Blatter | Rendezvous mit dem Tod | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 260 Seiten

Blatter Rendezvous mit dem Tod

Unheimliche Geschichten
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7504-8530-3
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Unheimliche Geschichten

E-Book, Deutsch, 260 Seiten

ISBN: 978-3-7504-8530-3
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Achtmal begegnet dir der Tod. Er tritt auf als grausamer Rächer, als kühl kalkulierender Killer oder als eleganter Charmeur. Es liegt an dir, wie dein Rendezvous mit dem Tod verläuft: grauenvoll, lustvoll oder humorvoll. Du musst nur umblättern! "Die Autorin balanciert auf der Kante zwischen Horror und Humor. Wer hätte gedacht, dass das möglich ist? Es geht." (F. Holle auf amazon) "Ulrike Blatters Monster kommen keineswegs brüllend und blutrünstig daher. Sie sind unsichtbar. Mit Macht brechen sie sich Bahn." (Cris Inken Soppa zu "PANDEMIA")

Ulrike Blatter arbeitete als Ärztin "von der Wiege bis zur Bahre": zuerst in der Geburtshilfe, später auf dem Drogen-Kiez und in der Rechtsmedizin. Nichts Menschliches ist ihr fremd. Die erfolgreiche Krimiautorin lädt in diesem Band zu einem literarischen Totentanz - vollkommen befreit vom Zwang einen Täter zu ermitteln oder Recht und Gesetz durchzusetzen. Ulrike Blatter erhielt für ihr Werk mehrmals Stipendien. Wenn sie nicht schreibt, unternimmt sie mit ihrem Mann lange Radreisen - und lotet auch hier die Grenzbereiche seelischer Belastbarkeit aus. Homepage: www.ulrike-blatter.de

