Benvenuti Cotton Reloaded - 44
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-7325-2264-4
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Vienna Calling
E-Book, Deutsch, Band 44, 140 Seiten
Reihe: Cotton Reloaded
ISBN: 978-3-7325-2264-4
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Special Agents Jeremiah Cotton und Philippa Decker werden nach Wien gerufen. Ihr Auftrag: Sie sollen einen wichtigen Zeugen sicher in die USA zurückgeleiten. Der Mann ist kein geringerer als Marek Kompowski, der ehemalige Buchhalter eines Mafiabosses, gegen den das FBI schon seit Jahren erfolglos ermittelt.
Doch plötzlich verlangt Kompowski für seine Aussage eine Gegenleistung. Cotton und Decker sollen seinen entführten Sohn finden. Für die beiden Agents beginnt ein tödlicher Tanz auf blutigem Parkett ...
COTTON RELOADED ist das Remake der erfolgreichen Kultserie JERRY COTTON und erscheint monatlich in abgeschlossenen Folgen als E-Book und Audio-Download.
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»Ist das irgendein mieser Trick, damit Sie nicht ausgeliefert werden?«, fragte Cotton.
Kompowski schüttelte den Kopf. »Nein, das ist kein Trick. Karl Ferdinand Aigner ist wirklich mein Sohn, und er ist verschwunden. Hier, in Wien.«
Decker musterte den Buchhalter mit zweifelndem Blick und sagte: »Vielleicht sollten Sie die Geschichte von Anfang an erzählen.«
»Das ist völlige Zeitverschwendung!«, mischte sich Wegner in die Diskussion ein. »Denn genau das ist es: Bloß eine Geschichte. Und zwar eine, mit der Kompowski uns seit Tagen auf die Nerven geht.«
Botschafter Rutherford wies auf die gepolsterte Tür und meinte: »Bitte, Ladys und Gentlemen, begeben wir uns doch in das Zimmer nebenan. Dort spricht es sich gemütlicher.«
Alle Anwesenden gingen hinüber.
Anders als das große, ganz auf Repräsentation ausgelegte Büro, das sie gerade verlassen hatten, war dieses verhältnismäßig kleine Zimmer ein Ort zum Entspannen und Nachdenken. Neben einem Esstisch aus hellem Holz, der von zwei schlichten Stühlen flankiert wurde, gab es ein gemütlich aussehendes Sofa, einige gut gepolsterte Sessel und einen großen Flachbildschirm. An der in gedecktem Weiß gestrichenen Wand hingen etliche gerahmte Fotos, die Rutherford beim Tennisspielen, Surfen oder Reiten mit einer brünetten Schönheit Ende dreißig zeigten. Cotton vermutete, dass es sich bei der Frau um Mrs Rutherford handelte. Der Mann hatte auf jeden Fall einen guten Geschmack, was Frauen anbelangte.
Nachdem sie Platz genommen hatten, wandte sich Cotton an Kompowski, der neben seiner Anwältin auf dem Sofa saß, und sagte: »Na gut, legen Sie los. Ich bin ganz Ohr.«
Kompowski spielte ein paar Sekunden mit der Untertasse herum, so, als müsse er seine Gedanken ordnen, räusperte sich und begann schließlich zu erzählen: »Vor knapp fünfunddreißig Jahren lernte ich in New York eine junge Österreicherin namens Dorothea Aigner kennen. Sie studierte Geschichte und machte damals ein Auslandssemester an der NYU. Wir verbrachten sechs aufregende Monate miteinander, bevor sie zurück nach Wien flog, und ich habe nichts mehr von ihr gehört.« Er nippte an seinem Kaffee und fuhr fort: »Vor ein paar Monaten habe ich plötzlich einen Brief einer Wiener Anwaltskanzlei bekommen. Darin wurde mir mitgeteilt, dass Dorothea Aigner vor Kurzem an Brustkrebs gestorben und ich der Vater ihres einzigen Sohnes Karl Ferdinand sei. Ich habe den Brief zuerst für einen dummen Scherz gehalten, aber ein Anruf in Wien hat mich eines Besseren belehrt.«
Decker wandte sich an Dr. Brem und sagte: »Ich nehme an, der Brief stammte von Ihnen.«
