Berger | Lore-Roman 202 | E-Book | www2.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 202, 64 Seiten

Reihe: Lore-Roman

Berger Lore-Roman 202

Von allen verachtet
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-7517-7734-6
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Von allen verachtet

E-Book, Deutsch, Band 202, 64 Seiten

Reihe: Lore-Roman

ISBN: 978-3-7517-7734-6
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Eva Blomquist tritt ihre neue Stellung auf dem imposanten Noltehof an. Hier soll sie als Gutssekretärin arbeiten. Fred Nolte, der impulsive Gutsherr, weckt in ihr ebenso Bewunderung wie Unbehagen. Ein Mann voller Widersprüche - herzlich und herrisch zugleich, angesehen und doch im Dorf von vielen gemieden. Während Eva versucht, sich in ihrem neuen Leben zurechtzufinden, zieht sie das dunkle Geheimnis des Hofes immer tiefer in seinen Bann. Als ein dramatisches Ereignis alles ins Chaos stürzt, muss Eva entscheiden: Bleibt sie - oder wird sie fliehen?

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Von allen verachtet

Eine Frau trifft eine schwere Entscheidung

Von Eva Berger

Eva Blomquist tritt ihre neue Stellung auf dem imposanten Noltehof an. Hier soll sie als Gutssekretärin arbeiten. Fred Nolte, der impulsive Gutsherr, weckt in ihr ebenso Bewunderung wie Unbehagen. Ein Mann voller Widersprüche – herzlich und herrisch zugleich, angesehen und doch im Dorf von vielen gemieden. Während Eva versucht, sich in ihrem neuen Leben zurechtzufinden, zieht sie das dunkle Geheimnis des Hofes immer tiefer in seinen Bann. Als ein dramatisches Ereignis alles ins Chaos stürzt, muss Eva entscheiden: Bleibt sie – oder wird sie fliehen?

Eva Blomquist stellte ihre beiden schweren Koffer auf die Straße.

Gewiss gab es auf dem kleinen Bahnhof keine Gepäckaufbewahrung. Was sollte sie bloß tun? Sie konnte die schweren Koffer doch unmöglich nach dem Dorf schleppen. Ob ihr Telegramm, das ihre Ankunft angekündigt hatte, nicht rechtzeitig angekommen war?

Unwillkürlich wandte sie sich um, als erwarte sie von irgendeiner Seite Hilfe, und sie schreckte leicht zusammen, als sie hinter sich einen jungen Herrn gewahrte, der sie wohl bereits eine Weile beobachtet haben musste. Um seinen Mund lag ein amüsiertes Lächeln. Er trug einen leichten Wollmantel über dem Arm. Neben ihm stand ein großer, eleganter, schweinslederner Koffer.

»Auch versetzt?«, fragte er munter.

»Ja«, musste Eva notgedrungen zugeben und lächelte ebenfalls.

Im nächsten Moment wurde eine große Staubwolke sichtbar. Und wenig später schon hielt ein schwerer Tourenwagen neben Eva und dem fremden Herrn. Heraus sprang ein Mensch, dem man ansah, dass er vor nicht langer Zeit noch auf dem Acker gearbeitet hatte.

»Herr Klasen, entschuldigen Sie vielmals, aber der Motor ...« Er stotterte die Worte in einem breiten ländlichen Dialekt hervor.

Ralf Klasen winkte gelassen ab.

»Schon gut, Fritz, ich bin ja während der kurzen Wartezeit nicht erfroren und habe mich auch nicht gelangweilt«, sagte er mit einem Blick auf Eva.

Weil sie dem Gespräch gefolgt war, färbte jetzt ein flüchtiges Rot ihre Wangen. Sie tat so, als interessiere sie sich nur für die Landstraße, die, von Apfelbäumen eingerahmt, verlassen dalag.

Während Fritz den eleganten Koffer in den Wagen lud, ging Ralf Klasen auf Eva zu.

