E-Book, Deutsch, Band 2, 432 Seiten
Reihe: Redstone-Reihe
Bichon Wir sind der Sturm
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-641-25182-6
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
E-Book, Deutsch, Band 2, 432 Seiten
Reihe: Redstone-Reihe
ISBN: 978-3-641-25182-6
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Louisa ist fassungslos. Mit Paul war sie so glücklich wie nie zuvor. Mit ihm konnte sie furchtlos und ganz sie selbst sein und das Leben endlich in vollen Zügen genießen. Doch jetzt will er plötzlich nichts mehr mit ihr zu tun haben. Es bricht ihr das Herz, dabei erkennt sie hinter dem Sturm in seinen Augen immer noch Zuneigung. Sie ahnt nicht, dass Paul es kaum ertragen kann, für den größten Schmerz in ihrem Leben verantwortlich zu sein. Gibt es wirklich keine Zukunft für die beiden? Oder müssen sie nur verstehen, dass es zwar viel Mut braucht, die große Liebe zu finden, aber noch mehr Mut, sie festzuhalten?
Das große Finale der Liebesgeschichte von Louisa und Paul
»Sophie Bichon schreibt voller Emotionen und ergreifender Gefühle. In diesen Zeilen stecken so viel Liebe und Poesie, dass ich jedes Wort davon festhalten und nie wieder loslassen will.« josiwismar
@wir_sind_redstone
#WirsindRedstone
Autoren/Hrsg.
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ZWEI WOCHEN SPÄTER
1. KAPITEL
Louisa
Sternenstaub vor tiefem Schwarz war alles, was ich sah, als ich die Augen fest zusammenkniff.
Als hätte ich mich daran verbrannt, hatte ich das Handy wieder zurück in meinen Rucksack gleiten lassen, so weit nach unten wie nur möglich. Doch da war es bereits zu spät gewesen, da hatte ich mit dem Daumen schon auf Senden geklickt. Langsam stieß ich die Luft aus, die ich unbewusst angehalten hatte. Es war nichts Falsches daran, Paul zu schreiben.
Ich wollte unbedingt an etwas anderes denken, als ich die Augen langsam wieder öffnete und meine Finger um den heißen Kaffeebecher vor mir schloss. Ich ließ mich damit tiefer in den weichen Sessel sinken. Die Sonne schien hell durch die beschlagenen Fenster direkt auf den dunklen Holztisch mit der alten Ausgabe von Madame Bovary darauf. Ich hatte sie auf einem Flohmarkt entdeckt und beim ersten Mal Lesen mit beinahe schon unleserlichen Notizen am Rand versehen. Daneben wie immer mein Notizbuch, um die schönsten Wörter und Sätze zu sammeln, denen ich im Laufe des Tages begegnen würde. Vielleicht auch in und zwischen den Zeilen von Emmas Geschichte.
Ich leckte mir den Milchschaum von den Lippen und betrachtete die im Sonnenlicht rot schimmernden Wände und den feinen Staub, der durch die Luft tanzte. Doch keine Sekunde später sprangen meine Gedanken wieder zurück zu der gerade verschickten Nachricht, auf die Paul mir sowieso nicht antworten würde. Genauso, wie er es auch auf all die anderen nicht getan hatte, seit er mich im Krankenhaus einfach gebeten hatte, zu gehen.
Hier im Café zu sitzen und auf Aiden zu warten war fast schon ein Déjà-vu, eine Wiederholung meines zweiten Tages auf dem Campus. Selbst die Tatsache, dass Aiden immer noch nicht aufgetaucht war, obwohl wir schon vor fünfzehn Minuten verabredet gewesen wären. Und gleichzeitig war alles anders. Dieser laue Septembertag, an dem Trish mich gefragt hatte, wann ich im Firefly zu arbeiten anfangen könnte, erschien mir inzwischen unendlich weit weg.
Eine leichte Berührung an der Schulter riss mich aus meinen Gedanken. Aiden. Mit dem Gitarrenkoffer in der einen und einem Kaffee in der anderen Hand stand er vor mir und seine Lippen kräuselten sich zu einem entschuldigenden Lächeln, als er die Gitarre an den grünen Sessel mir gegenüber lehnte, mich kurz an sich drückte und sich dann in die Polster fallen ließ.
