läufe brechen und sie sich den Hals, wenn sie es versuchten. In diesem Moment flog ein Rebhuhn direkt vor der Stute auf. Chocolate wieherte schrill und brach nach links aus. Ein heißer Schreck durchfuhr Annabelle, aber sie schaffte es, sich im Sattel zu halten. Doch dabei ließ sie die Zügel fahren, die nun unerreichbar für sie über den Boden schleiften. Verzweifelt klammerte sich Annabelle an das Sattelhorn. Die Eiche war vergessen. Der Wind, der eben noch so angenehm ihr Gesicht gekühlt hatte, wirkte auf einmal eiskalt. Trotzdem schwitzte sie, denn das Gehölzband des Hohlwegs kam unaufhaltsam auf sie zu. „Mademoiselle“, riss eine Stimme sie aus ihrer Lähmung. Als erwache sie aus tiefem Schlaf, richtete Annabelle den Blick auf Alfred, der zu ihrer Rechten auf seinem roten Hengst neben ihr dahinjagte. Von der Steifheit, mit der er eben noch geritten war, war nichts mehr zu entdecken. Er stand in den Steigbügeln, tief über den Hals seines Reittieres gebeugt, hielt die Zügel nur mit einer Hand und streckte den freien Arm nach Chocolates Zügeln aus. Mühelos holte er auf. Voraus kam aber auch das Gehölzband des Hohlweges immer näher. Annabelles Herz klopfte ihr bis zum Hals. Halbherzig versuchte sie, nach den Zügeln zu fassen. Brach das Unternehmen bereits nach einem Herzschlag ab und umklammerte stattdessen lieber wieder das Sattelhorn. Neben ihr trieb Alfred seinen Hengst mit einem Schnalzen weiter an. Wie ein Kunstreiter beugte er sich weit aus dem Sattel, den freien Arm ausgestreckt, den Blick nach vorn auf den näherkommenden Hohlweg gerichtet. Und tatsächlich bekamen seine Finger die Zügel zu fassen. „Sch“, machte er, „sch!“ Seine Stimme war tief und weich. Chocolate rollte mit den Augen. Aber Annabelle spürte, wie die Anspannung aus dem Tierkörper unter ihr ein wenig wich. Alfred nutzte die Gelegenheit und fasste die Zügel enger. Immer näher drängte er seinen roten Hengst an Chocolate heran. Der Gehölzsaum, der den Hohlweg markierte, war schon ganz nah. Da merkte Annabelle, wie der rote Hengst ihre Stute in einen sanften Bogen lenkte, der parallel zu den Gehölzen auslief. „Sch“, machte Alfred noch einmal. Seine Hand bekam den Hals der Stute zu fassen. Er klopfte ihn sacht und wie durch Zauberhand wurde Chocolate langsamer. Übergangslos fiel sie in Trab. Der Wechsel kam so unvermittelt, dass Annabelle das Gleichgewicht verlor. Sie merkte, wie sie nach hinten aus dem Sattel rutschte – zwischen die...