Die Anwältin nickte. »Dorothea Aigner war meine Mandantin, ja. Unsere Kanzlei hat sich auch um ihren Nachlass gekümmert.«
Cotton schüttelte ungläubig den Kopf und sagte, an Kompowski gewandt: »Eine Frau behauptet nach über dreißig Jahren, dass Sie der Vater ihres Kindes sind, und Sie haben das einfach so geglaubt?«
»Ganz so war es nicht«, antwortete Dr. Brem anstelle des Buchhalters. »Dem Schreiben lag eine Haarprobe von Karl Ferdinand Aigner bei, die Herr Kompowski bei einem Labor seines Vertrauens mit einer eigenen DNA-Probe abgleichen lassen konnte.«
»Was ich auch getan habe«, nahm Kompowski den Faden wieder auf. »Und das Ergebnis war eindeutig: Von wem auch immer die Haare stammten, er ist mein Sohn.«
»Warum hat Dorothea Aigner so lange gewartet?«, fragte Decker. »Warum hat sie Kompowski nicht gleich nach der Geburt gesagt, dass er der Vater ihres Sohnes ist?«
Dr. Brem zuckte elegant mit den Schultern. »Das weiß ich nicht, Agent Decker. Frau Aigner hat es mir nicht gesagt, und ich, ich habe sie nicht danach gefragt.«
»Das spielt doch jetzt keine Rolle mehr«, wandte Kompowski ungestüm ein. »Was dagegen eine Rolle spielt, ist die Tatsache, dass ich deshalb nach Europa geflüchtet bin. Den Brief bekam ich nur wenige Tage bevor das FBI mich ins Visier genommen hatte und mir klar geworden war, dass Gretschko mich auf die Abschussliste hatte setzen lassen. Wenn ich schon flüchten musste, dann wollte ich wenigstens meinen Sohn kennenlernen.«
»Und, haben Sie das?«, fragte Cotton, trank den hervorragenden Kaffee aus und stellte die leere Tasse auf den Esstisch.
Kompowski nickte. »Karls Mutter hat ihm kurz vor ihrem Tod von mir erzählt. Er wusste also bereits, dass es mich gab, als ich bei ihm auftauchte. Bei den ersten Treffen waren wir beide unsicher und angespannt. Karl war sehr zurückhaltend, aber ich habe ihn von Anfang an gemocht. Nach ein, zwei Wochen hat er sich etwas geöffnet, und wir haben uns gut verstanden. Und ich konnte mich mit meiner späten Vaterrolle mehr und mehr anfreunden.« Kompowski stockte, seufzte schwer und wischte sich mit der fleischigen Hand über die Augen.
»Und weiter?«, drängte Cotton und ignorierte Deckers vorwurfsvollen Blick, weil er wieder mal vergessen hatte, seine Extraportion Sensibilität zu frühstücken.
»Dann ist mein Sohn verschwunden«, erwiderte Kompowski mit brüchiger Stimme. »Einfach so.«
»Wann haben Sie ihn denn zuletzt gesehen oder mit ihm gesprochen?«, wollte Decker wissen.
»Wir haben uns letzten Montag zum Mittagessen getroffen. Er erzählte mir, dass es da einen Mann gebe, der ihm vermutlich Schwierigkeiten bereiten werde, ohne jedoch ins Detail zu gehen. Am nächsten Tag haben wir am späten Vormittag noch einmal miteinander telefoniert.«
»Worüber haben Sie gesprochen?«, fragte Cotton.
»Wir wollten am langen Wochenende miteinander wandern gehen. Karl hat sich extra den Fenstertag freigenommen. Und er hat mir gesagt, dass dieser Mann, der ihm Schwierigkeiten machen könnte, ihn vor seiner Wohnung abgepasst habe.«
»Wer war denn der Mann, und was wollte er von Ihrem Sohn?«, fragte der Botschafter, der der Unterhaltung mit gespanntem Gesichtsausdruck gefolgt war.
Kompowski zuckte hilflos mit den Schultern. »Das weiß ich nicht. Leider. Karl hat auf mein Drängen hin versprochen, mir beim Abendessen alle Details zu erzählen. Aber er ist nicht aufgetaucht. Ich habe ihn angerufen, konnte ihn aber nicht erreichen. Also bin ich in seine Wohnung gefahren und anschließend sogar ins Institut. Ohne Erfolg.«
»Waren Sie bei der Polizei?«, fragte Decker.
