E-Book, Deutsch
Bern Die Farben des Windes
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-96087-910-7
Verlag: dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch
ISBN: 978-3-96087-910-7
Verlag: dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Zwischen Vergangenheit und Gegenwart, auf der Suche nach dem großen Glück …
Der berührende Liebesroman vor der traumhaften Kulisse Kanadas
Rebecca Maywood führt ein beschauliches Leben in der kanadischen Kleinstadt Wolfberry. Eigentlich hat sie alles, was sie braucht, doch ihre Eltern haben eine andere Vorstellung vom Leben und drängen sie zu einem Medizinstudium. Als sie in der Bibliothek auf Noah trifft, fühlt sie sich das erste Mal verstanden. Noah stammt von den Native Americans ab, wuchs aber nicht bei seinem Volk auf, sondern wurde in Kanada von der Familie Mikaels aufgezogen. Obwohl Rebeccas Eltern strikt gegen die Freundschaft sind, treffen sich die beiden immer öfter. Als ihre Familie schließlich dahinterkommt und ihre Beziehung zu Noah missbilligt, flieht Rebecca zu ihrer Großtante Clara. Doch anstatt Ruhe zu finden, erfährt sie von einem Geheimnis, das alles verändert. Denn es gab schon einmal jemanden, der sich dem indigenen Volk nah fühlte …
Erste Leserstimmen
„Eine – vor allem durch die historischen Hintergründe – sehr bewegende Liebesgeschichte, an die ich noch lange denken werde!“
„Die junge Liebe zwischen Rebecca und Noah ist unglaublich authentisch und mitfühlend beschrieben.“
„Mitreißend, romantisch und in eine andere Welt entführend – große Empfehlung!“
„fesselndes und sehr gut recherchiertes Familiengeheimnis“
Tanja Bern lebt mit ihrer Familie in Gelsenkirchen und ist dem Ruhrgebiet immer treu geblieben. Durch eine starke Verbundenheit zur Natur und die Liebe für mystische Geschichten entstand bei ihr schon früh das Bedürfnis zu schreiben. Sie liebt die nördlich gelegenen Länder und verweilt gerne am Meer oder im Wald, was sich in ihren Romanen widerspiegelt. Ihr Debüt wurde 2008 veröffentlicht und seitdem arbeitet die Autorin in unterschiedlichen Genres. Die Romance ist dabei ein fester Bestandteil ihrer Bücher. Tanja Bern ist ein sehr intuitiver Mensch, der gerne liest, sich um Tiere kümmert oder ihre Ruhe im Yoga sucht. Schreiben ist und bleibt ihre große Leidenschaft.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1
Entfernter Donner grollt über die Ebene. Der Himmel über dem Waldrand hat sich in ein dunkelgraues Ungetüm verwandelt. Regen prasselt an mein Fenster, und durch die nasse Scheibe wirkt die Umgebung von Wolfberry leicht verschwommen.
Ich beobachte, wie meine Mutter ins Haus eilt, den Schirm schützend vor sich haltend, weil der Wind ihr die Nässe regelrecht ins Gesicht bläst. Als sie unter das Vordach läuft, verliere ich sie aus den Augen.
Ich werfe einen Blick auf meinen Schreibtisch, wo die Unterlagen der Universität von Calgary liegen. Wüsste mein Vater, dass ich sie noch nicht einmal ausgefüllt habe …
Mit einem Seufzen wende ich mich ab, gehe zu meiner Schminkkommode, die einst meiner Tante gehört hat. Ich setze mich auf den Stuhl davor, zeichne mit dem Zeigefinger die Verschnörkelungen im Holz nach. Um mich abzulenken, sortiere ich meine Pastellnagellacke, puste den Staub von der Ablage, schiebe mein Schminktäschchen von einer Seite zur anderen, weil ich dafür einfach nie einen Platz finde, an dem es mich nicht stört. Denn ich nutze die Kommode nur selten, um mich aufzuhübschen. Eigentlich fertige ich hier Traumfänger und Schmuck an.
Ich schrecke auf, als ich höre, wie jemand die Treppe hochkommt. Rasch klaube ich die Dokumente der Universität zusammen, verberge sie in einer Schublade meines Schreibtisches, der vor Lernbüchern überquillt.
Ich lausche in Richtung Korridor, doch meine Mutter geht an meinem Zimmer vorbei. Ich erkenne sie an ihren klackernden High Heels. Mir entschlüpft ein erleichtertes Aufatmen, und ich gehe zurück an die Kommode.
Meine Eltern wollen, dass ich Ärztin werde, am besten eine preisgekrönte Chirurgin. Unwillig schnaufe ich auf. Niemand hat gefragt, was eigentlich möchte.
