Blask | Jean Baudrillard zur Einführung | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 176 Seiten

Reihe: zur Einführung

Blask Jean Baudrillard zur Einführung


vollständig überarbeitet
ISBN: 978-3-96060-052-7
Verlag: Junius Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

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Reihe: zur Einführung

ISBN: 978-3-96060-052-7
Verlag: Junius Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Jean Baudrillard (1929-2007) ist mit vielen Etiketten versehen worden: Modephilosoph der 1980er Jahre, polemischer Diagnostiker des Zeitgeistes, theoretischer Anarchist. Falko Blask konzentriert sich auf die wesentlichen Begriffskomplexe und stellt die Theorie der Simulation und die These vom Verschwinden des Realen in den Mittelpunkt. Das baudrillardsche Theoretisieren war stets als eine konkrete Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Gegebenheiten zu verstehen. Dies zeigt sich nicht nur an seiner Beschäftigung mit den technischen Medien, sondern auch an seinen Einlassungen zu den Geschehnissen vom 11. September 2001.

Falko Blask ist Professor für Technikjournalismus an der Georg-Simon-Ohm-Hochschule für angewandte Wissenschaft in Nürnberg.
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Einleitung


»Denker, strengt euch noch einmal an!« Diesen Marschbefehl an die von Erstarrung bedrohte abendländische Philosophie, ausgerufen in seiner furiosen Schrift , hat Jean Baudrillard (1929–2007) zeit seines Lebens selbst mit großer Hingabe befolgt. Seine eigenen Anstrengungen riefen dabei vielfältige Reaktionen hervor: Häufig missverstanden, galt Baudrillard lange als Polemiker, theoretischer Anarchist und als Modephilosoph. Mittlerweile erlebt er als weitsichtiger Diagnostiker eines von Medien dominierten Zeitalters erneut intensive Aufmerksamkeit. Dabei finden sich in der Sekundärliteratur nicht nur nüchterne Bestandsaufnahmen, wie etwa jene von Samuel Strehle: »Wie kaum ein anderer Denker der letzten Jahrzehnte hat Baudrillard das Lebensgefühl seiner Epoche geprägt; bis weit in die Populärkultur hinein.« (Strehle 2012, 10) Das radikale Denken des französischen Theoretikers inspirierte andere, die ihn persönlich kannten, zu geradezu hymnischen Nachrufen: Äußerst persönlich resümierte Juremir Machado da Silva, Professor an der Université Catholique de Porto Alegre in Brasilien: »Was bedeutet der Tod von Baudrillard? Aus mehrfachen Gründen ist er unsterblich: wegen seiner nachvollziehbar immer radikaler werdenden Ideen und der immer verführteren Herzen seiner Freunde. Jean Baudrillard, dessen Bewunderer und Freund ich war, was mit der Zahl der gemeinsam getrunkenen Caipirinhas und Weine nachgewiesen werden könnte (wenn der Nachweis in seiner Weltsicht möglich und wichtig wäre), war vor allem ein Meister des Wortes.« (da Silva 2009, 153)

Eine Meisterschaft mit Tücken, die Baudrillard zwar Aufmerksamkeit in Kunst, Kultur und Feuilleton bescherte, ihn in der akademischen Welt – gerade seiner französischen Heimat – aber zu einem Außenseitertum verdammte und seinem radikalen Denken polemische Bezeichnungen wie jene des »konnotativen theoretischen Terrorismus« (Fuder 1994, 43) einbrachte. Und während Baudrillard in Deutschland und den USA lange als herausragender Protagonist postmodernen Denkens bzw. französischer Philosophie gehandelt wurde, kristallisiert sich seine Bedeutung für Soziologie und Philosophie erst allmählich heraus. Eine Einführung in sein Denken muss vor allem dem Umstand gerecht werden, dass Baudrillard sich zugleich mit aktuellen Phänomenen und mit nahezu metaphysischen Überlegungen befasst, dass er Kritik und Affirmation verschwimmen lässt, abwechselnd konkret und paradox schreibt und ein diskontinuierliches Theoretisieren betreibt.