»Ich dachte schon, du würdest mich wieder versetzen«, sagte ich und zog bemüht ernst eine Augenbraue hoch, während ich meinen Cappuccino auf dem Tisch abstellte.
»Komm schon, Lou«, grinste Aiden, »als ob ich dich jemals versetzten würde!« Mit einem belustigten Ausdruck in den blauen Augen fuhr er sich durch die ohnehin schon zerzausten blonden Haare. Geschmolzener Schnee glänzte darin. »Hast du das nicht letztens erst gelesen?«, wollte er wissen und deutete auf das Buch, das zwischen uns auf dem Tisch lag.
Amüsiert folgte ich seinem Blick. »Na und?«
Aiden verschränkte die Arme vor der Brust. »Wird das nicht irgendwann langweilig?«
Ich schnaubte: »Wir beide sehen uns gefühlt jeden Tag zusammen Game of Thrones an. Wird das nicht langweilig?«
»Verdammt«, Aiden lachte, »du hast recht: Wird es nicht. Aber es ist eben auch Game of Thrones, also …« Er ließ den Satz in der Luft hängen und zuckte mit den Schultern.
»Beim Lesen ist es genauso. Man kennt die Geschichte zwar irgendwann in- und auswendig, weiß genau, was wann passiert«, erklärte ich dankbar für dieses unverfängliche Gesprächsthema, »aber mit jedem Mal fallen einem mehr von diesen Kleinigkeiten auf. Diese winzigen Puzzleteile, die sich nach und nach zusammensetzen. Wie viel Bedeutung in manchen Stellen steckt, wenn man das Ende erst einmal kennt. Wie perfekt alles ineinandergreift. Deshalb kann ich das gleiche Buch immer und immer wieder lesen!«
In der nächsten Stunde erzählte ich Aiden von einer Buchverfilmung, die auf Netflix gestartet war und die ich mir unbedingt ansehen wollte. Als ich erwähnte, dass es sich bei der Vorlage um einen Liebesroman handelte, stöhnte Aiden auf. Er wusste nur zu gut, dass heute Abend ich dran war, einen Film für uns herauszusuchen. Wir diskutierten über eine Serie, die wir vor wenigen Tagen beide zu Ende geschaut hatten, die Aiden jedoch deutlich besser gefallen hatte als mir. Und über die Prüfungsergebnisse der Midterms, auf die wir alle ungeduldig warteten, obwohl wir sie eigentlich doch nicht wissen wollten. Schließlich erzählte Aiden mir von den Songs, die Goodbye April aus ihrer Gig-Liste gestrichen hatte, weil sie sich als Band weiterentwickelt hatten. Und als ich ihn fragte, wie die Probe heute gelaufen war, erntete ich irgendetwas zwischen Seufzen und Lachen. Scheinbar hatten zwei der Jungs, ohne es zu wissen, etwas mit demselben Mädchen angefangen. Das Ganze war jetzt herausgekommen, und die Situation hatte sich während der Probe immer weiter verschärft, bis die beiden sich erst angebrüllt hatten und dann aufeinander losgegangen waren – Aiden und Landon hatten dazwischengehen müssen.
»Also wirklich geprobt haben wir heute auf jeden Fall nicht«, fügte Aiden hinzu. »Aber immerhin leben noch alle Bandmitglieder.« Er grinste und ließ sich tiefer in den Sessel sinken. »Ich seh das einfach mal als Erfolg an!«
»Dein Optimismus ist wirklich beneidenswert«, erwiderte ich mit einem Lächeln und strich mir meine Locken hinter die Ohren.
»Na ja, jetzt, wo Paul zurück ist, kann ich den Jungs immer noch damit drohen, dass ich ihn mit zu den Proben nehme. Und das wollen sie ganz sicher nicht, weil er das letzte Mal nämlich -«
Ich erstarrte.
Jetzt, wo Paul zurück ist.
Wo Paul zurück ist.
Paul.
Zurück.
Paul.