Ich werfe einen Blick in den Spiegel vor mir. Mein unglücklicher Gesichtsausdruck betrübt mich noch mehr.
Obwohl es immer noch regnet, bahnt sich die Sonne einen Weg bis in mein Zimmer. Mein glattes Haar leuchtet in Kupfergold auf, für einen Moment scheint sogar das Grün meiner Augen intensiviert zu sein.
Ich schaue hinaus, erkenne schemenhaft einen Regenbogen, der sich über das Feld zieht. Als ich nun erneut in den Spiegel sehe, zeichnet sich ein feines Lächeln auf meinen Lippen ab.
Ich stehe auf und öffne das Fenster. Der Duft des nahen Waldes umweht mich. Tief schöpfe ich Atem, um die frische Luft aufzunehmen. Mit geschlossenen Lidern genieße ich die Gerüche, träume davon, zwischen den hohen Bäumen zu stehen.
Ich höre, wie jemand ohne anzuklopfen die Tür aufreißt und wirble herum.
„Hey, Rebecca, kommst du nachher mit in die Bibliothek? Ich soll dich von Mom fragen. Sie sagt, du musst dort noch Bücher abgeben.“ Mein Bruder George sieht mich abwartend an, er ist zwei Jahre jünger als ich.
Ich beäuge den Bücherstapel auf meinem Schreibtisch. „Ja, das muss ich wohl.“
„Ich geh so in einer Stunde. Komm mit oder nicht.“
„Ich komm dann runter.“
Er zieht die Tür mit einem lauten Geräusch zu und poltert die Stufen zu Küche und Wohnzimmer hinunter.
Für Wolfberry haben wir ein recht großes Anwesen. Meine Familie bewohnt ein zweistöckiges Haus mit großem Gartengrundstück, das mein Vater zu einem japanischen Ziergarten gestaltet hat. Etwas, das in einer kanadischen Kleinstadt schon außergewöhnlich ist. Meine Eltern lieben es aufzufallen.
Hier im oberen Bereich haben mein Bruder und ich unsere Zimmer. Das Schlafzimmer meiner Eltern ist am Ende des Flurs.
Missmutig sehe ich auf die Schublade, in der ich die Aufnahmepapiere der Uni verborgen habe. Ich könnte sie endlich ausfüllen, würde sich nicht alles in mir dagegen sträuben. Stattdessen schließe ich das Fenster, gehe erneut zu meiner Schminkkommode und hole die unvollständige Kette hervor, die ich gestern Abend noch nicht fertigstellen konnte.
Geduldig ziehe ich türkisfarbene Perlen auf, den Abschluss bildet ein einfacher Verschluss, den ich geschickt mit Ösen an dem Lederband befestige. Ich lege mir den Anhänger auf die Handfläche. Eine kleine Eule schaut mich an. Ihre Augen bestehen aus dunklen Kristallen. Links und rechts wird der Vogel von zwei länglichen Silberfedern eingerahmt, an die sich die Perlen reihen.
Oft verschenke ich meinen Schmuck, ich verkaufe ihn allerdings auch an Freunde und Bekannte, um mir etwas dazuzuverdienen. Die Traumfänger hingegen mache ich auf Bestellung. Die Leute hier in der Gegend mögen die hübsche Dekoration, die ich für sie nach ihren Wünschen herstelle.
Diese Eulenkette fühlt sich besonders an. Kurzerhand lege ich mir den Schmuck selbst um den Hals und betrachte mich im Spiegel. Zart streiche ich über den kleinen Vogel.
„Ja, da gehörst du hin“, flüstere ich.
Ich überlege, ob ich meine Sommersprossen mit Make-up abdecken soll, damit mich mein Bruder deswegen nicht wieder aufzieht, aber ich lasse es sein. Soll er doch darüber witzeln. Ich habe zumindest nicht die Knollennase unseres Vaters geerbt wie er.
Die eine Stunde vergeht rasch, und ich schaffe es gerade noch, mich umzuziehen, denn ich würde ungern mit Jogginghose in die City gehen.
Als ich die Treppe in den unteren Wohnbereich herunterkomme, wartet George schon auf mich. Ich werfe einen Blick in unser elegantes Wohnzimmer, das mit der offenen Küche aus weißem Holz verbunden ist. Mein Vater ist noch nicht zu Hause. Wäre es anders, hätte ich ihn zuerst begrüßen müssen. Niemand begeht den Frevel, ihn zu übergehen.
„Ist Mom noch oben im Schlafzimmer?“, fragt mich mein Bruder und zieht sich eine leichte Jacke über.
„Ich glaube schon. Zumindest habe ich nicht gehört, dass sie runtergegangen ist.“
„Nimmt wahrscheinlich ein Bad. Ihr Arbeitstag war wohl ziemlich übel.“
Das verheißt nichts Gutes.
