Blum | Bis es Sterne regnet | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 316 Seiten

Reihe: Piper Gefühlvoll

Blum Bis es Sterne regnet

Roman
19001. Auflage 2019
ISBN: 978-3-492-98612-0
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 316 Seiten

Reihe: Piper Gefühlvoll

ISBN: 978-3-492-98612-0
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



»Tanze, bis es Sterne regnet und du trunken bist vor Glück.« Ein New Adult-Roman, der unter die Haut geht!Irgendwann als gefeierter Balletttänzer auf der Bühne zu stehen, ist Juris größter Traum. Doch der Wunsch, seiner Mutter, der russischen Primaballerina, nachzueifern, zerbricht jäh, als die ihrem schweren Krebsleiden erliegt.Nur widerstrebend erfüllt Juri ihren letzten Willen und zieht nach New York, um dort bei seinem Vater zu leben. Nicht nur, dass Juri sich mit dessen Vorurteilen herumschlagen muss, was seine Ausbildung zum Bühnentänzer angeht, zu allem Überfluss wird sein Dozent auch noch zudringlich. Um ihm sich vom Leib zu halten, bittet er seine Tanzpartnerin Mae, seine Freundin zu spielen ...»Bis es Sterne regnet« ist derdritteBand der Sports-Romance Serie Read! Sport! Love! von Piper Gefühlvoll. Die Bände der Serie stammen von verschiedenen Autorinnen und hängen inhaltlich nicht zusammen, aber in jeder Geschichte stehen Sport und große Gefühle im Zentrum.
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Juri


Mit jedem Schritt werde ich langsamer. Was ist nur aus mir geworden?

Ein feiger Hund, beantworte ich mir selbst die Frage. Dabei geht es hier gar nicht um mich.

Während ich die Stufen im Treppenhaus des Altbaus hinaufsteige, ziehe ich den Reißverschluss meiner Wolljacke hinab. Oben angekommen, bleibe ich am Absatz stehen und streiche mit einem tiefen Seufzer durch meine vom Wind zerzausten Haare. Komm, du schaffst das, es wird alles so sein wie immer.

Als ich den Schlüssel ins Schloss stecken will, geht das Licht aus, graue Schatten hüllen mich ein. Das passiert mir ständig. Früher hätte ich darüber geflucht, jetzt nutze ich die Gelegenheit, um Zeit zu schinden. Ich lasse den Arm sinken, lehne den Kopf gegen die Tür und balle die Hände zu Fäusten. Für einen kurzen Moment halte ich die Luft an, weil ich Angst vor den Lauten habe, die sonst aus meiner Kehle emporsteigen. Jetzt bloß nicht heulen, bleib stark. Es ist schon schwer genug für sie. Also gebe ich mir einen Ruck, beiße die Zähne zusammen und drücke auf den Lichtschalter.

Dann entriegle ich so geräuschvoll wie möglich das Schloss und öffne die Tür.

Ich schlucke. Stille empfängt mich, dröhnt in meinen Ohren und lässt mein Herz stolpern. Draußen dämmert es erst, doch hier drinnen ist es stockduster.

»Mamutschka?« Meine Stimme klingt jämmerlich, beinah lächerlich für einen Achtzehnjährigen meiner Statur. Ich atme tief durch und versuche es ein zweites Mal, diesmal nachdrücklicher. »Mamutschka?« Bitte antworte. Sag doch was, egal was. Mein Puls pocht in den Schläfen und ich höre mein Blut in den Ohren rauschen. Wie festgewurzelt bleibe ich auf der Schwelle stehen und lausche. Mein persönlicher Albtraum. Seit Wochen geht das nun schon so.

Was würde ich darum geben, noch einmal von ihr angeschrien zu werden, weil ich unpünktlich war oder nicht hart genug trainiert habe. In diesem Moment wird mir schmerzlich bewusst, dass diese Zeit für immer vorüber ist.

»Juri?«, dringt ihre leise Stimme zu mir herüber. »Bist du das?«

Meine Anspannung löst sich und ich atme erleichtert auf. Diese paar Sekunden waren die Hölle. Die Angst, eines Tages diese Wohnung zu betreten und zu spät zu kommen, bringt mich noch um den Verstand.

Mit schnellen Schritten laufe ich den schmalen Flur entlang, bis ich das Schlafzimmer erreicht habe.

Die braunen Samtvorhänge sind zugezogen, nur der Fernseher, der tonlos vor sich hinflimmert, spendet ein wenig Licht. Die Luft ist stickig und vom Geruch der Krankheit geschwängert.

Ich knipse die Nachttischlampe an, die den Raum in gedämpftes Licht taucht, während Mama sich aufrichtet und ein Kissen hinter ihren Rücken schiebt.