»Gnädiges Fräulein, wenn Sie wollen, können Sie mitfahren«, forderte er herzlich auf.

»Das wäre – nett von Ihnen. Ich will nach Asseln.«

»Asseln?«, wiederholte der große Mensch und runzelte die Brauen. Aber bevor Eva noch eine Frage stellen konnte, hatte er bereits einen ihrer schweren Koffer ergriffen und zum Wagen getragen.

»Nach Asseln!«, bestimmte er dann.

Fritz glaubte, sich verhört zu haben.

»Wollen der Herr nicht selbst ...« Er deutete auf das Steuerrad. Er hatte bisher noch nie erlebt, dass sich der gnädige Herr neben ihn setzte, sich fahren ließ. Ralf gab das Steuer niemals unnötig aus den Händen.

»Nein, heute nicht«, wehrte Ralf kurz ab.

Eva ahnte nicht, dass Ralf zum ersten Male einen anderen den Wagen bedienen ließ, während er selbst darin saß.

Sie bogen von der Chaussee ab und rollten bald darauf über eine noch viel schlechter gepflasterte Straße. Kurz darauf hielten sie vor einem großen Gehöft, das sich als der Noltehof entpuppte.

Eva bedankte sich vielmals bei Ralf Klasen. Sie wollte ihre Koffer auf den Hof tragen, aber Fritz kam ihr zuvor. Ralf blieb unterdessen im Wagen sitzen.

»Wir sehen uns sicher bald wieder«, hatte er ihr zum Abschied gesagt.

Eva freute sich, dass sie ihm hier als Ersten begegnet war. Sollte sie das nicht als gutes Zeichen ansehen? Sie holte tief Luft; ihre Blicke schweiften über den großen Gutshof, die Stallungen und das Herrenhaus.

Ein warmer Schauer überlief Eva, in ihrem Herzen regte sich ein tiefes Glücksgefühl. Sie hatte das Empfinden, daheim zu sein.

Auch in der Heimat hatten sie diese vertrauten Laute umschmeichelt, wenn sie morgens aufstand, wenn sie sich ihr Pferd satteln ließ und davonpreschte über die Felder und durch Wälder.

Darum hatte sie auf eine Annonce geantwortet und sich um die Stellung einer Gutssekretärin bemüht. Eva war auch gleich angenommen worden.

Eben ging Fritz mit ihren Koffern auf das Haus zu. Eine junge dralle Deern kam ihm und Eva ganz erregt entgegen.

»Ach, Sie sind wohl die neue Gutssekretärin? Mein je, was wird der Herr sagen, dass man Sie nicht abgeholt hat – aber wir wussten ja nicht, wann Sie kommen!«

»Schon gut, nun bin ich ja hier«, meinte Eva begütigend. »Demnach ist mein Telegramm also noch nicht eingetroffen?«

Im gleichen Moment kam ein gemütlich aussehender älterer Briefträger daher geradelt. Er grüßte freundlich, kletterte von seinem Stahlross.

»Heda, Trinchen, ein Telegramm für den jungen Herrn!«, rief er.

Das Trinchen glich einem aufgescheuchten Huhn, lief auf den Briefträger zu.

»Da haben wir ja das Telegramm. Sehen Sie ...«

Eva sah und nickte freundlich.

Fritz stellte die beiden schweren Koffer in die Vorhalle des Gutshauses. Er wollte gerade wieder kehrtmachen, als ihm Eva ein Geldstück in die Hand drückte.

»Und vielen herzlichen Dank für Ihre Hilfe«, sagte sie freundlich.

Trina führte sie in ein schönes großes Zimmer, das auch nett eingerichtet war. Die Fenster zeigten zum Garten.

»Wie schön«, murmelte Eva und eilte sofort zu einem Fenster, aber sie starrte betroffen auf die kleine Wildnis, die sich ihr bot! Der Rasen musste dringendst geschnitten werden, die Büsche und Hecken konnten ebenfalls eine Schere vertragen. Die Beete waren mit Unkraut überwuchert.

