E-Book, Deutsch, 406 Seiten
Bierhoff / Petermann Forschungsmethoden der Psychologie
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-8409-2183-4
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
E-Book, Deutsch, 406 Seiten
ISBN: 978-3-8409-2183-4
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Das Ziel dieses Buches besteht darin, die Vielfalt der Forschungsmethoden der Psychologie in einem Überblick gut nachvollziehbar zu beschreiben und gleichzeitig für Probleme, die bei ihrer Verwendung auftreten, zu sensibilisieren. Methodische Fragen, die sich auf die Forschung der Psychologie beziehen, werden in leicht verständlicher Weise beantwortet. Einerseits wird die wissenschaftstheoretische Basis in einer einfachen Form dargestellt, andererseits werden einzelne Untersuchungstechniken behandelt, die durch konkrete Beispiele und viele Illustrationen erläutert werden. Im Einzelnen geht es um folgende Themen: Wie verläuft der Forschungsprozess aus der Perspektive der Wissenschaftstheorie? Wie werden Begriffe definiert? Wie entstehen Hypothesen und wie kann man sie empirisch überprüfen? Wie lassen sich Daten aus der Längsschnittforschung überzeugend auswerten? Welche Bedeutung hat der Signifikanztest für die psychologische Forschung? Wie werden Forschungsergebnisse dokumentiert und was versteht man unter Metaanalysen? Mit welchen Verfahren werden Daten gewonnen? Welche Bedeutung haben Fragebogen und Testverfahren? Wie ergänzen sich Einstellungs- und Verhaltensforschung? Wie lassen sich Ergebnisse der psychologischen Forschung in der Praxis erfolgreich anwenden? Wie kann die psychologische Forschung den Prozess der Innovation unterstützen? Die Antworten auf diese Fragen bilden die Voraussetzung dafür, grundlegende psychologische Aussagen und ihre Anwendungen sinnvoll einzuordnen und überzeugend zu interpretieren. Diese Einführung in die Forschungsmethoden der Psychologie beinhaltet auch einen Blick hinter die Kulissen von wissenschaftlichen Veröffentlichungen in die Werkstatt der Forschung, ihre Planung, Auswertung und Interpretation. Auf diese Weise wird die quantitative und qualitative Datengewinnung als zentrale Komponente der psychologischen Forschung kritisch hinterfragt und gleichzeitig anschaulich gemacht. Die Inhalte werden durch Abbildungen und Kästen veranschaulicht, Verständnisfragen erleichtern es, das Gelernte zu vertiefen. Verständnisfragen und Lösungshinweise und weitere Informationen für Studierende und Lehrende werden auf der Website psychlehrbuchplus zur Verfügung gestellt.
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Weitere Infos & Material
1;Inhaltsverzeichnis;7
2;Vorwort;13
3;Kapitel 1: Wissenschafts- und erkenntnistheoretische Grundlagen;15
3.1;1.1 Empirische Forschung: Worin liegt die Schwierigkeit und welche Lösung bietet sich an?;16
3.2;1.2 Objektives Wissen und empirische Daten;19
3.3;1.3 Logik der wissenschaftlichen Forschung;22
3.4;1.4 Erklärung versus Prognose;40
3.5;1.5 Sind psychologische Hypothesen und Theorien trivial?;44
3.6;1.6 Beschreibung versus Erklärung;51
3.7;1.7 Szientometrie;55
3.8;Zusammenfassung;60
3.9;Weiterfu?hrende Literatur;61
3.10;Fragen;61
4;Kapitel 2: Forschungsprozess und Forschungsdesign;63
4.1;2.1 Einleitung;64
4.2;2.2 Phasen des Forschungsprozesses;69
4.3;2.3 Untersuchungsdesigns;74
