E-Book, Deutsch, Band 2, 593 Seiten
Blake Die Judas-Offenbarung
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-98690-336-7
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Thriller | Die dunklen Fälle von Kennedy & Tillman, Band 2 - Mystery-Spannung mit Endzeitatmosphäre
E-Book, Deutsch, Band 2, 593 Seiten
Reihe: Die dunklen Fälle von Kennedy & Tillman
ISBN: 978-3-98690-336-7
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Adam Blake ist das Pseudonym eines internationalen Bestsellerautors. Er lebt in London. Adam Blake veröffentlichte bei dotbooks seine »Tillman und Kennedy«-Reihe mit den Thrillern »Das Judas-Testament« und »Die Judas-Offenbarung«.
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Kapitel 2
Im Innenhof des Britischen Museums wurden die Geräusche rund um Kennedy wie in einem Flüstergewölbe verstärkt, so dass sie das Gefühl hatte, in die Gespräche der anderen Besucher einzutauchen. Und als wäre die Akustik funktionsgestört, hörte sie die direkten Stimmen um sich herum wie gedämpft und verzerrt.
Oder vielleicht hasste sie den Innenhof nur, weil er damals, als sie als Kind mit ihrem Vater hierhergekommen war, ein nach oben offener Hof gewesen war. Sie erinnerte sich, wie sie sich an seine Hand geklammert hatte, während er sie über den von der Sonne beschienenen Platz in die Kathedrale der Vergangenheit geführt hatte – ein Ort, an dem er sich lebendig, glücklich und zu Hause gefühlt und es etwas gegeben hatte, was er ausnahmsweise mit ihr hatte teilen wollen.
Jetzt war der Innenhof, in dessen Mitte sich der ehemalige Lesesaal befand, mit Glasplatten überdacht. Das Licht innerhalb dieses riesigen, verschlossenen Raums war grau wie an einem Winternachmittag kurz vor dem Regen. Das Dach als beeindruckende architektonische Leistung hatte aber auch etwas Perverses. Warum wurde der Himmel verborgen und dann künstlich nachgebildet?
Kennedy setzte sich an eine der drei Bars und begann, die Glasscheiben zu zählen, während sie auf Gassan wartete. Da sie ihn kannte, hatte sie sich formell angezogen – hellblauer Hosenanzug, graue Stiefel – und ihr widerspenstiges blondes Haar in einem Pferdeschwanz gebändigt. Formalität und Ordnung standen auf Emil Gassans Liste der Kardinaltugenden ziemlich weit oben.
Sie sah bereits aus einiger Entfernung, wie er mit der entschlossenen Würde eines Oberkellners durch die große Halle geeilt kam. Allerdings war er weit besser als ein Kellner gekleidet. Sein blauer Dreiteiler mit der unverkennbaren Zickzackstickerei von Enzo Tovare auf der Brusttasche sah neu und unverschämt teuer aus. Seine ausgestreckte Hand eilte ihm und seinen Worten voraus.
»Heather! Schön, dass Sie gekommen sind! Freut mich sehr, Sie wiederzusehen.«
Er sah aus, als meinte er seine Worte ernst, und entwaffnete Kennedy mit seinem strahlenden Lächeln. Sie reichte ihm die Hand, die er umschlang und überschwänglich schüttelte. »Professor«, begann sie, kapitulierte dann aber, »Emil. Es ist lange her. Ich hatte ja keine Ahnung, dass Sie in London arbeiten.«
Keine Ahnung sagten auch seine ausgebreiteten Arme. »Ich auch nicht! Jedenfalls nicht bis letzte Woche. Ich habe bis jetzt oben in St. Andrews frühe mittelalterliche Geschichte unterrichtet. Aber man hat mich abgeworben.«
»Innerhalb einer Woche?« Kennedy war so skeptisch, wie er sie haben wollte.