Meine Eltern haben hinter ihrem Schlafzimmer ein eigenes Bad, das George und ich nicht benutzen dürfen. Es ist sozusagen der heilige Bereich meiner Mutter, in dem man sie auf keinen Fall stören darf.
„Kommst du jetzt endlich?“, murrt mein Bruder und hat schon die Hand an der Türklinke.
„Jaah.“
Ich schlüpfe in meine Sneakers, da geht die Tür auf. George kann gerade noch zurücktreten.
„Was steht ihr denn hier im Eingang rum?“, fragt unser Vater in genervtem Ton. Er drängelt sich an meinem Bruder vorbei, um seine Aktentasche abzustellen.
„Hallo Dad.“ Ich stelle mich auf die Zehenspitzen, um ihm einen Kuss auf die Wange zu hauchen. „Entschuldige, wir wollen zur Bücherei.“
Er nickt und wendet sich George zu, der ihn ähnlich wie ich begrüßt. Auf Vaters Gesicht stiehlt sich ein Lächeln. Er wuschelt ihm durch das braune Haar. „Dann viel Spaß euch beiden. Ist eure Mutter schon da?“
„Ist oben im Bad“, antwortet mein Bruder.
„Oha. Dann gibt es wohl später Abendessen.“
„Soll ich dir was vom Imbiss mitbringen?“, frage ich, obwohl ich die Antwort bereits kenne.
„Du könntest vielleicht mal lernen, vernünftig zu kochen. Aber wenn ich mir den Stapel Bücher ansehe, der wahrscheinlich schon überfällig ist, geh besser in die Bibliothek.“
Ich möchte ihm sagen, dass ich bereits kochen kann, doch ich halte mich zurück. Gegen die Kochkünste meiner Mutter komme ich nicht an. Sie zaubert die ausgefallensten Gerichte, immer perfekt dekoriert, und verbringt manchmal Stunden in der Küche.
„Komm jetzt!“ George packt mich am Arm und zieht mich nach draußen.
„Bist du verabredet, oder warum hast du es so eilig?“ Sonst ist immer er derjenige, der alle Zeit der Welt zu haben scheint.
„Kann sein.“
Also wird er mir nichts Näheres verraten.
Ich schließe die Haustür, denn mein Vater ist schon längst nicht mehr im Korridor. Im Schnellschritt gehen wir die Straße rauf, bis wir zu einer Kreuzung kommen, an der wir uns nach rechts wenden.
Das Wetter hat sich zum Glück gebessert. Der Himmel ist zwar noch bedeckt, aber zwischenzeitlich lässt sich sogar die Sonne blicken. Die Pfützen schimmern silbern auf dem teils rissigen Asphalt. Die Straßen in Wolfberry sind nur mäßig befahren, und das Überqueren ist recht problemlos. Wir gehen an niedrigen Einfamilienhäusern vorbei, die ausschließlich mit Holz verkleidet wurden. Manche sind in Pastelltönen gestrichen, andere sind weiß wie unseres.
Wir lassen den Supermarkt hinter uns und biegen an der eher unscheinbaren Kirche in die City ein. Es gibt eine Einkaufspassage mit kleinen Shops, Cafés und einer Bar, die erst um zwanzig Uhr öffnet. Den Mittelpunkt bildet die große Bibliothek. Das alleinstehende Bauwerk überragt alle anderen Häuser. Durch den Vorbau, der mit Säulen gestützt ist, und die verzierten Giebel wirkt die Bücherei wie das Sommerhaus einer Königin.
George hastet regelrecht hinein und lässt mich zurück. Er scheint wirklich verabredet zu sein.
Ich betrete langsam das Gebäude. Kühle umfängt mich, und ich fröstle leicht. Der Duft der Bücher strömt mir entgegen, erinnert mich für einen Moment an all die Stunden, die ich hier lernend verbracht habe, um meinen Abschluss zu schaffen. Das unangenehme Gefühl schiebe ich beiseite, denn ich freue mich darauf, in den Büchern stöbern zu dürfen.
An der Abgabe wartet Ms Douglas schon auf mich. Sie ist eine liebenswürdige Dame, die geduldig alle Bücher kontrolliert, sie abscannt und in ihrem PC nachprüft, ob noch Gebühren fällig sind.
„Oh, Liebes …“, sagt sie bedauernd.
Ich senke den Blick, kaue nervös auf meiner Unterlippe herum. „Ja, ich weiß“, erwidere ich leise.
In diesem Augenblick bin ich froh, dass hinter mir nicht so viele Leute stehen, denn ich muss Mahngebühren...