4.4;2.4 Operationalisierung und multipler Operationalismus;86
4.5;2.5 Ethik der Forschung;93
4.6;2.6 Postexperimentelle Aufklärung;96
4.7;2.7 Metaanalyse;97
4.8;2.8 Grundlagenforschung und ihre Anwendung;103
4.9;Zusammenfassung;107
4.10;Weiterfu?hrende Literatur;108
4.11;Fragen;108
5;Kapitel 3: Validität der Forschung;109
5.1;3.1 Begriffsklärungen;110
5.2;3.2 Ist die Messung auf das Merkmal bezogen oder auf das verwendete methodische Verfahren? – Der Mono-Methoden-Bias;112
5.3;3.3 Vier Facetten der Validität: Das umfassende Klassifikationssystem der Fallstricke der empirischen Forschung;117
5.4;3.4 Offene Fragen und kritische Anmerkungen;142
5.5;Zusammenfassung;147
5.6;Weiterfu?hrende Literatur;147
5.7;Fragen;148
6;Kapitel 4: Das Gespräch – Wege zum subjektiven Erleben;149
6.1;4.1 Einleitung;150
6.2;4.2 Interview;151
6.3;4.3 Gesprächsfu?hrung in spezifischen Kontexten;161
6.4;4.4 Anamnese und Exploration;170
6.5;4.5 Interviews im klinischen Kontext;172
6.6;4.6 Gesprächsfu?hrung mit speziellen Zielsetzungen;174
6.7;4.7 Gesprächsgrundlagen und -voraussetzungen;177
6.8;Zusammenfassung;187
6.9;Weiterfu?hrende Literatur;187
6.10;Fragen;188
7;Kapitel 5: Die Beobachtung – Dokumentation von Verhalten;189
7.1;5.1 Einleitung;190
7.2;5.2 Definition und Funktion von Verhaltensbeobachtung;193
7.3;5.3 Systematik der Beobachtung;194
7.4;5.4 Beobachtungsfehler und -verzerrungen;200
7.5;5.5 Vorbereitung, Durchfu?hrung und Beurteilung von Verhaltensbeobachtung;202
7.6;5.6 Gu?tekriterien von Beobachtungsverfahren;212
7.7;5.7 Anwendungsbereiche von Beobachtungsmethoden;213
7.8;Zusammenfassung;220
7.9;Weiterfu?hrende Literatur;221
7.10;Fragen;221
8;Kapitel 6: Biologische Methoden;223
8.1;6.1 Einleitung;224
8.2;6.2 Biologische Methoden in der Psychologie: Einige historische Fakten;227
8.3;6.3 Peripher-psychophysiologische Methoden;228
8.4;6.4 Verhaltensbiologische Methoden;232
8.5;6.5 Neurowissenschaftliche Methoden;243
8.6;Zusammenfassung;251
8.7;Weiterfu?hrende Literatur;253
8.8;Fragen;253
9;Kapitel 7: Einstellung und Verhalten;255
9.1;7.1 Einleitung;256
9.2;7.2 Einstellungsmessung;257
9.3;7.3 Einstellungs-Verhaltens-Relation;272
9.4;Zusammenfassung;289
9.5;Weiterfu?hrende Literatur;290
9.6;Fragen;290
10;Kapitel 8: Empirische Pru?fung von Hypothesen und ausgewählte Versuchspläne;291
10.1;8.1 Einleitung;292
10.2;8.2 Untersuchungsmethoden zur Hypothesenpru?fung: Ein Überblick;293
10.3;8.3 Ausgewählte Versuchspläne;297
10.4;8.4 Hypothesenpru?fung und Replikation;312
10.5;Zusammenfassung;316
10.6;Weiterfu?hrende Literatur;317
10.7;Fragen;317
11;Kapitel 9: Veränderungsmessung und Längsschnittforschung;319
11.1;9.1 Einleitung;320
11.2;9.2 Stabilitäts- und Variabilitätskonzepte;322
11.3;9.3 Querschnitt- und Längsschnittstudien;324
11.4;9.4 Das Messbedeutungsproblem;332
11.5;9.5 Direkte oder indirekte Veränderungsmessung;333
11.6;9.6 Zwillings- und Adoptionsstudien;334
11.7;Zusammenfassung;336
11.8;Weiterfu?hrende Literatur;337
11.9;Fragen;337
12;Kapitel 10: Online-Befragung;339
12.1;10.1 Einleitung;340
12.2;10.2 Kommunikation im Internet: World Wide Web und E-Mail;341
12.3;10.3 Online-Befragungen;344
12.4;10.4 Weitere Anwendungsmöglichkeiten moderner Kommunikationstechnologien;350
12.5;Zusammenfassung;352
12.6;Weiterfu?hrende Literatur;352
12.7;Fragen;352
13;Anhang;353
13.1;Literatur;355
13.2;Glossar;373