»Innerhalb eines Tages! Der Museumsvorstand rief mich an und fragte, ob ich mich um die Magazinbestände kümmern wolle. Na ja, eigentlich hat mich der Vorstand nicht direkt angerufen, sondern Marilyn Milton von Validus Trust, einer unabhängigen Trägerschaft, die meine Forschungen in den letzten beiden Jahren unterstützt hat. Validus Trust unterstützt auch das Britische Museum und die Britische Bibliothek in großem Stil. Sie wissen ja, dass sie ein und dieselbe Institution waren, bis die Bibliothek 1997 verlegt wurde.«
Kennedy zuckte unverbindlich mit den Schultern. Sie war sich nicht sicher, ob sie dies gewusst hatte oder nicht, doch sie wollte Gassan nicht zu weiteren Erklärungen ermuntern.
»Jedenfalls wurde eine Stelle frei«, fuhr er fort. »Aufgrund tragischer Umstände, wie ich leider sagen muss. Der vorherige Amtsinhaber Karyl Leopold hatte einen schweren Schlaganfall. Und Marilyn rief mich an, um mir mitzuteilen, ich solle mich ruhig bewerben – und versprach, den Bewerbungsausschuss wissen zu lassen, dass ich der bevorzugte Kandidat von Validus wäre. Ich wollte ablehnen. Mitten im Semester zu gehen macht alles ziemlich kompliziert. Doch am Ende wollte mich der Museumsvorstand unbedingt haben, so dass sogar mit der Universität ein Sondervertrag ausgehandelt wurde. Die Uni hat einen Dozenten als Ersatz eingestellt, bis ich ... nein, nein, bleiben Sie sitzen.« Kennedy war aufgestanden, um Kaffee zu besorgen und Gassans Wortschwall zu unterbrechen. Doch Gassan wehrte ab, eilte selbst zum Tresen und kam mit einem Tablett mit zwei Stückchen Karottenkuchen und zwei Kaffees zurück. Offenbar wollte er mit ihr eine Wiedersehensfeier veranstalten. Kennedy würde ihn also ausreden lassen müssen, bevor sie den Grund ihres Treffens erfahren würde.
»Äh, Sie sind also zuständig für ... was noch mal?«, fragte sie.
»Die Magazinbestände.«
»Und das ist was genau, Emil?«
»Alles«, antwortete Gassan fröhlich. »Das heißt, fast alles. Alles bis auf das, was nicht in der Ausstellung zu sehen ist. Sie können sich sicher vorstellen, dass die Sammlung des Britischen Museums riesig ist. Der Teil, den die Öffentlichkeit zu sehen bekommt, macht etwa ein Prozent des gesamten Bestands aus.«
Kennedy schreckte höflich zurück. »Ein Prozent?«
»Zählen Sie mal nach«, forderte Gassan sie spielerisch auf, während er den Daumen zum Zählen nach oben hielt. »Eins. Der Rest der Sammlung verteilt sich auf zwanzigtausend Quadratmeter Lagerräume. Die Aufbewahrung und Lagerung kosten das Museum jährlich zwölf Millionen Pfund.«
Kennedy nahm einen Schluck von ihrem Kaffee, widerstand aber dem verräterischen Duft des Kuchens. Als sie noch bei der Polizei gearbeitet hatte, war sie dank des Stresses und der körperlichen Strapazen schlank gewesen, egal, was sie gegessen oder getrunken hatte. Seitdem hatte sie gelernt, Verzicht zu üben. »Darauf müssen Sie aber sehr stolz sein«, sagte sie. »Dass man sich so um Sie bemüht hat.«
Der Professor zeigte eine pantomimische Abfolge aus Achselzucken und Augenverdrehen, die falsche Bescheidenheit ausdrücken sollte. »In vielerlei Hinsicht fühlt sich das wie ein Höhepunkt an«, gab er zu. »Ich hatte immer den Eindruck, dass der Unterricht eine Verschwendung meiner Fähigkeiten war. Jetzt ist es mir gestattet zu publizieren, und ich werde sogar dazu ermutigt, habe aber keine öffentlichen Pflichten mehr.«
Kennedy dachte darüber nach und erinnerte sich an das, was sie Izzy über die Bereiche in der Hölle gesagt hatte. Der Gedanke, ihr Leben in einem unterirdischen Gewölbe zu verbringen, ohne einen Grund zu haben hinauszutreten, ließ Izzys endlose, schmutzige Tretmühle wie das Paradies auf Erden aussehen.