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Samstag
Der schwangere Bauch zog Manu nach vorn, und sie konnte nur mit Mühe das Gleichgewicht halten. Der Feldweg war mit harschem Eisbruch bedeckt. Eine lange Reihe gefrorener Pfützen, von den Schritten der Spaziergänger aufgebrochen, wieder gefroren und erneut zersplittert. Der Kleine ließ ihr jedoch keine Ruhe. »Komm, Mama! Komm doch endlich!« Sein breites Lachen. So, wie nur Vierjährige lachen können. Ein herrliches, rotwangiges, winterglitzerndes Strahlen. Drehen mit weit ausgebreiteten Armen, mitten im Feld. Sich fallen lassen. Schnee, überall Schnee. Die Welt so weit. »Komm, Mama! Komm doch her!« »Ich kann nicht rennen – das weißt du doch!« »Ich aber – ich kann! Schau mal, wie schnell ich rennen kann!« Und er schaufelte sich durch die pudrigen Massen. Versank bis über die Knie. Sein Schneeanzug als leuchtendroter Fleck in all dem Weiß. Ferrari-Rot – darauf war er stolz. Ferrari-Rot musste es sein. »Sonst gilt es nicht!«, hatte er ihr ernsthaft erklärt. Manu streichelte ihren Bauch. Sie wollte lächeln, aber der Frost umspannte ihr Kinn, ließ ihr Gesicht erstarren. Februarkälte. Heute Nachmittag waren sie die einzigen Spaziergänger draußen auf den Feldern. Der rote Fleck hatte sich inzwischen ziemlich weit entfernt. Sie würde ihn rufen müssen. Sie musste aufpassen, dass er sich nicht erkältete. Hochschwanger, mit einem kranken Kind daheim, das wäre kein Spaß. In der Schule gäbe es auch wieder dumme Bemerkungen, wenn sie fehlen würde. Zu Beginn der Schwangerschaft war sie schon einmal ein paar Wochen ausgefallen. Blutungen. Damals war Frau Herrmann eingesprungen. Aber das könne natürlich kein Dauerzustand werden, hatte der Rektor gesagt. Und die Augenbrauen hochgezogen. Genau wie Frank. Der hatte die Augenbrauen auch so hochgezogen. »Das kann doch kein Dauerzustand werden – diese ständige Hetze«, hatte er gesagt. »Du machst dich doch total kaputt. « Mit ihrer zweiten Schwangerschaft hatten diese Diskussionen angefangen. Diskussionen, die Manu zutiefst zuwider waren. Würde Manu weiter arbeiten? Oder kündigte sie? Oder bliebe sie drei Jahre zuhause und sähe dann weiter? Manu wollte nicht zuhause bleiben. Ihre Teilzeitstelle im Schulsekretariat der Grundschule war ideal zu vereinbaren mit den Öffnungszeiten sämtlicher Kindergärten. Sie hatte eine wunderbare Tagesmutter. Manu liebte ihre Arbeit und es machte sie wahnsinnig, daheim herumzusitzen. »Was heißt hier herumsitzen? Du beklagst dich doch immer, dass dich die Hausarbeit auffrisst. Lass es mal langsamer angehen. Wenn das Baby erst mal da ist, hast du schon genug zu tun.« Er würde sie nie verstehen. Es war sowieso egal, wieviel Zeit sie investierte – das Haus sah trotzdem immer unordentlich aus. Corinna, ihre beste Freundin, hatte es wirklich auf den Punkt gebracht als sie sagte: »Glaubst du vielleicht, ich werde mal in den Himmel kommen, weil meine Fenster immer so gut geputzt waren?« Corinna ging nicht arbeiten. Dabei hatte sie nur ein Kind. Und keinen Mann. Zumindest nicht in ihrer Wohnung. Corinna war anders. Die nahm alles leichter. Irgendwie. Vielleicht hatte ihr Kind deshalb einen italienischen Namen: Giannina, die rothaarige, zuckersüße Hexe mit Sommersprossentupfen, die übers ganze runde Gesicht verteilt waren. Ein Jahr älter als der kleine Ferrari-Fan. Manu war bei Gianninas Taufe schwanger gewesen. Voller Rührung hatte sie das Baby im Arm gehalten. Ihr erstes und bisher einziges Patenkind. Bald, hatte sie gedacht. Bald. Das ganze Leben war damals ein einziges Versprechen gewesen. Manu und Corinna waren schon in der Schule Freundinnen gewesen. Hatten sich aus den Augen verloren. Waren zufällig in dieselbe Stadt gezogen und hatten sich wiedergefunden. Corinna lebte immer noch in der Stadt. Altbauwohnung, hohe Decken, die schlecht schließenden Fenster mit Decken gegen Zugluft abgedichtet, Blumenkästen mit vertrocknenden Geranien statt Garten. Der Spielplatz um die Ecke lag an einer verkehrsreichen Straße, und der Sandkasten war voller Hundekacke. Drei Jahre Mutterschaftsurlaub und Unterhaltsvorschuss. Danach würde sie weitersehen. Manu lebte seit einem halben Jahr am Stadtrand. Neubaugebiet. Reihenhaus. Nein, Reihenendhaus. Die Illusion eines freistehenden Hauses, das sie sich nie würden leisten können. Denn die Immobilienpreise