13.3;Sachregister;398
bjektives Wissen Als objektiv lässt sich Wissen dann kennzeichnen, wenn es auf Daten beruht, die intersubjektiv überprüfbar sind, und wenn es diese Daten angemessen repräsentiert. Unter intersubjektiver Überprüfbarkeit ist Folgendes zu verstehen: Der Versuchsablauf und die Datenerhebung werden genau und bis ins Detail festgelegt und dokumentiert. Dadurch wird eine 100%ige Replizierbarkeit des Ablaufs gewährleistet. Beobachtungen können von unterschiedlichen Forschern unabhängig voneinander nach dem gleichen standardisierten Schema kodiert werden, sodass ihre besondere Erfassung nicht an einer Person hängt, sondern in unterschiedlichen Forschungseinrichtungen wiederholbar ist. Die intersubjektive Überprüfbarkeit ist dementsprechend hoch.
Der Ausdruck objektives Wissen kann auch so verstanden werden, dass die Wissensinhalte, die als objektiv gekennzeichnet sind, sichere oder wahre Tatbestände darstellen. Es kann durchaus sein, dass solche Tatbestände existieren. Allerdings kann die Forschung sich diesen Tatbeständen immer nur approximativ nähern. In der subjektiven Bewertung der Verlässlichkeit des objektiven Wissens verbleibt immer noch eine Spur der Unsicherheit, da die Forscher ihre Hypothesen nicht endgültig verifizieren können (siehe unten).
Die Urteile von Forscherinnen und Forschern über den Grad der Bewährung einer Hypothese sind immer nur vorläufig. Vielfach wird auch argumentiert, dass sie eine subjektive Komponente enthalten (siehe unten). Diese kommt z. B. darin zum Ausdruck, wie groß die Wahrscheinlichkeit der Hypothese vor der Sammlung neuer Evidenz eingeschätzt wurde. Vernunftbegabte Forscher werden eine bis dato sehr gut bewährte Hypothese nicht vollständig aufgeben, nur weil in einem Labor in Knoxville oder in Klagenfurt eine Studie durchgeführt wurde, die (scheinbar) die Hypothese widerlegt.
Unter Daten versteht man Merkmalsausprägungen auf bestimmten Merkmalsdimensionen, die einer Untersuchungseinheit zugeordnet sind (Mayntz, Holm & Hübner, 1978) . Daten sind also durch das Bezugssystem aus Untersuchungseinheit, Merkmalsdimension und Merkmalsausprägung definiert (vgl . folgenden Kasten) . Daten = Merkmalsausprägungen auf bestimmten Merkmals-dimensionen
Eine Variable kann unterschiedliche Merkmalsausprä-gungen aufweisen
Was sind Daten? Die Merkmalsdimensionen werden durch Variablen abgebildet. Eine Variable ist im Unterschied zu einer Konstanten dadurch gekennzeichnet, dass sie unterschiedliche Merkmalsausprägungen aufweisen kann. Ein Beispiel ist die Messung von Narzissmus, Extraversion und Verträglichkeit bei einer Stichprobe von 100 Studierenden. Für jeden Teilnehmer, der als Untersuchungseinheit fungiert, werden auf den drei Merkmalsdimensionen die Merkmalsausprägungen eingetragen, die sich aus der Beantwortung der Fragebögen zur Messung von Narzissmus, Extraversion und Verträglichkeit ergeben haben. Diese Daten werden üblicherweise in Tabellen dargestellt, in denen z. B. drei Spalten für die drei Merkmale und 100 Zeilen für die Untersuchungseinheiten enthalten sind. Die Bezeichnung „Untersuchungseinheiten“ wurde absichtlich neutral gewählt. Oft sind damit Personen gemeint, es kann sich aber auch um Schimpansen oder Vögel handeln, oder auch Gruppen von Personen oder Wochen eines Jahres bzw. Jahre eines Jahrzehnts.