Trinchen stand jetzt neben ihr und seufzte.

»Die Leute fehlen, niemand will mehr auf dem Land arbeiten«, erklärte sie. »Früher, als die alte Herrin noch lebte, glich der Garten einem Blumenparadies.«

Eva nickte schwer. Sie konnte sich vorstellen, dass der große Garten einmal sehr, sehr schön gewesen sein musste.

Sie war selbst auf einem Gutshof geboren, mit der Natur aufs innigste vertraut und verbunden. Die Sehnsucht nach ihr hatte niemals geschwiegen.

Immer noch stand sie am Fenster und schaute über das Stückchen Land, das künftighin ihre Heimat werden sollte. Würde es auch »Heimat« werden?

»Und hier ist das Bad, Fräulein ...« Trinchen suchte nach dem Namen.

»Blomquist«, murmelte Eva schnell.

»Richtig – also Blomquist! Ist ein bisschen schwer auszusprechen«, stotterte Trinchen. Sie öffnete wieder die Tür, ging ein Stück, um eine andere aufzuschließen. »Ich wollte es noch säubern lassen, konnte ja nicht erwarten, dass Sie jetzt schon da sind«, entschuldigte sie sich im gleichen Atemzug.

An den Wänden hingen Spinnengewebe, in der Badewanne krabbelte eine fette Spinne mit langen Beinen herum.

Anscheinend kümmerte sich hier die junge Herrin nicht sonderlich viel um den Haushalt.

»Ich werde Ihnen eine Tasse Kaffee kochen lassen«, meinte Trinchen, als sie ging. Kommen Sie, nun essen Sie erst einmal etwas, sonst schimpft der Herr noch auf mich, weil ich Sie verhungern lasse!«

Eva wunderte sich, dass Trinchen nur immer den Herrn erwähnte. Gab es hier denn keine Herrin? Aber sie mochte nicht danach fragen.

Der Kaffee war jedenfalls gut, und das Schinkenbrot erinnerte Eva erneut an die Heimat. Sie war jetzt auch ehrlich hungrig und hieb tüchtig hinein.

Sie saß noch im Frühstückszimmer, als die Tür geöffnet wurde. Nein, sie wurde stürmisch aufgerissen, und genauso stürmisch trat ein Mann in den Raum.

Im ersten Moment schockierte Eva seine Wildheit.

»Ich bin Fred Nolte, und es tut mir leid, dass Sie niemand von der Bahn abgeholt hat!«

Er streckte ihr impulsiv die Hände entgegen. Dunkle Augen blitzten dabei auf. Beim Lachen entblößte er eine Reihe schneeweißer Zähne.

Eva hätte nicht sagen können, warum sie ihr zukünftiger Herr anzog, und wieso sie sich gleichzeitig vor ihm fürchtete.

Er verbreitete Leben um sich herum, er sprühte vor Vitalität, ja Wildheit. Er war einer jener Typen, die man nicht übersehen kann.

»Ich hatte Glück, Herr Nolte, und bin mitgenommen worden.«

»So, das freut mich! Wer hat sich denn Ihrer erbarmt?« Er setzte sich einfach zu ihr.

»Ein Herr ... Klasen«, antwortete Eva wahrheitsgemäß. Sie wunderte sich, dass ihr zukünftiger Brotgeber jetzt auch die Stirn runzelte, genau wie es Ralf Klasen getan, als sie ihm ihr Endziel nannte.

Danach ließ er sie erst einmal in Ruhe zu Ende frühstücken, bat sie dann aber zu sich in sein Arbeitszimmer. Als er neben ihr herging, stellte Eva fest, dass er kaum größer als sie selbst war. Dabei wirkte er um vieles länger. Aber das täuschte.

Er bat sie, in einem Sessel Platz zu nehmen.

»Also, Sie sind an selbstständiges Arbeiten gewöhnt?«, fragte...



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