waren explodiert. Der Garten eine Schlammwüste. Im Frühjahr würde es besser werden. Dann würden sie eine Schaukel aufstellen. Der Kleine fand den Garten auch jetzt schon herrlich. Eigentlich müsste Frank es schätzen, dass Manu zum Familieneinkommen mit beitrug. Denn der Kredit drückte. Mit zwei Kindern war es einfach besser, draußen auf dem Land zu leben. Weit weg von Lärm und Verkehrschaos. Und im Sandkasten lag auch keine Hundekacke. Der wurde nämlich abends abgedeckt. Sicher, die Wege waren jetzt weiter. Ohne Zweitwagen ging es nicht. Alle Mütter waren ständig mit den Autos unterwegs. Jeden Morgen kutschierten sie die Kinder zur Schule. Kurz vor Acht gab es wochentags immer einen richtigen Stau auf der Hauptstraße. Nur Merves Mutter kam immer zu Fuß. Die hatte nämlich keinen Führerschein. Manu bezweifelte, ob sie überhaupt lesen konnte. Aber das besorgte inzwischen ihre Tochter. Manu lächelte beim Gedanken an Merve, die kluge Achtjährige. Manu fröstelte. Sie rief den Kleinen. Der kam. Ganz ohne Widerspruch. Er schleppte einen Eiszapfen hinter sich her, der war so lang wie ein Schwert. »Kalt?« Er nickte stumm. Zeigte widerstrebend sein linkes Hosenbein. Das war mit schwarzem Schlamm bedeckt. Der ehemals ferrari-rote Stoff steif gefroren. »Bist du eingebrochen?« Blick zum Boden. Ferrari-rote Ohrmuscheln. »Da hinten am See. Ich wollte doch bloß rausfinden, ob Fische im Eis eingefroren sind.« Fische schlafen im Winter auf dem Grunde des Sees. Sie schlafen im Schlamm. Sie atmen kaum. Sie schlafen. Wenn man das Eis aufbricht, erschrecken sie. In ihrer Panik verbrauchen sie zu viel Sauerstoff. Und dann sterben sie. All das erzählte Manu ihrem Sohn nicht. Stattdessen packte sie ihn am Ärmel. »Aua, das tut weh!« »Stell dich nicht so an. Das tut nicht weh. Wir müssen jetzt rasch nach Hause. Mit nassen Füssen erkältest du dich. « »Ich habe aber nur einen Fuß nass!«, maulte der Kleine. Zögernd setzte er sich in Bewegung und schlurfte betont langsam durch den Schnee. »Los, lauf endlich! Damit dir wieder warm wird!« »Och, Mama!« Leise begann es zu schneien. Manu hielt ihren Bauch mit beiden Händen. Der Kleine trottete neben ihr und zog den großen Eiszapfen hinter sich her. Ihre Fußstapfen liefen nebeneinander. Dazwischen, wie eine Schnittlinie, die Spur des Eiszapfens. Als Manu sich nach einigen Minuten umwandte, hatte Neuschnee bereits alle Spuren ausgelöscht. Daheim legten sie den Eiszapfen auf die Fensterbank vor dem Küchenfenster. »Damit er nicht schmelzt«, erklärte der Kleine. »Schmilzt. « »Sag ich doch. « Seine nassen Fußstapfen führten vom Gang in die Küche und wieder zurück auf den Gang. Schneeanzug und Stiefel flogen in die Ecke. Manu bückte sich. Seufzte theatralisch. »Aaauuaachachach!« »Komm, Mama, ich helfe dir tragen!« Ganz kleiner Kavalier. Ganz Beschützer. Von wem er das wohl abgeschaut hatte? Das Haus roch immer noch neu und fremd. Obwohl alle Möbel an ihrem Platz standen, schien es Manu schmerzlich leer. Gestern Abend hatte sie sich in die Sofaecke gedrückt und ein großes Kissen wie ein Schutzschild vor den dicken Bauch gepresst. Sie hatte den Kopf demonstrativ sinken lassen, nicht ohne Frank vorher noch einmal vorwurfsvoll anzublicken. Dann hatte sie wieder den Vorhang ihrer Haare vors Gesicht fallen lassen. »Es dauert diesmal doch nur drei Monate.« »Nur ...«, knurrte es hinter dem Vorhang. »Dann ist das Kind schon längst geboren. – Warum eigentlich gerade jetzt?« »Eigentlich ist es gar nicht so weit weg. An den Wochenenden bin ich auch immer bei euch. Versprochen. « »Was du nicht sagst. Nicht weit weg! » Es sollte sarkastisch klingen. Aber ihre Stimme hatte gezittert. »Warum gerade Paris? « »Himmelherrgott – das kann ich mir doch nicht aussuchen!« Frank war aufgesprungen und hatte in den dunklen Garten gestarrt. In die Schlammwüste. Im Frühjahr würden sie eine Schaukel aufstellen. Manu hatte die Haarsträhnen beiseitegeschoben und Franks Rücken betrachtet. Ein großer Mann mit breitem Rücken. Schultern zum Anlehnen, Hände … Seine Hände konnte sie nicht sehen. Hände, die überraschend schmal wirkten. Zärtliche Hände. Hände, in die sie sich damals verliebt hatte. Damals. Sie waren es nicht gewohnt zu streiten. Das hatten sie nie gelernt. Dazu waren sie zu oft voneinander...



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