Letztere werden z.B. in Cross-Temporal-Metaanalysen verwendet (siehe unten). Wenn man die Daten in ein Datenverarbeitungsprogramm wie SPSS eingibt, bilden die Untersuchungseinheiten die Zeilen und die Merkmalsdimensionen die Spalten der Datenmatrix. Die Merkmalsausprägungen der Untersuchungseinheiten auf den Merkmalsdimensionen stehen in den Zellen der Datenmatrix.
Warum wird überhaupt nach objektivem Wissen gesucht? Zum einen spielt die wissenschaftliche Neugier eine große Rolle, also der Wunsch, mehr über die Menschen und die Welt, in der wir leben, zu erfahren . Dem liegt häufig eine Warum-Frage zugrunde .
Ein Beispiel für eine spannende Warum-Frage lautet: Warum kommen Narzissten anfänglich gut bei neuen Gesprächspartnern an, während sie langfristig auf Ablehnung stoßen? Diese Warum-Frage lässt sich in eine Hypothese überführen:
Narzissmus wirkt sich unterschiedlich auf die Frühphase und die spätere Phase einer Beziehung aus: Während hoher Narzissmus (im Vergleich zu niedrigem Narzissmus) in der Frühphase mit hoher sozialer Akzeptanz durch die Gesprächspartner zusammenhängt, ergibt sich in der späteren Phase der umgekehrte Zusammenhang, weil hoher Narzissmus mit geringer sozialer Akzeptanz zusammenhängt.
Diese Hypothese zeigt schon, dass psychologische Hypothesen typischerweise nicht trivial sind, sondern oft wegen ihrer Kreativität aufhorchen lassen (vgl . Kapitel 1 .5) .
Bei der Suche nach objektivem Wissen geht es zum anderen aber auch darum, dass psychologische Erklärungen die Ursachen von individuellen und sozialen Problemen betreffen . Sie gestatten, wenn sie sich empirisch bewähren, Prognosen, die eine potenziell gewinnbringende Anwendung des psychologischen Wissens ermöglichen (siehe unten) .
Im Folgenden wenden wir uns der Forschungslogik zu, die geeignet ist, die Forscher auf dem Weg zu objektivem Wissen über die Welt voranzubringen . Dabei spielen Gesetze eine zentrale Rolle . Unter Gesetzen versteht man die gut bewährten Aussagen einer Wissenschaft . Sie lassen sich als Wenn-dann-Sätze formulieren . Die meisten Aussagen über Wenn-dann-Beziehungen, die aktuell überprüft werden, sind noch nicht so gut bestätigt, dass sie den Status eines Gesetzes einnehmen könnten . Dann spricht man besser von einer Hypothese, für die viel spricht, die aber noch in empirischen Tests weiter geprüft werden muss . So stellt z .B . die Annahme von der globalen Erwärmung eher eine Hypothese als ein Gesetz dar (Silver, 2012) . Genauso lässt sich konstatieren, dass viele Wenn-dann-Aussagen in der Psychologie als Hypothesen betrachtet werden, die in der Forschung schrittweise geprüft werden .