Aidens Worte hallten in meinem ganzen Körper nach, und ich setzte mich ruckartig auf. Der Kaffee in meiner Hand schwappte über und mein Herz, das für die Dauer dieses Satzes ausgesetzt hatte, begann nun heftiger zu schlagen als zuvor. Madame Bovary und mein Notizbuch segelten zu Boden, als ich mich leicht zu Aiden nach vorn beugte. »Er ist wieder da?«, flüsterte ich.
»Ich … ja«, sagte Aiden sichtlich verwirrt und nickte. »Seit zwei Tagen schon. Ich dachte, das wüsstest du! Verdammt, ich dachte, er hätte dir Bescheid gesagt …« Dann verstummte er und betrachtete mich stirnrunzelnd.
Bei dem Gedanken daran, dass Paul offensichtlich wieder zurück am Redstone College war, sich jedoch bisher kein einziges Mal bei mir gemeldet hatte, machte sich wieder das flaue Gefühl der letzten Tage in mir breit, das ich immer beiseitezuschieben versuchte. Warum hatte er mich einfach fortgeschickt und ignorierte seitdem meine Nachrichten? Die Nachrichten seiner Freundin. Und warum erfuhr ich als Letzte und nicht einmal von ihm persönlich von seiner Rückkehr?
»Ich …«, fing ich zögerlich an und schüttelte langsam den Kopf. »Nein, das wusste ich nicht.« Ein dumpfer Schmerz pochte in mir, während ich die Wörter zu ganzen Sätzen formte. »Ich wusste nicht einmal, dass Paul überhaupt entlassen werden sollte.«
»Er hat sich selbst entlassen«, erklärte Aiden mit dieser steilen Falte zwischen seinen Augen, die ich so selten an ihm sah. »Er meinte, er würde es da drin nicht mehr aushalten, und die Ärzte haben gesagt, dass er gehen kann, solange er es ruhig angehen lässt.«
Genauso wie die leise Musik im Hintergrund wurde auch Aidens Stimme mit jedem Wort leiser, bis ich schließlich mit dem Strudel meiner Gedanken allein war. Umherwirbelnde Erinnerungen, die ich über zwei Wochen lang so gut es ging verdrängt hatte, die jetzt aber unaufhaltsam auf mich niederprasselten.
Paul, der am 24. Dezember nicht auftauchte, obwohl der Tisch bereits gedeckt und das Essen fast fertig war. Der nicht an sein Handy ging, obwohl ich einen verpassten Anruf von ihm hatte. Stattdessen rief Trish mich an, völlig hysterisch. Und ich, die an Ort und Stelle zusammenbrach – nicht laut und schreiend, sondern ganz still und leise. Lähmende Angst um den Mann, den ich liebte. Und dann passierte alles wie in einem Film, viel zu schnell und gleichzeitig viel zu langsam: Mel, die versuchte, aus mir herauszubekommen, was passiert war, und mich dann an der Hand packte und ins New Forreston Hospital fuhr. Aiden, der plötzlich die Ruhe selbst war mit genug Energie, um Trish und mich zu beruhigen. Doch an die alles verbrennende Panik in mir war er nicht herangekommen. Nicht schon wieder, bitte nicht. Bitte nicht Paul. Der einzige flehende und durch meine Venen treibende Gedanke, als wir durch die Flure des Krankenhauses liefen und niemand uns etwas sagen konnte. Seine Eltern, die nicht auftauchten. Aiden in der Mitte, Trish und ich links und rechts von ihm. Seine Arme um uns und wir drei ein Knoten aus beruhigenden Berührungen. Weil Drei eine ungerade Zahl und Paul unsere Vier war.
Menschen in Weiß und alles monoton, jede Stimme und jeder Satz. Er ist jetzt wach, hieß es irgendwann. Seine Eltern sind auf dem Weg, hieß es auch. Endlich durften wir zu ihm. Sein Vater wirkte einfach nur gereizt. Seine Mutter war völlig versteinert. Dazwischen Luca mit verquollenen Augen, der sich kein einziges Mal beschwerte, als Trish ihn Kleiner nannte, obwohl er sie deutlich überragte. Der mich in seine Arme zog, mich mein Gesicht an seine Schulter pressen ließ. Dass er Paul in...