»Das war er!«, rief Wegner vom Fenster herüber, durchquerte gemächlichen Schrittes den Raum und blieb neben dem Sofa stehen. »Genauer gesagt, seine Anwältin war dort.«
Decker warf Dr. Brem einen fragenden Blick zu.
»Nun«, erklärte die Anwältin, »gegen meinen Mandanten lag ja ein internationaler Haftbefehl vor. Wäre er also persönlich zur Polizei gegangen, um das Verschwinden seines Sohnes zu melden, hätte man ihn vermutlich gleich vor Ort verhaftet.«
»Also hat seine Rechtsverdreherin meinen Kollegen erzählt, dass Karl Ferdinand Aigner ein Bekannter von ihr sei, der spurlos verschwunden ist«, ergänzte Wegner bissig.
»Haben Sie Aigner gesucht?«, fragte ihn Cotton.
Wegner nickte energisch. »Natürlich! Meine Kollegen haben alles auf den Kopf gestellt, aber keinen Hinweis auf ein Verbrechen gefunden. Sie gehen davon aus, dass Aigner das lange Wochenende wie geplant zum Wandern genutzt hat. Nur eben ohne seinen Vater.«
»Das ist doch Nonsens!«, brauste Kompowski auf. »Er hätte mich zumindest angerufen!«
Wegner lachte zynisch und entgegnete: »Wie lange kennen Sie Ihren Sohn schon? Drei Sekunden? Und da wissen Sie ganz genau, was er tun würde und was nicht?«
Kompowski sprang vom Sofa hoch und rief erregt: »Ich bin mir sicher, dass Karl etwas zugestoßen ist! Und es würde mich nicht wundern, wenn dieser Mann, der ihn mehrmals belästigt hat, hinter seinem Verschwinden steckt.«
Decker wandte sich an den Wiener Chefinspektor und fragte: »Konnten Ihre Kollegen den Mann ausfindig machen?«
Wegner schüttelte stumm den Kopf.
»Was ist mit Aigners Handy? Wurde es geortet?«
Wegner ballte die Hände zu Fäusten und sagte ganz leise und langsam: »Ja, wurde es. Ob Sie es glauben oder nicht, Agent Decker, auch die Wiener Polizei weiß, wie man eine Ermittlung durchführt. Aigners Handy lag in seinem Büro. Wo er es vergessen hatte. Was, wie die Sekretärin des Instituts uns versicherte, durchaus öfter vorkam.« Er wandte sich direkt an Kompowski, der unruhig durchs Zimmer tigerte. »Sie sehen, es gibt für alles eine ganz harmlose Erklärung.«
Der Buchhalter blieb abrupt stehen und stieß aufgeregt hervor: »Mir ist egal, was Ihre Kollegen angeblich herausgefunden haben, Chefinspektor! Ich weiß, dass mein Sohn in Schwierigkeiten steckt. Vermutlich befindet er sich sogar in Gefahr.«
»Ich wiederhole«, entgegnete Wegner mit eisiger Miene: »Nichts deutet auf ein Verbrechen hin!«
Kompowski ignorierte den Einwand, trat dicht an Decker heran und sagte mit einer Mischung aus Verzweiflung und Entschlossenheit in der Stimme: »Ich biete Ihnen folgenden Deal an: Sie und Ihr Kollege helfen der Wiener Polizei, meinen Sohn zu finden. Im Gegenzug sage ich den amerikanischen Behörden alles, was ich über Oleg Gretschko weiß. Und glauben Sie mir, ich weiß eine ganze Menge.« Er hielt kurz inne, kniff sich in die Nasenwurzel und fuhr fort: »Sollten Sie sich weigern, werden Sie von mir kein einziges Wort über Gretschko hören! Nicht heute, nicht morgen. Niemals!«
»Mach mal halblang, Kumpel«, sagte Cotton mit kaum verhohlener Wut. Er hasste es, unter Druck gesetzt zu werden, vor allem, wenn dieser Druck von einem Kriminellen kam. »Wir könnten Sie einfach mitnehmen und Sie so lange in den USA wegen der Geldwäschedelikte einsperren, bis Sie weichgekocht sind. Dann wringen wir Sie aus.«
Ein humorloses Lächeln umspielte Kompowskis fleischigen Mund....