»Mamutschka …« Wie geht es dir?, wäre mir fast über die Lippen gekommen. Doch die Frage ist überflüssig. Bei ihrem Anblick schnürt sich mir die Kehle zu. Was hat dieser verdammte Krebs nur aus ihrer anmutigen Erscheinung gemacht? Ihr Gesicht ist so eingefallen, dass ihre hohen Wangenknochen und ihre markante Nase sich scharf abheben. Sie trägt einen Turban, um die wenigen Haare zu verbergen, die ihr nach der letzten Chemo geblieben sind. Nur der Schwung ihrer schmalen Augenbrauen lässt noch erahnen, was für eine ausdrucksstarke Person sie einmal war.

»Ich lasse ein wenig frische Luft ins Zimmer, wenn es dir recht ist.« Wenn es dir recht ist. Seit sie Krebs hat, fasse ich sie mit Samthandschuhen an. Früher herrschte hier noch ein anderer Ton, geprägt von ihrer strengen Erziehung, in der Disziplin das A und O darstellte, und rebellischem Verhalten meinerseits. ›Ohne Disziplin bist du ein verlorenes Kind‹, hat sie stets gesagt. Und wie immer recht behalten. Sonst wäre ich tänzerisch niemals auf meinem Niveau angelangt.

Doch dieses ›früher‹ gibt es nicht mehr. Nur noch Bedauern. Denn mit dem Wissen von heute hätte ich ohne Widerworte alles getan, was sie von mir verlangt hat.

»Mach das, mein Junge«, antwortet sie matt und ich eile mit angehaltenem Atem zum Fenster.

»Ich habe ein wenig geschlafen.«

Du schläfst doch nur noch, liegt mir auf der Zunge. »Das ist gut, Mamutschka«, erwidere ich stattdessen. Was soll ich auch sonst sagen, ich kann ihr unmöglich einen Vorwurf daraus machen, obwohl mein Herz blutet, sie so energielos und schwach zu sehen. Ich setze mich zu ihr auf die Bettkante und greife nach ihrer Hand. Sie fühlt sich knochig und kalt an. Als gäbe ich einem Skelett die Hand. »Hast du ordentlich gegessen?«

»Die alte Katinka hat mir eine Schüssel Soljanka hochgebracht. Du weißt doch, ich habe sie immer so gern gegessen …« Sie beendet den Satz nicht, presst stattdessen die Lippen aufeinander, als hätte sie Schmerzen. »Ich habe einen ganzen Teller geschafft, doch ich konnte nichts davon bei mir behalten.«

Ich seufze leise. »Mamutschka, lass mich dich endlich in ein Krankenhaus bringen.«

Ihre Mundwinkel verziehen sich zu einem spöttischen Lächeln. »Um dort zu sterben?« Sie schüttelt vehement den Kopf. Langsam hebt sie ihre Hand und fährt damit durch die Luft, als würde sie auf die Fotos an den Wänden zeigen. »Das kann ich auch hier.«

Nur mit Mühe kann ich ein Stöhnen unterdrücken. Ihre Sturheit wird sie nie ablegen. »Bitte, sag so etwas nicht ständig, du darfst nicht einfach aufgeben. Ich möchte dir helfen, für dich sorgen, aber du lässt mich ja nicht.«

»Ich habe Hilfe. Jeden Tag. Du sollst nicht dein Leben für mich opfern. Außerdem will ich nicht, dass du mein Elend ständig ertragen musst …«

»Aber ich will bei dir sein und mich um dich kümmern.«

»In der WG geht es dir besser, glaube mir.«

Ich gehe nicht darauf ein. Sie muss nicht wissen, dass ich mich dort selbst zu einem Außenseiter degradiert habe, der sich vor jedem abschottet. »Vielleicht würde sich dein Zustand verbessern, wenn ich wieder …«

»Du weißt, was die Ärzte gesagt haben. Ich glaube nicht mehr an ein Wunder. Wie war dein Training heute?«, wechselt sie abrupt das Thema.

»Wie immer.« Hastig senke ich den Blick. Ich konnte ihr schon als kleiner Junge nicht in die Augen sehen, wenn ich sie angelogen habe. Seit einem Monat war ich nicht mehr beim Unterricht. Ich kann nicht tanzen, während sie hier liegt, würde mich schäbig fühlen. Polina Iwanowa, einst gefeierte Primaballerina, jetzt zerfressen von Metastasen, die ihr die letzte Würde nehmen. Sie ist doch erst 44 Jahre alt, was hat sie Schlimmes getan, dass sie so leiden muss?