Die vorliegende Einführung soll Transparenz erzeugen, obwohl deren Abwesenheit manchmal gerade das Anliegen des Autors selbst zu sein scheint, wenn er etwa formuliert:

»Der Zweck meines Schreibens besteht vielleicht darin, einen leeren Raum zu erzeugen. […] So einen leeren Raum entstehen zu lassen, der aber schwer von Virtualität wie ein schwarzes Loch wäre, das ist mein Versuch. […] Mein Ziel also ist es, einen kleinen, aber undurchdringlichen Punkt des Nicht-Kommunizierbaren, des Undurchsichtigen oder des Fatalen zu erzeugen, kleine Klumpen solcher fatalen Strategien zu inszenieren. Damit kann jeder anfangen, was er will. Über den Einfluß meiner Gedanken habe ich keine klare Kenntnis, obgleich ich sehr neugierig bin zu erfahren, was daraus entsteht.« (VuV 91)

Trotz dieser von Baudrillard selbst erteilten und von Kritikern oft verfemten scheinbaren Deutungsfreiheit ist es möglich, einen roten Faden – manchmal eher ein Fadennetz – in seinem Denken zu entdecken, ohne seiner besonderen Auffassung von Textinterpretation nichts weiter als Verwirrung abzuringen. Aber auch die Verwirrung – und das macht sowohl die Schwierigkeit als auch den Reiz der Baudrillard-Lektüre aus – kann sich als Träger von Bedeutung entpuppen.

Ein Autor, der dem Interpreten provokativ die völlige Freiheit in der Deutung seines Werkes ermöglicht, stürzt ihn damit absichtlich in das Dilemma der Vieldeutigkeit, für die er selbst keinen Kompass hinterlässt, der dort Orientierung bieten könnte.

Aufgrund dieser Eigenheit bietet es sich an, die Schreibweise Baudrillards aus einer Perspektive zu betrachten, die der Schriftsteller und Literaturkritiker Hanns-Josef Ortheil für die Analyse der Literatur des kybernetischen Zeitalters und des postmodernen Romans anlegt: »Es geht hier um die Komplizenschaft, nicht um Ästhetik. Der Leser wird zum intellektuellen Komplizen des Autors.« (Ortheil 1990, 107)

Damit die Komplizenschaft in dieser Einführung aber nicht in ein simples Fortführen der zum Teil kryptischen baudrillardschen Schreibweise mündet, habe ich mich für eine Struktur entschieden, die das grundsätzliche Kreisen Baudrillards um die immer gleichen gesellschaftlichen Phänomene entzerren soll, indem die wesentlichen Begriffskomplexe seines Werkes als Kernstücke bestimmter Texte aufgefasst und erläutert werden. Der Versuch, vereinfachend Klarheit zu erzeugen, soll dabei nicht durch die Andeutung allzu vieler neuer Bezüge und Entwicklungslinien zunichte gemacht werden.

Eine potenzielle Kritik am Autor muss dabei zuallererst entkräftet werden: Auch wenn Baudrillards Schreibduktus zu dieser Einschätzung verleitet, lässt er sich auf keinen Fall mit dem Begriff abqualifizieren, den der Berliner Germanist Klaus Laermann in seiner Polemik als »Frankolatrie« bezeichnet. Darunter sei eine Schreibweise zu verstehen, die sich in verwirrender Rhetorik, hohlem Wortzauber und dem »gesteigerten Bedürfnis nach Abweichung von den Diskursen der Alltagssprache und der Wissenschaftssprache« (Laermann 1986, 37) ergeht und die einfach nicht verstanden werden will. »Dieser artistische Minimal-Derridadaismus schafft spielerisch den Übergang von Brillanz zu Brillantine. Wortstrotzend gefällt er sich in dunklen Anmutungen. Seine reine Oberfläche strahlt als Tiefe. Sein Rätsel ist, daß er keins hat, wohl aber gern eines aufgeben möchte. Denn er verschwimmt in Begriffsschlieren, die nichts mehr bedeuten.« (Laermann 1986, 39)

