Bittermann | The Crazy Never Die | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 271 Seiten

Bittermann The Crazy Never Die

Amerikanische Rebellen in der populären Kultur
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-86287-007-3
Verlag: Fuego
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Amerikanische Rebellen in der populären Kultur

E-Book, Deutsch, 271 Seiten

ISBN: 978-3-86287-007-3
Verlag: Fuego
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Biographische Essays über gesellschaftliche Außenseiter, die großen Einfuß auf die Entwicklung der populären Kultur hatten. Sie verkörperten Widerstandsgeist, Provokation und Dissidenz und das alles auf einem extrem hohen Drogenniveau. Sie waren die Jungs, die von den normalen Bürgern Amerikas am liebsten in irgendein Dritteweltland abgeschoben worden wären, um sie für immer los zu sein, weil sie alles repräsentierten, was inakzeptabel war: Gefährliche Individuen, auffälliges Gesindel wie Robert Michum, Exzentriker wie Lenny Bruce, dessen Genuß im Regelverstoß lag, Feinde der Gesellschaft wie Abbie Hoffman, Verrückte, die den sexuellen Exzeß liebten und zelebrierten, Vaterlandslose ohne Familie, Waffennarren wie Hunter S. Thompson, Desserteure aus allen Pflichten, Bohemiens, Spinner und Maniker wie Lester Bangs, Drogenfreaks, Agitatoren, Cowboys wie Kinky Friedman. Wenn es so etwas gab wie 'das andere Amerika', dann waren sie die Protagonisten.

Klaus Bittermann, 1952 geboren, Autor und Verleger, lebt in Berlin. Herausgeber von 26 Anthologien und Beiträger für selbige. Schreibt für die junge Welt, taz und jungle world und seinen Blog: www.bittermann.edition-tiamat.de. Veröffentlichungen u.a.: 'Wie Walser einmal Deutschland verlassen wollte', Berlin 2005. Unter dem Pseudonym Artur Cravan schrieb er eine Krimi-Trilogie: 'Tod in der Schonzeit', 'Fluchtpunkt Berlin', 'Der tödliche Bluff'. Hörbuch: 'Sieben Abschweifungen über Hunter S. Thompson', Berlin 2006. Kinderbuch: 'Der Aufstand der Kuscheltiere. Eine Räuber- und Pistolengeschichte', mit Illustrationen von Rudi Hurzlmeier, Frankfurt 2007

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Autoren/Hrsg.