Gassan hatte gerade den Mund voller Kuchen, so dass Kennedy eine Frage anbringen konnte. »Und welche Rolle werde ich in dieser Geschichte einnehmen?«
Gassan bemühte sich, den Kuchen rasch hinunterzuschlucken. »Es gab einen Einbruch«, antwortete er schließlich, während er sich penibel die Unterlippe mit der Ecke seiner Serviette abwischte. »Vor einem Monat. In der Nacht von Montag auf Dienstag, den 25. Juli.«
»Im Magazin?«, fragte Kennedy nach. »Nicht im Museum selbst?«
Gassan nickte nachdrücklich. »In die Magazinbestände, ja – die jetzt mir unterstehen. Die Einbrecher waren sehr erfahren. Sie gingen rein und raus, ohne Alarm auszulösen.«
»Und woran hat man gemerkt, dass eingebrochen wurde?«, hakte Kennedy nach. »Moment, lassen Sie mich raten: an den Lücken in den Regalen.«
»O nein«, versicherte ihr Gassan. »Und so weit wir sagen können, fehlt nichts. Nein, das fanden wir einige Stunden nach dem Vorfall heraus. Die Sache ist ziemlich beunruhigend. Der Eindringling ließ ein Messer zurück. Es lag einfach auf dem Boden und wurde am nächsten Morgen von einem der Sicherheitsleute gefunden. Und es schien benutzt worden zu sein. Zumindest war Blut an der Klinge. Danach wurde das Museum nach Beweisen durchsucht, und eine der Überwachungskameras zeigte einen Eindringling, der durch die Verkleidung einer abgehängten Decke verschwand.«
»Moment mal«, warf Kennedy ein. »Um das klarzustellen: Wir haben einen Einbruch, bei dem nichts gestohlen, und ein Messer, mit dem niemand verletzt wurde?«
»Also, wir gehen davon aus, dass jemand verletzt wurde. Andererseits gibt es – Gott bewahre! – am Tatort keine Leiche, und wir wissen nicht, wer verletzt wurde oder wie dies passiert ist. Das ist äußerst beunruhigend. Und wir hatten große Mühe, die Angelegenheit vor der Presse geheim zu halten. Eine solche Geschichte wäre eine Sensation.«
»Ja, das kann ich mir vorstellen«, stimmte Kennedy zu. »Aber Sie sagen, die Überwachungskameras haben den Einbrecher aufgenommen?«
»Ja, aber er ist maskiert, und mehr als dass er männlich ist und nichts in den Händen hält, lässt sich nicht sagen. Wenn man ihn sich genauer betrachtet, scheint er einen kleinen Rucksack bei sich zu haben, in den aber nicht viel hineinpasst. Und eine kurze Bestandsaufnahme ergab nichts Ungewöhnliches. Allerdings umfasst die Sammlung eine viertel Million Gegenstände, so dass sich nicht sagen lässt, ob etwas fehlt.«
Kennedy dachte kurz nach. Ein erfahrener Einbrecher umgeht eine Reihe wirkungsvoller Schlösser und Alarmvorrichtungen, um in ein Museum einzubrechen, das voller hochwertiger und leicht zu transportierender Gegenstände ist. Doch er bringt nur einen kleinen Rucksack mit, und wenn er etwas geklaut hat, war es so klein und unauffällig, dass man es nicht bemerkt hat. Dies lässt auf eiserne Selbstbeherrschung oder auf eine bestimmte Botschaft schließen. Und dann das Messer mit den Blutflecken. Irgendeine Nachricht? Eine Drohung? Ein schlechter Streich? Eigentlich war Kennedy nur hergekommen, um dem Professor einen Gefallen zu tun und das Geld zu kassieren, doch jetzt war das innere Organ, das für den Instinkt eines Detektivs zuständig war – welches auch immer es sein mochte –, angeregt. Sie hatte Blut geleckt.
»Wie lautet mein Auftrag?«, fragte sie Gassan.
Der Professor hob...