Mamutschka legt den Kopf schräg und mustert mich eine Weile lang. »Ich habe mit Sergei gesprochen, du warst seit Wochen nicht dort. Wo treibst du dich nur herum?«

Blját! Verfluchter Mist, sie weiß es also. Selbst ans Krankenbett gefesselt hat sie überall Augen und Ohren.

Sie sieht mich auffordernd an, doch eine Antwort bleibe ich ihr schuldig. Hastig weiche ich ihrem zärtlichen und gleichzeitig sorgenvollen Blick aus. Wie könnte ich ihr sagen, dass ich meinen Kummer in Alkohol ertränke, nachts um die Häuser ziehe und jeden Morgen neben einem anderen Mädchen aufwache?

»Ich will nicht, dass du auf die schiefe Bahn gerätst«, sagt sie, als hätte sie meine Gedanken erraten. »Deshalb möchte ich, dass du dich an der NYC Academy of Ballet bewirbst.«

»Was?« Nach New York? »Ich gehe nicht fort aus St. Petersburg, ich werde dich auf gar keinen Fall alleine lassen.«

»Wenn das Sommersemester dort anfängt, bin ich nicht mehr da, Juri. Ich habe nur noch ein paar Wochen.«

»Warum sagst du so etwas?« Meine Stimme klingt brüchig.

»Weil es so ist. Du weißt es genauso gut wie ich.«

Ich schüttle den Kopf. »Nein …« Ihre Konturen verschwimmen hinter einem Tränenschleier, ich kann nicht länger stark sein. Meine Schultern zucken und ein Schluchzen bricht mit aller Gewalt aus mir hervor. Ich schieße hoch, weiß nicht wohin mit meinen Gefühlen. Meine Schwäche macht mich rasend vor Wut. Ich schnappe mir eins der vielen weißen Kissen, die Mamas Kopf wie eine Leibgarde umzingeln, und kralle meine Finger so tief hinein, bis es wehtut. Ohne es zu wollen, steigt ein Knurren aus meinem tiefsten Inneren empor, das in einen haltlosen Schrei übergeht. Wie von einem weidwunden Tier. Ich werfe das Kissen mit aller Kraft auf den Boden. Wie soll ich nur ohne sie leben?

»Setz dich bitte zu mir«, sagt sie mit sanfter Stimme, als hätte mein Gefühlsausbruch nie stattgefunden.

Ich ziehe die Nase hoch und streiche mir mit einer Hand übers tränenfeuchte Gesicht. Nur widerwillig ziehe ich den Stuhl ans Bett und komme ihrer Bitte nach, doch diesmal brauche ich Abstand. Warum über eine Zukunft sprechen, in der sie nicht existiert?

»Wenn ich nicht mehr da bin, wird Marco sich um dich kümmern. Ich habe bereits mit ihm darüber gesprochen.«

»Du hast was?« Ich merke, wie Zorn in mir aufwallt. »Ohne das mit mir abzuklären? Ich kenne diesen Mann gar nicht.«

»Er ist dein Vater.«

Ich schnaube. »Ein Vater, der nie für mich da war.«

Sie seufzt leise. »Er wollte dich immer richtig kennenlernen, aber irgendwie …« Sie hebt die Schultern und lässt sie wieder sinken. »… ist es nie dazu gekommen. Er in New York, wir hier.«

»Er hat dich damals einfach sitzen lassen.« Meine Stimme überschlägt sich. Wie kommt sie nur auf diese absurde Idee?

»Es gehören immer zwei dazu. Wir waren jung, ich befand mich auf dem Höhepunkt meiner Karriere, war nur mit mir beschäftigt …«

»Da hat er sich ganz schnell eine Neue geschnappt …«

»So ist es nicht, Juri.«

»Du hast ihn noch nie in Schutz genommen.« Ich höre mich an wie ein trotziges Kind, doch ich kann es nicht ändern. »Wieso jetzt auf...


Blum, Ava
Ava Blum, 1975 in Berlin geboren, reiste nach dem Abitur einige Jahre als Choreographin umher. Der Liebe wegen verschlug es sie nach Gran Canaria, wo sie seit einigen Jahren mit ihrer Familie lebt. Hier nutzt die Großstadtinsulanerin die traumhafte Ruhe unter afrikanischer Sonne, um ihre Geschichten zu spinnen. Nur ab und an muss sie der Hitze entfliehen, um sich vom Trubel und Lärm ihrer Heimatstadt inspirieren zu lassen. Während ihres Journalismus-Studiums hat sie sich mit dem Schreibvirus infiziert. Seither ist sie nicht mehr zu bremsen und widmet ihre freie Zeit dem Schreiben von Geschichten.



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