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Der Egomaniker und die Freiheit der Rede
»Ich bin kein Comedian, ich bin Lenny Bruce«
»Alle Ingredienzen sind vorhanden: der hippe Philosoph, der heilige Junkie, der Kreuzritter gegen die Heuchelei, das Lynchopfer, der Märtyrer für das Recht auf die freie Rede.« Los Angeles Times Mit ihm begann der ganze Schlamassel, mit ihm begannen die Werte des guten alten Amerika eines John Wayne zu bröckeln. Lenny Bruce hat die Amerikaner darüber aufgeklärt, daß sie ein Untenrum haben, er führte das Wort »Fuck« in der Öffentlichkeit ein und konfrontierte die Amerikaner mit ihrer Schizophrenie, denn so gebräuchlich und beliebt das kleine dreckige Wörtchen im amerikanischen Sprachgebrauch war, es war unter Strafe verboten, es auf der Bühne vor Publikum auszusprechen. Seine »Witze unter der Gürtellinie« waren immer wieder Anlaß, ihn vor Gericht zu zerren. Er war »der Komiker der schmutzigen Wörter, der Tabu brechende Gesellschaftskritiker«, der »ganz offen auf seine Jewishness verwies. Jiddische Phrasen, Witze und ein Humor im Kamikaze-Stil, dem sogar der Holocaust als Material diente«, schreibt Steven Lee Beeber. Lenny Bruce, der später in einem Film von Dustin Hoffman gespielt und verewigt wurde, hat eine ganze Generation beeinflußt, die in den fünfziger und sechziger Jahren aufgewachsen ist, denn in einem ähnlich beklemmenden Klima wie in Deutschland war er die Stimme, die gegen die gesellschaftliche Moral schwere Geschütze auffuhr und sie ins Wanken brachte. Lenny Bruce war der kleine dreckige Bastard, der den Amerikanern ihre kleinen dreckigen Geheimnisse verriet, und der dafür von den Eltern gehaßt, von den aufbegehrenden Söhnen und Töchtern geliebt wurde. Ladies and Gentlemen, Lenny Bruce! Lenny Bruce wurde am 13. Oktober 1925 auf Long Island geboren und hieß zunächst Leonard Alfred Schneider. Als er 1948 zum ersten Mal in der Arthur Godfrey Show auftrat hieß er bereits über ein Jahr lang Lenny Bruce. 1945 war er von der Navy ausgemustert worden, weil er Frauenkleider getragen hatte. Vier Navy Offiziere fragten ihn aus: »4. Offizier: ›Genießen Sie es, Frauenkleider zu tragen?‹ Bruce: ›Manchmal.‹ Alle vier: ›Wann ist das der Fall?‹ Bruce: ›Wenn sie passen.‹« Außerdem wollte man herausfinden, ob er homosexuell sei, ein Delikt, aus dem sich ebenfalls ein guter Witz basteln ließ, einer von vielen, der den Leuten im Gedächtnis haften blieb und weshalb man auf ihn aufmerksam wurde: »Ich habe wirklich herausgefunden, was sie mit den Homosexuellen in diesem Land machen. Sie stecken sie zusammen mit anderen Männern ins Gefängnis. Das ist wirklich eine gute Bestrafung.« Und hier wird auch gleich deutlich, daß nicht alle den Witz gut finden würden, denn er bedient Vorurteile und karikiert sie gleichzeitig und bringt die Konservativen genauso auf die Palme wie die Progressiven, die, kaum war der Witz durch die erste Gehirnwindung hindurchgeschlüpft, am liebsten wahrscheinlich gekotzt hätten, jedenfalls wenn man sich nicht gleichzeitig dadurch hätte beruhigen können, daß da nur irgendein unbedeutender Komiker versucht hatte, komisch zu sein. Lenny Bruce trat zunächst in Nachtclubs auf, wo er auf Anraten einer Stripperin und seiner späteren Frau Honey Harlowe schon mal mit nichts außer schwarzen Socken und Schuhen den Conférencier machte und den Mädchen die Show stahl, und er trat in der lokalen Steve Allen TV-Show auf, wo er mit den Worten angekündigt wurde: »Ladies and Gentlemen, hier ist ein sehr schockierender Comedian, der schockierendste Comedian unserer Zeit überhaupt, eine junger Mann, dessen Ruhm gerade in ungeahnte Höhen emporschnellt – Lenny Bruce!« Aber mit diesem jungen Mann gab es leider auch sehr unerfreuliche Probleme, weil Lenny Bruce eine Nummer im Programm hatte über einen Heranwachsenden, der durch Schnüffeln an einem Kleber high wird und sich stolz als der »Louis Pasteur des Junkietums« bezeichnet, und das war ein Affront, denn damals gab es keine Drogen in der heilen Welt des Fernsehens, und auch keine Drogenabhängigen, und drogenabhängige Jugendliche schon gleich gar nicht, was auch kein schlechter Witz war in einer Zeit, als jeder alle möglichen Pillen so selbstverständlich schluckte wie man einen Burger verdrückte und eine Cola hinterherschüttete. Seitdem jedenfalls verlangte man Sicherheiten, man wollte ein genaues Script, in dem alles stand, was Lenny zu sagen vor hatte. Die Time erfand den Begriff »sick comedy«, und Lenny Bruce war der »Hohe Priester der kranken Comedians«. Don DeLillo beschreibt in seinem Roman »Unterwelt« einen Auftritt von Lenny Bruce, der am 24. Oktober 1962 stattfand und das soll hier ausführlich zitiert werden, weil man hier einen ziemlich guten Eindruck von der Show bekommt. 