Es empfiehlt sich, bei der Beschäftigung mit Texten von Baudrillard apodiktische Interpretationen und unumstößliche Schlussfolgerungen zu vermeiden. Das Rätsel Baudrillards kann – wenn man seinen Ansprüchen gerecht werden will – nicht bedingungsloser Transparenz geopfert werden. Vielmehr erscheint es mir sinnvoll, seine Spuren aus der Distanz nachzuzeichnen, auch wenn sie bei dem Versuch, ihnen zu folgen, zwangsläufig immer wieder verwischt werden.

Ziel dieser Einführung ist es, eine Hermeneutik zu betreiben, das heißt, die von Baudrillard aufgeworfenen Bruchlinien nachzuziehen, ohne sie zu platter Folgerichtigkeit zu nivellieren. Der Methode Baudrillards und der schwer zugänglichen Frage, was er tut, wenn er theoretisiert, und ob der Begriff der Theorie überhaupt zutreffend für Baudrillards Denken und Schreiben ist, also einer Metaebene der Kritik, ist ein besonderes Kapitel gewidmet.

Wenn man versucht, eine Deutung Jean Baudrillards vorzunehmen, erliegt man leicht der Versuchung, den sich oft geschickt einer Einordnung widersetzenden Autor von einem relativ starren Standpunkt aus ins Visier zu nehmen, womit man ihm jedoch keinesfalls gerecht wird. Die Entscheidung darüber zum Beispiel, ob Baudrillard ein Zyniker oder eben keiner ist, kann nur von einem »moralischen« Standpunkt aus getroffen werden. Dieser ist aber für eine erhellende Auseinandersetzung ebenso kontraproduktiv wie eine Argumentationsebene des »gesunden Menschenverstandes«.

Um Baudrillard zu orten, ist es viel eher ratsam, sich zwischen den von ihm selbst eingenommenen Positionen der agnostischen Gleichgültigkeit und des Vergnügens über die Banalität der Alltagskultur zu bewegen. Die Lektüre Baudrillards macht diese besondere Lesart erforderlich, weil er, nachdem die großen Erzählungen der Moderne obsolet geworden sind, die fiktionalisierte Theorie an ihre Stelle setzt, die bisweilen in einen nahezu katastrophischen Diskurs mündet, der sich nicht aus einer einzigen Perspektive erfassen lässt. Baudrillards Eigenheit besteht grundsätzlich in einer gewissen Referenzlosigkeit der Schreibweise, die einer Verweigerung gegenüber herkömmlichen ideologischen Dichotomien gleichkommt. Für die Beschäftigung mit dem Universum Jean Baudrillards ist es daher sinnvoll, einen Interpretationsmodus zu wählen, der mit jeder Art von verbissen kohärenter Hermeneutik äußerst sparsam umgeht.

Mit dieser Methode hat sich bereits Hollywood dem Propheten der Hyperrealität angenähert. Spätestens sein dezenter »Auftritt« 1999 im ersten Teil der Matrix-Trilogie der Wachowski-Geschwister hat Baudrillards mythische Stellung in der Gegenwartskultur zementiert. Zu Beginn des Films sehen wir Keanu Reeves alias Thomas Anderson ein Geschäft mit offenbar illegal beschafften Datenträgern abwickeln. Im Drehbuch heißt es dazu: »Neben seinem Bett liegt ein Buch: Baudrillards . In der Mitte ist ein...


Falko Blask ist Professor für Technikjournalismus an der Georg-Simon-Ohm-Hochschule für angewandte Wissenschaft in Nürnberg.



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