24. Oktober 1962? Genau, das war mitten in der Kuba-Krise, als die Russen atomar bestückte Waffensysteme auf Kuba stationieren wollten. Nie war die Gefahr eines Atomkrieges akuter als in diesen Tagen. »›Gerade wird Norfolk in Virginia evakuiert. Wußtet ihr das? Norfolk. Die riesige Marinebasis, von der die Schiffe in See gestochen sind, um die Blockade zu bilden, Zerstörer und Kreuzer. Alle Bediensteten und alles entbehrliche Personal wird evakuiert. Fragt sich bloß‹, er drehte den Kopf seitwärts, damit er das Publikum schräg ansehen konnte, mit einem gerissenen Touch von Aufgesetztheit, ›wer zieht ein, wenn die ausziehen? Jawohl – das Viertel ist hin. Denn all die unerwünschten Mohren [Mohren? Ich wette, er sagte Nigger] im Umkreis von dreihundert Meilen werden sich diese Häuser untern Nagel reißen und die Immobilienpreise ruinieren, und dann sagt die Navy, scheiß drauf, Mann, was interessieren uns die russischen U-Boote und Frachtschiffe, nehmen wir lieber Norfolk aufs Korn.‹ (...) Im Publikum saßen einige Beatniks, Spätbeatniks in alten, karierten Holzfällerjacken Jahrgang 1950, Männer mit einer gewissen Distanz im Blick, aber immer noch aufmerksam auf jedes wundersame Zeichen achtend, das sich im Kosmos rühren mochte, außerdem eine Frau im Patchworkhemd mit einem Säugling im Tragebeutel, vermutlich das erste und letzte Kleinkind, das je bei Lenny war, aber schließlich war dies San Francisco in der entscheidenden Woche. ›Kennedy tritt vor die Öffentlichkeit, und du hörst die Leute sagen, Ich hab seine Haare gesehen! Oder, Ich hab seine Zähne gesehen! Das ist ein so umwerfender Anblick, daß sie ihn gar nicht verkraften können. Ich hab seine Haare gesehen! Sie verehren schon die heiligen Reliquien, dabei lebt der Knabe noch.‹ Im Kanon der Beatniks hatte Amerikas Verkommenheit die Bombe hervorgebracht. Vielleicht schluckten sie Lennys gespielte Heuchelei und die dazugehörenden Dinge, vielleicht bedauerten sie, daß er wegen Drogen durchsucht und wegen Obszönitäten vor Gericht gestellt worden war, aber der russische Akzent und andere ethnische Motive und Effekte, die aus ihm herausgesprudelt kamen wie Mineralwasser aus einer alten Abfüllfabrik in Canarsie, ließen sie vermutlich völlig kalt. Die gesamte Beat-Welt war von der Bombe überschattet, immer gewesen. Die Beatniks brauchten keine Raketenkrise, um an die Bombe zu denken. Die Bombe war für sie der naheliegendste Bezugspunkt zur moralischen Verwahrlosung Amerikas, zu dem schuldbeladenen Standort von Schornsteinen und Roboterkonzernen, der durch die Mühle von Time Magazine und J. Edgar Hoover gegangen war, zu dem Land, wo in Tausenden regengepeitschten Trucker-Raststätten auf der Jazzprärie die Leute mit gesenktem Kopf über ihrer Tasse Kaffee saßen, heimliche Trotzkisten und traurige Nymphomaninnen mit buddhistischen Muschis – und darüber machte sich Lenny lustig. Lenny war Showgeschäft, er war in Kostüm und Maske, kalt und korrupt, Leichenbestatter und Kabarettist, und die Bombe gehörte zu einer bedrohlichen Werbekampagne, die aus dem Ruder gelaufen war. An diesem Abend trug er eine Nehru-Jacke, eine dunkle Tunika mit hohem Stehkragen, die mal gereinigt und gebügelt werden mußte, und er hatte sich einen weißen Regenmantel um die Schulter gelegt – entweder hatte er vergessen, ihn auszuziehen, oder er war von vornherein schon auf dem Absprung. Er stürzte sich in eine impressionistische Suada. Schwer, ihm zu folgen. Über Gerichtsprozesse, Rechtsanwälte und Richter. Als hörte man jemandem zu, der meinte, er redete mit jemand anders. Dann brach er ab und sagte: ›Liebt mich. Deshalb bin ich hier. Heute abend und jeden Abend. Wenn ihr mich nicht mehr liebt, sterbe ich.‹ Das war noch kein Sketch. Der Sketch kam erst noch. Den hatte er sich ausgedacht, während er im Flugzeug von L.A. auf dem Plastikklo für Pygmäen saß, und neben seinem rechten Auge blinkte ständig eine rote Leuchtschrift Return to seat Return to seat. ›Der Erzengel Gabriel erscheint am Himmel über Havanna. Die Bodyguards wecken Castro, und er sagt zu ihnen, Laßt mich in Ruhe, und sie sagen, Das ist der Bote Gottes, und er steigt in einen Hubschrauber und fliegt da rauf. Der Engel trägt ein weißes Gewand und hält eine flammende Trompete in der Hand, und Castro ist verblüfft, als er sieht, daß Gabriel ein schwarzer Mann ist. Er denkt, Klasse, ein Neger, der sich ausdrücken kann, da reden wir doch gleich mal Tacheles. Er sagt zum Engel, Ich glaube nicht an Gott, aber ich hab mal ‘ne Frage. Auf welcher Seite stehst du in dieser Krise? Und der Engel sagt, Ich sag das nur einmal. Auf der Seite, die Baseball und Jazz hat. Castro sagt, Wir haben Baseball und Jazz. Wir nennen es afrokubanische Musik, und du würdest echt drauf abfahren. Swingt wie nur was. Und Gabriel sagt, Spiel dich hier nicht so auf, du Wichser. Ich...



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